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“Taking Radar Ornithology as a Guide”: Theater für unser wissenschaftliches Zeitalter nach Brecht

Published online by Cambridge University Press:  15 June 2023

Markus Wessendorf
Affiliation:
University of Hawaii, Manoa
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Summary

In seinem Kleinen Organon für das Theater—dem dritten seiner Art, nicht zufällig in guter Gesellschaft mit Aristoteles’ als Organon bezeichneten logischen Schriften und Francis Bacons Novum Organon Scientiarium— entwirft Brecht eine spezielle Poetik, nämlich die Forderung nach einem Theater für ein wissenschaftliches Zeitalter. Über dieses Kleine Organon ist viel gesagt worden. Es wird zu Brechts wichtigsten theoretischen Schriften gezählt und zumeist als ein nachgeliefertes Legitimationsschreiben für sein episches Theater gelesen, mit dem er (Selbst-)Verständigung über seine bisherigen Theatertexte und die Theaterpraxis suche und die Methode der Verfremdung mit dem wissenschaftlichen Blick analogisiere.1 Das Epische, die Fabel, sein Realismusbegriff sowie sein praktischer Versuch zu einem neuen Theater stehen dabei im Zentrum.

Diese Perspektiven auf das Kleine Organon interessieren mich im Folgenden weniger. Stattdessen geht es mir um den Raum und die Fragen, die Brecht dadurch öffnet, dass er seine Zeit als eine wissenschaftliche analysiert, der es durch eine bestimmte Ästhetik zu begegnen gälte. Brechts Wissenschaftsbegriff ist beeinflusst vor allem durch die Umbrüche in der Physik zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und speist sich—zwar vermittelt über seine Marx-Lektüren und den damit verbundenen Kampf um Befreiung—letztlich aus einem Aufklärungsdenken, das Wissenschaft als Instrument menschlicher Selbstbestimmung und des Fortschritts versteht. Die ungeheure menschliche Produktivität, durch (Natur-)Wissenschaft ermöglicht, verbindet Brecht mit gesellschaftspolitischen Fragen zur Forderung einer ästhetischen Haltung kritischer Produktivität. Zwar sieht er die Kehrseite solcher Wissenschaft in Kriegstechnologie und Atombomben, hält letztlich aber an ihrem emanzipativen Potential fest.

Wenn Brecht seine Zeit als eine wissenschaftliche begreift, gilt das heute wohl noch offensichtlicher, wenn auch verschoben und gebrochen: Die Wissenschaften und die durch sie hervorgebrachten Technologien bestimmen unseren Alltag bis ins kleinste; die von ihnen ermöglichte Produktivität hat in jeglicher Hinsicht ein Niveau erreicht, das den Planeten unumkehrbar zeichnet und vielfach verwüstet; im Anthropozän verbinden sich industrielle Extraktion und Ausbeutung unserer Erde mit postfordistischen Produktionsweisen und digital-kapitalisierter Globalität. Auch wir sind also Kinder (und andere, verantwortliche, schuldige und unschuldige Kreaturen) eines wissenschaftlichen Zeitalters, wenn auch eines anderen als zu Brechts Zeiten, und müssen uns daher auf andere— wenn auch nicht weniger dringende—Weise der Frage nach unserem “wissenschaftlichen Zeitalter” und unserer (ästhetischen) Haltung dazu stellen.

Kann uns Brecht hier also noch etwas sagen? Was ist es für eine Verbindung, die er zwischen Wissenschaft und Theater fordert, und warum? Auf welchen Vorstellungen von Wissenschaft ruht sie? Und (wie) können wir sie für unsere Belange und unsere veränderte Situation fruchtbar machen?

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2022

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