Published online by Cambridge University Press: 14 June 2023
I’ve got. peculiar weakness for criminals and artists, neither takes life as it is. Any tragic story has to be in conflict with things as they are.
—Stanley KubrickDas goldene Zeitalter der Kriminalliteratur erreichte international seinen Höhepunkt in den 1920er und 1930er Jahren, die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, im deutschen Kontext repräsentiert durch die Weimarer Republik. Kriminalerzählungen gibt es allerdings schon seit Beginn der Geschichte, da das Thema von Schuld und Sühne bzw. die Darstellung von Verbrechen, Enthüllung und Strafe wie auch die Frage nach dem Ursprung des Bösen die Menschheit seit jeher faszinierten. Die Erzählungen der Tausendundeinen Nacht enthalten einige der frühesten bekannten Beispiele von Kriminalliteratur. Traditionell zählen Kriminalromane zur Trivialliteratur, auch wenn klassische Werke wie etwa Fjodor Michailowitsch Dostojewskis Roman Schuld und Sühne oder Friedrich Dürrenmatts Romane Der Richter und sein Henker oder Der Verdacht diese Themen literarisch anspruchsvoll verarbeiten. Als eigenständiges Genre trat der Krimi zunächst in der Romantik in Erscheinung. Eine erste deutsche Kriminalerzählung ist E. T. A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi aus dem Jahr 1819. Im Amerika des neunzehnten Jahrhunderts trug Edgar Allan Poe mit seinen dunklen Werken, etwa seiner Erzählung “The Murders of the Rue Morgue” (1841), zur Entwicklung des Genres bei. Spätere amerikanische Autoren wie Raymond Chandler, Dashiell Hammett und James M. Cain hatten einen hartgesottenen Stil, den Bertolt Brecht besonders bei Chandler bewunderte. Der “hard-boiled detective” dieser amerikanischen Autoren war eine Reaktion auf die geradlinigen, vorwiegend britischen “Whodunits,” die mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ihr Ende fanden. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert waren die Hauptautoren dieses goldenen Zeitalters der Kriminalliteratur alle Briten: Agatha Christie, Dorothy Sayers, Margery Allingham und Ngaio Marsh. “Wie die Welt selber wird auch der Kriminalroman von den Engländern beherrscht,” notierte Brecht um 1938 (BFA 22.1, 505).
Ebenso wie andere Intellektuelle der Weimarer Republik—Siegfried Kracauer, Walter Benjamin und Kurt Tucholsky—schätzte Brecht Kriminalromane. Als er vor seiner Reise ins amerikanische Exil viele seiner Bücher in Schweden zurücklassen musste, schrieb er im April 1941 resigniert in seinem Journal: “Meine beiden Produktionsmittel, die Zigarren und die (englischen) Kriminalromane, gehen aus und müssen rationalisiert werden” (BFA 26, 480). Trotz der Transportschwierigkeiten in der Emigration stehen heute 290 Kriminalromane in Brechts Nachlassbibliothek.
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