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Published online by Cambridge University Press: 02 December 2020
Die Geschichte Hamlets in Deutschland ist noch nicht geschrieben. Den Anregungen, die Robert Prutz bereits im Jahre 1847 gab, ist zwar durch das Buch von Alexander v. Weilen neuerdings Folge gegeben, aber mit der Bühnenlaufbahn des Dänenprinzen ist die Bolle, die dieser Charakter im Geistesleben der ganzen Nation spielte, keineswegs erschöpft. Als problematische Natur, gab er seit Goethes Wilhelm Meister den Kommentatoren immer neue Rätsei auf, und gleich dem Werterfieber, das durch Goethes ersten Roman entfesselt wurde, kann man von einem wahren Hamletfieber sprechen, das in den Köpfen des beginnenden 19. Jahrhunderts spukt. Schliesslich wird Hamlets Situation das Sinnbild für Deutschlands ganze politische Not, Zerrissenheit und Entschlusslosig-keit: das Gleichnis “Deutschland ist Hamlet” bezeichnet den Höhepunkt der literarischen Epidemie. Zur Geschichte der Vorstellung und des Wortes, das namentlich durch Freiligraths Glaubensbekenntnis (1844) berühmt geworden ist, hat R. M. Meyer in einem Aufsatz mit anerkannter Belesenheit beigetragen. Demnach ist Ludwig Börne (1818) der Erste, der die Selbsterkenntnis, mit der bereits die Bomantiker im Hamletscharakter sich spiegelten, verallgemeinert hat. “Shakespeare ist ein Britte,” sagt Börne in seiner bekannten Hamletbesprechung. “Hätte ein Deutscher den Hamlet gemacht, wiirde ich mich gar nicht dariiber wnndem. Ein Deutscher braucht nur eine schöne leserliche Hand dazu. Er schreibt sich ab, und Hamlet ist fertig.”
page 555 note 1 Herrn Professor Julius Petersen in Basel bin ich für hilfreiche Bemerkungen und Anregungen tiefen Dank schuldig. Nächstens wird als Ottendorfer Monographie erscheinen: Harro Harring, ein Beitrag zur deutschen Demagogenliteratur.
page 555 note 2 Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Theaters, S. 332.
page 555 note 3 Hamlet auf der deutschen Bühne bis zur Gegenwart, Berlin, 1908 (Schriften der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd. iii).
page 555 note 4 Gestalten und Probleme, Berlin, Georg Bondi, 1905, S. 265–280.
page 555 note 5 Ludwig Börnes gesammelte Schriften, Alfred Klaar, ii, S. 442.
page 556 note 1 Ibid.
page 556 note 2 Poetischer Journal 1800 (S. 49; wiederholt—Kritische Schriften, i, S. 155 f.).
page 556 note 3 Aesthetische Feldzüge, 1839 (S. 38 und 76).
page 556 note 4 Ueber Entstehung und Charakter der modernen Lyrik, 1837.
page 556 note 5 Rhonghar Jarr. Fahrten eines Friesen in Dänemark, Deutschland, Ungarn, Holland, Frankreich, Griechenland, Italien und der Schweiz, von Harro Harring. Vier Bände nebst einem Vorläufer, München, 1828, Joseph Lindauer'sche Buchhandlung.
page 557 note 1 Literatur-Blatt, redigiert von Dr. Wolfgang Menzel, 16. April, 1830.
page 558 note 1 Rhonghar Jarr. ii, S. 233.
page 559 note 1 Dichtung und Wahrheit, B. xiii; Weim. Ausg. xxviii, S. 216.
page 560 note 1 Harro Harring, der Friese, von Thusnelda Kühl, Glückstadt, 1906, S. 14.
page 560 note 2 Rhonghar Jarr, i, S. 131.
page 561 note 1 Ibid., S. 192.
page 561 note 2 Rhonghar Jarr, ii, S. 72.
page 562 note 1 Ibid., S. 109
page 563 note 1 Rhonghar Jarr, ii, S. 199 ff.
page 564 note 1 Warum sollten gerade diese Worte solch grossen Einfluss auf Rhonghar ausüben? Es wird uns klar aus einem sehr schönen kleinen Gedichte im Vorläufer zum Rhonghar Jarr.
Er spricht von prophetischen Klängen, und es ist ja erat das Jahr 1819.
Ein Sänger stand am Nordmeerstrand',
För Hellas Kampf bereit.
Die Mutter mit ihm wohl tief empfand,
Sie besprachen das Waffenkleid.
“Ich will dir geben ein Waffenkleid,”
Die Mutter zum Sohne spricht—
“Von festem Tuch, aus alter Zeit,
Du findest es besser nicht.”
Die Mutter sprach's und sucht' hervor
Ihr Brautkleid von schwarzem Tuch,
Das sie in Trauertagen nur Am Sarg der Lieben trug.
“D'raus lass dir machen ein Waffenkleid,
Mein Sohn und denke mein!
Das Kleid ist am Altar geweiht,
Und der Segen des Herrn sei dein!”
Der Jüngling trägt die schwarze Tracht
Dem Sühnungstod' entgegen,
Und hat an die Mutter wohl oft gedaeht,
Auf wilden Sturmeswegen.
Ich selber trug die schwarze Tracht;
Das war die Mutter mein,
Die dem Sohn' das Brautkleid dargebracht,
Drum soil sie besungen sein.
page 565 note 1 In Splitter und Balken: Erzählungen, Lebensläufe, Reiseblumen, Qedichte und Aphorismen, nebst Briefen über Literatur, Hof, 1832, findet sich ein Gedicht, welches Verrückt aus Liebe betitelt ist und einiges aufklart:—
Verrückt aus Liebe—Nein, aus Liebe nicht. Es ist was Anders, das aus mir als Wahnsinn spricht. Der Trias Klänge sind doch ewig drei—Wer ahnt nicht dass es Wahrheit—Freiheit sei, Die, weil auf Erden sie zu Grunde ge'n Mich niederreissen von der Hoffnung Höh'n!
Am Grabeshügel sitz' ich—unsrer Zeit. Sie starb der langen Weile—furchtbar'n Tod.
page 566 note 1 Diese versteckten Anspielungen lassen sich einigermassen verstehen, wenn man Harrings Hinweise auf den griechischen Hamlet, die deutschen Studenten im Parterre, den Jenenser und sich selbst genau verfolgt. Harring warnt den Leser ja, am Ende des Kapitels, dass er nicht versuchen solle, im Hamlet nachzuschlagen, um sich Klarheit in der Verbindung der excerpierten Stellen zu verschaffen.
page 567 note 1 Thorshof für Ibenshof, wo Harring geboren.
page 568 note 1 Hairing war schon zu dieser Zeit so halb un halb Describierter. Er war schon oft verhaftet worden, doch durch den Einfluss seiner Freunde wieder freigelassen.
page 569 note 1 Rhonghar Jarr, iii, S. 19.
page 569 note 2 D. h. 1828, da das voliegende Buch veröffentlicht wurde.
page 569 note 3 Rhongharr Jarr, iii, S. 6: “ja ich brachte auch wohl mitunter selbst eine Mode auf; da war ich der Zeit vorausgeeilt, wie z. B. Rhonghar Jarr in Dresden.”—
page 569 note 4 Der Kronprinz war auf drei Jahre vom Hofe verbannt, weil er verdächtig war, be dem dänischen Finanzkrach (1817) zu dem unzufriedenen Volk gehalten zu haben.
page 570 note 1 Harro Marring, der Friese, S. 48.
page 570 note 2 Rhonghar Jarr, ii, S. 234: “Wenn ich bei manchem Wort, welches ich aussprach, mit Hutten ausrufen möchte: ‘Ich hab's gewagt!’ so wird es die Zeit lehren, in wiefern ich dem hohen Vorbilde nachstrebe, dem Manne, den vor Tausend mein Herz verehrt, und ‘dessen Schuhriemen zu lösen ich mich nicht würdig erkenne.’ Sein Vorbild stärkt und erhebt mich zugleich, indem ich unter physischen Leiden mein Leben dahinschwinden sehe; wenn meine Leiden auch nicht mit seinem schaudervollen Zustande verwandt sind. … Ich ward nun einmal ‘ein fahrender Sänger’ des neunzehnten Jahrhunderts, und werde nach mancher Aehnlichkeit mit Hutten auch wohl die tragen müssen, dass ‘mir nichts anders übrig bleibt,’ als abermals Dienste zu suchen, und (wie Hutten in das Heer des Kaisers Maximilian) als gemeiner Soldat einzutreten.”
page 570 note 3 Rhonghar Jarr, ii, S. 105.
page 571 note 1 Die Move, Deutsche Gedicht von Harro Harring. Neuaufgelegt von mehreren Deutschen, 1840.
page 572 note 1 Das Theater an der Wien war dort ein Privat-Theater, darum ist es unwahrscheinlich, dass diese Berufung direct von Metternich ausgegangen ist. Aus den zuverlässigsten Quellen klingt es jedoch, als ob Harring in eine Falle gegangen wäre. Vgl. Alexander H. Everett's Miscellaneous Essays, Boston, 1846, Harro Harring, a Biographical Sketch. Everett schreibt: “The following sketch has been prepared from notes furnished by the subject, and carrying with them, for the most part, internal evidence of a strict adherence to truth.… After establishing himself in London (1837) he resumed his literary labors, and completed the two first volumes of his Memoirs, which cover the period preceding the year 1822. … They have since been finished by the addition of three more volumes; and will form when published one of the most interesting commentaries, that has yet appeared, on the history of the late revolutionary movements of Europe.” Sie sind niemals veröffentlicht worden. Folgendes schöpfte ich aus Everett's Sketch: “In the month of July, 1826, while engaged in his poetical and literary pursuits, he was surprised by an invitation from Vienna, to come and take the place of dramatic poet for the Imperial theatre. (Harring sagt selbst, an der Wien). The proposition was communicated to him by the manager of the Munich theatre, who explained the conditions, and desired him to enter on his duties immediately … he accepted the proposal; without perhaps, sufficiently reflecting upon his previous relations to the Austrian police, and the danger that something might occur to arouse its suspicions. He afterwards felt himself compelled to believe that this proposal, which proceeded ostensibly from the direction of the theatre, was itself a mere stratagem of the police to bring him again within their reach.” Sollte dies der Fall gewesen sein, so griff Metternich doch ins Spiel, wenn auch nicht direkt, doch gewiss indirekt; denn die österreich'sche Geheime Polizei stand doch unter seinem Oberbefehl.
page 573 note 1 Rhonghar Jarr, iv, S. 280.
page 574 note 1 Heinrich Heines Gesammelte Werke, herausgegeben von Gustav Karpeles: Die Bäder von Lucca, Seite 292.
page 574 note 2 Ibid., S. 371.
page 574 note 3 Es soll auch einen dritten Hinweis geben, welchen ich aber nicht habe finden können:—“ Ich habe den Wein, der auf dem Johannisberg wächst, immer für den besten gehalten, und für einen guten Vogt hielt ich immer den Herrn des Johannisberges; aber mein Respekt hat sich noch vermehrt, seitdem ich weiss, in welch hohem Grad er meine Gedichte liebt.…” Man merke stets, dass Rhonghar Jarr schon im Jahre 1828 erschienen, während der dritte Teil der Reisebilder erst 1830 veröffentlicht wurde.
page 574 note 4 Rhonghar Jarr, iiv, S. 185.
page 575 note 1 Rhonghar Jarr, iii, S. 234.
page 575 note 2 Serenaden und Phantasien eines friesischen Sängers, Vorläufer zum Rhonghar Jarr, München, 1828, S. 185.
page 575 note 3 Splitter und Balken. Unter den Aphorismen 87: “Eine geistreiche Dame nannte mich einst den ‘platonischen Don Juan.’—Man fand die Bezeichnung treffend, es entstand ein Epigramm, und der ”Satan“ memorierte es—d. h. er nahm das Wort in seine ‘Memoiren’ auf.” Literatur-Blatt. Montag d. 16. Jan. 1832 No. 7, S. 28. “Auch habe ich nie ein anderes Urteil über ihn (Harring) gefällt, als was er selbst über sich gefällt hat, indem er sich den ‘platonischen Don Juan’ nennt.”
page 575 note 4 Rhonghar Jarr, ii, S. 152.