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Bilder und Gleichnisse in Gottfried Kellers Prosawerken

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

O. S. Fleissner*
Affiliation:
Wells College

Extract

Die besondere Eigenart von Gottfried Kellers Erzählungskunst ist die Bildlichkeit und die dadurch bedingte Anschaulichkeit seiner Sprache. Wir finden in seiner Sprache alles, vom einfachen Wortvergleich, wie er uns häufig in der Umgangssprache entgegentritt, bis zum weitausgesponnenen ungewöhnlichen Gleichnis. Das alltägliche stereotype Bild wechselt mit dem eigenartigsten und phantasievollsten, dem derben naturalistischen Vergleich folgt ein feiner poetischer, dem malerisch farbigen ein gehaltvoll symbolischer. Selbst der flüchtige Leser wird immer wieder von der Wahrheit oder Schönheit eines Bildes angezogen oder von der Treffsicherheit eines Vergleiches überrascht. So hat man sich daran gewöhnt, wenn man von Keller spricht, auch seine “sprechenden Bilder” und “schlagenden Vergleiche” zu erwähnen, wie es bereits A. Frey in seinen “Erinnerungen an Gottfried Keller” tut. Erstaunlicherweise hat sich die literarhistorische Forschung bis jetzt damit begnügt, die Metamorphose des Begrifflichen zum Gegenständlichen in Kellers Schaffen zu betonen und allgemein auf die verblüffende Anschaulichkeit und Kühnheit seiner Vergleiche, sowie auf deren symbolischen und weltanschaulichen Gehalt hinzuweisen. Es sei nun hier der Versuch gemacht, auf diese charakteristische Seite des Kellerschen Stils näher einzugehen.

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1940

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References

1 Adolf Frey, Erinnerungen an Gottfried Keller, 2. erw. Aufl. (Leipzig: H. Haessel, 1893), S. 126.

2 Ed. Korrodi, Stilstudien zu C. F. Meyers Novellen (Leipzig: H. Haessel, 1912) S. 65–66.

3 E. Ermatinger, Gottfried Kellers Leben (Stuttgart: I. G. Cotta, 1920), 3 Bde, I, S. 331.

4 A. v. Gleichen-Russwurm, Gottfried Kellers Weltanschauung, (München: Rösl & Co., 1921), S. 25 ff.

5 Frey (a.a.O., S. 27) zitiert Keller wie folgt: “Es gab eine Zeit, wo ich selten einschlief, ohne Jean Pauls Werke unter dem Kopfkissen zu haben. Aber in jenen späteren Tagen, da ich zu schreiben anfing, tat ich längst keinen Blick mehr in seine Schriften, und von einer Wirkung auf meine Produktion kann daher in der von einigen Literarhistorikern angenommenen Weise durchaus nicht die Rede sein.”

6 Kellers kritische Einstellung gegenüber den Romantikern zeigt auch folgende Bemerkung über Tieck: “Ich las dieses Jahr durch Tiecks Novellen und wurde lebhaft angeregt zur Mitteilung über das Technische und Künstlerische in diesen Sachen des wunderlichen, unfertigen Alten. Gerade die Fehler sind äusserst lehrreich und interessant in diesen Novellen.” (An E. Palleske, 4. Dez. 1853)

7 Gottfried Keller, Ges. Werke (Stuttgart: I. G. Cotta, 1902), 2. Bd., S. 15.

8 Ges. Werke, a.a.O., 2. Bd., S. 14.

9 Hegel, Vorlesungen über die Aesthetik (Berlin, 1835).

10 Ges. Werke, a.a.O., 1. Bd. S. 144.

11 Studienausgabe der ersten Fassung des Grünen Heinrich von 1854/55. Herausgegeben von E. Ermatinger (Stuttgart: I. G. Cotta, 1914), 2. Bd, S. 264–266.

12 Ges. Werke, a.a.O., 3. Bd. S. 17–18.

13 “Was meine Buchstelle über das phantastisch typische Gestaltannehmen betrifft, so besteht kein Zusammenhang mit den Landschaftserffindungen. Jenes bezieht sich nur auf den spielerisch zerstreuenden Trieb, allerlei Begriffe und disziplinarische Gegenstände in figürliche Geichnisse umzuwandeln.”

14 Otto Brahm beruft sich in seiner Kellerstudie (1882) auf die erwähnte Stelle der ersten Fassung, um nachzuweisen, wie sehr für Kellers Empfinden das für andere bloss Abstrakte und Gedankenhafte sofort nach einer sinnlichen Umkleidung verlange, und wie die Dinge in Kellers Phantasie unversehens neben ihrer sachlichen Form runde körperliche Gestalt annehmen. Er übersieht, dass hier nur die Ansicht des jungen Keller der Sturm = und Drangperiode zum Ausdruck kommt, die der Dichter selbst in der endgültigen zweiten Fassung geändert und berichtigt hat. Diese Stelle der Brahmschen Studie ist mehrfach von andern übernommen worden (A.v. Gleichen-Russwurm, a.a.O., S. 25, H. Maync, Deutsche Dichter, Leipzig 1928, S. 180), als aus dem Gr. Hch. zitiert, ohne Angabe der ersten Fassung, wo sie mit Bezug auf die oben angeführten Gleichnisse eine sehr zweifelhafte Berechtigung hat. Wenn nun auch der darin ausgesprochene Gedanke an sich mit Bezug auf Kellers bestes Schaffen Berechtigung besitzt, so wäre es doch vorzuziehen, ihn durch Aussprüche des reifen Dichters zu belegen.

15 Ermatinger (a.a.O., 1. Bd., S. 331), führt als Beispiel von Kellers Anschaulichkeit der Sprache an, “wie auch das völlig Abstrakte in sinnliche Anschauung gewandelt” sei. “Anna und Heinrich (als Beispiel) hüten das Du im Herzen gleich einem goldenen Sparpfennige, den man auszugeben gar nicht nötig hat.” Dagegen lässt sich einwenden, dass es sich hier nicht um die Veranschaulichung von etwas rein Abstraktem handelt, da “das Du im Herzen” nicht einfach dem goldenen Sparpfennig gleichgestellt wird. Der Nachdruck liegt auf dem Verbum hüten, wodurch schon der erste “abstrakte” Teil Anschauungswert besitzt, der durch den Vergleich noch weiter ausgeführt wird.

16 zu Eckermann am 4. Mai, 1827.

17 Friedrich Gundolf, Goethe (Berlin: G. Bondi, 1920), S. 366.

18 A. Frey, a.a.O., S. 35.

19 Nach Ermatinger (a.a.O., 1. Bd., S. 285 ff) bedeutet erst das Feuerbacherlebnis fünf Jahre später für Keller den Wandel vom Romantiker zum Realisten. Aber Feuerbachs diesseits gerichtete, anthropologische Philosophie bestärkte nur den Dichter in seiner schon gewonnenen künstlerischen Anschauung und beschleunigte seine Entwicklung. Wie wäre es sonst verständlich, dass sich Keller in so kurzer Zeit für die Ideen Feuerbachs begeistern konnte und “aus einem Saulus ein Paulus wurde,” wie er scherzhaft schreibt (Heidelberg, 8. Febr. 1849), da er noch kurz vor seiner Ankunft in Heidelberg über ihn den Stab gebrochen hatte? Ueberhaupt ist Kellers Entwicklung eine langsame und organische und eine plötzliche Gesinnungsänderung gegen seine Natur.

20 Ges. Werke, a.a.O., 2. Bd., S. 14.

21 Studienausgabe, a.a.O., 1. Bd., S. 26–27.

22 Ibid., S. 31.

23 Ibid, S. 170.

24 Ges. Werke, a.a.O., 1. Bd., S. 112.

25 Zur Frage der Wechselbeziehung von Gehalt und Gestalt in der Dichtung sei auf folg. Untersuchungen hingewiesen: Oskar Walzel, Das Wortkunstwerk, (Leipzig: Quelle & Meyer, 1926), S. 100 ff. Robert Petsch, Die Analyse des Dichterwerkes, in “Philosophie der Literaturwissenschaft,” herausggb. von E. Ermatinger, 1929, S. 240 ff.

26 Studienausgabe, a.a.O., 1. Bd., S. 275.

27 Ges. Werke, a.a.O., 1. Bd., S. 199–200.

28 A. Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, herausggb. von Jul. Frauenstädt (Leipzig: F. A. Brockhaus, 1873), 2. Bd., S. 487.

29 Studienausgabe, a.a.O., 2. Bd., S. 411.

30 Ges. Werke, a.a.O., 3. Bd., S. 138.

31 Fr. Hebbels sämtliche Werke, hrsgb. von Hermann Krumm (Leipzig: Hesse & Becker), xiv. Bd (“Zur Aesthetik und Literatur,” kleinere lit. Aufsätze und Kritiken), S. 7–8.

32 Zum Tode J. Gotthelbs, 1855.

33 Ges. Werke, a.a.O., 1. Bd., S. 303.

34 Ges. Werke, a.a.O., 1. Bd., S. 129.

35 Heyse in seiner einleitenden Charakteristik zu Kellers “Romeo und Julia auf dem Dorfe,” in dem von ihm und H. Kurz herausgegebenen deutschen Novellenschatz, 1869–1873.

36 Ges. Werke, a.a.O., 1. Bd., S. 96.

37 A. Frey, a.a.O., S. 44.

38 Ges. Werke, a.a.O., 2. Bd., S. 15.

39 H. Pongs, Das Bild in der Dichtung (Marburg 1927).

40 Ricarda Huch, Gottfried Keller (Leipzig: Inselbücherei, 1914), S. 19. Um anzudeuten, wie kritisch Keller gegen sich selbst ist, zitiere ich eine Stelle aus seinem Aufsatz über J. Gotthelf (1851): “Was die Einfälle betrifft, so ist es eine eigene Sache mit denselben, und es gehört ein Raffael dazu, jeden Strich stehen lassen zu können, wie er ist. Wie manche Blume, die man in aufgeregter Abendstunde glaubt gepflückt zu haben, ist am Morgen ein dürrer Strohwisch! Wie manches schimmernde Goldstück, welches man am Werktag gefunden, verwandelt sich bis an einen stillen, heitern Sonntagmorgen, wo man es wieder besehen will, in eine gelbe Rübenschnitte! Man erwacht in der Nacht und hat einen sublimen Gedanken und freut sich seines Genies, steht auf und schreibt ihn auf bei Mondschein, im Hemde und erkältet die Füsse: und siehe, am Morgan ist es ein lächerliche Trivialität, wo nicht gar ein krasser Unsinn! Da heisst es aufpassen und jeden Pfennig zweimal umkehren, ehe man ihn ausgibt! Da hilft weder blindes Gottvertrauen noch Atheismus; es passiert jedem, der nicht feuerfest oder vielmehr wasserdicht ist.”

41 An E. Kuh, 28. Juni 1875.

42 Ges. Werke, a.a.O., 3. Bd., S. 173.

43 Ibid., 4. Bd., S. 108.

44 Ibid., 5. Bd., S. 342.

45 Ibid., 6. Bd., S. 94.

46 Ibid., 6 Bd., S. 165.

47 Ibid., 2. Bd., S. 205–206.

48 Ibid., 1. Bd., S. 275.

49 Ibid., 3. Bd., S. 38.

50 Ibid., 7. Bd., S. 152.

51 Vergleiche dagegen: E. Ermatinger, Krisen und Probleme der neueren deutschen Dichtung (Leipzig, 1928), S. 386: “Gerade deswegen aber, weil er keinen unmittelbaren Zusammenhang seines Schaffens mit dem Weben einer Gotteskraft in der Natur mehr kennt, weil die bildende Kraft in ihm einzig in den Raum seiner Persönlichkeit eingeschlossen ist, die sie hervorbringt, muss Keller umso ängstlicher darauf achten, dass sie persönlich, einzigartig, und also ”originell' ist. Daraus erklärt sich sein andauerndes und starkes, manchmal geradezu ängstliches Interesse für das Lob der Originalität.“

52 Ges. Werke, a.a.O., 4. Bd., S. 208.

53 Ibid., 5. Bd., S. 157.

54 Ibid., 5. Bd., S. 211.

55 Ibid., 6. Bd., S. 206.

56 Ibid., 6. Bd., S. 300.

57 Ibid., 6. Bd., S. 350.

58 Ibid., 3. Bd., S. 17.

59 Ibid., 4. Bd., S. 43.

60 Ibid., 5. Bd., S. 271.

61 Ibid., 6. Bd., S. 230.

62 Ibid., 1. Bd., S. 240.

63 Ibid., 1. Bd., S. 244–245.

64 Ibid., 2. Bd., S. 70–71.

65 Diese Annahme scheint auch ein Brief zu bestätigen, den Paul Heyse nach dem Empfang des umgearbeiteten dritten Teils des Grünen Heinrichs an den Dichter schrieb (21. Oktober, 1880): “Immer von neuem hat mich staunen machen, wie zwischen den alten und neuen Partien, die durch Jahrzehnte auseinander liegen, nicht der leiseste Unterschied an innerer Reife und lauterer Menschlichkeit zu spüren ist, mit anderen Worten, welch ein ganzer Kerl in der unerbittlichen Bedeutung des Wortes Du schon warst, als Dir zum ganzen Künstler noch einiges fehlte.”

66 27. Juli, 1881.

67 E. Ermatinger (“Krisen und Probleme” a.a.O. S. 266) bezieht sich hier in erster Linie auf das lyrische Schaffen Kellers. Auf Seite 273 aber heisst es: “Auch in Kellers epischem Schaffen ist jener Bruch, der den Fluss seiner Lyrick so rasch zum Versiegen und sein dramatisches Wollen um das Gelingen bringt. Nur ist es hier nicht ein Versagen und jedenfalls kein künstlerisches, sondern eher eine stoffliche Einschnürung.”

68 Daraus folgert allerdings Fontane, der Realist, es fehle Keller trotz all seiner Begabung, all seines Humors und seines Künstlertums eines: Stil. “Versteht man darunter die sogenannte charakteristische Schreibweise, deren Anerkenntnis in dem Buffonschen le style c'est l'homme gipfelt, so hat Keller nicht nur Stil, sondern auch mehr davon als irgendwer. Aber diese Bedeutung von Stil ist antiquiert, und an ihre Stelle ist etwa die folgende, mir richtiger erscheinende Definition getreten: Ein Werk ist umso stilvoller, je objektiver es ist, das heisst: je mehr nur der Gegenstand selbst spricht, je freier es ist von zufälligen oder wohl gar der darzustellenden Idee widersprechenden Eigenschaften und Angewöhnungen des Künstlers. Ist dies richtig (und ich halt' es für richtig), so lässt sich bei Keller eher von Stilabewesenheit als von Stil sprechen. . . . Erbarmungslos überliefert er die ganze Gotteswelt seinem Keller-Ton.” (Aus dem Nachlass Th. Fontanes: Otto Brahm “Gottfried Keller”) Thomas Mann in “Der alte Fontane” (“Rede und Antwort,” Ges. Abhandlungen und Aufsätze, 1922) nimmt gegen Fontane Stellung. Nach seiner Ansicht, treffe der Einwand, den Fontane gegen Keller erhebe, Fontane selbst nicht weniger. Auch er habe die ganze Gotteswelt seinem Fontane = Ton überliefert. Was auch gar nicht anders möglich sei, da der echte Künstler zwar nicht selber rede, sondern die Dinge reden lasse, sie aber auf seine persönliche Art reden lasse.

69 Ges. Werke, a.a.O., 7. Bd., S. 65.

70 Ibid. 7. Bd., S. 89.

71 Ibid., 7. Bd., S. 95.

72 Ibid., 7. Bd., S. 162.

73 Ibid., 8. Bd., S. 39.

74 Ricarda Huch, a.a.O., S. 50–51.

75 Ges. Werke, a.a.O., 8. Bd., S. 335.

76 Ibid., 3. Bd., S. 48.