In letzter Zeit ist die Frage nach dem Verhältnis Jesu zu den Pharisäern häufig diskutiert worden. Nicht nur die neuen Jesusdarstellungen, sondern auch mehrere Spezialuntersuchungen haben sich dieses Themas angenommen. Aber alle diese Arbeiten unterscheiden sich durch die grundverschiedene Beurteilung der neutestamentlichen Aussagen. Während etwa G. Bornkamm von der ‘Feindschaft’ zwischen den Pharisäern und Jesus spricht, E. Haenchen sogar von einer ‘Todfeindschaft’, wird andererseits von J. Klausner erklärt, Jesus sei ‘in Wirklichkeit ein Pharisäer’ gewesen, ‘der nur den Schwerpunkt der pharisäischen Lehre verschob’, und bei P. Winter findet sich sogar der Satz: ‘Jesus was a Pharisee.’ Zwischen diesen unvereinbaren Positionen finden wir noch mancherlei Kompromifißlösungen, die von solchen Autoren vorgeschlagen werden, die zwar die Evangelienberichte nicht ohne weiteres als tendenziös und falsch beiseite schieben wollen, sie aber doch ihrer theologischen Relevanz berauben möchten. Soführt R. T. Herford, dessen Buch kürzlich eine Neuauflage erlebte, die Opposition Jesu gegen den Pharisäismus darauf zurück, ‘daß Jesus mit der Tradition, die er angriff, nicht sehr vertraut war’, die Auseinandersetzung war also nur Folge eines bedauerlichen Mißverständnisses. Ähnlich will S. Zeitlin die Kontroverse zwischen Jesus und den Pharisäern verharmlosen, indem er sie auf verschiedene Ansichten über die ‘nature of society’ zurückführt: ‘Jesus and his disciples, being idealists, dreamed of establishing a Utopian society’; diesem Wunsche mußten sich natürlich vernünftige staatserhaltende Kräfte entgegensetzen.