Der französische Dichter Léon-Paul Fargue (geboren 1878) sagt in einer Unterredung mit Frédéric Lefèvre, daβ er beim Wiederlesen seiner Prosagedichte und bei der Prüfung, welche Aenderungen er jetzt, nach vielen Jahren, vornehmen würde, immer auf die alte Fassung zurückgekommen sei als die beste, um das auszudrücken, was er beschreiben wollte. Diese Aeusserung erstaunt den Leser, der bei der ersten Lektüre Fargue's vieles Bizarre, ja Willkürliche festzustellen meint. Wenn er sich aber nach wiederholter Lektüre ein Verständnis des Dichters verschafft hat, erscheinen ihm seine Gedichte nicht mehr als unbegründet phantastisch, sondern als notwendig. Diese Notwendigkeit, die einen gewiβen sicheren Glanz ausstrahlt,—“splendor veri” sagen die Platoniker—ist die Form des Geschriebenen. Die wirkliche Form, wollen wir sie einmal “innere” Form nennen, hat nichts mit der “äusseren” Form zu tun, die die Sitte verlangt. Ein Sonett, eine Ode kann absolut formlos, mit Leere aufgepumpt sein, während ein Fragment, ja ein Satz vollkommen geformt sein, in sich selbst, ja für sich selbst bestehen können. Ein geformtes Geschriebenes ist erreicht, wenn die Wort-Materie und die Vision des Autors sich absolut decken, wenn die Materie durch und durch verwandelt ist vom Geist, so daβ sich das Geformte vom Autor vollkommen ablöst, in sich selbst ruht, und ein eigenes Leben mit eigener Wirkung beginnt. Aus dieser Ansicht geht hervor, daβ ein Fragment oder ein Prosagedicht ebenso gut eine gültige Form erreichen kann wie ein Sonett oder eine Ode. Ja, den Möglichkeiten der Form des Geschriebenen (und alle geformte Sprache pflegen wir Dichtung zu nennen) ist keine Grenze gesetzt—wobei der durch die Erfahrung bedingte Wert der Konvention ein anderes Kapitel bildet.