Der 2. Korintherbrief ist eine Art Werbeschrift in eigener Sache. Im Gefolge des 1. Korintherbriefs waren Probleme in der Beziehung zur Gemeinde aufgetreten. Nun versucht Paulus gemeinsam mit Timotheus diese Probleme so zu bearbeiten, dass sich den Adressaten ein vertieftes Verständnis des apostolischen Dienstes und damit auch der Praxis des Apostels erschließt.
Etliche Textpassagen sind freilich nicht leicht zu verstehen. Das gilt auch für die Eröffnung des ersten Hauptteils. In ihr bespricht Paulus Irritationen, die aus seiner Gestaltung des Kontakts zur Gemeinde entstanden. Worum es geht, ist im Grunde klar: um die Wahrnehmung des paulinischen Apostolats – auf Seiten der Adressaten und von Seiten des Paulus und seiner Mitarbeiter. Doch was genau der Text besagt, ist exegetisch umstritten. Um sein Verständnis zu befördern, möchte ich erneut seine Verortung im Brief, seine Struktur und seine Sprachgestalt analysieren.
1. Zum literarischen Ort und zum Aufbau von 2 Kor 1.15–2.2
Ich verstehe den Brief als literarische Einheit. Innerhalb des Rahmens aus Prä- und Postskript (2 Kor 1.1–2; 13.12–13), Proömium und Epilog (1.3–11; 13.11)Footnote 1 erschließt sich sein Aufbau von seinem Thema her, das die Propositio 1.12–14 angibt: Die Adressaten haben partiell verstanden, sollen aber in Gänze verstehen, dass die Absender ihr ‚Ruhm‘ sind; sollen Letztere demnach als ihre rechtmäßigen, sachgerecht agierenden Apostel ansehen und anderen gegenüber darstellen. Zu diesem Zweck arbeitet der Brief die aufgetretenen Probleme sukzessive auf: 1.15–7.16 erörtert die zuvor aufgekommenen Anstöße an der Ausübung des apostolischen Dienstes durch Paulus. Die Kapitel 8–9 sind der Sammlung für Jerusalem gewidmet, deren verzögerte Durchführung ihm Sorge bereitet. Ab 2 Kor 10 geht er auf den Zuspruch ein, den von ihm so genannte Falschapostel mit ihren Vorwürfen gegen ihn in der Gemeinde gefunden haben.Footnote 2
Der erste Hauptteil wird von paulinischen Aussagen der Zuversicht hinsichtlich seines Verhältnisses zur Gemeinde in 2 Kor 1.15 und 7.16 gerahmt. Eine entsprechende Äußerung findet sich in 2.3,Footnote 3 sodass eine Gliederung in zwei Abschnitte naheliegt. In der Tat geht es bis 2.2 um die Besuchsplanung und -praxis des Apostels, ab 2.3 um die Sendung und Wirkung des ‚Tränenbriefs‘ (2.4), den allem Anschein nach Titus überbracht hat.Footnote 4
Die Erwähnung eines paulinischen Schreibens (ἔγραψα) in 2 Kor 2.3, 4, 9 lässt sich am besten im Einklang mit 7.8, 12 auf einen zwischen dem 1. und dem 2. Korintherbrief versandten Brief beziehen. Eine Deutung des ἔγραψα auf den 2. Korintherbrief selbst ist problematisch.Footnote 5 Zum einen dürfte zwischen ἔκρινα in 2.1 und ἐξῆλθον in 2.13 auch das dreifache ἔγραψα in 2.3, 4, 9 auf einen vergangenen Vorgang verweisen. Zum andern sind die klaren paulinischen Belege für einen Aorist des Briefstils jeweils in eigenhändig geschriebene Sätze eingebunden, im Schlussteil eines Briefs verortet und dort vom Kontext her eindeutig als solche erkennbar.Footnote 6 Auf den 1. Korintherbrief wiederum passen die sachlichen Angaben zu jenem Brief in 2 Kor 2.3–11 nicht. Dass Paulus ihn ‚aus großer Bedrängnis und Beklemmung des Herzens heraus … unter vielen Tränen‘ (2.4) schrieb, weist angesichts ähnlicher Notizen in Röm 9.2; Phil 3.18 auf eine Situation großer persönlicher Betroffenheit, wie sie dann 2 Kor 2.5 und in der Folge 2.13; 7.5 ansprechen, wie sie aber im 1. Korintherbrief nirgends erkennbar wird.Footnote 7
Der Abschnitt 2 Kor 2.3–7.16 enthält nun zu Beginn und am Ende berichtende Passagen. Sie zeichnen den Gang der Ereignisse nach – zunächst von der Abfassung des ‚Tränenbriefs‘ bis zur Reise des Paulus nach Makedonien (2.3–13), dann von seiner Ankunft dort bis zur Freude weckenden Begegnung mit Titus (7.4–16).Footnote 8 Dazwischen steht eine breit ausgeführte Reflexion zur Eigenart und Funktion des Apostolats, geschrieben weitgehend im Wir-Stil (2.14–7.3). Ein ähnliches Muster prägt den ersten Abschnitt 1.15–2.2: Die Rahmenteile 1.15–17 und 1.23–2.2 bieten apologetisch geprägte Berichte des Paulus über sein Vorgehen; in der Mitte steht eine im Wir-Stil vorgetragene Reflexion über Eigenart und Basis des Apostolats (1.18–22).Footnote 9
Ein genauerer Blick auf den Abschnitt vertieft diese Einsicht. Der vordere Ich-Bericht 2 Kor 1.15–16 stellt zunächst die beabsichtigte Reiseroute vor, die einen Doppelbesuch in Korinth vorsah. 1.17 verteidigt sodann das Vorhaben mit zwei rhetorischen Fragen; von ihnen steht die erste im Aorist, die zweite im Präsens. Der hintere Berichtsteil 1.23–2.2 behandelt das Ausbleiben eines erneuten Besuchs. Die Entscheidung des Apostels wird mit 1.23 und 2.1 in zweifacher Hinsicht gekennzeichnet; und beide Feststellungen werden mit Sätzen im Präsens erläutert (1.24: ‚wir‘; 2.2: ‚ich‘). Die theologische Reflexion zum paulinischen Apostolat (1.18–22) bildet das Zentrum des Abschnitts. Sie beginnt in 1.18 mit einem Verweis auf Gottes Treusein und die paulinische ‚Rede‘, in der es für die Adressaten zutage tritt. Es folgen zwei Begründungssätze, die sukzessive die Eigenart des verkündigten Christus herausstellen (1.19, 20a–b). 1.20c zieht daraus eine Schlussfolgerung zur glaubenden Antwort darauf. An sie knüpft mit 1.21–2 ein weiterer Satz zum Wirken Gottes an; seine erste Wendung gilt Gottes gegenwärtigem Handeln an ‚uns mit euch‘, die andern drei Wendungen betreffen in der Vergangenheit liegende Taten Gottes an ‚uns‘.
Paulus bespricht also sukzessive Irritationen auf Seiten der Adressaten, die aus seiner Planung eines Doppelbesuchs in Korinth und dem Ausbleiben seines zweiten Teils erwuchsen.Footnote 10 Er verteidigt sein Vorgehen in 2 Kor 1.17, 23; 2.1–2 und stellt es in 1.18–22, 24 in den Horizont des apostolischen Dienstes, den er und seine Mitarbeiter an den Adressaten wahrnehmen.
Den so strukturierten Text gilt es nun in seinem Gedankengang nachzuzeichnen.
2. Zum Textsinn von 2 Kor 1.15–17
Ich übersetze die Verse im Kontext der obigen Beschreibung ihres Aufbaus wie folgt:
15 Und in diesem Zutrauen
beabsichtigte ich, zuerst / (schon) früher zu euch zu kommen,
damit ihr (noch) eine zweite Gunst(bezeigung) hättet,
16 und zwar durch euch hindurchzuziehen nach Makedonien
und wieder von Makedonien zu euch zu kommen
und (dann) von euch weitergeschickt zu werden nach Judäa.
17 Wenn ich nun dies beabsichtigte,
machte ich dann etwa von dem (die Sache) Leicht-Nehmen Gebrauch?
Oder (gilt bei allem,) was ich plane:
Gemäß dem Fleisch plane ich, sodass bei mir läge
das (unumstößliche) ‚Ja. Ja!‘ und das (unumstößliche) ‚Nein. Nein!‘?
Folgende exegetische Entscheidungen liegen der Wiedergabe zugrunde:
1. Das ‚Zutrauen‘ (2 Kor 1.15a) bezieht sich wie in 3.4; 8.22 auf die Beziehung zu den Adressaten. Konkret knüpft Paulus damit an seine Aussage in 1.14 an, sie hätten jedenfalls teilweise bereits erkannt, dass er und sein Team ihr Ruhm sind.Footnote 11
2. Die folgende Angabe hat eine formale Parallele in Phlm 13.Footnote 12 Auch dort nennt Paulus eine Absicht, die er letztlich nicht umgesetzt hat; und dazu verbindet er ἐβουλόμην mit erweitertem Infinitiv samt anschließendem Finalsatz. Schon dies spricht dafür, das Zeitadverb in 2 Kor 1.15a auf das Kommen, nicht das Beabsichtigen zu beziehen.Footnote 13 Das legt sich auch vom Versende her nahe. Die Wendung χάριν ἔχɛιν meint in biblischer Diktion, jemandes ‚Gunst zu haben‘.Footnote 14 Die Adressaten sollen also den vorgesehenen Doppelbesuch als zweifachen Gunsterweis des Paulus auffassen. Das Zeitadverb πρότɛρον ist in Vers 15 demnach auf das Zahlwort δɛυτέρα bezogen.Footnote 15
3. 2 Kor 1.16 bettet den Doppelbesuch in den beabsichtigten Reiseverlauf ein. So wird deutlich, dass dieser von der Mitteilung 1 Kor 16.5–7 abweicht. Sie kündigt nur einen, freilich längeren Aufenthalt im Gefolge einer Reise durch Makedonien an.Footnote 16 Jene Mitteilung hat Paulus mit der hier vorgestellten Absicht revidiert; das macht 2 Kor 1.15b als vorgezogener Verweis auf eine zweite Gunstbezeigung deutlich.Footnote 17 Demgemäß meint πρότɛρον in 1.15a ‚(schon) früher‘ oder ‚zuerst‘; das Kommen auf der Durchreise erscheint als ein dem ursprünglichen Vorhaben gegenüber vorgezogener oder dem Aufenthalt in Makedonien vorangestellter Besuch.Footnote 18
4. Mit 2 Kor 1.17a verteidigt Paulus die veränderte Reiseabsicht; das zeigt die Aufnahme von ἐβουλόμην (1.15) durch τοῦτο οὖν βουλόμɛνος an. Diese Partizipialwendung verbindet sich über ἆρα mit einer finiten Aussage zu einer adressatenkritischen Wenn-dann-Frage, wie sie ähnlich in Lk 18.8b vorliegt.Footnote 19 In 2 Kor 1.17 wehrt sie als rhetorische Frage den Vorwurf von ἐλαφρία ab. Dieses biblische Hapaxlegomenon wird meist mit BDAG und LSJ auf Leichtfertigkeit gedeutet. Die Belege für ἐλαφρός in 4.17 und der LXXFootnote 20 lassen aber eher an ein Leicht-Nehmen denken. Paulus tritt demnach der Unterstellung entgegen, er habe seine Absichten nicht ernst genommen.
5. Die zweite, mit ‚oder‘ angeschlossene Frage 2 Kor 1.17b–c hebt die Argumentation vom Einzelfall ins Allgemeine.Footnote 21 Das wird am Wechsel von Verb (βουλɛύομαι statt βούλομαι) und Tempus (Präsens statt Aorist) deutlich. Dass der Teilvers wie in Gal 1.20 mit einem vorangestellten Relativsatz beginnt,Footnote 22 weist in dieselbe Richtung. Es geht um eine Grundsatzaussage. Sie widerspricht der Idee, Paulus plane ‚gemäß dem Fleisch‘, also in selbstbezogener, ja, widergöttlicher Weise.Footnote 23 Diese Kennzeichnung menschlichen Tuns findet sich beim Apostel öfter, gerade auch im 2. Korintherbrief.Footnote 24 In 2 Kor 1.17 knüpft sie an die Propositio an, die klarstellt, dass der paulinische Umgang mit der Gemeinde nichts von ‚fleischlicher‘ Weisheit hat (1.12).Footnote 25
6. Worum es im ἵνα-Satz 2 Kor 1.17c geht, ist umstritten. Der Mehrheitsmeinung gemäß negiert er, dass es bei Paulus ein widersprüchliches In- oder Nacheinander von entschiedenem Ja und entschiedenem Nein gebe; die Verdoppelung von Ja und Nein diene wie in Mt 5.37a–b der Bekräftigung.Footnote 26 Frances Young hat dem mit guten Argumenten widersprochen.Footnote 27 Schlagend ist der Einwand, dass der Satz so einen von Paulus eingeräumten Umstand leugnen würde, hat er doch mit der Änderung der Reiseroute ein Ja und ein Nein widerrufen: die Zusage eines längeren Aufenthalts und die Beteuerung, nicht nur auf der Durchreise zu kommen (1 Kor 16.6–7). Young interpretiert daher im Anschluss an Chrysostomos und Von Hofmann in Analogie zu Jak 5.12d:Footnote 28 Gerade die Haltung, dass das Ja stets ein Ja und das Nein stets ein Nein sei, sei fleischlich, weil sie Macht über den Gang des Lebens beanspruche. Diese Auslegung ist ihrerseits fragwürdig, wie etwa Laurence Welborn dargelegt hat.Footnote 29 Sie lässt vor allem ungeklärt, warum im Folgenden nicht Gottes Macht über die Geschichte oder die Notwendigkeit paulinischer Flexibilität, sondern die Eindeutigkeit des göttlichen Ja betont wird. In der Tat sind beide Deutungen schon deshalb problematisch, weil sie letztlich auf Ergänzungen des vorliegenden Textes beruhen.
Einen Mittelweg schlägt Adolf Schlatter ein. Er sieht im ἵνα-Satz ‚die Art des fleischlichen Menschen‘ bezeichnet, ‚der mit Eifer sein Jawort gibt oder auch sein Nein ausspricht und nun … nicht davon lassen will, weil er meint, er sei über seine Wege Herr‘, und übersetzt demgemäß wie folgt: ‚damit das Ja, ja und das Nein, nein in meiner Macht stehe‘.Footnote 30 Er bleibt damit nicht nur beim Wortbestand, sondern legt den Satz auch philologisch weithin präzise aus.
Entscheidend ist zunächst, den Sinn der Wendung ἵνα ᾖ παρ’ ἐμοί zu erfassen. Ihr Auftakt mit ἵνα ᾖ hat bei Paulus drei Parallelen, und alle drei stellen im Kontext der Korintherbriefe Gottes alleinige Macht heraus – und das zweimal gegenüber menschlichen Machtansprüchen:
1 Kor 2.5: damit euer Glaube nicht (gegründet) sei in (der) Weisheit von Menschen,
sondern in (der) Macht Gottes;
1 Kor 15.28c: auf dass Gott sei alles in allen;
2 Kor 4.7b: damit das Übermaß der Macht sei Gottes und nicht aus uns.
Ein ähnlicher Sinnzusammenhang ist daher für 2 Kor 1.17 zu erwarten. Zudem nutzt Paulus die Wendung ɛἶναι παρά mit Dativ der Person – die generell anzeigt, dass eine Eigenschaft oder ein Vermögen ‚bei jemandem ist‘ (BDAG) – stets mit Blick entweder auf Gottes Hoheit oder auf menschliche Selbstbezogenheit.Footnote 31 Formal analog sind zumal Röm 2.11 und 9.14b konstruiert, die negierend oder fragend bestimmte Vorstellungen als unvereinbar mit Gott markieren.Footnote 32 Das entspricht antithetisch biblischen Aussagen, die Gott als den einen Urheber des Lebens oder der Sühne, als den einen Inhaber von Weisheit und Macht, Ratschluss/Plan und Einsicht preisen.Footnote 33 Die rhetorische Frage in 2 Kor 1.17b–c bestreitet also in der Tat eine fleischliche Anmaßung: die Anmaßung, eine allein Gott zustehende Kompetenz für sich zu beanspruchen. Der ἵνα-Satz bringt dabei die ‚gedachte[ ] Folge‘ zur Sprache,Footnote 34 also die Konsequenz, die sich Paulus zufolge aus einem derart fleischlichen Planen ergäbe. Daher ist ἵνα wie in Gal 5.17 am besten mit ‚sodass‘ zu übersetzen; auch dort benennt der ἵνα-Satz die Folge menschlichen Trachtens.Footnote 35
‚Das „Ja. Ja!“ und das „Nein. Nein!“‘ ist dann ein Ausdruck unumstößlicher Zusage und Negation.Footnote 36 Eine gewisse Analogie bietet das doppelte Ja in Bekräftigungen und Schwüren.Footnote 37 Dass ein doppeltes Nein hinzutritt und beide determiniert werden, lässt aber an Aussagen biblischer Gotteslehre denken: Nur Gott, der tötet und lebendig macht,Footnote 38 verfügt über das unumstößliche Ja und das unumstößliche Nein; unbedingt verlässliches Planen und unaufhaltsam wirksames Reden ist allein Gottes Sache.Footnote 39 Es wäre Ausdruck fleischlicher Weisheit, Derartiges für das eigene Planen in Anspruch zu nehmen. Dass Paulus dies nicht tut, zeigte er in 1 Kor 16.7; dort kündigte er seinen Aufenthalt in Korinth ja ausdrücklich unter dem Vorbehalt göttlichen Gestattens an.Footnote 40
Damit sind die Einwände gegen die Modifikation seiner Reiseplanung abgewiesen. Freilich wirft sein zweites Argument Fragen auf: Wo in der Beziehung zu ihm kann die Gemeinde denn Gottes Verlässlichkeit erfahren? Muss sie dabei etwa mit einem In- oder Nebeneinander von Ja und Nein rechnen? 2 Kor 1.18–22 geht auf diese Fragen in zwei Schritten grundsätzlich ein.
3. Zum Textsinn von 2 Kor 1.18–20
Ich übersetze und gliedere den Text wie folgt:
18 Treu aber ist Gott (darin),
dassFootnote 41 unsere Rede, die an euch (ergeht), nicht ein Ja und ein Nein ist.
19 Denn der Gottes-Sohn Jesus Christus,
der unter euch durch uns Verkündigte – durch mich und Silvanus und Timotheus –,
wurde nicht ein Ja und ein Nein, sondern ein Ja ist in ihm (Wirklichkeit) geworden.
20 Denn wie viele Verheißungen Gottes (es auch immer gibt):
In ihm (ist) das Ja (darauf Wirklichkeit);
deshalb (ergeht) auch durch ihn das Amen
an Gott zur (Erschließung der) Herrlichkeit – (nämlich) durch uns.
Einleitend verweist 2 Kor 1.18 auf Gottes Bundestreue.Footnote 42 Das greift 1 Kor 1.9 auf: Diese Treue wurde den Adressaten in ihrer Berufung zugesagt.Footnote 43 Der Anschluss mit ‚aber‘ unterstreicht dabei den Gegensatz zu der fleischlichen Anmaßung, die 2 Kor 1.17b–c anspricht.
Als Medium der göttlichen Treue wird ‚unsere Rede‘ (ὁ λόγος ἡμῶν) benannt. Im Rahmen paulinischen Sprachgebrauchs ist damit die apostolische Verkündigung gemeint.Footnote 44 Dazu passt auch die Adressierung dieser Rede, erinnert sie doch an frühchristliche und biblische Aussagen zur Übermittlung des Wortes Gottes.Footnote 45 Diese Rede bietet den Adressaten kein Ineinander von Ja und Nein. Gewiss wirken die Apostel gemäß 2 Kor 2.15–16 als Zeugen Gottes, der tötet und lebendig macht. Doch als solchen, die gerettet werden, kommt den Adressaten Gottes Ja zu.Footnote 46
2 Kor 1.19 begründet dies mit Blick auf die Identität Christi, wie sie in der Gründungspredigt zu Korinth zur Sprache kam. Die bei Paulus einmalige Titulatur ‚Gottes-Sohn Jesus Christus‘ erinnert dabei an grundlegende Formulierungen des Christusbekenntnisses, etwa in Mt 16.16 und Joh 11.27.Footnote 47 Betont wird, dass Gottes Ja ‚in‘ Christus Wirklichkeit geworden ist. Das entspricht 2 Kor 5.17–19: Neuschöpfung vollzieht sich immer dort, wo jemand in den durch Christus eröffneten Raum der Versöhnung eintritt – was der Versöhnungsdienst der Apostel ermöglicht.Footnote 48 Im Übrigen weist die Formel ‚in Christus’ generell auf den Prozesscharakter der Rettung hin; das belegt etwa das Gegenüber von Röm 8.1 und 1 Kor 15.22.Footnote 49
Folgerichtig bezieht 2 Kor 1.20a–b das Ja in Christus auf Gottes Verheißungen. Paulus findet sie in der Schrift. Ihre Heilszusagen für die Väter Israels und die Gemeinde des neuen Bundes werden in Christus befestigt und sukzessive erfüllt: anfänglich in Jesu Wirken, Tod und Auferstehung, endgültig im Zuge der Parusie.Footnote 50 So deckt das göttliche Ja zu den Verheißungen deren eschatologischen Sinn erst auf. Die Erstreckung des Ja bis in die Endzeit zeigt dann 1.20c explizit an – wenn man denn Struktur und Sprache des Satzes präzise wahrnimmt.
Seine Einleitung mit ‚deshalb auch‘ markiert das Folgende als notwendige Konsequenz des Voranstehenden.Footnote 51 Deren Inhalt bildet mit 2 Kor 1.20a–b einen synthetischen Parallelismus mit chiastischer Stellung der Satzglieder: ‚in ihm das Ja‘ und ‚durch ihn das Amen‘ entsprechen einander ebenso wie die Gottesaussagen zu Beginn und Ende.Footnote 52 Dabei gehört der Dativ τῷ θɛῷ syntaktisch zum Amen.Footnote 53 Dass Gott Ehre gebührt oder zukommt, wird tatsächlich nirgends in der griechischen Bibel mit den Worten τῷ θɛῷ πρὸς δόξαν ausgedrückt; es heißt regelmäßig (τῷ) θɛῷ ἡ δόξα oder ɛἰς (τὴν) δόξαν (τοῦ) θɛοῦ.Footnote 54 Dann aber weist πρὸς δόξαν in Analogie zu Röm 8.18 auf die endzeitliche Herrlichkeit, die den Christusgläubigen erschlossen wird.Footnote 55 In den Handschriften F und G, die den Text von 2 Kor 1.20c nach Röm 2.7, 10a zu δόξαν καὶ τιμήν ergänzen, ist er eindeutig so verstanden. In der Tat meint absolut genutztes δόξα in den Paulusbriefen meist eine Herrlichkeit, die Menschen im Zuge göttlichen Heilshandelns zugeeignet wird.Footnote 56
Anteil an ihr erhalten die Adressaten, wenn sie mit Amen glaubend in Gottes Ja einstimmen.Footnote 57 Als Bestätigung eines Gebets kennen sie Amen nach 1 Kor 14.16 ja. Dass solches Einstimmen ‚durch Christus‘ erfolgt, passt zum paulinischen Gebrauch der Wendung bei Dankes- oder Zutrauensäußerungen gegenüber Gott.Footnote 58 Gerade so gelesen passen die erste und die letzte Zeile des Parallelismus in 2 Kor 1.20 (ὅσαι γὰρ ἐπαγγɛλίαι θɛοῦ | τῷ θɛῷ πρὸς δόξαν) zusammen: Inhalt der Verheißungen für die, die zu Christus gehören, ist ihre Teilhabe an der Herrlichkeit;Footnote 59 und wie Gott der Urheber dieser Verheißungen ist, so ist Gott auch der Adressat menschlichen Einstimmens in den Prozess ihrer Erfüllung.Footnote 60
Die abschließende Wendung ‚durch uns‘ schießt über. Das verleiht ihr besonderes Gewicht. Der Sache nach weist sie die Apostel im Anschluss an 2 Kor 1.18 (‚unsere Rede, die an euch (ergeht)‘) und 1.19 (‚der unter euch durch uns Verkündigte‘) erneut als Mittler der Heil schaffenden Wirkung des Christusgeschehens an den Adressaten aus.Footnote 61 Der Wortstellung gemäß gehört sie dabei primär zur Erschließung der Herrlichkeit, im weiteren Sinne aber zum gesamten Aussagezusammenhang von 1.20c; das entspricht ihrer Verwendung im weiteren Briefverlauf.Footnote 62
Verlässlich und der Schrift gemäß bejahend wirkt also die Christuspredigt der Apostel: Sie erschließt den Adressaten endzeitliche Herrlichkeit. Dann aber ist zu klären, worin die apostolische Autorität des Paulus und seines Teams wurzelt. Dem ist der Passus 2 Kor 1.21–2 gewidmet.
4. Zum Textsinn von 2 Kor 1.21–2
Ich übersetze und strukturiere den Text wie folgt:
21 Der aber (fortwährend) befestigt – uns (gemeinsam) mit euch – in Christus hinein
und uns gesalbt hat,
(das ist) Gott,
22 der uns auch versiegelt hat und
gegeben hat das Angeld des Geistes in unseren Herzen.
Gegenwärtig befestigt Gott die Apostel gemeinsam mit den Adressaten in die Christusgemeinschaft hinein.Footnote 63 Das Wort ‚befestigen‘ passt zur Rede von den Verheißungen in 2 Kor 1.20; von deren Befestigung durch das Christusgeschehen ist in Röm 4.16; 15.8 die Rede. Vor allem aber greift – neben 2 Kor 1.18 – auch diese Aussage das Proömium zum 1. Korintherbrief auf.Footnote 64 Sie verweist also auf die endzeitliche Vollendung. Das wird durch das betonte ‚uns mit euch‘ unterstrichen; denn ebenso heißt es in 2 Kor 4.14 bezüglich der Teilhabe an der Auferstehung.Footnote 65 In der Christusgemeinschaft sind die Adressaten untrennbar mit den Aposteln verbunden.Footnote 66
Die drei folgenden Wir-Aussagen werden im Gefolge der Absender und Adressaten verbindenden Wendung ‚uns mit euch‘ zumeist inklusiv verstanden.Footnote 67 Das ist möglich, aber kaum wahrscheinlich. Viel näher liegt es, das ‚uns‘ weiterhin nur auf Paulus und sein Team zu beziehen.Footnote 68 Dafür spricht schon der Aufbau von 2 Kor 1.15–2.2: Im Dialog mit den Adressaten verwendet Paulus die 1. Person Sing. mit Bezug auf sein persönliches Verhalten gegenüber der Gemeinde (1.15–17, 23; 2.1–2), die 1. Person Pl. hingegen bei Aussagen zur Eigenart des apostolischen Dienstes, den er und seine Mitarbeiter gemeinsam wahrnehmen (1.18–22, 24).Footnote 69
Das fügt sich gut in die Gesamtanlage des Briefs. 2 Kor 1.1 nennt Timotheus als Mitabsender. Anders als im 1. Korintherbrief erscheint dann ab 2 Kor 1.4, eindeutig ab 1.6 überwiegend eine Wir-Gruppe als Sprecherin im Dialog mit den Adressaten.Footnote 70 Jedenfalls bis 7.16 redet Paulus nur aus besonderem Anlass in der 1. Person Sing.Footnote 71 Soll in diesem Kontext ein ‚Wir‘ inklusiv verstanden werden, braucht es dafür klare Signale im Text;Footnote 72 ein solches fehlt jedoch in 1.21–2.
Auch die Motivik weist auf den Apostolat. Wer von Gott gesalbt wurde, hat an der Sendung Christi teil, ist in einen messianischen Dienst gestellt. Dies gilt gemäß 2 Kor 1.1 für Paulus als Apostel Christi.Footnote 73 Er hat schon in 1 Kor 9.1; 15.8–10 auf seine Berufung verwiesen; und in 1.17 bezog er sich dafür auf Jes 61.1.Footnote 74 Dieses Jesajawort dürfte auch hier im Hintergrund stehen:
Jes 61.1: Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat; => 2 Kor 1.21–2
Armen gute Botschaft zu verkünden hat er mich ausgesandt … => 1 Kor 1.17
Die Ausweitung der Beauftragung auf sein Team aber entspricht der durchgehenden Darstellung im 2. Korintherbrief, wie in Kapitel 2 bis 6 wiederholt deutlich wird.Footnote 75
Versiegelung wiederum lässt im paulinischen Sprachgebrauch eher an die öffentliche Markierung eines besonderen Status denken als an die Auszeichnung aller Christusgläubigen. Neben Röm 4.11Footnote 76 ist zumal 1 Kor 9.2 zu bedenken, wo Paulus die korinthische Gemeinde als Siegel seines Apostolats präsentiert. Im Kontext von 2 Kor 1.21–2 ist freilich kaum deren Gründung im Blick. Näher liegt die Deutung darauf, dass Gott die Apostel mit der Berufung gleichsam in Besitz genommen und als solchen vor anderen ausgewiesen hat.Footnote 77
Die Fortsetzung spricht dafür, dies in Analogie zu Eph 1.13; 4.30 mit der Geistbegabung vollzogen zu sehen.Footnote 78 Allerdings verweist im Kontext des 2. Korintherbriefs auch die Aussage ‚gegeben das Angeld des Geistes in unseren Herzen‘ auf Paulus und sein Team. Das ergibt sich schon aus der Konvergenz mit der Abgrenzung vom Fleisch in 2 Kor 1.17b, erst recht aus dem erneuten Gebrauch der Wendung ‚gegeben das Angeld des Geistes‘ in 5.5.Footnote 79 In 1.22 markiert die Formulierung die eschatologische Bevollmächtigung der Apostel in ihrer Ausrichtung auf die Gemeinde. Dafür sprechen auch die übrigen, ihrerseits der Darstellung des paulinischen Apostolats dienenden Belege für den ‚Geist‘ und den Ausdruck ‚unsere Herzen‘ in Kapitel 1–7.Footnote 80
2 Kor 1.21–2 beschreibt somit die göttliche Autorisierung und Befähigung der Apostel, die Adressaten in der Gemeinschaft mit sich selbst in die Christusbeziehung einzubinden und ihnen eben damit gemäß 1.20 endzeitliche Herrlichkeit zu erschließen. Auf dieser Basis behandelt Paulus dann, nun wieder in der 1. Person Sing., das Problem des unterlassenen ‚Zweit‘-Besuchs.
5. Zum Textsinn von 2 Kor 1.23–2.2
Die Verse sind meines Erachtens wie folgt zu übersetzen und zu strukturieren:
23 Ich aber rufe mir als Zeugen Gott auf gegen mein eigenes Leben,
dass ich euch schonend nicht mehr gekommen bin nach Korinth.
24 (Es ist freilich) nicht (so), dass wir Herrschaft ausüben über euren Glauben,
sondern wir sind Mitwirkende an eurer Freude;
denn durch den Glauben steht ihr (fest).
1 Für recht hielt ich nämlich bei mir selbst (eben) dies:
das Nicht-wieder-in-Betrübnis-zu-euch-Kommen.
2 Denn wenn ich euch betrübe,
wer ist dann der, der mich erfreut, außer dem, der aus mir betrübt wird?
In zwei Durchgängen erläutert Paulus seine Beweggründe: zunächst unter Anrufung Gottes nach der positiven (2 Kor 1.23), sodann, mit Verweis auf das eigene Urteil, nach der negativen Seite (2.1). Hier wie dort geht es um den Nutzen für die Adressaten: Sie haben Schonung erfahren, und ihnen ist erneute Betrübnis erspart geblieben.Footnote 81 Beide Feststellungen werden mit Grundsatzäußerungen im Präsens erläutert.
Im ersten Argument verbindet Paulus die griechische Redewendung, dass Menschen die Götter als Zeugen anrufen, auf markante Weise mit der biblischen Diktion vom Zeugnis-Ablegen gegen andere Menschen.Footnote 82 So stellt er Gott, dem Herrn über Leben und Tod,Footnote 83 für die Wahrhaftigkeit seiner Aussage sein Leben anheim. Inhaltlich kennzeichnet er sein Fernbleiben als Akt der Schonung. In 1 Kor 7.28 sowie in 2 Kor 13.2–3 verweist der Begriff auf seine Unterweisung. Demnach geht es darum, dass Paulus bei einem erneuten Besuch nicht schonend, freundlich unterstützend hätte reden können; er hätte seine Vollmacht demonstrieren müssen.Footnote 84 Eben das hat er ihnen erspart. Ein Beziehungs-Grundsatz im Wir-Stil erläutert das. Er hat eine formale Parallele in 3.5; die Klärung erfolgt also im Horizont der Rolle, die Gott den Aposteln zugewiesen hat.Footnote 85 Dafür spricht auch die Nähe zu 4.5: Herr der Christusgläubigen zu Korinth ist Jesus Christus selbst; den Aposteln kommt ihnen gegenüber eine dienende Stellung zu.Footnote 86 Sie fungieren daher nicht als Herren über den Glauben der Adressaten.Footnote 87 Diese Stellung konkretisiert sich darin, dass die Apostel als Gottes Mitarbeiter daran mitwirken, Gottes Werk an der Gemeinde zum Ziel zu führen.Footnote 88 Letzteres besteht gegenwärtig in der eschatologischen Freude, die sich mit dem Glauben verbindet; geweckt wird sie von Gottes Geist, der durch die Apostel wirkt.Footnote 89 Solche Freude schließt gemäß 2.3 die Freude aneinander ein;Footnote 90 denn nach 1.21 stehen sie gemeinsam in der Christusbeziehung. Der Nachsatz 1.24b benennt dann den Glauben als Kraft, die einen festen Stand im Gottesverhältnis ermöglicht. Als Begründung des Voranstehenden hat er dreifachen Sinn: Er identifiziert den Glauben als den Raum, in dem die Adressaten und die Apostel aufeinander bezogen sind; er kennzeichnet ihn als die Wurzel der Freude, auf die ihre Existenz ausgerichtet ist; und er ermahnt sie indirekt, an diesem Glauben festzuhalten.Footnote 91
Als weiteren Grund für sein Vorgehen nennt Paulus sein eigenes Urteil, in dem sich sein apostolischer Dienst ausdrückt (2 Kor 2.1).Footnote 92 Der Sache nach bietet es das negative Pendant zu 1.23: Er wollte mit der Gemeinde nicht erneut in Betrübnis zusammenkommen.Footnote 93 Damit hätte er seinen Auftrag, an ihrer Freude mitzuwirken, verleugnet. Vorausgesetzt ist, dass der vorherige Besuch betrüblich verlief;Footnote 94 davon spricht in der Tat 2.5. Betrübnis ist dabei als Beziehungsgeschehen gedacht, wie aus 2.2 hervorgeht. Dabei wird allerdings die Blickrichtung umgedreht. Bei jenem Besuch ging die Betrübnis von einem Gemeindeglied aus; ein erneuter Besuch aber würde Paulus zum Urheber einer Betrübnis der Adressaten machen.Footnote 95 Sie könnten ihm dann nicht zum Anlass der Freude werden – worin eigentlich ihre Bestimmung liegt.Footnote 96 Daher war es notwendig, dass er den vorgesehenen erneuten Besuch zunächst unterließ.
So weist 2 Kor 1.23–2.2 nach: Gerade mit dem Unterlassen des erwarteten Besuchs entsprach Paulus dem apostolischen Auftrag.Footnote 97 Er hat die Adressaten geschont und verhindert, sie – jenem Auftrag zuwider – zu betrüben. Auf dieser Basis kann er ab 2.3 die Funktion des Tränenbriefs erläutern, mit dem er die Lage bereinigen wollte und, wie 7.8–13 zeigt, faktisch bereinigt hat.
6. Schluss
Die Analyse der kontextuellen Verortung, des Aufbaus und der sprachlichen Gestaltung des Abschnitts lassen seinen Sinngehalt und seine Funktion zutage treten. Im Zuge der Aufarbeitung der Probleme, die die jüngere Beziehungsgeschichte mit den Adressaten belastet haben, werden in 2 Kor 1.15–2.2 die Hintergründe zweier anstößiger Entscheidungen des Paulus geklärt – und im Konnex damit zentrale Aspekte der Eigenart des apostolischen Dienstes herausgestellt.
Zunächst (2 Kor 1.15–17) rechtfertigt Paulus die Modifikation seiner Besuchsabsichten. Er hat seine Absichten dabei keineswegs auf die leichte Schulter genommen, sondern wollte der Gemeinde Gutes tun. Andererseits misst er seinem Planen keine Unumstößlichkeit zu – denn das wäre eine zutiefst fleischliche Anmaßung.
Sodann (2 Kor 1.18–22) skizziert er gemeinsam mit Timotheus, wo und auf welcher Basis ihrem Reden unbedingte Verlässlichkeit und positive Wirksamkeit eignet: Ihre Christusverkündigung erschließt den Adressaten verheißungsgemäß den Zugang zur eschatologischen Herrlichkeit – sofern sie denn glaubend in das zugesprochene Ja Gottes einstimmen, sich also gemeinsam mit den Aposteln auf Christus ausrichten. Das ist letztlich Gottes Werk, der zuvor die Apostel zu ihrem messianischen Dienst beauftragt, befähigt und öffentlich autorisiert hat.
Abschließend (2 Kor 1.23–2.2) legt Paulus dar, wozu er den angekündigten Zweitbesuch unterlassen hat. Gemäß dem apostolischen Auftrag, an ihrer Glaubensfreude mitzuwirken, wollte er die Adressaten schonen; zugleich wollte er nach dem betrüblichen Zwischenbesuch nicht erneut Betrübnis herbeiführen, damit ihm die Adressaten als Quelle der Freude erhalten bleiben.
In einer Übersicht lässt sich der Gedankengang wie folgt darstellen:
-
1.15–17 apologetischer Bericht: die Besuchsplanung des Paulus (‚ich‘)
-
1.15–16 Der neu beabsichtigte Reiseverlauf
-
1.17 Verteidigung:
a) Paulus nahm die Besuchsabsichten keineswegs leicht
b) er misst seinem Planen keine Unumstößlichkeit zu
-
-
1.18–22 Reflexion: Eigenart und Basis des paulinischen Apostolats (‚wir‘)
-
1.18–19 Die Verlässlichkeit der apostolischen Christusverkündigung
-
1.20 ihre Wirkung: Gottes Verheißungen => Ja in Christus =>
Amen durch Christus => endzeitliche Herrlichkeit
-
1.21–2 Gottes Wirken
-
– gegenwärtig (an uns und euch): Befestigung in Christus hinein
-
– zuvor (an uns): Einsetzung in den messianischen Dienst
-
-
1.23–2.2 apologetischer Bericht: der unterlassene ‚Zweit‘-Besuch (‚ich/wir‘)
-
1.23 positive Intention: Schonung der Adressaten
1.24 Erläuterung: der Aposteldienst zielt auf eure Glaubensfreude
2.1 negative Intention: keine erneute Betrübnis
2.2 Begründung: sonst würde ich selbst keine Freude empfangen
Insgesamt dient 2 Kor 1.15–2.2 also dazu, die negative Wahrnehmung des Paulus auf Seiten der korinthischen Gemeinde zu korrigieren – und aufzuzeigen: Auch und gerade mit seinen sie enttäuschenden Entscheidungen hat er den ihm und seiner Mitarbeiterschaft gegebenen apostolischen Auftrag sachgerecht wahrgenommen.
Acknowledgements
Der Aufsatz basiert auf einem Vortrag, den ich als ‚short paper‘ auf der Tagung der SNTS in Wien 2023 halten konnte. Herzlichen Dank an alle, die mit ihren Diskussionsbeiträgen zur Klärung und Schärfung meiner Argumentation beigetragen haben, sowie an meine Mitarbeiterin Lena Schaper für ihre Unterstützung bei der Literaturrecherche und dem Korrekturlesen.
Competing interests
The author declares none.