Die Interpretation von Mk. 14. 55–64 ‘Jesus vor dem Synhedrium’ ist dadurch erschwert, daß sich historische, überlieferungsgeschichtliche, traditionsgeschichtliche und redaktionsgeschichtliche Probleme überlagern, vor allem aber immer historische Probleme ins Spiel kommen, die die Diskussion zwischen Juden und Christen bis heute belasten. Es scheint unvermeidlich, daß die exegetische Argumentation von einer Fragestellung zur anderen springt. Ich nehme mir deshalb vor, den Text zunächst strikt und einseitig nur im Zusammenhang des Markusevangeliums zu interpretieren, und stelle mich an den Ort eines Lesers, der das Evangelium von seinem ersten Verse an aufmerksam gelesen hat, also dem Text nicht als isolierter Perikope begegnet; ich stelle mich damit an den Ort eines Lesers, der als christlicher Leser nicht neutral ist, sondern positiv eingestellt gegenüber dem, was ihm hier von Jesus erzühlt wird, und der beim Lesen Partei ergreift für diesen Jesus gegen dessen Gegner; und ich nehme an, daß ein solcher Leser aus einer gewissen Kenntnis des Alten Testaments heraus Sprachwendungen vielleicht nicht direkt als Anspielungen auf alttestamentliche Texte identifizieren kann, wohl aber durch solche Sprache eine bestimmte Stimmung im Text vermittelt bekommt. Ein solches Lesen ist zunächst unabhängig von literarkritischen und historischen Fragen; gleich wie man diese beurteilt, bleibt doch beim Leser der Eindruck dieses Textes, der so und nicht anders formuliert, wovon er erzählt, auf welchen Vorlagen er auch basieren mag.