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Marxismus und Bürokratie1

Published online by Cambridge University Press:  18 December 2008

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Wissenschaft von der Politik kann so wenig an die Stelle von Politik treten wie Literaturwissenschaft an die Stelle von Literatur. Aber, wie sich im Laufe der Zeit die Reflexion über Probleme der Literatur von dieser loslöste, so mußte auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung des gesellschaftlichen und politischen Lebens auch die Reflexion über das Gemeinwesen und über politisches Handeln ein selbständiger Gegenstand der Forschung werden. Was vermag wissenschaftliche Besinnung über politische Probleme zu leisten? Vor allem kann sie – wie Wissenschaft überhaupt – dazu beitragen, die Elemente der uns umgebenden Wirklichkeit nüchtern und rational zu sehen und unsere politischen Urteile aus der Sphäre vorschneller, unbegründeter Meinungsbildung und gefühlsmässiger Voreingenommenheiten auf eine Ebene vernünftiger Erwägungen und begründbarer Erwartungen heben. Sie kann das politische Urteil klären und schärfen und damit die Voraussetzungen für politische Entscheidungen verbessern, diese selbst jedoch vermag sie weder zu ersetzen, noch zu bewirken. Zu einer solchen klärenden Besinnung sollen auch die vorstehenden Überlegungen über Marxismus und Bürokratie beitragen.

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis 1960

References

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page 385 note 1 Marx-Engels, , Ausgew. Schriften in 2 Bä;nden, Berlin 1953, vol. I, p. 574Google Scholar. Vgl. auch Der Ursprung der Familie des Privateigentums und des Staates, I.c., vol. II, p. 298. Dort heiβt es: „Ausnahmsweise indes kommen Perioden vor, wo die kämpfenden Klassen einander so nahe das Gleichgewicht halten, daβ die Staatsgewalt als scheinbare Vermittlerin momentan eine gewisse Selbständigkeit gegenüber beiden erhält. So die absolute Monarchie des 17. u. 18. Jh., die Adel und Bürgertum gegeneinander balanciert; so der Bonapartismus des ersten und namentlich des zweiten französischen Kaiserreichs, der das Proletariat gegen die Bourgeoisie und die Bourgeoisie gegen das Proletariat ausspielte. Die neueste Leistung in dieser Art… ist das neue Deutsche Reich Bismarckscher Nation: hier werden Kapitalisten und Arbeiter gegeneinander balanciert und gleichmäβig geprellt zum Besten der verkommenen preuβischen Krautjunker”. Der Österreichische Sozialdemokrat Otto Bauer hat in seinem Buch Die oesterreichische Revolution (Wien 1923) an Engels anknüpfend eine bestimmte Periode der Nachkriegszeit in Österreich gleichfalls als „Zeit der Gleichgewichte der Klassenkräfte” charakterisiert, nur mit dem Unterschied, daβ jetzt das Proletariat selbst einen gewissen Anteil an der Ausübung der Regierungsgewalt hatte.

page 385 note 2 Brief vom 13.4.1866—zit. nach Marx, K.-Engels, F., Ausgew. Briefe, Berlin 1953, p. 208.Google Scholar

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page 388 note 1 Karl, Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, zit. nach Marx-Engels, Ausgew. Schriften in zwei Edn., vol. I, p. 491.Google Scholar

page 389 note 1 Friedrich, Engels, Kritik des Erfurter Programms der SPD, zit. nach K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, Berlin 1946, p. 75Google Scholar. Im gleichen Zusammenhang warnt Engels jedoch vor zu starker Zentralisierung: „Also einheitliche Republik. Aber nicht im Sinne der heutigen französischen, die weiter nichts ist, als das 1798 begründete Kaiserreich ohne den Kaiser. Von 1792–1798 besaβ jedes französische Departement, jede Gemeinde vollständige Selbstverwaltung nach amerikanischem Muster, und das müssen wir auch haben. Wie die Selbstverwaltung einzuüchten ist und wie man ohne Bureaukratie fertig werden kann, das bewies uns Amerika und die erste französische Republik, und noch heute Australien, Kanada und die anderen englischen Kolonien…” (p. 78). Als Mindestforderung solle daher ins Programm gesetzt werden: „vollständige Selbstverwaltung in Provinz, Kreis und Gemeinde durch nach allgemeinem Stimmrecht gewählte Beamte. Abschaffung aller von Staats wegen ernannten Lokal- und Provinzialbehörden” (l.c.). Diese Selbstverwaltung soli aber keinesfalls zu einer Aufrechterhaltung der „Kleinstaaterei” beitragen. In Deutschland könne das Proletariat nur eine „unteilbare Republik” brauchen. „Die Föderativrepublik ist auf dem Riesengebiet der Vereinigten Staaten jetzt noch im ganzen eine Notwendigkeit… Sie äare ein Fortschritt in England, wo vier Nationen auf den beiden Inseln wohnen… Sie ist in der kleinen Schweiz schon längst ein Hindernis geworden, erträglich nur, weil die Schweiz sich damit begntigt, ein rein passives Glied des europäischen Staatensystems zu zein. Für Deutschland wäre die föderalistische VerschweiZerung ein enormer Rückschritt…” (p. 77).

page 390 note 1 l.c., p. 77.

page 390 note 2 Eduard, Bernstein, Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1920, p. 195Google Scholar (1. Aufl. 1899).

page 391 note 1 Karl, Kautsky, Materialistische Geschichtsauffassung, 1927, vol II, p. 460Google Scholar. Vgl. auch ders. Parlamentarismus u. Demokratie, Stuttgart 1911 (1. Aufl. 1893). Dort erklärt K. u.a.: „Heute kann nur ein politiseli Blinder noch behaupten, das Repräsentativsystem sichere auch unter der Herrschaft des allgemeinen Wahlrechts die Herrschaft der Bourgeoisie, und um diese zu stürzen, musse man zunächst das Repräsentativsystem beseitigen. Jetzt schon beginnt es offenbar zu werden, daβ ein wirklich parlamentarisches Regime ebensogut ein Werkzeug der Diktatur des Proletariats sein kann, als es ein Werkzeug der Diktatur der Bourgeoisie ist. Nicht das Repräsentativsystem zu beseitigen, sondern die Macht der Regierung gegenüber den Parlamenten zu brechen, gleichzeitig aber auch dem Proletariat zu diesen eine möglichst breite Bahn zu ebnen durch Gleichheit des Wahlrechts, gleichmässige Einteilung der Wahlkreise, Wahrung des Wahlgeheimnisses, kurze Parlamente, völlige Freiheit der Presse, der Versammlungen und der Vereine, vor allem aber durch Ausdehnung des Wahlrechts auf aile Staatsangehörigen, die das zwanzigste Lebensjahr erreicht haben, das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Arbeiterklasse in ihrem Kampfe um die Erringung der politischen Macht” (pp. 121f.). Schon zuvor, in seiner Schrift über das „Erfurter Programm” hatte Kautsky erklärt: „Die direkte Gesetzgebung durch das Volk kann, wenigstens in einem modeinen Groβstaat…das Parlament nicht überflüssig machen, sie kann höchstens neben ihm in Einzelfällen zu seiner Korrigierung in Tätigkeit treten…Solange der moderne Groβstaat besteht, wird der Schwerpunkt der politischen Tätigkeit stets in seinen Parlamenten liegen” (pp. 220–221).

page 392 note 1 Lenin, W. I., Über den Parteiaufbau, eine Sammlung ausgewählter Aufsätze und Reden, Ost-Berlin 1958, p. 487Google Scholar. In diesem Band sind alle wichtigen Arbeiten Lenins zu Organisationsfragen vereinigt und bequem erreichbar gemacht.

page 393 note 1 Lenin, W. I., Brief an einen Genossen, Genf 1904, zit. nach dem Sammelband „Über den Parteiaufbau”, p. 126.Google Scholar

page 394 note 1 Lenin, W. I., Über die Reorganisation der Partei, November 1905, in der Zeitschrift Novajaizn, auch in dem Sammelband Über den Parteiaufbau pp. 412421Google Scholar sowie in den Gesanmelten, Werken, vol. X, pp. 1322.Google Scholar

page 394 note 2 Lenin, W. I., Taktische Plattform zum Vereinigungsparteitag der SDAPR…Die Grundlagen der Organisation der Partei, 20.3.1906, veröffentlicht in Partijnye Izvestija, zit. nach dem Sammelband „Über den Parteiaufbau”, pp. 422423.Google Scholar

page 394 note 3 Lenin, W. I., Sozialdemokratie und Dumawahlen, Jan. 1907, zit. nach dem Auszug im Sammelband über den Parteiaufbau, pp. 427428.Google Scholar

page 395 note 1 Lenin, W. I., E1in Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück (1904), zit. nach Über den Parteiaufbau, p. 304.Google Scholar

page 395 note 2 Trotzki, L., Verratene Revolution, Zurich o.J. (1957), p. 269Google Scholar. Vgl. auch: „die immer aufdringlichere Vergottung Stalins bildet..... einen unerlässlichen Bestandteil des Regimes. Die Bürokratie braucht einen unantastbaren obersten Schiedsrichter, einen Ersten Konsul, wenn nicht einen Kaiser…”. „Stalin ist die personifizierte Bürokratie, und das macht seine politisene Persönlichkeit aus” (l.c.). „Die Geschichte ist Zeuge, daβ sich der Bonapartismus mit dem allgemeinen und selbst geheimen Wahlrecht ausgezeichnet verträgt. Das demokratische Ritual des Bonapartismus ist das Plebiszit. Von Zeit zu Zeit wird den Bürgern die Frage vorgelegt: für oder gegen den Führer? Wobei der Abstimmende den Revolverlauf an der Schläfe fühlt. Seit den Zeiten Napoleons III., der heute wie ein provinzieller Dilettant aussieht, hat diese Technik eine ungeahnte Entwicklung erfahren. Die neue Sowjetverfassung, die den Bonapartismus auf plebiszitärer Grundlage errichtet, ist die echte Krönung des Systems” (p. 270.). -Eine umfassende Kritik des bürokratischen Systems des bolschewistischen Staates gibt—von einen „anarchistischen” Standpunkt George Spiro, Marxism and the bolshevik state, workers democratic world government versus national-bureaucratic soviet and capitalist Regimes, New York 1951.

page 396 note 1 Werner, Hofmann, Die Arbeitsverfassung der Sowjetunion, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 22, Duncker & Humblot, Berlin 1956Google Scholar. Vgl. auch die Rezension von Heinz Maus und mir in: Neue Politische Literatur, III. Jg. H. 1, pp. 56–66.

page 396 note 2 Georg, Luk´cs, Volkstribun oder Bürokrat (1940), zit. nach Karl Marx und F. Engels als Literaturhistoriker, Berlin 1952, pp. 127sqGoogle Scholar. Vgl. Max, Weber, Gesammelte Politische Schriften, München 1921, pp. 139sq.Google Scholar

page 397 note 1 Leo Trotzki, a.a.O., pp. 259 ff. Vgl. auch zur Kritik der Trotzki-Gruppe an der Stalinschen Bürokratie den von der „Vierten Internationale” in Paris herausgebrachten Band „Les Bolch´eviks contre Staline 1923–1928”, der Trotzkis „Cours nouveau” und die berühmte Schrift von Christian Rakovsky, „Les dangers professionnels du pouvoir”, sowie die Plattform der Linksopposition von 1927 enthält.

page 398 note 1 Helen, Contas, Max Webers two concepts of bureaucracy, in: American Journal of Sociology, LXIII, 01. 1958, pp. 400409.Google Scholar