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LIV. Gedanken Zu Hofmannsthals Begriff Der “Konservativen Revolution”

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Detlev W. Schumann*
Affiliation:
Brown University

Extract

Wenige Jahre vor seinem Tode suchte Hugo von Hofmannsthal in seinem Aufsatz Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation (1927) Rechenschaft abzulegen über die innersten Kräfte, die dem deutschen Geist jener Epoche Richtung gaben. Indem er sich nun hier gegen Schluss zu weitester Sicht erhebt, heisst es (S. 442):

Ich spreche von einem Prozess, in dem wir mitten inne stehen, einer Synthese, so langsam und grossartig—wenn man sie von aussen zu sehen vermöchte—als finster und priifend, wenn man in ihr steht. Langsam und grossartig dürfen wir den Vorgang wohl nennen, wenn wir bedenken, dass auch der lange Zeitraum der Entwicklung von den Zuckungen des Aufklärungszeitalters bis zu uns nur eine Spanne in ihm ist, dass er eigentlich anhebt als eine innere Gegenbewegung gegen jene Geistesumwälzung des sechzehnten Jahrhunderts, die wir in ihren zwei Aspekten Renaissance und Reformation zu nennen pflegen. Der Prozess, von dem ich rede, ist nichts anderes als eine konservative Revolution von einem Umfange, wie die europäische Geschichte ihn nicht kennt....

Type
Research Article
Information
PMLA , Volume 54 , Issue 3 , September 1939 , pp. 853 - 899
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1939

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References

1 Abgedruckt in dem Sammelband Die Berührung der Sphären (Berlin, 1931).

2 Vgl. hierzu u.a.: Eppelsheimer, “Das Renaissance-Problem” und Weise, “Der doppelte Begriff der Renaissance,” beide in Deutsche Vierteljahrsschrift, xi (1933); Carl Neumann, “Ende des Mittelalters?”, das. Bd. xii (1934); R. H. Fife, “The Renaissance in a Changing World,” The Germanic Review, ix (1934).—Die Reformation sieht Hofmannsthal übrigens ausgesprochen mit katholischen Augen; daher wird das Traditionslos-Auflösende in ihr mehr betont als das (mit Anlehnung an das Urchristentum) Rekonstruktive.

3 Das Dritte Reich (zitiert nach der 3. Aufl., bearbeitet von Hans Schwarz, Hamburg, 1931), S. 115–6.

4 Oldenburg 1933. Die Schrift ist eine ebenso glänzende wie durch die Ereignisse widerlegte Deutung der Ereignisse jenes Jahres. Jung (gest. 1934) war ein Mitarbeiter v. Papens.

5 Auch Moeller van den Bruck erkennt die Konservative Partei des Bismarckschen Reiches nicht als echte Trägerin der Idee an.

6 Bedarf es noch eines Hinweises darauf, dass “Liberalismus” hier in seinem von der Manchesterschule herkommenden prägnant-geistesgeschichtlichen Sinne gebraucht ist, der sich weder mit dem modern-parteipolitischen noch mit dem des amerikanischen “liberalism” deckt?

7 Für England ist dieser Gedankengang aufs glänzendste herausgearbeitet in Alfred Cobbans Buch Edmund Burke and the Revolt against the Eighteenth Century (New York, 1929), dessen Titel schon unseren Begriff andeutet. Klar liegen bei Burke die “ewigen Bindungen” vor in Ausdrücken wie “the ancient order into which we are born” (S. 87—Zitate nach Cobban), oder wenn er von dem Gesetz spricht, “by which we are knit and connected in the eternal frame of the universe, out of which we cannot stir” (S. 42). Typisch konservativ erscheint der Staat bei Burke als eine Gemeinschaft zwischen den toten, den lebenden und den noch ungeborenen Geschlechtern—ein Gedanke, der nachher in der politischen Romantik, etwa bei Adam Müller, eine so grosse Rolle spielt. Schon vor diesem aber haben wir in Deutschland Ähnliches bei Justus Möser, der ja aus dem englisch beeinflussten weifischen Raum Nordwestdeutschlands stammt und übrigens annähernd derselben Altersgruppe wie Burke angehört (Möser geb. 1720, Burke 1729). In Möser haben wir den eigentlichen Vater des deutschen Konservativismus zu sehen—mehr noch als im Freiherrn von Stein, dem Moeller van den Bruck diese Rolle zuweist (vgl. oben S. 854). Und von Möser gehen stärkste Einwirkungen auf die Staats- und Gesellschaftsphilosophie der Stürmer und Dränger aus: Götz von Berlichingen.

8 Vgl. Thomas Mann. Betrachtungen eines Unpolitischen, Gesammelte Werke (Berlin, 1922), S. 151 f.: “Und da ist mir denn nun...., als habe sich der deutsche Geist schon einmal ”mit tiefem Ekel,“ wie Nietzsche sagt, gegen die ”modernen Ideen,“ die westlichen Ideen, die Ideen des 18. Jahrhunderts, gegen Aufklärung und Auflösung, Zivilisation und Zersetzung erhoben, und als sei eben Kant es gewesen, in dem sich der soziale, erhaltende, aufbauende, organisatorische deutsche Geist gegen den westlichen Nihilismus erhoben habe, nachdem er selbst durch alle Tiefen der wertauflösenden Skepsis hindurchgegangen.”

9 Leipzig, erster Band 1923, zweiter Band 1930.

10 Vgl. die Schilderung in Treitschkes Deutscher Geschichte.

11 “Die literarischen Generationen,” in Ermatingers Sammelband Philosophie der Literaturwissenschaft (Berlin, 1930).

12 Wobei ich vor allem wieder an die englische Romantik denke. Cobban (vgl. oben Anm. 7) zeigt aufs klarste, wie das nachromantische englische Denken an den Utilitarismus des achtzehnten Jahrhunderts anknüpft. Ich zitiere besonders S. 34: “The optimistic, utilitarian, and individualist world-view of the eighteenth century, regardless that it had been partially undermined in advance by the criticism of Hume, heedless of the efforts of the Romanticists and the Idealists to build up rival systems, dominated Great Britain in the succeeding century with all the authority of a time-hallowed creed.”—In Frankreich liegen die Verhältnisse besonders. Hier, in ihrer eigentlichen Hochburg, wirkt die Aufklärung länger, die Romantik setzt sich—trotz der irrationalen Seite in Rousseaus Doppelwesen—langsamer durch; und die späteren Phasen der französischen Romantik haben mit der gleichnamigen Bewegung bei den germanischen Völkern nur noch eine sehr indirekte Verbindung.

13 In den Worten Hofmannsthals am Eingang dieser Arbeit scheinen die “Zuckungen des Aufklärungszeitalters” sich auf das 19. Jahrhundert zu beziehen; denn gegen sie erfolgt ja jene konservative Gegenbewegung, in der wir “mitten inne stehen.”

14 So wie unter dem idealistisch-romantischen Zeitalter eine Unterströmung von der Aufklärung des 18. zu jener des 19. Jahrhunderts fliesst, so hört natürlich auch nach der Wende um 1830 das “konservative” Denken nicht auf. Carlyle,Ruskin und der Sozialist (!) William Morris, Lagarde und Langbehn, Kierkegaard, sie alle stehen ja in Beziehung zu diesem Komplex des Kampfes um die gebundene Lebensform. Auf metaphysisch-religiöser Grundlage baut auch Stahl seinen politischen konservativen Gedanken auf. Wenn sich die Konservative Partei Preussen-Deutschlands dann in der Praxis immer mehr als Vertreterin wirtschaftlich-sozialer Prärogativen gebärdete, so war sie tatsächlich, in Moeller van den Brucks Sinn, reaktionär statt konservativ geworden.

15 So z. B. Arno Holz in Die Kunst—Ihr Wesen und ihre Gesetze (Berlin, 1891), übrigens mit einer Verherrlichung Heines. Dort lässt er sich also vernehmen (S. 19):

Nein, mitten nur im Volksgewühl,

Beim Ausblick auf die grossen Städte,

Beim Klang der Telegraphendrähte

Ergiesst ins Wort sich mein Gefühl.

Dann glaubt mein Ohr, es hört den Tritt

Von vorwärts rückenden Kolonnen,

Und eine Schlacht seh ich gewonnen,

Wie sie kein Feldherr noch erstritt.

Doch gilt sie keiner Dynastie.

Auch kämpft sie nicht mit Schwert und Keule—

Galvanis Draht und Voltas Säule

Lenkt funkensprühend das Genie.

So ist auch stilistisch sein Ziel, endlich die Lösung zu finden, “die herauswächst mit elementarer Folgerichtigkeit aus den Wurzeln der gerade zeitweilig [!] triumphierenden Weltanschauung, mit der jene früheren Lösungsversuche sich nun einmal nicht mehr decken wollen” (S. 2).

16 Heinrich Hart, Literarische Erinnerungen, Ges. Werke (Berlin, 1907), Bd. 3, S. 36.—Ähnlich M. G. Conrad in seinem Rückblick Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann (Leipzig, 1902), S. 45: “Man kann sich heute schwer in unsere damalige Stimmung hineindenken. Es klingt überschwänglich, aber es kommt doch der Sache nahe, wenn ich sage, wir lebten damals in einer so glücklichen Erregung und Begeisterung, als würde stündlich ein neues Pfingsten gefeiert, und wir waren voll des süssen Weines der neuen Kunst ....”

17 Das oben Gesagte bezieht sich auf die abstrahierte Grundidee des Naturalismus. In den individuellen Fällen ergeben sich mancherlei Verschiebungen. So zeigt z. B. Bleibtreu eine wirklich echtere Beziehung zum Sturm und Drang, die sich ausdrückt in seinem Hervorheben Shakespeares und des jungen Goethe neben Zola und dessen “ebenbürtigem Jünger” Max Kretzer, gegen Ibsen und Dostojewski. Und bei Conrad, dem führenden deutschen Künder der Nachfolge Zolas, bricht immer wieder ein ganz irrationales Lebensgefühl durch. “Und nun, du schöne grosse Gotteswelt und du, unserm Herzen das liebste Stückchen darin, Heimat—mit Jubel seid gegrüsst, das Volk erkennt euch wieder....” (Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann, S. 10).—“Und Gottes Odem in allem. Die Welt ist wirklich mehr, als nur ein chemisch organisierter, mechanisch bewegter Dreckhaufen.” (S. 141). Und wie eine geistesgeschichtliche Ironie mutet es an, wenn wir sogar lesen: “Im Geheimnis des Blutes und des Bodens ruht das Geheimnis der Kunst” (S. 4). Deutlich zeigt sich schon hier jene Verquickung naturalistischer Technik mit irrationalem Lebensgefühl, aus der später die Heimatkunst erwachsen sollte.

18 Die deutsche Dichtung der Gegenwart. Benutzt: 5. Aufl. (Stuttgart, 1931).

19 Man beachte: Miene—funktional, psychologisch; Wesenheit—substantiell, metaphysisch.

20 Vgl. an anderer Stelle in derselben Dichtung. “Wahl ist ihnen gegeben zwischen Gut und Böse, das ist ihre Kreaturschaft, in die ich sie gestellt habe ... Damit sie sich entscheide, dazu habe ich der höchsten Freiheit einen Funken in die Kreatur gelegt.”

21 Dieser Ausdruck erscheint noch 1914 in den Blättern für die Kunst—kein historischer Abstand vermag Stefan Georges Gegnerschaft zu mildern. Das Zitat geht weiter: “Sie kam aus keiner gestaltenden not, sie war verneinend oder auflösend und änderte nur die Stoffe. Es ist heute nur als geschichtliche tatsache begreiflich dass damals die Jugend wie die gebildeten in den lyrischen epischen und dramatischen erörterungen über gesellschaftliehe übelstände und den missbrauch gegorener getränke eine neue kunst erblickten.” (Zitiert nach Fr. von der Leyen, Deutsche Dichtung in neurer Zeit [Jena, 1922], S. 196—eine vollständige Ausgabe der Blätter ist mir nicht zugänglich). Die ganze Stelle hätte ebenso in den ersten Heften der Blätter für die Kunst erscheinen können.

22 Zitiert nach der dreibändigen Auswahl aus den Blättern (i, 18).

23 Das Wort stammt allerdings aus Rilkes Frühen Gedichten (Werke, i, 289).

24 Vgl. auch “Der Freund der Fluren” im Teppich des Lebens.

25 Auch von den anderen Bildwelten, die mit den Hirten- und Preisgedichten zusammengefasst sind—den Büchern der Sagen und Sänge und der Hängenden Gärten—gilt das Gesagte. Jene z.B. sollen nicht ein poetisches Bild des Mittelalters als einer historischen Periode geben, vielmehr das Wesen einer gewissen typischen Lebensform. So sehr ist alles aufs Typische reduziert, dass gelegentlich eine clichéhafte Wirkung mit barer Not vermieden wird, etwa in der “Sporenwache.”

26 Vgl. jene eigentümlich konservative Zusammenschau des Vergangenen, Gegenwärtigen und Kommenden bei Burke und Adam Müller, von der oben (Anm. 7) die Rede war.—Die typische Verwendung des “noch” wird uns im Laufe dieser Arbeit mehrfach begegnen.

27 Diese Begriffe sind nicht zu umgehen. Und kann ihr ursprünglicher Wert durch späteren schlagworthaften Missbrauch im politischen Alltagsjargon wirklich beeinträchtigt werden?

28 Vgl. seine Forderung eines neuen Mysterienspiels.

29 “Bemerkungen über mich selbst” in Der Weg zur Form, neue Ausg. (München, 1928) —abgekürzt: WzF.

30 Erdachte Gespräche, neue Ausg. (München, 1931), S. 260.

31 Dies Zitat und die folgenden nach Soergel, Dichtung und Dichter der Zeit, Neue Folge: Im Banne des Expressionismus (Leipzig, 1926), S. 25.

32 Aus Dichterglaube—Stimmen religiösen Erlebens, ed. Harald Braun, 2. Aufl. (Berlin, 1932), S. 299.

33 Der Literat, oder Mythos und Persönlichkeit (Leipzig, 1910).

34 Das Thema der “Trägheit des Herzens” führt nun schon geradeswegs zum Expressionismus, bei dem es ja auch—wenn nicht immer im Können, so doch im Wollen—um Rückgliederung des Menschen in eine metaphysische Welt und damit um die Gewinnung eines neuen menschlichen Substanzbegriffs geht. So stellt z.B. Paul Kornfeld Seele und Charakter in radikalen Gegensatz. “[Des Menschen] Seele ist Gefäss der Weisheit und Liebe, ist Gefäss des Gewissens, der Güte und Erkenntnis, des Glaubens, der Frömmigkeit und des Wissens vom Guten, ist Quelle der unendlichen Raserei und der unendlichen Ruhe. Des Menschen Charakter aber ist Herberge fürs Tausendfache: für die Klugheit und Schlauheit, für. die Gutmütigkeit und Humanität, für Trotz und Neid, für Zuneigung und Abneigung ... für alle Eigenschaften und ihre Regungen.... Wh wollen nicht untergehen im Schlamm des Charakters, wollen uns nicht verlieren im Chaos der Eigenschaften und ihrer Zuckungen, und wollen uns dessen bewusst sein, dass in manchen, heiligeren Stunden unsere Hülle sich auftut und Heiligeres uns entschreitet. Überlassen wir's dem Alltag, Charakter zu haben, und seien wir in grösseren Stunden nichts als Seele. Denn es ist die Seele des Himmels, der Charakter aber allzuirdisch. Die Psychologie sagt vom Wesen des Menschen ebenso wenig aus wie die Anatomie.” (“Der beseelte und der psychologische Mensch,” Zs. Das junge Deutschland, i, 1 (1918), S. 1/2.) Der letzte Satz zeigt, wie wir hier ganz in der Nähe Zolascher Gedankengänge angelangt sind, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Zugleich sehen wir in der Formel Seele: Charakter die grundsätzliche Verschiebung etwa Paul Ernst gegenüber. Denn dieser setzte ja dem substanzlosen psychologischen Aggregat als positiven Wert gerade den männlichen, geschlossenen Charakter gegenüber; hier aber wird dieser Begriff bezeichnenderweise für den negativen Wert verwandt, und der positive ist beim Vertreter der expressionistischen Gruppe noch viel radikaler als bei Stehr eine grenzenlose und sich ins All auflösende “Seele.”

35 “Lebensabriss,” Neue Rundschau (Juni, 1930), S. 756.

36 Im Auge hat er dabei zunächst und vor allem seinen Bruder Heinrich, weiterhin aber den aktivistischen Flügel der damaligen jüngsten Generation.

37 In seinem Ringen mit dem Problem kommt Thomas Mann einmal zu der zugespitzten Polarität: Musik: Demokratie (S. XLVI).

38 Aus der Kriegssituation erklärt sich manche polemisch übertriebene Formulierung, so wenn er es für durchaus mehr als patriotische Voreingenommenheit erklärt, wenn man “bei der seltsam organischen, ungezwungenen und poetischen Wortverbindung ‘Deutsches Volk’ etwas ... wesentlich anderes, Besseres, Höheres, Reineres, ja Heiligeres imaginiert und empfindet als bei dem Worte ‘Englisches’ oder ‘Französisches Volk.‘ Volk”—so fährt er fort—“ist wahrhaftig ein heiliger Laut; aber hat er nicht allein mit dem deutschen Namen verbunden allenfalls noch lebendigen Sinn?” (S. 363–4.)

39 Vgl. hierzu S. 404—trotz des positiven Werts, der dort dem Begriff “Stimmung” gegeben wird.

40 Vgl. auch S. 357: “Ohne metaphysische Religiosität, diese Sphäre reiner Menschlichkeit, [ist] soziale Versöhnung auf immer unmöglich.” Und S. 503: “Demokratie sollte wieder sein, was sie vor Einbruch der Politik in die Gotteswelt einmal war: Brüderlichkeit über allen Unterschieden und unter formaler Wahrung aller Unterschiede.” Typisch konservativ ist hier die religiös-irrationale Begründung der sozialen Ordnung. Und wenn Thomas Mann in diesem Zusammenhang gegenüber dem aufklärerischen Gleichheitsprinzip die Idee eines gradualistischen Aufbaus mit einem spezifischen Eigenwert und Eigenstolz eines jeglichen Standes verficht (S. 498 ff.), so ist auch dies völlig konservative Tradition (vgl. etwa Justus Möser und unter dessen Einfluss Goethe im Götz).

41 Nicht, dass im Zusammenhang unseres Problems dies Steckenbleiben im Stimmungsmässigen irgendwie auf Thomas Mann beschränkt wäre; aber bei seiner analytischen Natur wird es stärker bewusst, wirkt es sich stärker aus.

42 Die sachlichen Angaben nach Soergel, Bd. i, Neubearbeitung von 1928.

43 Aus der Besprechung von Droste-Hülshoffs “Vergeltung” in Meisterballaden (Berlin und Leipzig, 1925), S. 91. Vgl. hierzu: “Und da werden alle Helden nur Gedankenträger in der Hand, die oben die schwarzen Fäden hält und zieht.” (Zitiert nach Soergels, a.a.O.,S. 794.)

44 Vgl. auch “Frühlingsmond.”

45 Vgl. “Ich,” “Heimat.”

46 Nicht in euren Himmel will ich kommen,

Wo die weissen Engel Harfen spielen,

In die alte Heimat werd' ich wandern ... (“Heimat”)

47 Beginnend bei: “Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt.” Raummangel verbietet den vollständigen Abdruck der Gedichte.

48 Vgl. Rilkes Brief an seinen polnischen Übersetzer Witold v. Hulewicz vom 13. Nov. 1925, wo er die Elegien bezeichnet als eine “weitere Ausgestaltung jener wesentlichen Voraussetzungen, die schon im Stundenbuch gegeben waren.”—Briefe aus Muzot (Leipzig, 1936), S. 332.

49 Dies Zitat und die folgendem aus dem erwähnten Brief an Hulewicz (S. 332/4).

50 Der Engel erscheint als der Garant der übersinnlichen Wirklichkeit. Vgl. weiterhin in demselben Brief (S. 337): “Der ‘Engel’ der Elegien hat nichts mit dem Engel des christlichen Himmels zu tun (eher mit den Engelgestalten des Islam) ... Der Engel der Elegien ist dasjenige Geschöpf, in dem die Verwandlung des Sichtbaren in Unsichtbares, die wir leisten, schon vollzogen erscheint. Für den Engel der Elegien sind alle vergangenen Türme und Paläste existent, weil längst unsichtbar, und die noch bestehenden Türme und Brücken unseres Daseins schon unsichtbar, obwohl noch (für uns) körperhaft dauernd. Der Engel der Elegien ist dasjenige Wesen, das dafür einsteht, im Unsichtbaren einen höheren Rang der Realität zu erkennen.—Daher ‘schrecklich’ für uns, weil wir, seine Liebenden und Verwandter, doch noch am Sichtbaren hängen.” Die platonisch-neuplatonischen Elemente treten hier sehr klar hervor.

51 Betr. Christentum vgl. auch den Brief an Use Jahr vom 22. Feb. 1923 (Briefe aus Muzot, S. 183 f.).

52 Vgl. die neunte Elegie: “Zwischen den Hämmern besteht /unser Herz, wie die Zunge/zwischen den Zähnen, die doch, /dennoch die preisende bleibt.”

53 Vgl. den Brief vom 30. März 1923 an Leopold v. Schlözer (Briefe aus Muzot, S. 190): “Die Tradition—ich meine nicht die oberflächlich-konventionelle—das wirklich Herkünftige (wenn schon nicht um uns, wo die Verhältnisse es mehr und mehr abschnüren, so doch in uns) zu erhalten und ... fortzusetzen, möchte unsere (die wir nun einmal die den Übergängen Aufgeopferten bleiben werden) entscheidendste Aufgabe sein. Der Antrieb, zu ihrer Erfüllung ein Meiniges, verhältnismässig Genaues, beizutragen, hat voriges Jahr, in wenigen Tagen, eine Anzahl Sonette hervorgedrängt.... ”

54 Vgl. oben bei George: “Nur durch den Zauber bleibt das Leben wach.” Auch auf das immer wiederholte “noch” weise ich hier abermals hin.

55 Dies liegt natürlich im Grunde schon bei Rilkes Evangelium der Dinge vor, doch ohne die Note transzendenter Erlösung, die bei Morgenstern herrscht und ihn durchaus auf die christliche Seite hinüberweist.

56 “Expressionism and Post-Expressionism in German Lyrics,” The Germanic Review, ix (1934). Für Einzelheiten verweise ich auf diesen Aufsatz, doch werden sich im folgenden gelegentliche Wiederholungen nicht ganz vermeiden lassen.

57 Und nur diese Richtung ist dem aus Geist der Technik und Glauben an den “Fortschritt” erwachsenen romanischen Futurismus verwandt. Der eigentliche Expressionismus lehnt bewusst die Verbindung mit jenem ab. Vgl. Kasimir Edschmid in seiner Programmschrift Über den Expressionismus in der Literatur und die neue Dichtung (Berlin, 1919) in der Sammlung “Tribune der Kunst und Zeit.”

58 Hingewiesen auf diesen Aufsatz wurde ich zuerst durch W. Stammlers Deutsche Literatur vom Naturalismus bis zur Gegenwart, 2. Aufl. (Breslau, 1927), S. 101.

59 Auch das Wort “Herd” im letzten Satz hat durchaus symptomatische Bedeutung.

60 Wichtig ist besonders “Vom Wesen der ‘Neuen Sachlichkeit’,” Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts (Frankfurt a.M., 1930).

61 Vgl. etwa die Auswahl aus Kneips Gedichten in Soergels Sammlung Kristall der Zeil (Leipzig und Zürich, 1929) oder in Rockenbachs Rückkehr nach Orplid, 2. Aufl. (Essen, 1924).

62 Etwa “Predigt Savonarolas” (Der Strom), “Der Leidgesang” (Flammen und Winde).

63 Vgl. seine autobiographische Notiz in Soergels Sammlung Saal und Ernte (Berlin und Leipzig, 1924): “Gekommen bin ich vom Rationalismus des artistisch sterilen Berlin und glaube gegenüber diesem Ausgang angelangt zu sein ... Ich empfinde als innersten Beruf, die Anschauung der ewigen Kraft und der immerwährenden Kräfte in entschieden zeitlosen Bildungen auszusprechen.”

64 Vgl. etwa “Hochzeitsgesang” in Der Strom (zweite, vermehrte Auflage).

65 Vgl. seinen Zyklus 1813; auch “Gott spricht” (Die ewige Pfingsten; abgedruckt in Kristall der Zeit).

66 Vgl. etwa “Tod in Asien,” abgedruckt in Kristall der Zeit.

67 Vgl. “Schuld in der schönen Nacht” (abgedruckt in Saat und Ernte), “Läuterung” und “Weltleid” (beide in Krislall der Zeit).

68 In einem Gedicht wie “Der Wächter” (abgedruckt in Rückkehr nach Orplid) haben wir, wie so oft bei Trakl, rein alogisch-assoziative Motivmosaik: “Der Wächter zwischen Gold und Blau / Füllt weiss sein Horn mit Sternentau.”

69 “Hausgeist,” abgedruckt in Kristall der Zeit und in Jacobs Verse der Lebenden (Berlin, o. J.).

70 “Sternenhirt,” abgedruckt in Kristall der Zeit.

71 Vgl. S. 77/78: “Vielleicht besteht vor dem Urteil des letzten Tages Zolas schamlose, gigantische, stammelnde Nacktheit der Kraft besser als unser grosses Ringen um Gott.” Gerade Edschmid selbst verkörpert übrigens in seiner Entwicklung das Unechte der Bewegung, als deren Künder und Deuter er auftritt; als es mit dem Expressionismus und der Ekstase aus ist, wendet er sich dem pseudomondänen Hintertreppenroman zu und schreibt seinen Sport um Gagaly.

72 In Korff-Lindens Aufriss der deutschen Literaturgeschichte (Leipzig und Berlin, 1930), S. 213 (Kap. x: Pongs, “Vom Naturalismus bis zur Neuen Sachlichkeit”). Vgl. ferner Diebold, Anarchie im Drama (Frankfurt a.M., 1921), bes. S. 268, und Utitz, Die Überwindung des Expressionismus (Stuttgart, 1927), bes. SS. 34 ff., 156 ff., 187 ff.—In vielem parallel zum Expressionismus verläuft übrigens die Entwicklung der deutschen Jugendbewegung mit ihrem Ziel der Gemeinschaft und ihrem gleichzeitigen—besonders nach der berühmten “Meissnerformel” (1913)—vielfach grotesk subjektiven Individualismus. Erst die späteren “Bünde” gewannen dann, vor allem durch engere Verbindung mit religiösen und politischen Ideologien, sachlicheren Gehalt und festeren inneren Zusammenhang. Auch bei der Jugendbewegung ist das Positivste eben jenes “soziologische Phänomen eines ungeheuren kollektiven, idealistischen Aufschwungs.” Es ist dies eigentümliche kollektive Element, das Hinabreichen der Idee bis in die breiten Massen der proletarischen Jugend, das die deutsche Jugendbewegung z.B. gegenüber der Burschenschaftsbewegung auszeichnet. Vgl. das Sammelreferat (verschiedener Berichterstatter) “Die deutsche Jugendbewegung,” Süddeutsche Monatshefte, 1926.

73 Parallel geht Werfeis Ueberwindung der expressionistischen Ethik. Vgl. meinen Aufsatz “The Development of Franz Werfel's ‘Lebensgefühl’ as Reflected in his Poetry,” The Germanic Review, vi (1931). Besonders scharf ist die Abrechnung mit dem pseudoekstatischen Expressionismus im Roman Barbara oder die Frömmigkeit, und die positive Gestaltung des neuen Ethos wird klar herausgearbeitet in Juarez und Maximilian, in des mexikanischen Kaisers Einsicht: “Der Wille zur Güte ist Güte noch nicht.” Der Expressionismus sah oft nur eine vage All und Urschuld, über die er sich allzu leicht in ekstatischem Aufschwung erhol)—wie z.B. Hasenclever einmal zynisch sagt:

Man braucht sich nicht auf die Höhe zu führen,

Nur die grosse Sehnsucht, die muss man spüren.

Werfeis Maximilian aber nimmt nun die harte Einzelschuld auf sich, sühnt sie durch Tapferkeit, Ehrlichkeit, ethische Sachlichkeit.

74 Über Expressionismus in der Malerei (Sammlung “Tribune der Kunst und Zeit”), 6. Aufl. (Berlin, 1920), S. 74 bzw. S. 53. Das letztere Zitat geht übrigens unmittelbar weiter: “Es müsste denn sein, dass eine hinreissende theologische Einbildungskraft oder vielmehr Tatsachengewissheit das zu erzeugen vermöchte, was wir bis jetzt nicht geleistet haben ...” Nur im Vorübergehen können wir darauf hinweisen, wie sich von hier eine Verbindungslinie ziehen lässt zu Karl Barth und der Sachlichkeit der “dialektischen Theologie.” Hier ist neuer Mut zum Dogma, eine neue “Tatsachengewissheit,” hier tritt an Stelle des subjektiven Erlebnisses der objektive Gedanke des “Reiches Gottes” in den Mittelpunkt. Wir haben hier einen wichtigen Teilaspekt der “konservativen Revolution,” dessen Behandlung allerdings eine theologische Sonderaufgabe jenseits der Grenzen dieses Aufsatzes wäre.

75 Berlin, 1921.—Geschrieben ist die Einleitung 1920.

76 Vgl. auch Johsts Aufsatz “Vom neuen Drama,” Sammlung Ich Glaube (München, 1928), dessen Formulierungen manchmal merkwürdig stark an jenes Manifest in den Weissen Blättern von 1913 anklingen. Johst zeigt übrigens in seiner persönlichen Entwicklung besonders klar die Überwindung des Expressionismus. Eins seiner frühesten Werke, das “ekstatische Szenarium” Der junge Mensch, endet bezeichnenderweise mit den Worten: “Jetzt bin ich der junge Mensch gewesen ...” (Schrägdruck von mir).

77 Vgl. Anm. 60.

78 Werner Deubel unterscheidet in einem interessanten Aufsatz “Jugend zwischen Tod und Leben” (Deutsche Rundschau, 1930) für die (z.T. etwas jüngere) “Nachkriegsjugend” fünf Typen: den radikalen, den konservativen (heroischen), den religiösen, den “Zeitgeisttyp” (Jazz), den skeptisch-nihilistischen.

79 Dies Zitat und die nächstfolgenden aus Der Arzt Gion (S. 36).

80 “An die Natur,” Gedichte. Diesem Band sind auch die folgenden Zitate entnommen.

81 “An die Natur.”

82 Der Arzt Gion (S. 170).

83 “Erlebnis” (Gedichte).

84 Dies Zitat und das folgende aus “Der Morgengang” (Gedichte).

85 Vgl. oben Carossa: “Nüchtern wächst das Herz.”

86 Vgl. auch Heuscheies Aufsatz “Die Dichtung dieser Zeit und das neue Lebensgefühl” (Deutsche Rundschau, 1929), wo sogar eine Synthese von Klassik und Romantik als letzte Erfüllung der jungen Dichtung erhofft wird.

87 Schrägdruck hier und im folgenden von mir.

88 Vgl. Anm. 61—zitiert; RnO.

89 München-Gladbach und Köln 1924—zitiert! JM.

90 Utitz a.a.O. (vgl. Anm. 72), S. 4: “So kehrt dieser Weg zu dem ... Punkte zurück ...: das Gesetzliche, Ewige, Absolute nicht vor oder hinter den Dingen zu suchen, sondern in ihnen und an ihnen.” Vgl. ferner Franz Roh, Nach-Expressionismus (Leipzig, 1925), wo es vom Standpunkt der nachexpressionistischen Malerei ausheisst (S. 36–7). “Es handelt sich in der neuen Kunst um letztes Veranschaulichen des inneren Gesichtes an Hand der bestehenden Aussenwelt, woran dem Expressionismus wenig gelegen war.”

91 Zu diesen Fragen vgl. Günther Müller, “Die katholische Dichtung der Gegenwart,” Zeitschrift für Deutschhunde, xliv (1930).

92 Vgl. Anm. 56.

93 Aus dem Kreis der Jungen deutschen Lyrik nenne ich besonders Ruth Schaumann und Fritz Diettrich.

94 Vater-Sobn-Konflikt im Expressionismus: Hasenclever (geb. 1890), Werfel (1890) u.a., in extremster Form Becher (1891). In der jüngeren Gruppe positive Wertung des Verhältnisses bei Bischoff (1896), Scheibelreiter (1897), Rudolf Bach (1901).

95 “Der Gefallenen Himmelfahrt,” in Junge Mannschaft. Besonders stark ausgeprägt ist dies Motiv bäuerlicher Geschlechterfolge beim Südtiroler Oberkofler, der allerdings geburtsmässig (1889) einer etwas älteren Gruppe angehört (z.B. “Auferstehung” in Rückkehr nach Orplid). Seinen schönsten Ausdruck aber scheint es mir zu gewinnen bei Hans Grimm, der, 1875 geboren, doch erst in dieser Zeit nachexpressionistischer Verfestigung zur Geltung kommt (Volk ohne Raum, bes. S. 90: “Ja, ich ich habe dies Land unendlich heb, ich bin älter hier als der älteste Baum....).

96 a.a.O., S. 403.

97 Eine eigentümliche Abart der neuen Männlichkeit ist jene, die charakterisiert ist durch metaphysischen Pessimismus und die philosophisch vertreten wird besonders durch Nicolai Hartmann (Scheler prägt für sie den Ausdruck “postulatorischer Atheismus des Ernstes und der Verantwortung,” vgl. Utitz, a.a.O. S. 78), dichterisch durch R. G. Binding. Wo das Tragisch-Heroische fehlt, verflacht Bindings männliches Ideal zum vollkommen unmetaphysischen Gentleman (vgl. das erdachte Gespräch zwischen Alkibiades und Eduard VII. in Erlebtes Leben).