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Neutestamentliche Theologie Als Biblische Theologie Einige Grundsätzliche Überlegungen1

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

Mogens Müller
Affiliation:
Dept of Biblical Exegesis, Købmagergade 44—46, DK-1150 Copenhagen K, Denmark

Extract

Es gibt zwei Bewegungen innerhalb der biblischen Exegese in unserer Forschungstradition. Die eine besteht in einer fortwährenden Akkumulation von Wissen. Neue Funde und eine immer neue Beschäftigung mit den Texten führen zu einem ständig anwachsenden Wissen, das sich – jedenfalls im Prinzip - auf äuβere Tatsachen bezieht. Die andere Bewegung vollzieht sich in Wellen. Sie besteht in einem ständigen Paradigmenwechsel, der meist von dem jeweiligen allgemeinen Kontext bestimmt wird, in dem Exegese betrieben wird. Natürlich finden diese zwei Bewegungen nicht unabhängig voneinander statt. Das Vorverständnis, mit dem der Interpret an die Texte herangeht, ist nicht allein entscheidend für die Art der Exegese, sondern trägt auch zur Akkumulation eines bestimmten Wissens bei, weil es ihn befähigt, das zu sehen, was frühere Paradigmen zu sehen nicht zulieβen. Die exegetische Arbeit geht so auf zwei Ebenen vor sich, denn das angesammelte Wissen muβ letztendlich nach einem Paradigma strukturiert werden. Diese Doppelbewegung wird nicht zuletzt an der Frage deutlich, was neutestamentliche Theologie beziehungsweise was Biblische Theologie ist. Hier hat neues Wissen über die Bibel und über die Benutzung der Bibel im antiken Judentum eine neue Bewegung hervorgerufen. Dasselbe gilt von dem immer intensi–veren Bemühen, Jesus von Nazareth im Rahmen des zeitgenössi–schen Judentums zu verstehen. Die programmatische Über–schrift ‘Jesus der Jude’ hatte in höchstem Maβe Einfluβ auf die Beschäftigung mit neutestamentlicher Theologie.

Type
Articles
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Copyright © Cambridge University Press 1997

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References

2 Diese Bedeutung des Terminus geht zurück auf Johann Philipp Gabler und seine berühmte Antrittsvorlesung im Altdorf in Jahre 1787: ‘De iusto discrimine theologiae biblicae et dogmaticae regundisque recte utriusque finibus.’ Siehe zur Forschungsgeschichte, auβer Merk, Otto, Biblische Theologie des Neuen Testaments in ihrer Anfangszeit (MThSt 9; Marburg: Elwert, 1972),Google ScholarStrecker, z.B. Georg (Hg.), Das Problem der Theologie des Neuen Testaments (WdF 367; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975)Google Scholar und Räisänen, Heikki, Beyond New Testament Theology (London: SCM, 1990).Google Scholar

3 Gese, Siehe Hartmut, ‘Erwägungen zur Einheit der biblischen Theologie’, ZThK 67 (1970) 417–36Google Scholar = ders., Vom Sinai zum Zion. Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie (BEvTh 64; München: Kaiser, 1974) 1130.Google Scholar Peter Stuhlmacher hat seine Auffassung zuletzt dargelegt in seinem Buch, Biblische Theologie des Neuen Testaments. Band 1. Grundlegung. Von Jesus zu Paulus (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992).Google Scholar

4 Als Beispiel für eine sehr kritische Stellungnahme, siehe zuletzt Merk, Otto, ‘Theologie des Neuen Testaments und Biblische Theologie’, in: Bilanz und Perspektiven gegenwärtiger Auslegung des Neuen Testaments. Symposion zum 65. Geburtstag von Georg Strecker (Hg. Löhr, Friedrich Wilhelm; BZNW 75; Berlin–New York: Walter de Gruyter, 1995) 112–43, bes. S. 128–35.Google Scholar

5 Hübner, Siehe Hans, ‘Vetus Testamentum und Vetus Testamentum in Novo receptum’, in Die Frage nach dem Kanon des Alten Testaments aus neutestamentlicher Sicht (JBTh 3; Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 1988) 147–63Google Scholar; ders., Biblische Theologie des Neuen Testaments. Band 1. Prolegomena (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1990), bes. 62ff.Google Scholar; ders., ‘Eine hermeneutisch unverzichtbare Unterscheidung: Vetus Testamentum und Vetus Testamentum in Novo receptum’, in: Texts and Contexts. Biblical Texts in Their Textual and Situational Contexts. Essays in Honor of Lars Hartman (ed. by Fornberg, Tord and Hellholm, David; Oslo: Scandinavian University, 1995) 901–10.Google Scholar

6 Haenchen, Siehe Ernst, ‘Das alte “Neue Testament” und das neue “Alte Testament”’, in: Die Bibel und Wir. Gesammelte Aufsätze. Zweiter Band (Tübingen: Mohr–Siebeck, 1968) 1327, S. 18.Google Scholar Ernst Haenchen ist der Meinung, der Gedanke sei auch heute noch für die meisten evangelischen Christen, ja auch die meisten evangelischen Theologen fremd, ‘daβ das in seinem ursprünglichen Sinn verstandene Alte Testament noch nie zum christlichen Kanon gehört hat.’ Siehe für diese Ansicht auch Vielhauer, Philipp, ‘Paulus und das Alte Testament’, in: Studien zur Geschichte der Reformation. Festschrift für Ernst Bizer (hg. Abramowski, von Luise und Goeters, J. F. G.; Neukirchen–Vluyn: Neukirchener, 1969); auch in ders.,Google ScholarOikodome. Aufsätze zum Neuen Testament Band 2 (hg. Klein, von Günter; TB 65; München: Kaiser, 1979) 196228, S. 224,Google Scholar der Haenchen mit Zustimmung zitiert. Brevard S. Childs, der eine ganz andere Auffassung vertritt, setzt in seinem Aufsatz, : ‘Die Bedeutung der hebräischen Bibel für die biblische Theologie’, ThZ 48 (1992) 382–90, S. 383,Google Scholar auβer Haenchen, und Lindars, Vielhauer auch Zitate von Barnabas, ‘The Place of the Old Testament in the Formation of New Testament Theology’, NTS 23 (1976–1977) 5966, S. 66Google Scholar (bei Childs fehlerhaft S. 86), und Dunn, James D. G., Unity and Diversity in the New Testament (London: SCM 1977), S. 94Google Scholar, auf seinen Index. Genannt werden kann, natürlich unter vielen anderen, auch Braun, Herbert, ‘Das Alte Testament im Neuen Testament’, ZThK 59 (1962) 1631,Google Scholar der (S. 24) sagt, daβ im Neuen Testament im Lichte des Christusglaubens zitiert wird, ‘ohne daβ der Kontext des alttestamentlichen Zitates und das theologische Koordinatensystem, in welchem das Zitat seinen Sitz hat, Berücksichtigung findet’. Vgl. S. 30. Als Forsetzung dieser For–schungstradition ist Hans Hübners Beitrag zur Diskussion (siehe oben Anm. 5) zu sehen.

7 Siehe für einen voll entwickelten Schriftbeweis z.B. Justin Apol. 30:… τ⋯ν⋯ποιν ἥηπоιησ⋯μεθα, οὐ καῖζ ἴψει λ⋯γουσι πιστε⋯ονεζ ⋯λλ⋯ τοῖζ προφητε⋯ουσι πρ⋯ν ἤ γεν⋯σθαι κατ’ ⋯ν⋯γκην πεθ⋯μενοι, δι⋯ τ⋯ κα⋯ ⋯φει ὐζ προεφηε⋯θη ⋯ρ⋯ν γεν⋯μενα κα⋯ γεν⋯μενα ·ἤπερ μεγ⋯στη κα⋯ ⋯ληθεσεστ⋯η ⋯π⋯διξιζ κα⋯ ⋯μῖν, ὠζ νομ⋯ζομεν. φαν⋯σεται

8 Ich glaube, daβ diese Feststellung jedenfalls zum Teil die an und für sich überraschende Tatsache erklärt, auf die Karrer, Martin in seiner vorzüglichen Untersuchung, Der Gesalbte. Die Grundlagen des Christustitels (FRLANT 151; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1991) S. 329CrossRefGoogle Scholar hingewiesen hat, nämlich ‘daβ das Neue Testament von den “sogenannten messiani–schen Weissagungen durchaus nicht den Gebrauch (macht), den man erwarten würde”: Nicht die Vorgabe eines messianischen Schriftsystems prägte die urchristliche Aneignung des Alten Testaments, sondern die Erinnerung und Erfahrung des Glaubens mit Jesus, dem Wir–kenden, Gestorbenen und Auferstandenen, dem Gesalbten, in einer interpretatorisch groβe Offenheiten erlaubenden Zeit.’ Das von Karrer gebrachte Zitat stammt aus Hertzberg, Hans Wilhelm, ‘Das Christusproblem im Alten Testament’ (1960), in seine Beiträge zur Tradi–tionsgeschichte und Theologie des Alten Testaments (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1962) 149.Google Scholar

9 Siehe zur Interpretation von 1 Kor 10 zuletzt Tronier, Henrik, Transcendens og transformation i Første Korintherbrev (Tekst & Tolkning 10; Kopenhagen: Akademisk Forlag, 1994) 3863.Google Scholar

10 Berger, Siehe Peter L. and Luckmann, Thomas, The Social Construction of Reality. A Treatise in the Sociology of Knowledge (1966, hier nach Ausgabe in Penguin University Books, 1971) 70ff.Google Scholar

11 So mutet es heute merkwürdig an zu lesen, wenn Braun, Herbert in seinem Buch: Spätjüdisch–häretischer und fruhchristlicher Radikalismus. Jesus von Nazareth und die essenische Qumransekte (BHTh 24.I–II; Tübingen: Mohr–Siebeck, 1957, 2. Aufl. 1969), 2.1Google Scholar, es als ein Zugeständnis formuliert, daβ ‘natürlich auch für Jesus selber mit der Übernahme eines gewissen Quantums Judentum gerechnet werden muβ’.

12 Siehe hierzu die Darstellung von Thompson, Thomas L., Early History of the Israelite People. From the Written and Archaeological Sources (SHANE 4; Leiden: Brill, 2nd ed. 1994) 353–99.Google Scholar

13 Siehe zuletzt Hengel, Martin, ‘“Schriftauslegung” und “Schriftwerdung” in der Zeit des Zweiten Tempels’, in: Schriftauslegung im antiken Judentum und im Urchristentum (hg. Hengel, von Martin und Löhr, Hermut; WUNT 73; Tübingen: Mohr–Siebeck, 1994) 171, bes. S. 51ff.Google Scholar Vgl. aber auch Vermes, z.B. Geza, ‘Die Schriftauslegung in Qumran in ihrem histori–schen Rahmen’ (deutsche Übersetzung von ‘The Qumran Interpretation of Scripture in its Historical Setting’ [ALUOS 6 (1969), 8597],Google Scholar auch [geringfügig geändert] in ders., Post–Biblical Jewish Studies [SJLA 8; Leiden: Brill, 1975] 3749),Google Scholar in: Grözinger, Karl Erich (Hg.), Qumran (WdF 410; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1980) 185200.Google Scholar

14 Ohne eine nähere Begründung zu bringen, sei jedoch hier vermerkt, daβ ich nicht glaube, daβ die essenische Gemeinde ein besonderes Gewicht auf die prophetische Verheiβung des neuen Bundes gelegt hat, geschweige denn sich selbst mit dem Begriff ‘Neuer Bund’ bezeichnet hat. Die wenigen Belege (in der Damaskusschrift 4 Stellen: 6.19; 8.21; 19.33–4 und 20.12, darüber hinaus nur lQpHab 2.3) reichen nicht aus, um diese Annahme zu unter–mauern, - schon auch deshalb, weil man in CD eine Distanz zu den Mitgliedern des Neuen Bundes spürt.

15 Siehe hierzu Müller, Mogens, ‘The Hidden Context. Some Observations to the Concept of the New Covenant in the New Testament’, in: Texts and Contexts. Biblical Texts in their Textual and Situational Contexts. Essays in Honor of Lars Hartman (ed. Fornberg, Tord and Hellholm, David; Oslo: Scandinavian University, 1995) 649–58.Google Scholar

16 Siehe hierzu Müller, Mogens, Kirkens fØrste Bibel (Kopenhagen: Anis, 1994) 125–6Google Scholar; englisch: The First Bible of the Church (Sheffield: JSOT, 1996) 133–4,Google Scholar wo auch auf die m.E. mit Unrecht oft übersehene Monographie von Ljungman, Henrik, Das Gesetz erfüllen. Matth. 5,17ffund 3,15 (Lunds Universitets Årsskrift, N.F. Abt. 1, Bd. 50 Nr. 6; Lund1: Gleerup, 1954)Google Scholar hingewiesen wird.

17 Siehe die Behandlung dieser Frage in Stendahl, Krister, The School of St Matthew (ASNU 20; Lund: Gleerup; Kopenhagen: Munksgaard, 1954) 183202,Google Scholar samt die weiterführende kritische Diskussion bei Gartner, Bertil, ‘The Habakkuk Commentary (DSH) and the Gospel of Matthew’. StTh 8 (1955) 124Google Scholar = ‘Der Habakuk–Kommentar (1 QpHab) und das Matthäus–Evangelium’, in Lange, Joachim (Hg.), Das Matthäus–Evangelium (WdF 525; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1980) 174204.Google Scholar

18 Siehe hierzu Müller, Mogens, ‘The Septuagint as the Bible of the New Testament Church. Some Reflections’, SJOT 7 (1993) 194207Google Scholar = ‘Die Septuaginta als die Bibel der neutestamentlichen Kirche. Einige Überlegungen’, KuD 42 (1996) 114.Google Scholar Vgl. auch ders., Kirkens fØrste Bibel/The First Bible of the Church.