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Der Junge Herder Und Die Entwicklungsidee Rousseaus

Published online by Cambridge University Press:  26 February 2021

Hans M. Wolff*
Affiliation:
University of Texas

Extract

Es ist heute eine allgemein bekannte Tatsache, dass das Werk Rousseaus von wesentlicher Bedeutung für Herder gewesen ist, aber es fehlt fast völlig an Versuchen, dieses Verhältnis genau zu bestimmen. Jedermann weiss, dass Herder Rousseau vieles verdankt; aber was er ihm eigentlich verdankt, in welcher Richtung sich der Einfluss des Franzosen ausgewirkt hat, das ist bisher entweder nur flüchtig oder nur unter Beschränkung auf gewisse Spezialgebiete dargelegt worden. Schon Gervinus glaubt, Herders Wesen am besten dadurch verdeutlichen zu können, dass er ihn Rousseau gegenüberstellt, beide als im Grunde gleichartige Geister erkennt und den Unterschied zwischen ihnen allein in ihren Uebertreibungen sieht: Herder geht zu weit in seinem Optimismus, Rousseau in seinem Pessimismus. Sieht Gervinus hier noch von einer Untersuchung der kausalen Bedeutung Rousseaus für Herder ab, so erscheint Herder bei Hettner fast ausschliesslich als ein Schüler des Genfers, und diese Ansicht findet sich in neuerer Zeit bei Bartels wieder, der Herder bedenkenlos als den deutschen Rousseau bezeichnet. Zweifellos geht Bartels dabei weit über das Ziel hinaus, und diese Uebertreibung ist umso erstaunlicher, als der Biograph Herders, Haym, deutlich genug auseinandergesetzt hatte, dass der Einfluss Rousseaus, so gross er auch ist, jedenfalls Grenzen hat und schon von Hettner überschätzt worden war. So zuverlässig aber auch die Ausführungen Hayms über das Verhältnis Herders zu Rousseau sind, so ist doch der Biograph im Gegensatz zu Hettner zu sehr geneigt, gewissen abfälligen Aeusserungen Herders über Rousseau übermässigen Wert beizulegen, und dadurch erscheint bei ihm dieses Verhältnis wieder zu sehr im negativen Licht. Die schon von Hettner erkannten Uebereinstimmungen im Werke Herders und Rousseaus entgehen auch Haym nicht, doch möchte er sie mehr dem “genius epidemicus der Zeit,” als einer direkten Beeinflussung zuschreiben. Einer eingehenden Untersuchung, die allein das Problem von Einfluss oder Parallelität entscheiden kann, geht aber auch Haym aus dem Wege, sodass die Frage nach wie vor als ungelöst gelten muss. Dies gilt in ganz besonderem Masse von derjenigen Lehre, die sowohl bei Herder wie bei Rousseau im Zentrum ihrer Werke steht, der Lehre von der Entwicklung des Menschengeschlechts, wie sie der berühmte Discours sur l'Origine de l'Inégalité parmi les Hommes am eindrucksvollsten verkündet hat.

Type
Research Article
Information
PMLA , Volume 57 , Issue 3 , September 1942 , pp. 753 - 819
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1942

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References

Notes

Der Verfasser ist Herrn Professor Karl Vietor für seine liebenswürdige Anteilnahme an dieser Arbeit zu grösstem Dank verbunden.

1 Geschichte der poetischen National-Literatur (Leipzig, 1844), v, 324.

2 Geschichte der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert (Leipzig, 1928), iii, 182.

3 Geschichte der deutschen Literatur (1901-02), i, 448.

4 Herder (Berlin, 1880), i, 341.

5 Œuvres (Paris: Hachette, 1908), i, 71 ff.

6 Vgl. Eduard Fueter, Geschichte der neueren Historiographie (Berlin, 1936), S. 340.

7 Ibid., S. 354.

8 Friedrich Meinecke, Die Entstehung des Historismus (Berlin, 1936), i, 82.

9 Œuvres, i, 91.

10 Abgedruckt in Kants Werken (Berlin: Cassirer, 1922), ix, 63.

11 Caroline Herder, Herders Lebensbild (Erlangen, 1846), i, 2, 193.

12 Vgl. Ernst Cassirer, Kants Leben und Lehre (Berlin, 1923), S. 63.

13 Abätardi Virbii Chimärische Einfälle über den 10. Teil der Briefe die neueste Litteratur betreffend, in Hamanns Schriften (ed. Roth), ii, 185 ff., bzw. im 192. Litteraturbrief (Teil xii).

14 Vgl. Schriften, iii, 159. Vgl. auch R. Unger, Hamann und die Aufklärung, S. 340 ff. 16 Sie hat ihren deutlichsten Ausdruck in Herders Gedicht Der Mensch gefunden, xxix, 254.

16 Vgl. F. J. Schneider: Die deutsche Dichtung zwischen Barock und Klassizismus, S. 295 ff.; August Korff, Geist der Goethezeit, i, 86 ff.

17 Vgl. z.B. die Verteidigung der reinen Naturreligion, i, 22. Referenzen ohne nähre Angaben beziehen sich auf Suphans Ausgabe von Herders Werken.

18 i, 15.

19 Œuvres, i, 105.

20 Lebensbild, i, 2, 55.

21 Ibid., 65.

22 i, 13 ff.

23 i, 1.

24 Lebensbild, i, 2, 151.

25 xiv, 654 f.

26 xxxii, 41.

27 Herders Philosophie (Heidelberg, 1889), S. 29.

28 London 1735, hier zitiert nach der 2. Auflg. (London, 1736).

29 Loc. cit., 42.

30 Loc. cit., 43.

31 Loc. cit., 44.

32 Loc. cit., 45 f.

33 Loc. cit., 47.

34 Aesthetica in Nuce; Schriften, ii, 285.

35 Lowth hält sich in seinen Anschauungen über Dichtung und Sprache enger an die traditionellen Auffassungen als Blackwell, geht ausserdem hauptsächlich philologisch vor und wendet dem Entwicklungsgedanken keine Aufmerksamkeit zu. Sein Hinweis auf alte, primitive Dichtung bleibt aber trotzdem von grosser Bedeutung für Herder.

36 Loc. cit., Buch i, Kap. 1; Sämtliche Werke (Dresden 1808-34), iii, 62.

37 Blackwells Vorstellung einer Ursprache ist am stärksten mit spekulativen Elementen durchsetzt.

38 Vgl. Dilthey, Das 18. Jahrhundert und die geschichtliche Welt; Gesammelte Schriften, iii, 209 ff.

39 Œuvres, i, 83.

40 Vgl. die Vorrede zur Geschichte der Kunst, Werke, iii, 9.

41 Die Ausführungen im Text stehen mit Justis Behauptung nicht in Widerspruch, dass die Gesinnung der Kunstgeschichte “eher eine antihistorische” sei; vgl. Winckelmann und seine Zeitgenossen (Leipzig, 1923), iii, 127.

42 Otto Braun (“Herders Kulturphilosophie” Zschrift. f. Philosophie und Philosoph. Kritik, cxliv, 173) betont diese praktische Seite von Herders Philosophie besonders.

43 i, 151 ff.

44 Darauf hat schon Korff hingewiesen, vgl. Geist der Goethezeit, i, 86 f.

45 i, 151 f.

46 i, 152.

47 i, 153.

48 i, 154 f.

49 Inégalité, Teil i, Œuvres, i, 85.

50 Inégalité, Teil ii, Œuvres, i, 108.

51 Contrat Social, i, 8; Œuvres, iii, 315.

52 i, 155.

53 i, 158.

54 i, 158.

55 i, 245.

56 i, 245.

57 i, 369.

58 i, 395 ff.

59 Hamann, Werke, iii, 374.

60 Briefe an Hamann, ed. Hoffmann, S. 38.

61 Lebensbild, i, 2, 290.

62 Ueber die Aufnahme der Fragmente vgl. Haym i, 207 ff.

63 Loc. cit., iv, 40 ff.

64 ii, 60. Trotz dieses Widerspruchs hat Herder Garves Rezension “wie ein Geschenk” geschätzt; vgl. Brief an Scheffner, Lebensbild, i, 2, 272.

65 ii, 61.

66 ii, 69.

67 ii, 91.

68 ii, 79.

69 Vgl. dazu Joseph Körner in Ztschrftf. dt. Unterricht, xxvii, 7.

70 ii, 112 ff.

71 ii, 123 ff. Arnold E. Berger bringt Herders Entfernung von Winckelmann mit den Nouveaux Essays von Leibniz in Verbindung. Herders zunehmender Historismus dürfte aber diesen Umstand besser erklären; vgl. Der junge Herder und Winckelmann (Halle, 1903), S. 42.

72 ii, 273. Es ist interessant, Herders Urteil mit dem Mösers zusammenzustellen, der Abbt gerade das volle Verständnis für historische und politische Realitäten abzusprechen geneigt war; vgl. Mösers Werke, ed. Abeken, x, 144.

73 ii, 269.

74 ii, 276.

75 Vgl. z.B. iii, 34 und 37.

76 Ueber die wachsende Bedeutung des Historismus in den kritischen Wäldern, auf die in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden kann, vgl. Bruno Markwardt, Herders Kritische Wälder (Leipzig, 1925), S. 72.

77 iv, 351.

78 iv, 352.

79 iv, 353.

80 Am deutlichsten findet sich das Individualitätsprinzip formuliert iv, 364.

81 iv, 352.

82 Der Antirousseauismus des Reisejournals ist schon von Otto Braun (Ztschrift. f. Philosophie und Phil. Kritik, cxliv, 178) implicite ausgesprochen worden, indem er Herders Plan einer Universalgeschichte mit “Darstellungen wie Iselins Menschheitsgeschichte” kontrastiert. Gerade in Bezug auf seine Methode hatte sich aber Iselin ganz in den Bahnen Rousseaus bewegt. Eine ältere Darstellung wie die von Charles Joret, Herder et la Renaissance Littéraire en Allemagne (Paris, 1875), S. 324, sieht dagegen in dem Reisejournal gerade einen unwiderleglichen Beweis für die Kontinuität und Dauerhaftigkeit des Einflusses Rousseaus auf Herder. Der Grund für diese Behauptung liegt vor allem in einer Verwechslung allgemeiner antiintellektualistischer Tendenzen jener Zeit (Haym: genius epidemicus der Zeit) mit Rousseaus Philosophie. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass die pädagogischen Ansichten des Reisejournals tatsächlich mit denen Rousseaus stark in Einklang stehen, doch darf dieser Umstand nicht dazu verleiten, Herders “manière de sentir et de penser,” wie sie im Reisejournal zum Ausdruck kommt, mit der Rousseaus gleichzusetzen.

83 iv, 364.

84 iv, 425.

85 Vgl. das Vorwort zu seiner Komödie Narcisse, v, 99 ff.

86 Sie wurde durch die Erklärung im Hamburger Correspondenten vom 20. V. 69 endgültig aufgegeben, vgl. iv, 340 f.

87 Lebensbild, i, 2, 287.

88 Ueber die Vieldeutigkeit dieser Begriffe in der Terminologie des Altertums vgl. Steinthal, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern (Berlin, 1863).

89 Vgl. hierzu und zum Folgenden: Theodor Benfey, Geschickte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie (München, 1869), S. 283 ff.

90 Elementorum philosophiae Sectio secunda, c 10 (Amstelod, 1668).

91 Im 17. Jahrhundert vor allem Locke in seinem Essay concerning Human Understanding iii, chapter 2, wo die Frage allerdings ganz kurz abgetan wird. Nach Benfey (loc. cit.) gehört auch Maupertuis zu den unentwegten Anhängern dieser Theorie.

92 London 1738-41; 4. Buch.

93 Paris, 1744.

94 Essai sur l'Origine des Connoissances Humaines, seconde partie; Œuvres complètes (Paris, 1798), i, 257 ff.

95 Ibid., S. 260 ff., 274 f., 362 ff.

96 v, 20.

97 Œuvres, i, 94-96.

98 Ibid., 96.

99 Ausdrücklich betont Rousseau seine volle Uebereinstimmung mit Condillac, dessen “recherches . . . toutes confirment pleinement mon sentiment,” cf. i, 91. Im Essai nimmt Rousseau eine ganz natürliche Entwicklung an, jedoch ist es infolge der Unsicherheit der Datierung schwer zu sagen, ob er hier noch oder wieder mit Condillac übereinstimmt. Wenn Wundt Rousseau den Anängern der Naturlauttheorie zurechnet, so gibt er damit wohl den Eindruck des modernen Lesers wieder, vgl. Völkerpsychologie, Bd. i, Teil ii, S. 593.

100 Süssmilchs Beweis, dass der Ursprung der Menschlichen Sprache göttlich sey (Berlin, 1766).

101 v, 5.

102 v, 9.

103 v, 17 f.

104 v, 20.

105 v, 27.

106 Herder hatte ähnliche Gedanken schon in der zweiten Auflage der Fragmente entwickelt, wo sich auch schon die Polemik gegen Süssmilch findet. F. Lauchert (Euphorion, i, 758) weist auf Mendelssohns Kritik an den Ausführungen Rousseaus in dem Sendschreiben an den Herrn Magister Lessing in Leipzig hin, das dessen Uebersetzung der Inégalité begleitete. Mendelssohn betont dort, “dass alles natürlich hat zugehen können.”

107 v, 31.

108 Vgl. H. Steinthal, Ursprung der Sprache (Berlin, 1888), S. 65.

109 v, 32.

110 v, 34.

111 v, 42.

112 v, 44.

113 v, 147.

114 v, 168.

115 v, 425.

116 v, 380 f.

117 Haym, i, 341 ff.

118 Aehnlich auch Theodor Gen the, Der Kulturbegriff bei Herder (Jena, 1902), S. 14, nach dem Herder “dem ihm zeitlich nahe stehenden Rousseau gegenüber wegen dessen völlig unhistorischer Denkweise mehr und mehr eine ablehnende Haltung einnahm.”

119 Haym, i, 343.

120 Briefwechsel mit Caroline Flachsland, Teil i und ii, in Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 39 und 41 (Weimar 1926 und 1928), Teil i, S. 41.

121 Ibid., 177.

122 Ibid., 293.

123 Ibid., 207 und 281, vgl. dazu die Anm. auf S. 467.

124 Ibid., 293.

125 Richard Fester, Rousseau und die deutsche Geschichtsphilosophie (Stuttgart, 1890), S. 51, schliesst aus diesem Brief, dass Herder jetzt den Emile zum ersten Male genau liest—eine Annahme, die in dem Text des Briefes keine Begründung findet. Herder betont ausdrücklich, dass es sich um eine erneute Lektüre handelt.

126 Briefwechsel mit Caroline, i, 273.

127 Ibid.

128 Am schärmerischsten ist der Brief vom 12. August 71: “. . . für Rousseau thue ich alles, mir ist er ein Heiliger, ein Prophet, den ich anbete”; vgl. Briefwechsel, i, 285.

129 Caroline Herder, Erinnerungen aus dem Leben J. G. Herders, ed. J. G. Müller (Tübingen, 1820), i, 236.

130 Briefwechsel mit Caroline, i, 293.

131 Ibid., 297.

132 Lebensbild, iii, 1, 323.

133 Vgl. Haym, i, 494 ff.; Unger, Hamanns Sprachtheorie (München, 1905), S. 164.

134 Vgl. Hamanns Werke, iv, 33 f.

135 Die grundsätzliche Uebereinstimmung zwischen Hamann und Herder wird besonders von Carl Siegel betont, vgl. Herder als Philosoph (Stuttgart und Berlin, 1907).

136 Haym, i, 496.

137 Brief vom 11. Aug. 72, Briefe an Hamann, S. 65.

138 Haym, i, 496.

139 Von und An Herder. Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlass, ed. H. Düntzer und Ferd. G. Herder (Leipzig 1861), i, 328.

140 Aus Herders Nachlass, ed. H. Düntzer und Ferd. G. Herder (Frkft/M., 1857), ii, 12.

141 Briefe an Hamann, S. 40 f.

142 Ibid., S. 43.

143 In seiner damals unveröffentlichten Schrift: Versuch einer Geschichte der lyrischen Dichtkunst; Lebensbild, i, 3, i, 98 ff., bzw. Suphan, xxxii, 95.

144 Vgl. Briefe an Hamann, S. 41 Z. 15 bis S. 43 Z. 31.

145 Adriaan Beverland; de peccato originale; hier zitiert in der faanzösischen Uebertragung von Fontenai (Paris, 1714), betitelt: Etat de l'homme dans le Peché originel.

146 Briefe an Hamann, S. 39 f.

147 xxxii, 163 ff.

148 Haym i, 276 f.

149 So hatte sich Michaelis in seiner Einleitung zum Mosaischen Recht selbst genannt, vgl. ibid., S. 60.

150 vi, 32.

151 vi, 34.

152 vi, 26.

153 vi, 25.

154 vi, 49.

155 Auf diese mythenbildenden Träume hatte Herder in der 2. Auflage der Fragmente verwiesen; er spricht dort von den “Kosmogonien, die sich jedes Volk erträumt”; ii, 61.

156 vi, 152 und 163. An ersterer Stelle findet sich der Widerspruch.

157 Haym, i, 552 ff.

158 Vgl. über diesen Unterschied zwischen Archäologie und Aeltester Urkunde: Fritz Strich, Die Mythologie in der deutschen Literatur (Halle, 1910), i, 116 f. Strich weist darauf hin, dass die mythologische Einstellung der Archäologie in der Aeltesten Urkunde aufgegeben ist.

159 Martin Doerne, Die Religion in Herders Geschichts philosophie (Leipzig, 1927), S. 28.

160 vi, 267 f.

161 vi, 267 f.

162 vi, 269.

163 vi, 282 f.

164 vi, 282.

165 vi, 283 f.

166 vi, 283.

167 vi, 273.

168 vi, 307.

169 vi, 205.

170 vi, 307.

171 Briefe an Hamann, S. 80.

172 v, 477 ff.

173 xv, 179 ff.

174 Steinthal, Ursprung der Sprache, S. 35.

175 vi, 299.

176 vi, 299 f. Herder sagt dort: “Da von der Sprache nun aller Gebrauch der Vernunft, und aller Unterscheidungskarakter der Menschheit, wie Ihr selbst bewiesen habt, abhängt! Mensch also nur durch Sprache das Geschöpf seyn konnte, was er seyn sollte—wird und muss ihn nicht diese weckende Kraft vom Ersten Augenblicke des Daseyns belebt, geleitet, geführt haben?”

177 vi, 286.

178 Hamanns Sprachtheorie (München, 1905), S. 170.

179 Wie sehr sich Herder selber dieses Nachlassens seines religiösen Eifers bewusst war, scheint mir am deutlichsten aus dem Brief an Lavater hervorzugehen, den er der Geschichtsphilosophie beilegt. Herder erwähnt dort Pläne zu einem zweiten Teil, der sich zum ersten wie der Schlüssel zum Schloss verhalten solle. Dieser Schlüssel sollte sein: “Religion, Christus, Ende der Welt mit einer glorreichen, seligen Entwicklung.” Herder behauptet, nicht zu wissen, ob er diesen Teil je schreiben wird, doch wusste er vermutlich sehr gut, dass er ihn nicht schreiben würde, denn offenbar handelt es sich hier nur um eine Entschuldigung für die geringe Berücksichtigung theologischer Vorstellungen in dem Werk gegenüber dem frommen Lavater; vgl. Aus Herders Nachlass, ii, 110.

180 Bezüglich der religiösen Elemente in der Geschichtsophilosophie sei auf die ausführliche Erörterung bei Dörne, o.c. S. 89 ff. verwiesen.

181 v, 477.

182 Vgl. Œuvres, i, 83 und 91. i, 85 verspricht Rousseau, den Urmenschen so zu beschreiben, “qu'il a dû sortir des mains de la nature.”

183 v, 447 Auch Rousseau macht einmal eine Bemerkung, die auf die Möglichkeit einer experimentalen Erkenntnis des Urmenschen hinzudeuten scheint: “Quelles expériences seroient nécessaires pour parvenir à connoître l'homme naturel; et quels sont les moyens de faire ces expériences au sein de la société” (i, 79). Dieser Satz hat mit Herders Ausführungen gewisse Aehnlichkeiten, doch denkt Rousseau dabei tatsächlich nicht an Geschichte; zweifelt er doch selber, ob der Naturmensch je existiert hat, wie er gerade zuvor ausgeführt hat; vgl. Œuvres, i, 79.

184 Das einzige Buch, das Herder mit Namen anführt, ist: Neueste historische Untersuchungen und Reisen in Asien. Diesem Hinweis auf historische Forschung darf man jedoch nicht zu grosse Bedeutung beimessen; Herder wollte häufig Historiker scheinen, wo er es tatsächlich nicht war.

185 Joseph François Lafitau, Mœurs des Sauvages Amériquains comparées aux mœurs des premiers temps (Paris, 1724).

186 Jens Kraffts, Die Sitten der Wilden, zur Aufklärung des Ursprungs und Aufnahme der Menschheit, Deutsche Uebersetzung (Kopenhagen, 1766). Das Buch lehnt sich stark an Lafitau an.

187 Ein Verfahren, das dem Rousseaus sehr ähnlich ist. Auch Rousseau verwischt häufig die Grenze zwischem Hypothese und Realität.

188 v, 478.

189 v, 478.

190 Rousseau hatte bekanntlich die bonté naturelle nicht im Text der Inégalité bewiesen, sondern behauptet nur in der berühmten Anmerkung i, dass er es getan zu haben glaube. “Bewiesen” oder nicht, der Gedanke der bonté naturelle ist eins der Fundamente der Rousseauschen Schrift. Herder erwähnt das Problem als solches nicht, doch enthält S. 479 nichts als den Versuch einer Beschreibung des von Natur guten Menschen.

191 Œuvres, ii, 3.

192 v, 480.

193 Œuvres, i, 105.

194 Ibid., 110.

195 Ibid., 108, 109.

196 v, 480, 481.

197 I. A. Galland, Les Mille et une nuits (Paris, 1704-17).

198 Anquetil-Duperron, Zend-Avesta, Ouvrage de Zoroastre (Paris, 1771).

199 Esprit des Lois, ii, 5; v, 14.

200 Traité de la Tolérance, Œuvres, xxv, 77 ff.; Philosophie de l'Histoire, Œuvres xi, 110 ff.

201 De l'Esprit, 3e discours, chap. xvii bis xxi, Œuvres (Londres, 1791), 178 ff., mit aus führlicher Darlegung der 4 üblen Folgen des Despotismus.

202 Anonym veröffentlicht im Jahre 1761.

203 Recherches, S. 2. Von den Fürsten wird dort gesagt: “qu'ils ont toujours été regardés comme des Dieux visibles, devant qui le reste de la terre anéantie devoit se prosterner en silence.”

204 Vgl. Herders Zur Geschichte der Wissenschaften aus Boulanger, xxxii, 153 ff.

205 Die Warnung vor dem Fachphilosophen bezieht sich nach einer Anmerkung auf “Montesquieu's Schaaren Nachfolger,” v, 482.

206 Geschichte der Menschheit, ii, 101. Vgl. jedoch Iselins abfällige Aesserungen über den historisch verbürgten Despotismus des Orients auf S. 75.

207 Ueber das Verhältnis von Herders Geschichtsphilosophie und Iselins Geschichte der Menschheit haben R. Fester (Rousseau u. d. dt. Gesch. Phil., S. 57) und A. Regli (Iselins Geschichte der Menschheit, eine Vorarbeit zu Herders “Ideen” S. 75) ausführlich gehandelt.

208 v, 530 Anmerkung.

209 Friedrich Meinecke, Entstehung des Historismus, ii, 434.

210 Ludwig Posadzy, Der entwicklungsgeschichtliche Gedanke bei Herder (Posen, 1906), S. 57.

211 v, 482 f.

212 A. T. Olmstead, History of Palestine and Syria, S. 39.

213 v, 484.

214 Meinecke (Historismus, ii, 418) möchte gerade in Herders Behandlung des Orients einen Gegensatz zur Aufklärung erblicken, indem hier “ihre starren Begriffe . . . unter der warmen Sonne einer menschlich liebenden und darum verstehenden Empfindung” zu schmelzen beginnen. Es sei im Gegensatz dazu nochmals betont, dass Herder nur die übliche Phraseologie der Entwicklungstheorie verwendet und nur willkürlich diese Vorstellungen im Orient lokalisiert.

215 Œuvres i, 110.

216 v, 488.

217 Œuvres i, 110.

218 v, 489.

219 Vgl. James Baikie, A History of Egypt (New York, 1929), S. 186 ff.

220 v, 490. Derartige Anschauungen finden sich z.B. bei Goguet (De l'Origine des Loix, des Arts et des Sciences et de leur Progrès chez les anciens Peuples, i, 336 ff.), der auf die Unehrlichkeit und Unsittlichkeit der altägyptischen Kultur hinweist. Im allgemeinen scheint man jedoch von Aegypten milder gedacht zu haben, vgl. Voltaire, Philosophie de l'Histoire, Œuvres, xi, 59 ff.; Fénelon, Télémaque, 2. Buch, etc.

221 Posadzy (op. cit., S. 38) weist auf die Verquickung von göttlicher Lenkung mit dem Entwicklungsgedanken hin. Solche Verquickungen kommen zuweilen auch in der Schilderung des Orients vor, vgl. v, 482.

222 v, 493.

223 v, 498.

224 Die Bedeutung Griechenlands als ästhetischer Idealzeit untersucht Erich Aron ausführlich; vgl. Die deutsche Entwicklung des Griechentums durch Winckelmann und Herder (Heidelberg, 1929), S. 79 ff.

225 Diese Tendenz zeigt sich vor allem im Discours sur les Sciences et les Arts; vgl. Œuvres, i, 7.

226 v, 495.

227 v, 495 f.

228 v, 514 f.

229 Stadelmann macht darauf aufmerksam, dass die Zweiteilung der Geschichte in Altertum und Neuzeit ungleich wichtiger ist als die Scheidung nach Lebensaltern; vgl. Der historische Sinn (Halle, 1928), S. 87.

230 v, 514. Tacitus wird dort ausdrücklich erwähnt.

231 Brief an Hartknock, Von und an Herder, ii, 43.

232 Fester (pp. cit., S. 55) führt ebenfalls aus, dass sich Herders Schrift mit Rousseaus erstem Diskurse in ihrer polemischen Tendenz berühre.

233 v, 545.

234 Œuvres, iii, 315.

235 v, 580.

236 S. o. S. 753.

237 v, 583.

238 v, 512.

239 S. o. S. 785.

240 Auf zwei Schriften sei hier besonders hingewiesen: Meineckes Ausführungen im Historismus (ii, 416 ff.) und Stadelmann, Herder und der historische Sinn.

241 Ernst Troeltsch, Der Historismus und seine Probleme (Tübingen, 1922, S. 18).

242 Soweit das Verhältnis der Herderschen Geschichtsphilosophie zu der Iselins in Betracht kommt, so hat gerade Regli dieses Problem besonders ausführlich behandelt. In der Einfügung des Gedankens der geschichtlichen Kausalität in die schon von Iselin angewandte Entwicklungsidee findet er Herders bedeutsamste Eigenheit, vgl. op. cit. S. 76 ff. Für Iselin gab es nur Einzelphänomene ohne inneren Zusammenhang, verbunden allein durch religiöse Metaphysik (S. 53). Ob diese Metaphysik allerdings wirklich so religiös war, scheint mir zweifelhaft, denn wenn auch Iselin ein ganz anderes Ziel verfolgt als Rousseau,—er will gerade die Kontinuität des Fortschritts erweisen—, befolgt er doch dieselbe Methode wie Rousseau; beide stehen in dieser Beziehung im Gegensatz zu Herder.

243 v, 495.

244 v, 499.

245 v, 505.

246 Stadelmann, op. cit. S. 69.

247 Georg Simmel: Die Probleme der Geschichts philosophie, S. 59.

248 Posadzy (op. cit., 56) hat dies etwas zu scharf formuliert: “Herder will die scheinbaren Willkürlichkeiten der Geschichte in eine Gesetzmässigkeit auflösen, aber seine Prinzipien reichen dazu nicht aus.”

249 xii, 4.

250 v, 501.

251 v, 502.

252 v, 503.

253 Troeltsch, op. cit. S. 39.

254 v, 504.

255 Lettre à l'Abbé Dubos, Cirey, le 30 octobre 1738, Œuvres, xxxv, 30.

256 Fueter (Historiographie, S. 375) rechnet sogar noch Gatterer zu der alten Schule der Historiographie.

257 Lanson hat sich bemüht, die gedankliche Einheitlichkeit des Rousseauschen Werkes dazutun. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob eine solche durch geschickte Interpretation nachweisbar ist, doch ist es unzweifelhaft, dass die einzelnen Werke aus verschiedenen Absichten heraus geschrieben worden sind. Der Discours sur les Sciences et les Arts ist schlechthin unvereinbar mit dem Contrat Social. Vgl. Lanson, Annales Jean-Jacques Rousseau (1912), S. 12.

258 Stadelmann, op. cit., S. 69.

259 v, 559f.

260 v, 511.

261 v, 513.

262 Troeltsch, Historismus, S. 122 f.

263 Fueter (Historiographie, S. 342), der allerdings darauf hinweist, dass der Pragmatismus schon vor der Aufklärung existiert hatte und von der Aufklärung nur konsequenter durchgeführt worden war.

264 Pensées, Teil v, Art. 9, §46.

265 Troeltsch (op. cit. S. 46) weist daraufhin, dass die Annahme eines Gemeingeistes “ein Bewusstsein ausserhalb des aktuellen Bewusstseins des Individuums” voraussetzt. Auch Herder ist diese Tatsache intuitiv klar geworden und so beruft er sich stets auf die Vorsehung, wenn er mit diesem ihm auf andere Art unlösbaren Problem in Berührung kommt.

266 Vgl. Hermann Wesendonck: Die Begründung der neueren Geschichtsschreibung durch Gatterer und Schlözer (Leipzig, 1876), S. 93.

267 Von und an Herder, i, 43.

268 v, 527.

269 Auf die Verwendung der Lebensalter zur geschichtlichen Individualisierung macht H. Grigensohn aufmerksam; vgl. Das Problem des geschichtlichen Fortschritts bei Iselin und Herder (Erlangen, 1913).

270 v, 508 f.

271 Stadelmann, op. cit., S. 28.

272 Meinecke, Historismus, ii, 440.