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Formgeschichtliches zu den Seligpreisungen Jesu
Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
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Am Anfang der Feldrede stehen bekanntlich drei (Luk. vi. 20 f.), am Anfang der Bergpredigt acht Seligpreisungen oder Heilrufe (Matth. v. 3–10), wobei der später zugewachsene Spruch über die Verfolgten hier nicht berücksichtigt wird. Bei Lukas sind die Heilrufe durch entsprechende Weherufe ergänzt. Beide Versionen zeigen gegenüber den Vorlagen charakteristische Unterschiede auf, die hier zusammengestellt werden sollen.
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- Copyright © Cambridge University Press 1973
References
page 121 note 1 Dupont, J., Les Béatitudes, 2(1969), 379–81Google Scholar; vgl. 1(1954), 89, 178.
page 121 note 2 Vgl. Hauck, F., Th.W. IV, 366 f.Google Scholar: μακάριος, όοτις νοũν έχων τιμãθεόν (Eur. fr. 256) usw.
page 121 note 3 Zur Geschichte der Heilrufe im Alten Testament und Judentum vgl. Lipinski, E., ‘Macarismes et Psaumes de congratulation,’ Revue Biblique LXXV(1968), 321–67Google Scholar. Ob das vorexilische Spruchgut der Weisheitsliteratur oder, wie Lipinski denkt, im Kult verankerte Psalmworte am Anfang stehen, ist umstritten. Neben dem Jesajabuch enthalten vor allem Hiob, Sprüche und Sirach Makarismen.
page 121 note 4 Doppelsprüche sind z. B. Ps. lxxxiv. 5 f.; cxix. 1 f.; cxliv. 15 zu finden.
page 121 note 5 Dodd, C. H., ‘The Beatitudes: a form-critical study,’ More New Testament tStudies (1968), 3Google Scholar, weist noch auf Jes. iii. 10 f. hin; doch ist dort ‘heil’ nur zu konjizieren. Jer. xvii. 5 ff. stellt stilgemäß ‘verflucht’ und ‘gesegnet’ einander entgegen. Ps. i. 1 ff. ist sachlich verwandt, aber als Heilspruch formuliert. Ist die Vorliebe für ‘heil’ darauf zurückzuführen, daß ‘gesegnet’ immer mehr für Gott reserviert wird (Hinweis meines Assistenten H.-P. Hasenfratz)? Talmudbeispiele bei Lipinski, loc. cit. 362. Zu vergleichen ist auch äth. Hen. xcix. 10 neben 11–16.
page 122 note 1 Hilfe verdanke ich meinem kollegen p. Brang und seinen Mitarbeitern im slavishem Instituder Universitä Zürich, besonders Frl. I. Raku$$$a.
page 122 note 2 Vaillant, A., Le Livre des Secrets d'Henoch (1952, mit slavischem Text), x.Google Scholar
page 122 note 3 Dupont, loc. cit. 2i (1969), 332 ff.; Vgl. 276, Anm. 4 (Qumranfragment mit vierfachem ‘heil’).
page 122 note 4 Ich bin der Meinung, daß die drei Heilrufe Luk. vi. 20 f. auf Jesus zurückgehen (ohne νũν), nicht aber die entsprechenden Weherufe. Freilich sind diese von der Formgeschichte her durchaus adäquat und eigentlich zu erwarten (vgl. die Entwicklung innerhalb der Henochliteratur); denn Reihungen setzten bei den Wehe-, nicht bei den Heilrufen ein. Gegen ursprüngliche Zugehörigkeit der Weherufe spricht aber ihre Stellung hinter dem sekundär zugewachsenen Heilspruch an die Verfolgten Luk. vi. 22 f. (vgl. Anm. 1 auf S. 121), vor allem aber die Beobachtung, daß Luk. vi. 25 b schon beide Varianten des Heilspruchs, das ‘Weinen’ des ursprünglichen und das ‘Trauern’ des (wohl nach Jes. lxi. 2) korrigierten Rufs (Matth. v. 4), kombiniert und daß vielleicht darüber hinaus auch Luk. vi. 24 Kenntnis der Matth. v. 4 tradierten Version verrät (‘trösten/Trost’). Der umgekehrte Vorgang, daß nämlich der Weheruf Matthäus zur Änderung bestimmt hätte (Frankmölle, H., ‘Die Makarismen (Matth. v. 1–12; Luk. vi. 20–3)’, Bibl. Zeitschr. xv[1971], 64Google Scholar) ist unwahrscheinlich, weil dann die Angleichung an Jes. lxi, die auch Frankmölle sonst annimmt (68–71), an dieser Stelle rein zufällig entstanden wäre. Ebenso fraglich ist Duponts Ansicht, daß die auf Jesus zurückgehende Anspielung auf Jes. lxi. (loc. cit. II. 123–9) erst bei Lukas verschwunden sei (1226). Da er sekundäre Entstehung der Weherufe bei Lukas annimmt (ibid. 43–5, 109–13), wäre die im Heilruf verschwundene Anspielung im Wehe plötzlich wieder halbwegs aufgetaucht.
page 123 note 1 Selbstaussagen in erster Person finden sich vereinzelt (Gen. xxx. 13; Bar. iv. 4).
page 123 note 2 Das Abklingen eschatologisch prägnanter Aussagen läßt sich auch sonst bei den neutestamentlichen Heilrufen beobachten. Neben einem völlig auf die einmalige Situation bezogenen Heilruf wie Matth. xi. 6 (‘Heil dem, der nicht Anstoß nimmt an mir!’) gelten die dem treuen Knecht zugedachten Heilworte jedem, der sich in Jesu Dienst bewährt (Matth. xxiv. 46; Luk. xii. 37–43). In ihnen ist nicht mehr die eschatologisch herausgehobene Zeit der Gegenwart Jesu, in der die Entscheidung fällt, betont, sondern die Zwischenzeit, die sich von Jesu Kommen her bis zur Parusie erstreckt. Besonders deutlich ist aber Luk. xi. 27 f. Dem enthusiastischen Ruf ‘Heil dem Leib, der dich getragen…!’, der die Einzigartigkeit der Rolle der Mutter Jesu für die einmalige Erfüllung der Zeit betont, wird von Jesus der jedem Hörer und für alle kommenden Zeiten gültige Ruf entgegengesetzt: ‘Heil denen, die Gottes Wort hören und bewahren!’. Freilich ist, selbst in so allgemeinen Formulierungen wie Röm. xiv. 22, dabei immer noch festgehalten, daß es sich um die von Gott Erwählten handelt, und ein Luk. xi. 28 so nah verwandter Spruch wie Apk. xxii. 7 (‘Heil dem, der die Worte der Weissagung dieses Buches bewahrt!’) zeigt, daß sie noch immer als die, die am Engheil teilhaben werden, gepriesen werden (so die Parallelen xvi. 15; xix. 9; xx. 6; xxii. 14). Nicht zugänglich ist mir die maschinengeschriebene Dissertation Maahs, C. H., The Makarisms in the N.T. (Tübingen, 1965).Google Scholar
page 124 note 1 Ich meine, daß diese Form auf Jesus selbst zurückgeht, schon weil der in Q zugewachsene Heilruf an die Verfolgten auch Matth. v. 11 f. noch in zweiter Person erschein, also die vormatthäische und von Q unabhängige Umformung der vorangehenden acht Rufe in die übliche Form der dritten Person nicht mitgemacht hat. Auch sonst läßt sich ja in den neutestamentlichen Worten die zweite Person feststellen; sie ist durch die besondere eschatologische Lage bedingt, die durch Jesus inauguriert ist. Anders Dupont, loc. cit. 1114–20.
page 124 note 2 Das gilt auch für die griechischen Formulierungen (Th.W. IV, 366, 24).
page 124 note 3 Das entspricht eher griechischen, einen Tatbestand feststellenden Sätzen wie Plato, , Leg. II, 660Google Scholar e: ‘der gute Mann…ist glücklich und selig’ (Th.W. IV, 367, Anm. 27; vgl. 366, Anm. 18).
page 124 note 4 In dem uneigentlichen Heilruf ‘Heil den Unfruchtbaren’ Luk. xxiii. 29 steht zwar auch ein substantiviertes Adjektiv; doch folgen weitere Substantive mit Relativsätzen.
page 125 note 1 Ich halte diese Form für die von Jesus stammende, nicht die ausführlichere des Matthäus; doch vgl. S. 122, Anm. 4.
page 125 note 2 Vgl. noch Ps. xli. 2 ff; xciv. 13. Außerhalb des Alten Testaments wechseln Begründungssätze mit ‘denn’ mit solchen ohne: äth. Hen. xcix. 10–16; gr. Hen. xcviii. f.
page 126 note 1 Dies ist die Gefahr der lukanischen Formulierung, insbesondere weil ‘arm’ im Griechischen rein sozial verstanden werden kann, während die aramäischen Entsprechungen auch, aber nicht ausschließlich den sozialen Stand bezeichnen (Dupont, loc. cit. ii20–51, 1142–7, 272–7; Hoffmann, P., ‘Selig sind die Armen,’ Bibel und Leben (1969), 114 f.Google Scholar). Das im zweiten und dritten Spruch (schon, von Q, Davies, wie W. D., The Setting of the Sermon on the Mount (1964), 382Google Scholar, meint?) eingefügte, im ersten noch fehlende νũν macht aus der in der Vollmacht Jesu erfolgenden Zusprache eine allgemeingültige Regel für die Umkehrung aller Verhältniße im Jenseits, die sich dann allerdings als ‘Opium für das Volk’ mißbrauchen läßt (vgl. Dupont, loc. cit. 1212 f., doch auch 240–3). Insofern hat Matthäus, obwohl er formal weit stärker änderte als Lukas, Jesu Wort seiner Intention nach besser bewahrt als dieser (Dupont, loc. cit. 179–84).
page 126 note 2 Die Gefahr der matthäischen Version liegt darin, daß Jesu Zuspruch wieder als Aufstellen der vom Menschen zu leistenden Bedingungen mißverstanden werden kann (Dupont, loc. cit. 1266–8). Das wird vor allem durch die Zufügung der in Vers 7–10 folgenden Heilrufe suggeriert (vgl. Dodd, loc. cit. 8–10; zu deren Verwandtschaft mit allgemein christlichem Gedankengut Braumann, G., Nov. Test. IV (1960), 256–9)Google Scholar. Doch hat Matthäus erkannt, daß der Ruf nicht als allgemeingültige Regel bloß zur Kenntnis genommen werden kann, sondern ein Hören sucht, in dem der Angesprochene sich vom Ruf Jesu bewegen und als Armer, auf Gottes Zuspruch Angewiesener neu bestimmen läßt.
page 126 note 3 Ich darf diesen kleinen Beitrag wohl doch mit einem herzlichen Gruß an einen alten Freund, Kurt Stalder in Bern, zu seinem 60. Geburtstage verbinden. Ich hoffe, daß er ihm ein bißchen Freude macht, weil das, was in den Heilrufen Jesu sichtbar wird, weithin dem entspricht, was ein Hauptanliegen seines Buches über Des Werk des Heiligen Geistes in der Heiligung bei Paulus (1962) ausmacht: ‘Rechtfertigung’ ist (wie das von Jesus den Armen zugesprochene Heil) nicht nur göttliches Urteil im Sinne einer bloßen Deklaration, sondern der Sieg der Gerechtigkeit Gottes. ‘Heiligung’ ist (wie das Leben unter dem Zuspruch Jesu) Gottes eigenes Werk an denen, die sich in Glaube und Gehorsam (bzw. im Hören auf Jesu Zuspruch) von Gorr in Anspruch nehmen lassen. Wie Heiligung damit zur anderen Seite der Rechtfertigung wird, so die Nachfolge im Hören auf Jesus zur anderen Seite seines Zuspruchs.
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