Die neutestamentliche Textforschung befindet sich gegenwärtig in einer entscheidungsvollen Zeit. Der große Wandel begann vor 40 Jahren mit dem Bekanntwerden der Chester-Beatty-Papyri. Gewiß besaß man schon vorher eine größere Zahl von Papyri aus der Zeit vor den großen Rezensionen des 4. Jahrhunderts (deren Entstehund man sich ähnlich wie die einer modernen kritischen Ausgabe vorstellte: aus der großen Zahl vorliegender Handschriften wurden die textlich besten ausgewählt und aus diesen dann mit den Mitteln der Philologie (d.h. rezensierend) der ideale Text hergestellt. Da das den Urhebern der Rezensionen vorschwebende Ideal wie ihre Methoden verschieden waren, fielen diese verschieden aus). Aber bei den damals bekannten frühen Papyri handelte es sich nur um Fragmente, noch nie war der Text der Zeit um 200 in derartiger Breite sichtbar geworden, wie es jetzt durch die Chester-Beatty-Papyri geschah. Wie schwierig der Prozeß des Umdenkens war, den dieses Phänomen erforderte, kann man an Äußerungen selbst prominenter Textkritiker jener Zeit verfolgen. Er war noch nicht zu Ende, als vor rund 15 Jahren die Bodmer-Papyri bekannt wurden. und auch waren in den bisherigen Denkschemata noch unterzubringen (auch sie gehörten eben zu dem verwilderten Text der Frühzeit, welcher die Notwendigkeit, aber auch die Bedeutung der Rezensionen des 4. Jahrhunderts bewies). dagegen mit seiner unmittelbaren Nähe zum Codex Vaticanus erschütterte die Vorstellung von den Textrezensionen des 4. Jahrhunderts und damit entscheidende Voraussetzungen der bisherigen textkritischen Theorien von Grund auf. Daß das noch nicht überall zur Kenntnis genommen worden ist, ändert nichts am Tatbestand, auch in der Textkritik braucht das Neue seine Zeit, um sich durchzusetzen.