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Legitimation und Lebensunterhalt: Ein Beitrag zur Soziologie Urchristlicher Missionare

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

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Als niemand ahnen konnte, daß die urchristliche Bewegung einmal die ganze Kultur verwandeln und gestalten sollte, waren ihre Missionare nicht die angesehenen Gründer des Christentums, sondern heimatlos vagabundierende Propagandisten ohne Erwerb und Wohnsitz. Sie verkörperten eineForm sozial-abweichenden Verhaltens, das sich grundlegenden Normen und Notwendigkeiten der Gesellschaft entzogen hatte; man denke an die Nachfolgegebote der Heimat- und Besitz-, Schutz- und Familienlosigkeit. Sie predigten und lebten so eine Freiheit gegenüber grundlegenden sozialen Verpflichtungen, die nur für den praktizierbar ist, der sich den stabilisierendenund domestizierenden Wirkungen kontinuierlichen Arbeitslebens entzogen hat – nicht durch Privilegien des Besitzes, sondern durch die asketische Armut einer ungesicherten Randexistenz, die dem Leben kynischer Wanderphilosophen vergleichbar ist. Nun ist aber auch der größte Asket auf Lebensunterhalt angewiesen. Wenn er selbst nicht arbeitet, heißit das: Er ist auf andere Menschen angewiesen, die für ihn arbeiten. Er bleibt so auf handfeste Weise an diese Welt gebunden, mag er sich auch sonst noch so sehr von ihr distanzieren. Die Frage des Lebensunterhaltsrührt daher an die Wurzeln seiner geistigen Existenz, sie berührtdie Glaubwürdigkeit seiner exponierten Lebensweise. Es ist daher sicherlich kein Zufall, daß diese Frage in den Anweisungen an urchristliche Wanderprediger einen breiten Raum einnimmt (vgl. die Aussendungsrede Lc. x. 3 ff. parr.), daß sie in den Gemeinderegeln für den Umgang mit wandernden Charismatikern dominiert (Mt. x. 40–2; Did. xi) und zu einem zentralen Thema in den Auseinander-setzungen zwischen konkurrierenden Wanderpredigern werden konnte (I Cor. ix; II Cor. x-xiii): Die soziale Legitimität der wandernden Prediger hängt in der Tat weitgehend davon ab, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verschaffen.

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Copyright © Cambridge University Press 1975

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page 192 note 1 Aufsatz, meinen: ‘Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum’, Z.Th.K. 70 (1973), 245271. Im folgenden werden die dort geäußerten Gedanken fortgeführt.Google Scholar

page 193 note 1 In Mt. x. 4 und Mc. iii. 18 steht zwar ‘Kanaanäer’, was jedoch wörtliche Übersetzung von ‘ha kannai’ (der Eiferer, der Zelot) sein dürfte. Diese Variation des Beinamensläßt sich zudem eher aus ‘Zelot’ ableitenals umgekehrt ‘Zealot’ aus ‘Kanaanäer’: Eine Verbindung der Jesusbewegung mit den Zeloten war nach dem jüdischen Krieg gewiß inopportun. Vgl. Klausner, J., Jesus von Nazareth (Berlin, 1930), S. 277.Google Scholar

page 193 note 2 Sozial abweichendes Verhalten gibt es in jeder Gesellschaft und ist eine völlig ‘normale’ Erscheinung; nur absoluter Zwang könnte es unterbinden. Erst ein ungewöhnlicher Anstieg sozial abweichenden Verhaltens kann als Symptom sozialer Desorganisation und ‘Anomie’ gewertet werden. König, R, Art. ‘Anomie”, in: Fischer-Lexikon Soziologie (Frankfurt, 1958), S. 1725. Zur zentralen Bedeutung des Begriffs Anomie für die ReligionssoziologieGoogle ScholarBerger, P., Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft. Elemente einer soziologischen Theorie (Frankfurt, 1973).Google Scholar

page 194 note 1 Zu den Stadtrepubliken in Palästina Jones, A. H. M., ‘The urbanization of Palestine’, Rom. Stud. xxi (1931), S. 7885; ders.:The Cities of the Eastern Roman provinces(Oxford, 1937), S. 248 ff.CrossRefGoogle ScholarAlt, A, ‘Hellenistische Städte und Domänen in Galiläa’, Galiläische Probleme 3, in: Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel, Bd. II (München, 1953), S. 384–95.Google ScholarTcherikover, V. A, ‘Was Jerusalem a “Polis”?’, Israel Exploration Journal XIV (1964), S. 6178. Weitere Literatur beiGoogle ScholarHengel, M., Judentum und Hellenismus, W.U.N.T. 10 (Tübingen, 1969), S. 42 A. 146.Google Scholar

page 194 note 2 Die Instabilität der sozialen und politischen Situation wird durch den häufigen Wechsel der Verfassung belegt: Von 63–40 v. Ch. unterstand Judäa, Galiläa und Peräa der römischen Provinzialverwaltung. In dieser Zeit wird zwei Mai eine Änderung der Verhältnisse herbeigeführt, 57 v. Ch. durch Gabinius, 47 v. Ch. durch Caesar. Von 40 v. Ch. bis 6 n. Ch. herrschen einheimische Monarchen, 6n. Ch.-41 n. Ch. römische Statthalter, 41–4n. Ch. wieder ein einheimischer Monarch, dann wieder Statthalter. Nur in Galiläa halten sich einheimische Fürsten von 40 v. Ch. bis 44 n. Ch.

page 194 note 3 Jeremias, J., Jerusalem zur Zeit Jesu (Göttingen, 3 1969), S. 166 ff., hat die Institutionen und Lebensgewohnheiten dieser theokratischen Kreise analysiert.Google Scholar

page 194 note 4 Die Probleme der jüdischen Monarchie analysiert Schalit, A., König Herodes, Studia Judaica 4 (Berlin, 1969), bes. S. 146 ff., 298 ff. Ders.: ‘Herodes und seine Nachfolger’, Kontexte, III (1966), S. 34–42.Google Scholar

page 194 note 5 Hengel, M, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I bis 70 n. Chr. (Leiden, 1961).Google Scholar

page 194 note 6 M. Hengel, Zeloten, S. 235 ff. Diese messianischen Propheten sind m. E. jedoch stärker von den Zeloten zu unterscheiden. Letztere besaßen ein religiöses und soziales Programm, das unabhängig von bestimmten Messiasprätendenten weitergeführt werden konnte. Die Bewegungen der messianischen Propheten zerfallen dagegen mit dem Tod der Anführer. Vgl. noch Meyer, R, Der Prophet aus Galiläa (Leipzig, 1940 = Darmstadt, 1970).Google Scholar

page 195 note 1 So auch J. Klausner, Jesus von Nazareth, S. 253: ‘Die Arbeitslosen wurden entweder Bettler, die immer mehr herunterkamen, unter schwerem seelischen Druck standen, nur noch auf ein Wunder hofften und von denen die Schwächeren die Straßen der Städteund Dörfer mit ihrer frömmelnden Bettelei füllten, während die Stärkeren das Land mit Raub, Mord und Aufruhr beunruhigten und in Höhlen, Wüsten oder Felsklüften hausten.’

page 195 note 2 Mit Hinweis auf einige besser gestellte Christen kann man kaum die Annahme widerlegen, die Jesusbewegung sei aus sozialen Widersprüchen hervorgegangen. Gegen Schumacher, R., Die soziale Lage der Christen im apostolischen Zeilalter (Paderborn, 1924).Google Scholar

page 195 note 3 So vor allem J. Klausner, Jesus von Nazareth, S. 179 ff. Vgl. jedoch A. Schalit, König Herodes, S. 322–8.

page 195 note 4 Darauf weist vor allem Grant, F. C, The Economic Background of the Gospels (Oxford, 1926), S. 87110.Google Scholar

page 195 note 5 Eine Zusammenstellung der Notzeiten findet sich bei J. Jeremias, Jerusalem, S. 137 ff.

page 196 note 1 Farmer, W. R., ‘The economic basis of the Qumran community’, Th.Z.’ XI (1955), 295308; xii (1956), 56–8.Google ScholarPakozdy, L. M: ‘Der wirtschaftliche Hintergrund der Gemeinschaft von Qumran’, in: Qumran-Probleme, hrsg. v. H. Bardtke (Berlin, 1963), S. 167–91.Google Scholar

page 196 note 2 M. Hengel, Zeloten, S. 26–35, gibt einen Überblick über das allgemein verbreitete Räuberwesen und stellt die Zeloten so in einen allgemeineren Rahmen, ohne ihre charakteristischen Merkmale zu vernachlässigen.

page 196 note 3 Vgl. F. C. Grant, Economic Background, S. 81–7; M. Hengel, Judentum und Hellenismus, S. 30, 92. Einen Überblick über die Debatte über die Bevölkerungsdichte des damaligen Palästinas gibt Baron, S. W., A Social and Religious History of the Jews (New York, 1952), S. 370–2.Google Scholar

page 196 note 4 Deißmann, A., Licht vom Osten (Tübingen, 4 1923), S. 210; ders.: Das Urchristentum und die unteren Schichten (Göttingen, 21908), S. 23 ff.;Google ScholarSherwin-White, A. N., Roman Society and Roman Law in the Mew Testament (Oxford, 1963), S. 120–43;Google ScholarJudge, E. A., Christliche Gruppen in nichtchristlicher Gesellschaft (Wuppertal, 1964), S. 717.Google Scholar

page 196 note 5 Goulder, M. D, ‘Characteristics of the parables in the several gospels’, J.Th.St. XIX (1968), 5169, sieht nur in den markinischen Gleichnissen die dörflich-natürliche Welt vorausgesetzt, besonders bei Lk träten verstärkt städtische Züge auf. Jedoch spielen auch viele Gleichnisse des lukanischen Sonderguts in ländlichem Milieu, z. B. Lc. x. 30–7; xiii. 6–9; xvi. 1–8; xvii. 7–10. Diese Verwurzelung der Gleichnisse in der bäuerlichen Welt ist um so bemerkenswerter als Jesus selbst Handwerker gewesen ist: Bilder aus diesem Bereich fehlen weitgehend.CrossRefGoogle Scholar

page 197 note 1 Was Bauer, W., “Jesus der Galiläer’, in: Aufsätze und kleine Schriften (Tübingen, 1967), S. 91108, für Jesus herausgearbeitet hat, wird auch für die frühe Jesusbewegung gelten. Er macht darauf aufmerksam, ‘daß Jesus in den Städten von Anfang an keinen Boden zu fassen imstande war. Nazareth will nichts von ihm wissen, Chorazin, Bethsaida und Kapernaum lehnen ihn ab. Von Sephoris, Tiberias, Gaba und Tarichea jedoch schweigt die Tradition überhaupt.’ (S. 106).Google Scholar

page 197 note 2 Die Jesusbewegung gehört damit zu jenem Typos messianischer Bewegungen, die aus einer Konfrontation zweier Kulturen entstehen und in denen es um die Wahrung des Selbstwertgefühls gegenüber der politisch überlegenen Kultur geht. Mühlmann, W. E., Chiliasmus und Nativismus (Berlin, 1961);Google ScholarLinton, R.: ‘Nativistische Bewegungen’, in: Religionsethnologie, hrsg. v. C. A. Schmitz (Frankfurt, 1964), S. 390403.Google Scholar

page 198 note 1 Auch die Sadduzäer lassen sich von diesem Anliegen her verstehen: Sie wollen die Institutionen der jüdischen Theokratie wahren, von denen sie als Mitglieder der Oberschicht profitieren. Zum soziologischen Hintergrund der verschiedenen Strömungen in der jüdisch-palästinensischen Gesellschaft vgl. Alfaric, P., Die sozialen Ursprünge des Christentums hrsg. v. G. Pätsch und M. Robbe (DarmstadtBerlin, 1963), S. 4375. Auf ihm basiert die marxistische Deutung beiGoogle ScholarRobbe, M., Der Ursprung des Christentums (Leipzig–Jena, 1967), S. 5771. Daß die Essener in ihrer Eigenständigkeit gegenüber der Jesusbewegung verkannt werden, istbei beiden ein gravierender Fehler.Google Scholar

page 198 note 2 Richtig M. Hengel, Zeloten, S. 233 f: Jesusbewegung, Pharisäer und Zeloten lassen sich in gleicher Weise vom ‘Motiv der eschatologischen Toraverschärfung’ her deuten. Vgl. die eingehende Untersuchung dieses Phänomens bei Braun, H., Spätjüdisch-häretischer und frühchristlicher Radikalismus, B.H.Th. XXIV (Tubingen, 1957).Google Scholar

page 199 note 1 Ihre Hervorhebung bei Lukas entspricht dessen Tendenz, das Urchristentum mit Frauen aus den oberen Schichten in Verbindung zu bringen vgl. Hengel, M., ‘Maria Magdalena und die Frauenals Zeugen’, in: Abraham unser Vater, Festschrift für O. Michel (Leiden, 1963), S. 243–56, bes. S. 245 f.Google Scholar

page 199 note 2 Bolkestein, H., Wohltätigkeitund Armenpflege im vorchristlichen Altertum (Groningen, 1967 = Utrecht, 1939).Google Scholar

page 199 note 3 Die These von Holl, K., Der Kirchenbegriff des Paulus in seinem Verhältnis zu dem der Urgemeinde, Gesammelte Aufsätze II (Tübingen, 1928), S. 4467, daß ‘die Armen’ ein ekklesiologischer Titel der Urgemeinde war, wurde vonGoogle ScholarKeck, L. E., ‘The poor among the saints in the New Testament’, Z-N.W. LVI (1965), 100–37, ders.: ‘The poor among the saints in Jewish Christianity and Qumran’, Z.N.W. LVII (1966), 54–68 einer kritischen Prüfung unterzogen – mit negativem Ergebnis. Jedoch sollte man nicht bestreiten, daß ‘Armut’ hier kein rein soziologischer Begriff ist, sondern die religiöse Deutung des sozialen Sachverhalts immer mitschwingt.Google Scholar

page 200 note 1 Vgl. die ausführliche Analyse der sozialen undreligiösen Aspekte dieses Reformversuchs bei M. Hengel, Judentum und Hellenismus (1969). Mit Recht schreibt er abschließend über das Urchristentum: ‘Hier wurde nun wirklich – allerdings in ganz anderer Weise als bei dem Reformversuch nach 175 v. Chr. – das Tor zu den “Volkern” aufgestoßen’ (S. 569).

page 200 note 2 Conzelmann, H., Geschichte des Urchristentums (Göttingen, 1971), S. 140 f. vermutet wohl mit Recht, daß Barnabas in diesem Punkt der Lehrmeister des Paulus war. Nach soziologischen Gründen für diese Entscheidung fragt auchGoogle ScholarDautzenberg, G, ‘Der Verzicht auf das apostolische Unterhaltsrecht. Eine exegetische Untersuchung zu I Kor. 9’, Bib. 50 (1969), S. 212–32. Die Auskunft, Paulus habe sich an untere Schichten gewandt, die er nicht habe belasten wollen, ist eine sehr unbefriedigende Erklärung: Paulus hat sich zweifellos auch an Mitglieder höherer Schichten gewandt (s.u.). Soziologische Aspekte fehlen völlig bei Ch. Maurer: ‘Grund und Grenze apostolischer Freiheit. Exegetisch-theologische Studie zu I. Korinther 9’, in: Antwort. K. Barth zum 70. Geburtstag (Zurich, 1956), S. 630–41.Google Scholar

page 201 note 1 Vgl. A. H. M.Jones, The Cities…, passim; E. A. Judge, Christliche Gruppen, S. 17 ff.

page 201 note 2 Welche Schwierigkeiten aus einer ‘Königsreichs’-Verkündigung folgen konnten, beleuchtet Act. xvii. 7.

page 201 note 3 Brockmeyer, N.: Sozialgeschichte der Antike(Stuttgart, 1972), S. 110: ‘Die weitgehende Urbanisierung des Reiches bewirkte während der frühen und hohen Kaiserzeit eine kulturelle und zivilisatorische Entwicklung, wie sie für die Antike einmalig war und erst in der Neuzeit wieder erreicht wurde.’Google Scholar

page 201 note 4 Bienert, W., Die Arbeit nach der Lehre der Bibel (Stuttgart, 1954), S. 302 ff.Google Scholar

page 201 note 5 Das Fehlen der synoptischen Überlieferung in der Briefliteratur ist m. E. auch durch eine soziologische Überlieferungsschwelle bedingt, die die Verbreitung der in Palästina entstandenen Traditionen in die städtische Mittelmeerwelt erschwerte. Nimmt man alle Worte zusammen, die (a) radikaltheokratisches Gedankengut aufweisen, alsoalles Worte vom Reich Gottes, (b) vom afamiliären ethischen Radikalismus palästinensischen Wandercharismatikertums geprägt sind oder (c) an kulturelle (u.a. sprachliche) Bedingungen dieses Raumes gebunden sind, so bleibt nicht viel übrig. Keineswegs kann man das Fehlen der Überlieferung auf eine persönliche Entscheidung des Paulus zurückführen. Das betonen mit Recht Schmithals, W., ‘Paulus und der historische Jesus’, Z.N.W. LIII (1962), 145–60;Google ScholarKuhn, H.W., ‘Der irdische Jesus bei Paulus als traditionsgeschichtliches und theologisches Problem’, Z.Th.K. LXVII (1970), S. 295320.Google Scholar

page 202 note 1 Natürlich gab es auch in Palästina einen Patriarchalismus des Hauses. Aber er hat nicht die Jesusbewegung geprägt. Prägend waren hier wandernde Charismatiker. In den Städten wurden dagegen sehr bald die ortsansässigen Christen zum entscheidenden Träger des Urchristentums. Die Gemeinden waren hier viel größer, entwickelten eigene Autoritätsstrukturen, während die kleinen Sympathisantengruppen Palästinas (vgl. Mt. xviii. 20) viel mehr vonwandernden Autoritäten abhängig waren.

page 202 note 2 Natürlich konnte sich auch der Fischer anheuern lassen (vgl. Mc. i. 20). Aber die palästinensischen Wandercharismatiker wirkten zunächst in ländlichem Gebiet (vgl. Mt. x. 5 f.). Außerdem läßt sich die Arbeit auf dem Meer nur sehr schwer mit missionarischen Intentionen verbinden, während Handwerksarbeit viel mehr Gelegenheit zur Kommunikation gibt. Weber, M., ‘Religionssoziologie’, in: Wirtschaft und Gesellschaft (Tübingen, 3 1947), S. 293, nennt den ‘wandernden Hand werksburschen’ den charakteristischen Träger des Urchristentums.Google Scholar

page 203 note 1 Vgl. K. Holl: ‘Das Fortleben der Volkssprachen in Kleinasien in nachchristlicher Zeit’, in: Gesammelte Aufsätze, S. 238–48.

page 204 note 1 In I Thess. ii. 1–12 grenzt sich Paulus wahrscheinlich von derartigen Gestalten ab. Der Hinweis auf seine Handwerkstätigkeit fehlt nicht (ii. 9). Zum Ethos der kynischen Wanderphilosophen und-bettler vgl. H. Bolkestein, Wohltätigkeit, S. 212 f.

page 204 note 2 Betz, H. D., Der Apostel Paulus und die sokratische Tradition (Tübingen, 1972), S. 100–17.Google Scholar

page 205 note 1 Schmithals, W., Die Gnosis in Korinth (Göttingen, 3 1969), sieht im I und II Cor. dieselbe Front bekämpft. Das ist nicht ganz falsch: Die ‘Gnostiker’ im I Cor. und die Anhänger der neu eingetroffenenWanderprediger könnten durchaus zu denselben Kreisen gehört haben. Ebenso gehoren die Wanderprediger im I und II Cor. einem vergleichbaren soziologischen Typos zu.Google Scholar

page 205 note 2 Vgl. die methodologischen Erwägungen von Barrett, C. K, ‘Christianity at Corinth’, Bull. J.Rylands Library XLVI (1963/4), 269–97, S. 287 und ders.:‘Paul's Opponents in II Corinthians’, N.T.S. XVII (1971), 233–54. S.251.Google Scholar

page 207 note 1 W. Schmithals, Gnosis, S. 215 f. A. 2 hat das Problem gesehen: ‘So verteidigt man sich aber niemals gegen Vorwürfe, die gerade davon ausgehen, daß der Apostel dies Recht hat.’ Er schließt daraus zu Unrecht, man habe Paulus sein Apostelrechtgar nicht bestritten.

page 207 note 2 Häufig sieht man darin freilich eine kunstvolle Steigerung von Argumenten. Vgl. die Diskussion bei Schrage, W., Die konkreten Einzelgebote in der paulinischen Paränese (Gütersloh, 1961), S. 234 f.Google Scholar

page 208 note 1 Zur Diskreditierung der Handwerkstätigkeit in der Antike vgl. H. Bolkestein, Wohltätigkeit, S. 191 ff., 332 ff., der mit Recht klar stellt, daß die abwertenden Urteile aus der oberen, von Handwerksarbeit befreiten Schicht stammen. Die manuell tätigen unteren Schichten werden sich selbst nicht so negativ beurteilt haben: Das Urteil des Sokrates über Handwerksarbeit ist sehr viel positiver als das seines aristokratischen Schülers Plato. Vgl. ferner F. v. d. Ven, Sozialgeschichte der Arbeit, Bd 1, Antike und Frühmittelalter (München, 1971).

page 208 note 2 Dieser Vorwurf ist sehr umrätselt: (I) Reitzenstein, R., Die hellenistischen Mysterienreligionen (Stuttgart, 3 1927 = Darmstadt, 1966), S. 361, meint, die von Paulus angegriffenen Parteien gäben dessen Vorwurf zuräck, ihr Streit verriete sarkisches Wesen (ICor. iii. 1–3): Paulus stifte selber Streit und wandle daher sarkisch. (2) H. D. Betz, Der Apostel Paulus, S. 96: In Paulus hause ein Satansengel (II Cor. xii. 7), der die Krankheit des Paulus hervorrufe. Daher wandle er im Fleische. (3) Meist denkt man sehr allgemein an unlautere, nicht christliche Motive. SoGoogle ScholarLietzmann, H., An die Korinther I/II, H.N.T. 9 (Tübingen, 1949), S. 140. Etwas konkreter istGoogle ScholarWindisch, H., Der zweite Korintherbrief (Göttingen, 9 1924), S. 295: Paulus werde für einen Goeten gehalten. So auchGoogle ScholarGeorgi, D., Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief, W.M.A.N.T. 11 (Neukirchen, 1964), S. 232 A. 13. (4) W. Schmithals, Gnosis, S. 155 f. will ‘nach dem Fleische’ in rein mythischem Sinne verstehen: Paulus sei kein Pneumatiker, sondern Sarkikerim Sinne des gnostischen Ursprungsmythos.Google Scholar

page 209 note 1 Vgl. C. K. Barrett, ‘Paul's Opponents,’ S. 246.

page 209 note 2 C.K. Barrett, ‘Paul's Opponents,’ S. 246: Das Thema des Unterhaltsverzichts folgt immer ‘almost immediately upon Paul's emphatic assertion that he does not fall short of ol ὑπɛρλíαν άπόοτολοι’.

page 210 note 1 Zum folgenden vgl. D. Georgi, Gegner, S. 31–8.

page 211 note 1 Vgl. die gründliche Untersuchung dieser Topoi bei H. D. Betz, Der Apostel Paulus und die sokratische Tradition (1972).

page 211 note 2 Vgl. D. Georgi, Gegner, S. 49–51.

page 211 note 3 Daß man zwischen Lügen -und Überaposteln differenzieren müsse und letztere in Jerusalem ansässig seien – so Käsemann, E.: ‘Die Legitimität des Apostels’, Z.N.W. XLI (1942), 3371 und C. K. Barrett, Paul's Opponents, S. 252 ff. –, ist m. E. unwahrscheinlich.Google ScholarBultmann, R., Exegetische Probleme des zweiten Korintherbriefes (Darmstadt, 1963), S. 2030.Google Scholar

page 211 note 4 Käsemann, E., ‘Eine paulinische Variation des “Amor fati”’, Z.Th.K. LVI (1959), 138–54 = Exegetische Versuche und Besinnungen, II (Göttingen, 1964), 223–39. Ganz kann man zwar die ethische Deutung nicht ablehnen;jedoch will Paulus an erster Stelle zeigen, daß der Unterhaltsverzicht ein von Gott auferlegtes Schicksal ist.Google Scholar

page 213 note 1 Vgl. zur Frage D. Georgi, Gegner, S. 51–82.

page 213 note 2 Für die soziologische Analyse der Gegner des Paulus ist weniger entscheidend, ob es sich urn Judenchristen oder hellenistische Judenchristen handelt. Es ist sogar nicht einmal entscheidend, ob siepersönlich aus Palästina stammen. Entscheidend ist nur, daßsie den in Palästina entstandenen Typos des Urchristlichen Wandercharismatikers vertreten. Unabhängig davon ist ihre palästinensische Herkunft wahrscheinlich – so E. Käsemann, Legitimität, S. 33–71; C. K.Barrett, Paul's Opponents, S. 251. Selbst die Exegeten, die an hellenistische Judenchristen denken, rechnen mit einer palästinensischen Herkunft: D. Georgi, Gegner, S. 58; Friedrich, G., ‘Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief’, in: Abraham unser Vater (Leiden/Köln, 1963), S. 181215. W. Schmithals, Gnosis, S. 274–7 bestreitet die palästinensische Herkunft.Google Scholar

page 213 note 3 Wenig überzeugend ist die Annahme, es handle sich um eine θεῑος-⋯ν⋯ρ-Christologie, die der Christologie der synoptischen Wundergeschichten entspräche. Diese These wird seit D. Georgi, Gegner, S. 213 ff. häufig vertreten u. a. von Bornkamm, G., Die Vorgeschichte des sogenannten zweiten Korintherbriefes (S.B. Heidelberg, 1961), S. 15 f.; G. Friedrich, Gegner, 181 ff.; H. W. Kuhn, Der irdische Jesus bei Paulus, 295–320:Google Scholar

(1) Das Vollbringen von Wundern durch die Missionare (II Cor. xii. 12) läßt keinen Rückschluß auf eine θεῑος-⋯ν⋯ρ-Christologie zu: In der Logienquelle werden den Missionaren Wunder aufgetragen (Lc. x. 9), obwohl in ihr keinerleiθεῑος-⋯ν⋯ρ-Christologie vertreten wird. Die Versuchungsgeschichte zeigt sogar eine gewisse Distanz zu solch einer Christologie (Lc. iv. I ff.).

(2) Auch aus der Erwähnung des ‘anderen Jesus’ (II Cor. xi. 4) läßt sich nicht auf eine θεῑος-⋯ν⋯ρ-Christologie schließen. Paulus verknüpft damit den Vorwurf, daß die Korinther eine solche Predigt ‘aushielten’. Dieser Vorwurf begegnet nun auch II Cor. xi. 20: Die Korinther ‘halten aus’ die Inanspruchnahme von Privilegien durch die Gegner. Paulus hat die Gemeinde dagegen nicht belastet (xi. 9). Mit Rechtschließt C. K. Barrett, Paul's Opponents, S. 242: ‘In the foreground stands the ethical test of behaviour that is or is not consistent with the Gospel – a test which the Corinthians had omitted to apply.’

(3) Die Suche nach einer δοκιμ⋯ το⋯ ⋯ν ⋯μο⋯ λαλο⋯ντος χριστο⋯ (xiii. 3) weist eher auf eine Rede im Ich-Stil, wie sie uns aus der Logienüberlieferung und dem JohEv bekannt ist. Die Gegner sind primär Träger des Wortes, der Predigt (xi. 4).

Vom Problem der Christologie der konkurrierenden Wanderprediger ist die Frage zu trennen, wie sie sich selbst verstanden haben. Es gibt m. E. auch hier keinen Anhaltspunkt für ein Selbstverständnis der Gegner als θεῑοι ⋯νδρες. Eherkönnte man an das Ethos kynischer Wanderphilosophe denken. Es ist m. E. unzweckmäßig, den θεῑος-⋯ν⋯ρ-Begriff so weit auszudehnen, daß er auc diese Propagandisten umfaßt, wie überhaupt dieser Begriff sehr wenig präzis ist. Vgl. den Überblick bei Smith, M., ‘Prolegomena to a Discussion of Aretalogies, Divine Men, the Gospels and JesusJ.B.L. xc (1971), 174–99: Von Augustus bis zum Eremiten Antonius werden die verschiedensten Typen hier zusammengefaßt.Google Scholar

page 215 note 1 Man muß freilich auch mit der Möglichkeit rechnen, daß es sich nicht um einen Topos der konkurrierenden Wanderprediger sondern der ortsansässigen korinthischen Gemeinde handelt, die nach Kriterien zur Beurteilung der Missionare sucht: so C. K. Barrett, Paul's Opponents, S. 245.

page 216 note 1 E. Käsemann, Legitimität, S. 59 f. polemisiert gegen die Auffassung, Paulus legitimiere sich aus seinen Werken. Es ist richtig, daß Paulus alles der Gnade Gottes zuschreibt, daß er seinen Beitrag nur ‘in Torheit’ rühmt. Er rechtfertigt sich dennoch aus Leistungen – Leistungen Gottes durch ihn. Der Hinweis auf die Gnade Gottes ist keine Einschränkung des kaum noch zu überbietenden Selbstbewußtseins Paulus, des Verkünders der einzigartigen, absoluten Wahrheit an die ganze Welt, sie ist eher eine Hypertrophie dieses Selbstbewußtseins: Er rühmt sich in der Tat εἰς τ⋯ ⋯μετρα (II Cor. x. 13). Falls dahinter ein Vorwurf der Gegner steckt, so sollte man dochnicht a priori ausschließen daß auch einmal die Gegner des Paulus eine zutreffende Beobachtung gemacht haben.

page 216 note 2 Vgl. H. D. Betz, Der Apostel Paulus, S. 102.

page 217 note 1 Ob Petrus in Korinth war, ist nicht sicher; Barrett, C. K., ‘Cephas and Corinth’, in: Abraham unser Vater (Leiden, 1963), S. 112. Zumindest sind aber in Korinth Missionare gewesen, die sich auf Petrusberiefen.Google Scholar

page 217 note 2 Umstritten ist die Existenz einer Christuspartei vgl. den Forschungsbericht bei W. Schmithals, Gnosis, S. 110 ff.:

(1) Sie wird in I Clem xlvii. 3 nicht erwähnt. Daraus geht aber allenfalls hervor, daß schon der Verfasser des I Clemensbriefes sei es beimInterpretieren des I Cor., sei es in seiner Argumentation gegenüber der korinthischen Gemeinde nichts mit einer ‘Christuspartei’ anfangen konnte.

(2) Sie wird in I Cor. iii. 22 übergangen. Nun werden hier Paulus, Apollos und Kephas der Gemeinde untergeordnet, die Gemeinde aber wiederum Christus unterstellt. Die Stelle läßt sich auch unter Voraussetzung einer Christuspartei gut verstehen: Nicht nur einige, alle gehören zu Christus.

(3) Die Argumentation ‘Ist denn Christus geteilt?’ kann nicht gegen eine Christuspartei gerichtet sein. Wenn aber das ⋯γὼ delta;⋯ χριστο⋯ der paulinischen Argumentation ungelegen kommt, so ist um so mehr damit zu rechnen, daß Paulus es nicht selbst einführt: Nicht die Partei, wohl aber die Parole muß in Korinth vorhanden gewesen sein.

(4) Sofern die Taufbindung die Parteien charakterisiert, müssen diese als sehr heterogene Gruppen verstanden werden: Petrus, Apollos und Paulus haben vielleicht bzw. sicher in Korinth getauft. Die ‘Christuspartei’ könnte nichts Analoges aufweisen. Entweder handelt es sich gar nicht um eine Partei oder um eine Gruppe, die sich bewußt dem Parteienwesen entgegensetzt: also um die Parole einiger Christen.

Paulus setzt auf jeden Fall eine Christusparole in Korinth voraus und würde sich eine Blöße geben, wenn er hier wissentlich einen unzutreffenden Sachverhalt unterstellt. Entscheidend scheint mir nun die Frage zu sein, wer diese Parole geäußert hat. Hier darf man m. E. II Cor. x. 7 heranziehen: Es handelt sich nicht um eine Parole ortsansässiger Christen, sondern (wenigstens ursprünglich) um eine Parole der Wandermissionare (vgl. Mc. ix. 41): Die Apostel sind Stellvertreter Christi, gehören ihm an. Die korinthischen Parteien wußten sich jeweils einem Apostel verbunden und mittels dieses Apostels auch mit Christus. In I Cor. iii. 22 f. kehrt Paulus dies Verhältnis um: Alle Apostel gehören der Gemeinde, diese aber gehort (unmittelbar) zu Christus.

page 218 note 1 Wilckens, U., Weisheit und Torheit (Tübingen, 1959), S. 12. Sehr bedenkenswerte Gegenargumente bringt W. Schmithals, Gnosis, S. 374–6.Google Scholar

page 218 note 2 Den sozialen Status der in Korinth hervortretenden Christen habe ich in: ‘Soziale Schichtung in der korinthischen Gemeinde. Ein Beitrag zur Soziologie des hellenistischen Urchristentums’, erscheint in Z.N.W. (1974), analysiert.

page 219 note 1 Fur die Existenz von Hausbesitzern könnte I Cor. xi. 22 sprechen. Ihre Bedeutung für den Aufbau der Gemeinden hat Filson, F. V., ‘The Significance of the Early House Churches’, J.B.L. LVIII (1939), 103–12, herausgearbeitet.Google Scholar

page 221 note 1 Vgl. M. Hengel, Zeloten, S. 57.

page 221 note 2 ‘Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie’, in: Frühschriften, hrsg. v. S. Landshut (Stuttgart, 1964), S. 208.