Als niemand ahnen konnte, daß die urchristliche Bewegung einmal die ganze Kultur verwandeln und gestalten sollte, waren ihre Missionare nicht die angesehenen Gründer des Christentums, sondern heimatlos vagabundierende Propagandisten ohne Erwerb und Wohnsitz. Sie verkörperten eineForm sozial-abweichenden Verhaltens, das sich grundlegenden Normen und Notwendigkeiten der Gesellschaft entzogen hatte; man denke an die Nachfolgegebote der Heimat- und Besitz-, Schutz- und Familienlosigkeit. Sie predigten und lebten so eine Freiheit gegenüber grundlegenden sozialen Verpflichtungen, die nur für den praktizierbar ist, der sich den stabilisierendenund domestizierenden Wirkungen kontinuierlichen Arbeitslebens entzogen hat – nicht durch Privilegien des Besitzes, sondern durch die asketische Armut einer ungesicherten Randexistenz, die dem Leben kynischer Wanderphilosophen vergleichbar ist. Nun ist aber auch der größte Asket auf Lebensunterhalt angewiesen. Wenn er selbst nicht arbeitet, heißit das: Er ist auf andere Menschen angewiesen, die für ihn arbeiten. Er bleibt so auf handfeste Weise an diese Welt gebunden, mag er sich auch sonst noch so sehr von ihr distanzieren. Die Frage des Lebensunterhaltsrührt daher an die Wurzeln seiner geistigen Existenz, sie berührtdie Glaubwürdigkeit seiner exponierten Lebensweise. Es ist daher sicherlich kein Zufall, daß diese Frage in den Anweisungen an urchristliche Wanderprediger einen breiten Raum einnimmt (vgl. die Aussendungsrede Lc. x. 3 ff. parr.), daß sie in den Gemeinderegeln für den Umgang mit wandernden Charismatikern dominiert (Mt. x. 40–2; Did. xi) und zu einem zentralen Thema in den Auseinander-setzungen zwischen konkurrierenden Wanderpredigern werden konnte (I Cor. ix; II Cor. x-xiii): Die soziale Legitimität der wandernden Prediger hängt in der Tat weitgehend davon ab, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verschaffen.