Wir wollen es keinem Leser verargen, wenn er befürchtet, daß ihn in diesem Aufsatz ein Kehraus der Kulturgeschichte erwartet. Hat die Disziplin nicht längst ihren Offenbarungseid geleistet und, was irgend an Werten greifbar war, an ihre Hauptgläubiger, z. B. an die Diszi-plinen Volkskunde und Geistesgeschichte abgetreten? Man wird es aber auch uns nicht verargen, wenn wir uns dagegen verwahren, das Thema einer Marotte halber gewählt zu haben und bei einer Art der Geschichtsbetrachtung und Geschichtsschreibung stehen geblieben zu sein, von der es schon zur Zeit Wilhelm Giesebrechts sarkastisch hieß, sie sei „eine Olla podrida von tausend Wunderlichkeiten”, und von der wir selbst behaupten, sie sei nicht erst durch eine wissenschaftliche Entwicklung überholt worden, sondern ihrem Wesen nach von Anfang an überholungsbedürftig gewesen. Obwohl wir diese Art Kulturgeschichte nicht im Sinn haben, wollen wir das Problem der Kulturgeschichte nicht ganz auf sich beruhen lassen. Denn da sie nun einmal schon zur Zeit Giesebrechts „ein so vieldeutiger und viel mißdeuteter Name” war, kann man sich nicht einfach dadurch sicherstellen, daß man darauf verweist, daß in der Epoche des Imperialismus die Kulturgeschichte, die sich in der baürgerlichen Gesellschaft vieler Anhänger erfreute, die aber vom Staat allenfalls gleichgültig betrachtet wurde und kaum über Lehrstühle verfügte, von der Politischen Geschichte, die nach der Gründung des Deutschen Reiches von der bürgerlichen Gesellschaft aufgewertet wurde, dem jungen nationalen Machtstaat vonnoten war und über zahlreiche Lehrstühle verfügte, in einem sehr ungleichen Kampf aus dem Felde geschlagen wurde. Genügte es, hierauf zu verweisen, so ließe sich nach dem Spruch: nomen est omen auf das allgemeine Los der Besiegten kommen und behaupten, die Kritik an der Kulturgeschichte sei bloße Kritik am Namen Kulturgeschichte, Kritik an einer ohnmächtigen und verdrängten Disziplin, Kritik, die Auswüchse statt der Sache selbst zur Zielscheibe nahm und fälschlich „eine Olla podrida von tausend Wunderlichkeiten” dem Gespött von Zunft, Verwaltung und Öffentlichkeit preisgab, während beispielsweise einem Lamprecht doch nur etliche Schludrigkeiten und Irrtümer nachzusagen waren. Ist aber nicht Dietrich Schäfer, der Herold der triumphierenden Politischen Geschichtsschreibung, in-zwischen mit seinem ganzen System, aller Stichhaltigkeit des Détails ungeachtet, hinfällig und anrüchig geworden?