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Grablegung im Vorhof des Palasts: Groteske Anschaulichkeit in den vorletzten Szenen von Faust II

from Special Section on Goethe and the Postclassical: Literature, Science, Art, and Philosophy, 1805–1815

Published online by Cambridge University Press:  14 March 2018

Johannes Anderegg
Affiliation:
Universität St. Gallen
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Summary

I. “Nur grotesk”?

GROSSER VORHOF DES PALASTS” UND “GRABLEGUNG,” die beiden kurzen Szenen zwischen Fausts Erblindung in “Mitternacht” und dem erstaunlichen Schlussbild “Bergschluchten” werden von Kommentatoren und Interpreten oft recht stiefmütterlich behandelt, so, als handle es sich um eine bloße, nicht weiter ernst zu nehmende Überleitung, und wenig Interesse besteht offenbar an den Fragen, die sich bei einer derartigen Abwertung aufdrängen würden: weshalb es denn an dieser Stelle einer Überleitung bedürfe und in welcher Weise die Überleitung zwischen den Teilen vermittle. Zumal wenn die Bedeutung oder die Funktion dieser beiden Szenen explizit oder implizit im Kontext der vorangehenden Szenen und der Schlussszene beschrieben wird, in der es dann, wie Emil Staiger und Albrecht Schöne schreiben, um “Höheres und Höchstes” gehe, klingen die Charakterisierungen auch in neueren Interpretationen wenig begeistert oder sogar enttäuscht. Von einem “Intermezzo” ist in Bezug auf “Grablegung” die Rede, von einer “Burleske,” von einer “Posse” und von einem “Schwank” und sogar von einem “Satyrspiel,” obgleich dieses doch immer den Abschluss der Spiele bildete. Ob damit wohl angedeutet werden soll, dass das eigentliche Faust-Spiel hier ende und dass die Szene “Bergschluchten” so recht nicht dazugehöre? Bekanntlich hat schon Konrad Burdach diese Auffassung vertreten, und die Art und Weise mancher Entschlüsselungsversuche von “Bergschluchten” legt dies nahe.

Als grotesk-komisch werden die Figuren bezeichnet, und von Mephisto heißt es, er sei hier, in seiner in der Tat einigermaßen überraschenden Perversion, “nur grotesk.” Grotesk? Gewiss—aber warum nur hier und warum nur grotesk? Könnte es sein, dass sich hinter diesem “nur,” das in den Kommentaren zu “Großer Vorhof des Palasts” und “Grablegung” oft auch dort mitschwingt, wo es nicht explizit geäußert wird, die Irritation darüber verbirgt, dass der große Klassiker Goethe, sich in seinem größten Werk über alle Erwartungen hinwegsetzt, die man mit den Begriffen des Klassischen oder des Klassizistischen zu verbinden pflegt? Theoretisch hat Goethe zwar noch 1802 festgehalten, dass “wahre Kunst” nur durch Stücke “von rein gesonderten Gattungen” gefördert werde; seinen Faust wird man aber eher mit jenem “gout baroc” in Verbindung bringen, von dem Justus Möser meinte, er “erforder[e] … unähnliche Teile.” Und tatsächlich hat Goethe selbst schon in den neunziger Jahren die Komposition von Faust als “barbarisch” bezeichnet und damit deutlich gemacht, dass er sich bei diesem Werk nicht klassizistischen Regeln unterwerfen wollte.

Type
Chapter
Information
Goethe Yearbook 17 , pp. 73 - 88
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2010

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