Ausgehend von der kulturwissenschaftlichen Forschung zu Familienalben und deren Gemeinsamkeiten mit dem Neuen Testament lädt dieser Beitrag dazu ein, darüber nachzudenken, was sich verändert, wenn wir die Fragen der Einführung in das Neue Testament durch die Brille der Theorie des sozialen Gedächtnisses betrachten. Aufbauend auf Forschungsergebnissen der Oral History und kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorie wird argumentiert, dass die allgemeine Einleitung in den Bereich des kulturellen Gedächtnisses und die spezielle Einleitung in den Bereich des sozialen/kollektiven Gedächtnisses fällt. Beide sind durch den Floating Gap getrennt, was die vielfach wahrgenommenen Veränderungen in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts erklärt. Im nächsten Schritt wird ein Modell, das auf dem Dreigenerationengedächtnis, der Generational Gap (nach einer Generation), der Floating Gap (nach 3-4 Generationen) und den ersten Generationen von Jesus-Anhängern aufbaut, mit Vorschlägen zur Datierung neutestamentlicher Bücher aus der Einleitungswissenschaft ins Gespräch gebracht. Es zeigt sich, dass die vor und nach dem Generational Gap verwendeten Genres je unterschiedliche Eigenschaften haben, die den Erwartungen an Medien des sozialen und kollektiven Gedächtnisses entsprechen. Der Beitrag schließt mit allgemeinen Fragen zu Medien und Medienwandel im Neuen Testament, d.h. Mündlichkeit und Schriftlichkeit, identische Texte und Textkritik, dem Kanon als primärem Kontext, der Ausweitung des Geltungsbereichs sowie fluiden Gattungen, und kommt zu dem Schluss, dass kulturwissenschaftliche Gedächtnistheorie in der Tat neue Perspektiven für die Einleitungswissenschaft bietet.