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Goethe und Goethe-Philologie als Muster der neugermanistischen Editionswissenschaft: Eine Skizze mit Blick auf literaturwissenschaftsgeschichtliche Kontexte

from Special Section on Die Entstehung der Neueren deutschen Literaturwissenschaft aus der Goethe-Philologie

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2013

Daniel Purdy
Affiliation:
Pennsylvania State University
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Summary

Dass “Goethe-Philologie” nicht nur einen spezifischen wissenschaftlichen Umgang mit Goethe in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts meint, sondern zum Paradigma der neugermanistischen Fachentwicklung seit den 1870er Jahren bis um die Jahrhundertwende werden konnte, ist inzwischen fester Bestandteil der Fachgeschichtsschreibung für die neuere deutsche Literaturwissenschaft. Gefüllt wurde dieser Begriff in der Geschichtsschreibung der deutschen Literaturwissenschaft lange mit der Vorstellung von “kleinkarierte[m] Expertenwissen” und dem damit verbundenen “häufig unreflektierten Dichterkult.” Der sich in Aufgriff der und Analogie zu den Naturwissenschaften entwickelnde literaturwissen-schaftliche Positivismus, wie die Bezeichnung jener Phase der deutschen Literaturwissenschaft im Allgemeinen lautet, schien daher angetreten, jene “Mühe positiver Kleinarbeit” für die “Totalität der Sachen” als Voraussetzung für die “Totalität des Geistes” zu begründen, nur dass sich das Mittel der “Totalität der Sachen” gegenüber dem Ziel zunehmend verselbständigte. Wie kein anderer gilt Wilhelm Scherer unter den Wissenschaftlern der frühen Neugermanistik als Personifizierung des germanistischen Positivisten, weil er—u.a. mit einem Aufsatz von 1870—die Verbindung von Natur- und Geisteswissenschaften methodologisch fruchtbar zu machen suchte. Dass es ihm durch seinen überragenden Einfluss gelang, seine Schüler auf wichtige Positionen zu platzieren, verstärkte noch die Wirkung seines Wissenschaftskonzepts. Zu denken gibt allerdings schon, dass Scherer sein Konzept nie selbst unter das Etikett des Positivismus stellte, sondern eine solche Zuschreibung an Scherer erst postum 1908 von Rudolf Unger erfolgte, und zwar genau zu dem strategischem Zweck, das literaturwissenschaftliche Paradigma der Geistesgeschichte einzuleiten.

Die neuere wissenschaftsgeschichtliche Forschung hat darauf aufmerksam gemacht, dass die schematische Opposition von Positivismus und Geistesgeschichte nur einen vorläufigen heuristischen Wert haben kann, denn der mikrostrukturelle Blick vermag das Schwarz-Weiß-Schema einer solchen Makrostruktur vielfach aufzulösen, zumindest erheblich zu differenzieren.

Type
Chapter
Information
Goethe Yearbook 19 , pp. 215 - 230
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2012

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