Skip to main content Accessibility help
×
Hostname: page-component-78c5997874-ndw9j Total loading time: 0 Render date: 2024-11-09T15:19:34.728Z Has data issue: false hasContentIssue false

Produktive Negativität: Traurigkeit als Möglichkeitssinn um 1800

Published online by Cambridge University Press:  05 April 2013

Kristian Donko
Affiliation:
University of Ljubljana
Mary Cosgrove
Affiliation:
University of Edinburgh
Anna Richards
Affiliation:
Birkbeck College, University of London
Get access

Summary

Es ist die Welt noch, die gebrechliche,

Auf die nur fern die Götter niederschaun.

— Heinrich von Kleist, Penthesilea

IM ZUGE DER TIEFGREIFENDEN gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozesse ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfährt die Semantik der Traurigkeit wesentliche Erweiterungen und Umdeutungen. Nicht zuletzt korreliert dies mit der “Entdeckung” des modernen Individuums sowie dem umfassenden Neuarrangement der Diskurse über Gefühle und Empfindungen in dieser Epoche. Traurigkeit erscheint hierbei als eine Form der krisenhaften Selbstwahrnehmung des Individuums. In zeitgenössischen Quellen markiert daher Traurigkeit vielfach ein spezifisch modernes Empfinden existenzieller Verunsicherung, dem die Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Individualitätserfahrung zugrunde liegt. In diesem Sinne spiegelt Traurigkeit eine Modernitätserfahrung schlechthin wider, nämlich jene der Kontingenz, also die stets präsente Möglichkeit des Andersseins sowohl der äußeren als auch der inneren Welt des Subjekts. Dies ist, gegenüber der semantischen Tradition des Traurigkeitsbegriffs seit der Antike und dem christlichen Mittelalter, das wesentliche Signum der modernen Semantik der Traurigkeit.

Traurigkeit in der Vermoderne: Religion und Schicksalsnotwendigkeit

Über viele Jahrhunderte hinweg, in denen die christliche Moral den Rahmen möglicher Sinndeutungen absteckte, galt Traurigkeit als eine Vorahnung künftigen Verhängnisses. Sie stellte sich ein aufgrund des über jeden Menschen schwebenden Gottesgerichts und folgte damit der niederschmetternden Erkenntnis, qua Erbsünde von Geburt an der Gnade Gottes ausgeliefert zu sein. Traurigkeit verband sich also mit dem Bewusstsein, dass das Schicksal von einer Instanz bestimmt wird, die außerhalb menschlicher Einflussmöglichkeiten steht. Sie reflektierte den Umstand, dass der Mensch in einer anderen Welt unausweichlich für sein Handeln und Verhalten zur Rechenschaft gezogen wird, dass also auf die kontingente (menschliche) Wahl zwischen Gut und Böse das notwendige (göttliche) Urteil folgt.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2012

Access options

Get access to the full version of this content by using one of the access options below. (Log in options will check for institutional or personal access. Content may require purchase if you do not have access.)

Save book to Kindle

To save this book to your Kindle, first ensure [email protected] is added to your Approved Personal Document E-mail List under your Personal Document Settings on the Manage Your Content and Devices page of your Amazon account. Then enter the ‘name’ part of your Kindle email address below. Find out more about saving to your Kindle.

Note you can select to save to either the @free.kindle.com or @kindle.com variations. ‘@free.kindle.com’ emails are free but can only be saved to your device when it is connected to wi-fi. ‘@kindle.com’ emails can be delivered even when you are not connected to wi-fi, but note that service fees apply.

Find out more about the Kindle Personal Document Service.

Available formats
×

Save book to Dropbox

To save content items to your account, please confirm that you agree to abide by our usage policies. If this is the first time you use this feature, you will be asked to authorise Cambridge Core to connect with your account. Find out more about saving content to Dropbox.

Available formats
×

Save book to Google Drive

To save content items to your account, please confirm that you agree to abide by our usage policies. If this is the first time you use this feature, you will be asked to authorise Cambridge Core to connect with your account. Find out more about saving content to Google Drive.

Available formats
×