Es liegt in dem Begriffe jeder Weltreligion, dass sie im Gegensatz zu anderen Religionen nicht nut die ‘Wahrheit’, sondern auch den höchsten Stand einer Entwicklung in dem Suchen nach ‘Wahrheit’ darstellt. Die vergleichende Religionsforschung hat daher, mehr noch als die Fachwissenschaft bei anderen Zweigen der Kulturuntersuchung, die Neigung, die gegenwärtige, d.h. in diesem Fall die christliche Auffassung von Religion als Massstab für die wissenschaftliche Fragestellung zu verwenden. Man suchte demnach nach persönlichen Göttern, von denen der Mensch sich abhängig fühlte, und denen er mit Gebet und Opfer nahte. Statt dessen fand man aber zunächst nur den Glauben an übernatürliche magische Kräfte bei Menschen, Tieren und Naturobjekten. Eine Art Erfolg war allerdings, dass Naturdinge vielfach personifiziert wurden, aber fatal war auch hier, dass der ihnen gewidmete Kult meist in einer magischen Beeinflussung bestand, und dass die dargebrachten Opfer im besten Fall zur Stärkung der Gottheit für ihre Obliegenheiten dienten. Auch die durchgehende animistische Unterlage aller religiösen Erscheinungen, wie sie E. B. Tylor hat aufstellen wollen, hat ein Verständnis im Sinne des Religionsforschers auf christlicher Unterlage nicht herbeigeführt, da der Tatsachenbestand nicht geändert wird, wenn wir auch mit Tylor annehmen wollten, dass der Mensch aus Seele und Körper bestehe und gleich ihm alle religiös wirksamen Naturobjekte als beseelt und daher als persönlich angesehen würden. Ein Gefühl der Abhängigkeit und des Vertrauens wird dadurch ebensowenig wie dutch die vorher erwähnten Entdeckungen gegeben.