Fernando Teixeira da Silva. Komparative Anmerkungen zu den brasilianischen und italienischen Arbeitsgerichten.
Der Aufsatz vergleicht das 1939 gegründete brasilianische Arbeitsgericht mit der italienischen Magistratura del Lavoro, die 1926 von der Mussolini-Regierung eingerichtet wurde, um die Konflikte zwischen Arbeit und Kapital auf juristischem Wege zu “harmonisieren”. Die traditionelle Sicht brasilianischer Intellektueller auf das Arbeitsgericht wird problematisiert: Ihr zufolge war das Arbeitsgericht entweder eine typisch brasilianische Einrichtung oder die lokale Umsetzung eines internationalen Modells. Es wird gezeigt, dass aktuelle Kontroversen um das Arbeitsgericht im Rahmen der “nationalen Frage” verbleiben, wie sie in den 1930er Jahren formuliert wurde. Der Aufsatz verfolgt den Ansatz, sich nicht ausschließlich auf den formalen Apparat oder die juristische Struktur des Arbeitsgerichts zu konzentrieren, sondern seine im Laufe der Jahre und abhängig vom jeweiligen historischen Kontext sich wandelnde Funktionsweise zu untersuchen. Dabei geht es in erster Linie darum, das Arbeitsgericht als eine Institution zu begreifen, auf die im Laufe der Geschichte von verschiedenen Akteuren und insbesondere von Arbeitern zurückgegriffen worden ist und der von diesen verschiedenen Akteuren unterschiedliche politische Bedeutungen zugeschrieben worden sind.
Erik Green. Staatlich gelenkte Intensivierung der Landwirtschaft und ländliche Arbeitsbeziehungen: Der Fall des Lilongwe Entwicklungsprogramms in Malawi, 1968–1981.
Der Autor befasst sich mit der cash crop-Produktion und ihrer Auswirkung auf die Arbeitsbeziehungen in der postkolonialen afrikanischen bäuerlichen Landwirtschaft. Der Schwerpunkt ist das Lilongwe Landentwicklungs-Programm (1968–1981) in Malawi. Das Ziel des Programms war es, afrikanischen Farmern zu helfen, die Erträge zu steigern und den Anbau von Tabak und einfachem Mais auf Erdnüsse und hochwertige Maissorten zu verlagern. Das Programm scheiterte an seinen Zielen, weil es gegensätzliche Kräfte des Programms enthielt. Das LLDP aktivierte einen größeren Teil der Farmer in der gewerblichen Landwirtschaft, was einen Niedergang der Bereitstellung lokaler Arbeiter, die nur gelegentlich oder dauerhaft eingesetzt wurden, verursachte. Die erhöhte kommerzielle Produktion wurde von einer Entkommerzialisierung der Arbeitsbeziehungen begleitet, die die Möglichkeit für wohlhabendere Farmer beschränkte, die Erträge durch die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte zu erhöhen. Mittels der Verwendung schriftlicher wie mündlicher Quellen, wird in diesem Artikel an einem empirischen Fall die herkömmliche Ansicht hinterfragt, ob cash crop-Produktion des zwanzigsten Jahrhunderts in ländlichen Regionen Afrikas mit einer Kommerzialisierung der Arbeitsbeziehungen einherging. Daraus folgt, dass die Geschichte der ländlichen Arbeitskräftebeziehungen nicht durch einfache lineare Modelle des historischen Wandels begriffen werden können, sondern ein Verständnis der lokalen Gegebenheiten erfordert, mit dem Fokus auf Anbausysteme und Faktoren, die das lokale Angebot und die Nachfrage nach Arbeitskräften bestimmen.
Kathryn J. Oberdeck. Von Wannen und Werkmeistern. Die Arbeiter von Kohler im Reich der Hygiene, 1920–2000.
Der Aufsatz untersucht die Auseinandersetzungen um die intimen und globalen Geographien häuslicher Hygiene, die von der Kohler Company entwickelt wurden. Als Hersteller von Sanitäreinrichtungen bemühte sich die Kohler Company im wohlfahrtskapitalistischen Industriedorf Kohler (Bundesstaat Wisconsin) um die Durchsetzung eines “amerikanischen” Lebenswandels und “amerikanischer” Hygienestandards. Der Aufsatz greift auf die Ansätze der Arbeitsgeschichte, der Kulturgeschichte und der kritischen Geographie zurück und zeigt, dass es sich lohnt, diese Methodologien miteinander zu kombinieren. Durch Berücksichtigung der Sichtweise der bei Kohler beschäftigten Arbeiter auf den “amerikanischen” Lebenswandel wird die kulturgeschichtliche Darstellung solcher Arbeiter als unkritische Rezipienten imperialer Aussagen über die Überlegenheit des amerikanischen Sanitärwesens problematisiert. In dem Aufsatz wird die These vertreten, dass jene Arbeiter, die sich um die gewerkschaftliche Organisierung ihrer Kollegen im Kohlerwerk bemühten, das von der Betriebsleitung propagierte Verständnis “amerikanischer” Standards in Frage stellten und alternative, proletarische Kartographien häuslicher Hygiene entwickelten. Dabei wurde auch die mit häuslicher Hygiene einhergehende Arbeit – geleistet von lokalen Arbeitsmigranten, aber auch von Arbeitern in anderen Erdteilen – thematisiert. Der Aufsatz untersucht das Erbe dieser Kartographien und setzt es in Beziehung zu den sich wandelnden globalen Produktions- und Konsumnetzwerken des Unternehmens.
Rüdiger Hachtmann. Fordismus und unfreie Arbeit. Einige Aspekte des Arbeitseinsatzes von KZ-Häftlingen in der deutschen Industrie, 1941–1944.
Der Aufsatz untersucht den Zusammenhang von Fordismus und unfreier Arbeit im nationalsozialistischen Deutschland. Fordismus wird als eine Form der Rationalisierung des Arbeitsplatzes und insbesondere der Fließproduktion verstanden, aber auch als “Herrschaftstechnologie” und “Ausbeutungsinnovation”. Anders als in der Weimarer Republik wurde der Fordismus im Nationalsozialismus in weiten Teilen der deutschen Industrie in der Form des “Kriegsfordismus” durchgesetzt. Um die Verbindungen zwischen den historisch spezifischen Varianten dieser scheinbar widersprüchlichen Produktionsregime – Fordismus und Zwangsarbeit – zu untersuchen, fokussiert der Aufsatz auf dem “Arbeitseinsatz” der am stärksten terrorisierten und brutalisierten Arbeitergruppe im Nationalsozialismus: der KZ-Häftlinge. Der Aufsatz bietet einen Überblick über die vorliegende Forschungsliteratur und untersucht die Kompatibilität von, aber auch die Spannungen zwischen dem Fordismus und dem Einsatz von KZ-Häftlingen in der deutschen Industrie. Abschließend werden mehrere Thesen zur Einordnung des Fordismus der Jahre 1941–1944 in die Gesamtgeschichte des deutschen Fordismus formuliert.