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Die paulinische Rede von der Selbstversklavung in 1 Kor 9,19 vor dem Hintergrund jüdischer Identität im Sklavenstand.

Published online by Cambridge University Press:  08 March 2023

Ruben A. Bühner*
Affiliation:
Theologische Fakultät, Universität Zürich, Kirchgasse 9, 8001 Zürich, Switzerland
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Abstract

Paul's reference to his adaptability to different groups in 1 Cor 9.19–23 is central to recent discussions about Paul's Jewishness. This paper argues that the crucial context for Paul's metaphor of self-enslavement (1 Cor 9.19) is not to be found in anthropological passages such as Rom 6 or Gal 5, but rather in the conditions of a slave's life in antiquity. This leads to an interpretation that combines essential concerns of a Paul within Judaism perspective with those of more traditional exegesis.

German abstract:

German abstract:

Dem Verweis des Paulus auf die Anpassung seines Verhaltens an unterschiedliche Gruppen in 1 Kor 9,19–23 kommt im Zusammenhang jüngerer Debatten um die Verortung des Paulus im Judentum große Bedeutung zu. Dieser Aufsatz argumentiert, dass der maßgebliche Kontext für die hierbei verwendete Metapher der Selbstversklavung (1Kor 9,19) nicht in den anthropologischen Abschnitten wie Röm 6 oder Gal 5 zu suchen ist, sondern vielmehr in den Rahmenbedingungen antiker Sklaverei für das Ausleben der eigenen ethnisch-religiösen Identität. Liest man die Metapher der Selbstversklavung und die daran anschließenden Explikationen in solch einem Kontext, dann lassen sich auch zentrale Anliegen einer Paul within Judaism Perspektive mit eher klassischer Exegese miteinander verbinden.

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Copyright © The Author(s), 2023. Published by Cambridge University Press

1. Einleitung

Die Frage nach der jüdischen Identität und Prägung des Paulus beschäftigt die neutestamentliche Forschung schon die ganze letzte Hälfte des 20 Jh.s. Einen besonderen Impetus hat diese Forschungsdebatte dabei in den letzten Jahrzehnten durch das vermehrte Interesse von jüdischen Exegetinnen und Exegeten an den Paulusbriefen erhalten.Footnote 1

Zur Diskussion steht dabei kaum noch die jüdische Identität des Paulus im Allgemeinen,Footnote 2 sondern speziell die Relevanz des Judeseins für die Lebensführung des christusgläubigen Paulus. D.h. besonders die Frage nach der Kontinuität jüdischer Lebensweise nach der Hinwendung zu Christus hat in den letzten Jahrzehnten verstärkt die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen. Sie findet ihre Zuspitzung in Fragen wie der, ob Paulus auch nach seiner Hinwendung zu Christus weiterhin jüdische Speiseregeln befolgt habe und, wenn ja, welche normative Bedeutung diese für ihn hatten.Footnote 3 Eine besondere Rolle in dieser Debatte kommt dabei den autobiographischen Bemerkungen des Paulus in 1 Kor 9,19–23 zu mit der hier erzählten Anpassung seines Verhaltens an unterschiedliche ethnisch-religiöse Gruppierungen.

Denn unabhängig von der Antwort auf die vieldiskutierte Frage, inwieweit die paulinischen Briefe neben nichtjüdischen Christusgläubigen auch speziell jüdische Christusgläubige im Blick haben, ist dies mindestens dort unstrittig, wo der Jude Paulus sich selbst zum Gegenstand seines Briefes macht.Footnote 4 Zentral für das Verständnis von 1 Kor 9,19–23 ist die Frage, was man unter der von Paulus beschriebenen Adaptabilität versteht und wie sich diese zu jüdischer Lebensweise verhält. Die gegenwärtige Forschung ist in dieser Hinsicht von sich konträr gegenüberstehenden Positionen bestimmt.

2. 1 Kor 9,19–23 in gegenwärtigen Paulusinterpretationen

Auf der einen Seite stehen eher klassische Interpretationen, die die paulinische Adaptabilität wesentlich im Hinblick auf die religiöse Lebensführung des Paulus deuten. So habe Paulus sich etwa im Umgang mit Juden an jüdische Speiseregeln gehalten, im Umgang mit Nichtjuden jedoch eine größere Flexibilität an den Tag gelegt.Footnote 5 Die in 1 Kor 9,19–23 beschriebene Variabilität des Paulus wird dann als Hinweis darauf gesehen, dass Paulus bei seiner Hinwendung zu Christus mit dem Judentum „gebrochen“ habe,Footnote 6 oder aber seine jüdische Identität ganz in den Hintergrund gelangt sei.Footnote 7 Und auch dort, wo solch weitreichende Interpretationen nicht geteilt werden, wird die Stelle häufig als Beleg dafür angeführt, dass die jüdische Lebensweise für Paulus bei seiner Hinwendung zu Christus zu einem „Adiaphoron“ geworden sei,Footnote 8 oder zumindest eine radikale Relativierung erfahren habe. In dieser Interpretationslinie stehend argumentierte erst kürzlich U. Schnelle ausgehend von 1 Kor 9,19–23, dass Paulus nicht länger ein Jude „im Vollsinn“ sei, da die von ihm beschriebene Anpassung seines Verhaltens weit über das hinaus ginge, „was für eine jüdische Identität zumutbar wäre.“Footnote 9 Demnach könne Paulus auch weiterhin solch einer jüdischen Lebensweise folgen, wenn es der Verkündigung des Evangeliums diene. Zugleich bestehe für Paulus allerdings kein über das Evangelium hinausgehender Mehrwert für eine jüdische Lebensweise.

Dem stehen auf der anderen Seite Interpretationen aus einer „Paul within Judaism“ Perspektive entgegen, deren Interpretationen ganz von dem Anliegen getragen sind, die bleibende Relevanz der jüdischen Lebensweise auch für die Zeit nach seiner Hinwendung zu Christus zu konstatieren. Ausgehend von anderen paulinischen Stellen wie Röm 11,1,Footnote 10 in denen die bleibende Relevanz der jüdischen Identität und Prägung auch für den christusgläubigen Paulus unzweideutig hervorgeht, wird solch ein Verständnis auch grundsätzlich für Paulus behauptet. So wird etwa angenommen, Paulus hätte sich Zeit seines Lebens – aus tiefer Überzeugung heraus – koscher ernährt.Footnote 11 Um solch ein Paulusbild auch für 1 Kor 9 aufrecht erhalten zu können, wird von Exegeten wie Mark Nanos und Paula Fredriksen angenommen, Paulus beschreibe in 1 Kor 9,20–23 lediglich seine rhetorische Anpassung, keinesfalls jedoch eine tatsächliche Anpassung seines Verhaltens, erst recht nicht seiner jüdischen Lebensweise: „Such ,rhetorical adaptability‘ consists of varying one's speech to different audiences: reasoning from their premises, but not imitating their conduct in other ways.“Footnote 12

Beide skizzierten Interpretationslinien weisen dabei jedoch im Kontext der Makroperikope von 1 Kor 8–11,1 einige Schwierigkeiten auf. Zum einen scheint es entgegen der Interpretationen von Nanos und Fredriksen im unmittelbaren Kontext weitgehend ausgeschlossen, dass Paulus in 1 Kor 9,19–23 etwas anderes als die Anpassung seines Verhaltens im Blick hat. Denn in 1 Kor 8 und 10 wird unmissverständlich deutlich, dass Paulus von seinen Adressaten eine echte Verhaltensänderung anmahnt und dementsprechend auch sein autobiographisches Beispiel kaum auf eine rein rhetorische Anpassung beschränkt sein kann. Von den Korinthern fordert Paulus, auf den Verzehr von Fleisch, das zuvor in kultischen Kontexten verwendet worden war, zu verzichten, wenn es einem Bruder zu einem Glaubenshindernis wird (vgl. 1 Kor 8,9.12–13). Wenn er nun zur Veranschaulichung dieser Selbstzurücknahme zu Gunsten des Glaubensbruders in Kp. 9 autobiographische Beispiele für solch ein Verhalten anführt, ist auch für die in 9,19–23 beschriebene Adaptabilität von eben solch einem tatsächlichen Verhalten auszugehen.

Zum anderen lassen jene Interpretationen, die in der Adaptabilität des Paulus das Ergebnis einer Befreiung vom jüdischen Gesetz und jüdischer Lebensweise sehen, die Frage aufkommen, ob hier nicht zu Unrecht für die Deutung von 1 Kor 9,19–23 die lediglich sprachlich verwandten Argumentationen in Röm 6,15–23 und Gal 5,1–15 herangezogen werden. So kommentiert etwa Gabriele Boccaccini: „Being no longer ,under the law‘ (1 Cor 9. 20) meant for him that he was no longer under the power of sin and was justified in Christ.“Footnote 13 Die anthropologischen Abschnitte aus Röm 6,15–23 sowie Gal 5,1–15 stehen auch dort im Hintergrund der Interpretation von 1 Kor 9, wo sie zwar nicht explizit angeführt werden, aber wo die Freiheit, von der Paulus spricht, nicht als schlichter Gegensatz zur Versklavung, sondern als eine spezifisch christliche Freiheit verstanden wird. V.a. in der deutschsprachigen Kommentarliteratur ist die Annahme verbreitet, wonach die Freiheit den Ermöglichungsgrund für den Verzicht auf die ἐξουσία darstelle. So kommentiert etwa W. Schrage: „Die Freiheit […] begründet sehr wohl den Verzicht auf die ἐξουσία.“Footnote 14

In Röm 6 und Gal 5 geht es Paulus um den absolut gedachten und sich gegenseitig ausschließenden Gegensatz zwischen der Knechtschaft unter der Sünde und dem Gesetz sowie der Freiheit in Christus. Solch ein sich ausschließender Dualismus ist in 1 Kor 9 aber nicht im Blick. Das zeigt sich u.a. daran, dass Paulus gerade als Freier (9,19) sich selbst und freiwillig versklavt (9,19b) und ebenso darin, dass in 1 Kor 9 jede Rede von der „Befreiung“, „Erlösung“ oder dem Abschütteln einer zuvor bestandenen Knechtschaft fehlt.Footnote 15

Der Skopus besteht demnach nicht in dem Gegeneinander von Knechtschaft und Freiheit,Footnote 16 sondern von grundsätzlicher Freiheit und dem Gebrauchmachen dieser Freiheit in konkreten Lebenssituationen. Man beachte, dass im ganzen Kp. 9 kein Wort davon die Rede ist, wonach Tod und Auferstehung Christi die Freiheit erst ermöglichen würden. Das Zustandekommen der Freiheit ist überhaupt nicht im Blick. Auch ist nirgends davon die Rede, dass die als spezifisch christlich gedachte Freiheit die notwendige Voraussetzung für die Selbstversklavung wäre.Footnote 17

Für das Verständnis der Motivation und Tragweite der in den Vv.20–23 beschriebenen Adaptabilität des Paulus ist deshalb wesentlich, wie man die den Gedankengang einleitende Metapher von der Selbstversklavung versteht.Footnote 18 Fasst man den qualifizierenden Zusatz ἐκ πάντων in 9,19a maskulinisch auf,Footnote 19 „frei von jedermann“, dann findet sich in der Rede vom Freisein von anderen Menschen bereits das konzessiv gedachte Gegenstück zur in V.19b eingeführten metaphorischen Rede von der Selbstversklavung: πᾶσιν ἐμαυτὸν ἐδούλωσα. In der Folge expliziert Paulus diesen Zustand der Sklaverei mit dem Hinweis auf die Anpassung seiner Verhaltensweise entsprechend der ethnisch-religiösen Beschaffenheit der ihn umgebenden Menschen. Die Verwendung der Metapher von der Selbstversklavung in 1 Kor 9,19 und ihre lebensweltlichen Bezugspunkte sollen deshalb im Folgenden näher beleuchtet werden, um die Wahrheitsmomente gegenwärtiger Deutungen von 1 Kor 9,19–23 beurteilen zu können.

3. Die Metapher von der Selbstversklavung in 1 Kor 9,19

Grundsätzlich ist dabei anzunehmen, dass es dem Verwendungszusammenhang einer Metapher – also etwa der spezifischen Formulierung, paradigmatischen Relationen und der Frage, was überhaupt so beschrieben wird – zu entnehmen ist, was vom jeweiligen Konzept für das Verständnis der Metapher relevant ist. Fragt man sodann nach der Verwendung der Sklavenmetapher in anderen neutestamentlichen Schriften, dann wird dort (vgl. etwa Mk 13,30–9; Lk 12,35–8) ebenso wie im paulinischen Selbstverständnis als δοῦλος Χριστοῦ (vgl. Gal 1,10; Röm 1,10; Phil 1,1) in erster Linie der Aspekt des Dienens bzw. des Unterordnens des Sklavens gegenüber seinem Herrn als Vergleichspunkt herangezogen. Dieses Bildelement der Unterordnung wird auch im Kontext von 1 Kor 9 deutlich herausgestellt, v.a. durch die Kontrastierung der Selbstversklavung mit dem Zustand des Freiseins (9,19). Ebenso durch den Abschluss in 9,23 mit dem final zu verstehenden „alles aber tue ich διὰ τὸ ɛὐαγγέλιον“.Footnote 20 Fragt man nach weiteren durch den unmittelbaren Kontext aktivierten Bildelementen der Metapher dann sticht v.a. die im Kontext der antiken Sklaverei unübliche Rede von der Selbstversklavung heraus. D.h. die Rede von der Selbstversklavung dient im Kontext dazu, gerade die selbstlose und freiwillige Unterordnung zu betonen.

Neben diesen für sich genommen noch wenig überraschenden Überlegungen soll nun im Licht der oben beschriebenen forschungsgeschichtlichen Gemengelage gefragt werden, inwieweit die metaphorische Rede von der Selbstversklavung neben jenen Vergleichspunkten auch dazu herangezogen werden kann, um die anschließenden Explikationen der Anpassung des paulinischen Verhaltens näher zu beleuchten. Dabei muss es um zweierlei gehen: Um die Frage, inwieweit eine Verhaltensvariabilität Bestandteil antiker Konzepte der Sklaverei darstellt und ob dieses potentielle Bildelement der Metapher im konkreten Briefkontext aktiviert wird.

Metapherntheoretisch ist dabei zunächst davon auszugehen, dass der Bildspendebereich einer Metapher in der Regel wenig kultur- oder ethnospezifisch ist, sondern vielmehr allgemein verständlich und fast klischeehaft.Footnote 21 Wenn ich mich im Folgenden dennoch auf speziell jüdische Sklaven fokussiere, so ist dies in erster Linie als beispielhaft für die Grenzen und Möglichkeiten der religiösen Lebensführung von versklavten Menschen zu betrachten. Zudem lässt sich mit dem Fokus auf jüdische Sklaven zugleich erörtern, inwiefern das in 1 Kor 9 beschriebene Verhalten des Juden Paulus sich auch im Kontext des Verhaltens anderer zeitgenössischer Juden verstehen lässt. Vor dem Hintergrund der in 1 Kor 9,19–23 beschriebenen Adaptabilität geht es dabei neben der grundsätzlichen Frage nach der Verbreitung von jüdischer Sklaverei um die diesen Stand bestimmenden Grenzen und Möglichkeiten des Auslebens der eigenen jüdischen Identität.Footnote 22

3.1 Jüdische Identität im Stand der Sklaverei

Vor einer besonderen Herausforderung steht die Bewahrung der eigenen jüdischen Identität in jenen Fällen, in denen sich Diasporajuden in isolierten und stark von anderen abhängigen Lebenssituationen befinden.Footnote 23 Eine besonders isolierte und in ihrer Handlungsfreiheit stark eingeschränkte soziale Gruppe stellen für die gesamte Antike Menschen dar, die dem Sklavenstand angehören.Footnote 24 Die in der Forschung diskutierten quantitativen Urteile über die Anzahl von Sklaven weichen naturgemäß stark voneinander ab. So wird die Zahl der Sklaven im römischen Reich um die Zeitenwende auf einen Anteil zwischen 15 und 35 % an der Gesamtbevölkerung geschätzt.Footnote 25 Unter diesen zahlreichen Sklaven im römischen Reich sind auch eine große Menge an Juden belegt.Footnote 26 Vielmehr noch, in dem Verkauf von Juden als Sklaven dürfte ein nicht unwesentlicher Faktor für die Ausbreitung von Juden über die hellenistische Mittelmeerwelt zu finden sein.Footnote 27 Am eindrücklichsten ist dabei die massenhafte Deportierung von Juden im Folge der Eroberung Jerusalems unter Titus im Jahr 70 n.Chr.Footnote 28 Doch schon in der für die Frage nach dem lebensweltlichen Kontext der paulinischen Metapher von der Selbstversklavung maßgeblichen Zeit in den vorausgehenden Jahrhunderten lassen sich ähnliche Deportationen belegen.

Zu zahlreichen Versklavungen kam es durch die in Palästina ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Ptolemäern und Seleukiden im 3. Jahrhundert. So erwähnt Arist 12 die (sicherlich übertreibende) Zahl von 100.000 jüdischen Kriegsgefangenen unter Ptolemäus I. Und Antiochus III. (223–187 v.Chr.) soll nach Josephus, Ant XII 147–53 insgesamt 2000 jüdische Familien nach Phrygien und Lydien deportiert haben.Footnote 29 Aber auch in Folge von Pompeius’ Einzug in Jerusalem 63 v.Chr.Footnote 30, sowie in den Jahrzehnten danach, sind Versklavungen von Juden sowie deren Deportation in andere Orte des römischen Reiches belegt.Footnote 31 Josephus erwähnt etwa in Ant XIV 85 die Zahl von 3.000 versklavten Juden und in Ant XIV 119f. erneut die Versklavung von 30.000 Juden unter Cassius in Folge von dessen Rückzug nach der Niederlage der Römer gegen die Parther bei Carrhae im Jahr 53 v.Chr. Auch wenn die Zahlen in dieser Größenordnung kaum zu verifizieren sind, dürften sie doch zugleich darauf hinweisen, dass die Anzahl jüdischer Sklaven im römischen Reich um die Zeitenwende nicht zu marginalisieren ist.Footnote 32

Das Ausmaß der Verbreitung von jüdischen Sklaven zeigt sich schließlich auch eindrücklich an der sowohl in jüdischer wie nichtjüdischer Literatur belegten und als selbstverständlich angenommenen Verknüpfung zwischen Juden (v.a. in Rom) und deren Status als Sklaven. So verweist Philo in Legatio 155 darauf, dass die Mehrheit der Juden in Rom als Kriegsgefangene dorthin verschleppt worden sei: Ρωμαῖοι δὲ ἦσαν οἱ πλɛίους ἀπɛλɛυθɛρωθέντɛς („Die meisten [von den Juden in Rom] aber waren Römer aufgrund ihrer Freilassung“). Und schon Cicero, in Pro Flacco 28,69, polemisiert gegenüber Juden, wonach deren Versklavung zeige, dass deren Gott sie nicht beschütze: quam cara dis immortalibus esset docuit, quod est victa, quod elocata, quod serva facta. („wie teuer es den unsterblichen Göttern war, zeigt sich daran, dass es besiegt, besteuert und versklavt wurde“). Wie selbstverständlich setzt Cicero hierbei voraus, dass jüdische Sklaven für seine Leserschaft ein bekanntes und darum weit verbreitetes Phänomen darstellen.

Jüdische Sklaven sind v.a. für die Stadt Rom breit bezeugt, dann aber auch in ähnlicher Weise für Alexandria und Ägypten insgesamt. Darauf verweisen schließlich mehrere erhaltene Papyri.Footnote 33 So die Erwähnung einer gewissen Johanna in einer Liste aus Fayyum, die die Verteilung von Lampenöl dokumentiert.Footnote 34 In einem Testament aus Krokodilopolis wird ferner die Überlassung verschiedener Sklaven erwähnt, darunter u.a. ein Jonathas, der als Fremder (παρɛπίδημος) mit syrischem Namen aufgeführt wird.Footnote 35 Für das ausgehende 1. Jh. v.Chr. ist aus Abusir el-Meleq schließlich die Dokumentation einer Geldzahlung überliefert, in der eine freigelassene Jüdin namens Martha die von ihrem ehemaligen Herren geerbte Schuld begleicht (τοῦ μɛτηλλαχότος τῆς μὲν Μάρθας πάτρονος).Footnote 36

Außerhalb Ägyptens ist die Existenz von jüdischen Sklaven den Quellen entsprechend meist epigraphisch belegt, etwa durch Inschriften, die die Freilassung von Juden dokumentieren. So die Freilassung der Jüdin Antigonas mit ihren Töchtern (Ἀντιγόνα τὸ γένος Ἰουδαίαν καὶ τὰς θυγατέρας αὐτας) in einer Inschrift in Delphi,Footnote 37 sowie ebenfalls in Delphi ein Freigelassener Mann mit dem Namen Ioudaios (Ἰουδαῖος τὸ γένος Ἰουδαῖον).Footnote 38

Weitere epigraphische Belege für jüdische Sklaven sind ferner für weitere Orte GriechenlandsFootnote 39, das Bosporanische ReichFootnote 40 und ItalienFootnote 41 belegt. Schließlich lässt auch die Erwähnung von τῆς συναγωγῆς τῆς λɛγομɛ́νης Λιβɛρτίνων („der sogenannten Synagoge der Libertiner“) in Apg 6,9 die Überlegung zu, ob es sich bei den Mitgliedern dieser Synagoge von Jerusalem um freigelassene jüdische Sklaven handelt, die etwa aus Rom nach Jerusalem zurückgekehrt waren.

Auch wenn viele Details im Dunkeln bleiben, dürfte es als sicher gelten, dass es spätestens vom 3. Jh. v.Chr. an eine erhebliche Zahl an jüdischen Sklaven gab und gerade deren Versklavung einen bedeutenden Anteil an der Ausbreitung von Juden im antiken Mittelmeerraum hatte. Lokale Schwerpunkte lassen sich v.a. für die Stadt Rom sowie für Ägypten belegen.

Davon ausgehend stellt sich für die Frage nach dem lebensweltlichen Bezugspunkt der paulinischen Metapher von der Sklaverei und der damit verbundenen Verhaltensänderung die Frage, inwieweit der Sklavenstand das Ausleben der eigenen jüdischen Identität tangierte.Footnote 42 Mangels Quellen, in denen konkrete Bewältigungsstrategien von jüdischen Sklaven bei nichtjüdischen Herren geschildert werden, sind wir dabei in erster Linie auf grundsätzliche Überlegungen angewiesen, allen voran auf die Übertragung der Rahmenbedingungen für antike Sklaven im Allgemeinen auf speziell jüdische Sklaven.Footnote 43 Hier zeigt sich, dass die ethnische Herkunft von Sklaven in den meisten Fällen bei den uns überlieferten Quellen nicht mehr feststellbar ist. So lässt sich festhalten, dass die ethnische Abstammung für den antiken Sklavenmarkt wohl nur eine untergeordnete Rolle spielte. Meist erhielten Menschen im Zuge ihrer Versklavung römische oder griechische Namen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft.Footnote 44

Dabei gilt zunächst, dass die fehlende Autonomie eines Sklaven im römischen Reich nicht zwingend die individuelle Ausübung der „Religiosität“ des Sklaven – auch im Unterschied zur „Religion“ seines Herrn – unterband.Footnote 45 Zahlreiche Belege bezeugen, dass Sklaven sich grundsätzlich ebenso in eigenen Kollegien und Kultvereinen zusammenschließen konnten, wie dies für freie Menschen möglich war.Footnote 46 Ein dahingehender Hinweis findet sich evtl. auch bei Philo in Legat 155. Hier erwähnt Philo, dass von der großen Anzahl an jüdischen Freigelassenen in Rom niemand gezwungen worden sei, seine väterlichen Gebräuche zu verlassen (οὐδὲν τῶν πατρίων παραχαράξαι βιασθέντɛς).

Zugleich kann es von grundsätzlichen Überlegungen her als sicher gelten, dass zumindest manche Formen jüdischer Frömmigkeit für Juden, die als Sklaven in einem nichtjüdischen Haus dienten, unmöglich waren. Dies betrifft etwa das Einhalten der Sabbatruhe oder das Reisen nach Jerusalem zu bestimmten Festen. So kommentiert auch Catherine Hezser: „Once they were enslaved, slaves could hardly maintain their original religious orientation.“Footnote 47 Aber auch über solche Aspekte der jüdischen Frömmigkeit hinaus ist die Annahme naheliegend, dass dieselbe Unselbstständigkeit auch grundsätzlich für die Verpflegung von Sklaven vorauszusetzen ist. D.h. was ein (jüdischer) Sklave im Haus seines Herren verzehren konnte oder musste, und wie diese Speise zubereitet wurde, wird in vielen Fällen nur sehr bedingt seiner eigenen Freiheit oblegen sein.Footnote 48 Zahlreiche Quellen dokumentieren, dass in der Regel der Sklavenbesitzer bzw. der Mieter des Sklaven für dessen Verköstigung verantwortlich war.Footnote 49 Einige Quellen diskutieren etwa die Kosten, die ein Sklavenbesitzer für die Verköstigung und Einkleidung seiner Sklaven zu tragen hat.Footnote 50 Andere Quellen belegen, dass der Entzug von Nahrung offenbar als geeignetes Mittel zur Züchtigung von Sklaven angesehen wurde.Footnote 51 Es finden sich Überlegungen, dass man körperlich hart arbeitenden Sklaven mehr Nahrung zukommen lassen sollte, um deren Arbeitsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, und dass beim Austeilen von Wein Vorsicht geboten sei.Footnote 52 Und in Senecas Argumentation, wonach man seine Sklaven menschlich behandeln sollte, in Epistula Morales 47, schließt dies für Seneca mit ein, dass man jene etwa am gemeinsamen Tisch mitspeisen lasse.Footnote 53 Was uns die Quellen hinsichtlich des Status und den „Rechten“ von Sklaven in der Antike im Allgemeinen übermitteln, ist zunächst einmal auch für den Spezialfall von jüdischen Sklaven anzunehmen. D.h. auch jene waren Eigentum ihrer Herren und besaßen damit kaum rechtlich abgesicherte Ansprüche.Footnote 54 Für die Ernährung von Sklaven sowie die Wahl derer, die mit ihnen gemeinsam aßen, ebenso wie für andere Formen jüdischen Lebenswandels bedeutet dies, dass jene ganz von den individuellen Kontexten und den Freiheiten, die ihnen billigend zugestanden wurden, abhängig waren.

Dass es dabei im Einzelfall auch vorgekommen sein mag, dass jüdischen Sklaven eine besondere Diät oder die Einhaltung bestimmter Reinheitsvorstellungen im Zusammenhang mit der Beschaffenheit sowie der Zubereitungsform des Essens oder den Rahmenbedingungen der Essensaufnahme gewährt wurden, ist grundsätzlich möglich, allerdings nirgends in den Quellen dokumentiert.Footnote 55

Eine dahingehende Überlegung ließe sich für Josephus’ Paraphrase der Josephsnovelle in Ant II 39 anstellen. Über den Text der Genesis hinaus erwähnt Josephus hier, dass Joseph in seiner Zeit als Sklave bei Potiphar in Ägypten eine spezielle Diät erhält, die besser ist als die von anderen Sklaven (διαίτῃ χρῆσθαι κρɛίττονι τῆς ἐπὶ δούλῳ τύχης ἐπέτρɛπɛν). Im Kontext sind dabei allerdings weder Aspekte der Reinheit der Speise explizit erwähnt, noch wird dargelegt, dass die Sonderbehandlung des Josephs auf dessen jüdische Identität zurückgeht. Aus dieser kurzen Notiz lässt sich demnach höchstens ableiten, dass es durchaus vorkommen konnte, dass (jüdischen) Sklaven von ihren Herren ein gewisser Freiraum im Hinblick auf die von ihnen verzehrte Speise gewährt wurde. Jedenfalls hält Josephus dies für denkbar. Mehr noch als dies verweist die Paraphrasierung bei Josephus mit der Bemerkung διαίτῃ […] κρɛίττονι τῆς ἐπὶ δούλῳ τύχης („eine Diät besser als bei Sklaven üblich“) jedoch auf den grundsätzlichen Sachverhalt, dass (jüdische) Sklaven in der Regel gerade keine oder nur sehr eingeschränkte Mitbestimmungsmöglichkeiten über die von ihnen verzehrten Speisen besaßen.

Dass jüdische Sklaven im Regelfall den gleichen Bedingungen unterworfen waren wie andere Sklaven, darauf verweist auch der Umstand, dass zahlreiche Fälle überliefert sind, in denen Juden als Sklavenbesitzer in Erscheinung treten.Footnote 56 D.h. Juden konnten ebenso wie ihre nichtjüdischen Nachbarn Sklaven haben, und zwar ohne, dass nennenswerte Unterschiede aufgrund ihrer jüdischen Existenz auszumachen wären: „Jewishness itself had little if any relevance for the structure of slavery among Jews. […] Slavery among Jews of the Greco-Roman period did not differ from the slave structures of those people among whom Jews lived.“Footnote 57 Sklaven im Besitz von Juden wurden üblicherweise beschnitten, ähnlich wie später Sklaven im Haushalt von Christen getauft wurden. Eine analoge religiöse Vereinnahmung von Sklaven ist damit auch im Spezialfall von jüdischen Sklaven in nichtjüdischen Haushalten zu erwarten.Footnote 58

Einen konkreten Bezug auf die Situation von speziell jüdischen Sklaven lassen die Quellen nur an vereinzelten Stellen erkennen, so etwa bei Josephus in Ant XVI 1–4. Hier diskreditiert der jüdische Geschichtsschreiber ein neues Gesetz des König Herodes mit dem Verweis auf ältere jüdische Regelungen (vgl. etwa Lev 25,47–54; Neh 5,1–13), wonach Juden nicht an Nichtjuden als Sklaven verkauft werden dürfen. Als Begründung des Vorzugs dieser älteren Regelung führt Josephus an, dass beim Verkauf an Fremdstämmige (ἀλλοφύλοις), die demnach nicht nach der eigenen, d.h. jüdischen Lebensweise leben (μὴ τὴν αὐτὴν δίαιταν ἔχουσιν), der jüdische Sklave gezwungen sei zu tun, „was immer diese Leute aus Zwang anordnen“ (πάνθ᾿ ὅσα προσέταττον ἐξ ἀνάγκης ἐκɛῖνοι). In dieser Notiz wird deutlich, dass Josephus davon ausgeht, dass die Unfreiheit in Folge der Versklavung in einem nichtjüdischen Haushalt für die jüdische Existenz der versklavten Person zu einem ernsten Problem werden muss.Footnote 59 Vermutlich ist davon auszugehen, dass Josephus solche Fälle und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten bekannt waren.Footnote 60

Trotz aller Ungewissheit in den Details zeigt insgesamt der Vergleich mit den besser dokumentierten Lebensbedingungen von antiken Sklaven im Allgemeinen, dass das Bewahren der jüdischen Existenz im Zuge der Versklavung und der damit einhergehenden Isolierung vor große Herausforderungen gestellt sein musste. Dabei scheinen bestimmte Formen jüdischer Frömmigkeit wie die Sabbatruhe oder Pilgerreisen weitgehend ausgeschlossen. Aber auch andere Formen jüdischer Lebensweise, etwa im Zusammenhang mit Essen und Tischgemeinschaft werden für jüdische Sklaven nur mit Einschränkungen möglich gewesen sein. Von grundsätzlichen Überlegungen ausgehend wird man hierbei ein breites Spektrum unterschiedlicher Bewältigungsstrategien vermuten dürfen. Entscheidend ist dabei jedoch zugleich, dass es keine Gründe dafür gibt, solche Formen der (erzwungenen) Anpassung als eine Negierung der eigenen jüdischen Identität zu betrachten.

Wenn es deshalb als sicher gelten kann, dass die hinter der Metapher der Versklavung stehende antike Lebenswirklichkeit auch Momente der Variabilität des religiösen Verhaltens umfasst, stellt sich die Frage, ob jene potentiellen Bildelemente auch im konkreten Kontext des 1. Korintherbriefes aktiviert werden.

3.2 Die Metapher von der Selbstversklavung im Kontext von 1 Kor 8–11,1

An mehreren Stellen geben die paulinischen Briefe zu erkennen, dass für die Diasporagemeinden – allen voran für Korinth – die Existenz von zahlreichen Sklaven und Freigelassenen vorauszusetzen ist (vgl. 1 Kor 7,17–24; 12,3, Gal 3,28; Phlm), die jenem soeben dargelegten äußeren Zwang der Anpassung an die Lebenswelt und Lebensweise ihrer Herren unterlagen. Für das Verständnis der paulinischen Metapher, die dessen Verhaltensanpassung unter dem Stichwort der Versklavung beschreibt, ergibt sich daraus zum einen, dass Paulus eine Umschreibung für das von ihm angeführte Verhalten wählt, die durchaus der Lebenswelt seiner Adressaten entspringt. Nicht nur für die Sklaven oder Sklavenbesitzer in den Gemeinden von Korinth, sondern auch für die übrigen Adressaten ist vorauszusetzen, dass sie aus ihrer Lebenswelt mit dem Phänomen vertraut waren, wonach sich ein Sklave auch in Fragen seiner ethnisch-religiösen Lebensführung den konkret gegebenen Kontexten anpassen muss.Footnote 61

Die übergeordnete Makroperikope 1 Kor 8–11,1 behandelt die in der Gemeinde von Korinth offenbar umstrittene Frage, ob und unter welchen konkreten Bedingungen Christusgläubige Speisen verzehren dürfen, die bei einer Opferung für pagane Götter übriggeblieben sind („Götzenopfer“). Die unterschiedliche und kasuistisch veranlagte Argumentation des Paulus gibt dabei zu erkennen, dass es sich sowohl für den Apostel (vgl. v.a. 1 Kor 8,4–6; 10,14–22.26.31), wie auch für die Korinther (vgl. v.a. 1 Kor 8,7.10), um eine Frage nach der religiösen Lebensführung handelt, die in diesem konkreten Fall einen Bezug auf bestimmte Speisen und deren Herkunft sowie vorherige Verwendungszusammenhänge aufweist.

In diesem Kontext dient das autobiographisch gehaltene Kp. 9 nun als exemplum, das die Spannung zwischen der in 8,8 behaupteten Freiheit gegenüber dem Essen von Götzenopfer in „privaten“ Kontexten sowie der in 8,9 von Paulus geforderten und in 8,13 auch auf seine eigene Person hin ausgedrückte Nichtinanspruchnahme dieser Freiheit zu Gunsten des Bruders veranschaulicht.Footnote 62

Interessanterweise behält Paulus bei all den zahlreichen Verweisen und Beispielen in Kp. 9 den Bezug zur Essensthematik aufrecht. Nicht nur der Einstieg in den Aufweis seiner apostolischen Rechte mit der rhetorischen Frage, ob er nicht das Recht habe „zu essen und zu trinken“ (9,4), sondern auch der Verweis auf das Recht, als Apostel eine Frau in die Versorgung durch die Gemeinde miteinzuschließen (9,5), die lebensweltlichen Beispielen des Soldaten, des Weinbauern und des Hirten (9,7) sowie schließlich die Schriftbeweise durch den dreschenden Ochsen aus Dtn 25,4 (9,8–10) und den Verweis auf die Tempelbediensteten (9,13–14) haben alle einen Bezug auf das Thema der Versorgung mit Essen und Trinken.

Sowie Paulus in diesem weiteren Kontext der Götzenopferthematik von 1 Kor 8–10 exemplarisch seinen freiwilligen und unentgeltlichen Verzicht auf seine apostolischen Versorgungsrechte zu Gunsten des Evangeliums herausstellt (vgl. 9,12.15–18), setzt er dann in 9,19–23 noch einmal von Neuem bei der Frage nach der Freiheit (vgl. 9,1.19) an und beschreibt sie nun mit dem Verweis auf seine Selbstversklavung, die er dann näher entfaltet.

Betrachtet man nun vor dem Hintergrund der antiken Bedingungen für das Ausgestalten der eigenen jüdischen Existenz eines Sklaven die Verwendung der Sklavenmetapher im Kontext von 1 Kor 8–10, dann erscheint es durchaus plausibel, dass die Metapher der Selbstversklavung hier zugleich auch jene Bildelemente der Unterordnung der speziell eigenen jüdischen Lebensweise mittransportiert. D.h. die paulinische Metapher von der Versklavung verweist ebenso wie die daran anschließenden Explikationen darauf, dass Paulus analog zu einem Sklaven, der seine jüdische Lebensweise soweit als notwendig an die Bedürfnisse seines Herrn anpassen muss, ebenso sein eigenes Verhalten – freiwillig – dem übergeordneten Ziel des Evangeliums unterordnet.Footnote 63 Im Kontext der Argumentation um den Verzehr von Götzenopfer in 1 Kor 8–10 sowie im Licht der Herausforderungen für die adäquate Ernährung von (jüdischen) Sklaven scheint es darüber hinaus zumindest wahrscheinlich, dass die paulinische Adaptabilität des Verhaltens auch speziell jüdische Speisevorschriften miteinschließt.

3.3 Ergebnis

Die so verstandene Metapher von der Selbstversklavung zeigt, dass es Paulus weder mit dem Terminus der Freiheit in 1 Kor 9,19a noch in den darauffolgenden Explikationen um die Freiheit des Apostels vor dem Gesetz an sich geht. Genauso wenig ist es notwendig, die Rede von der Freiheit des Apostels in V.19a als eine spezifisch christliche Freiheit zu deuten, die das Ergebnis einer zuvor geschehenen Erlösung von der Abhängigkeit gegenüber einer Größe wie Sünde oder Gesetz analog zu Röm 6 und Gal 5 darstellt.

Vielmehr gibt Paulus mit der Metapher von der Selbstversklavung zu verstehen, dass es ihm bei der Anpassung seines Verhaltens nicht um eine absolute Freiheit, sondern die richtige, d.h. dem Evangelium angemessene Relation der verschiedenen Normen geht. So wie Paulus in 1 Kor 9,7 nicht grundsätzlich die Norm aufhebt, dass ein Soldat seinen Sold erhalten soll, oder dass ein Weinbauer von seinen eigenen Trauben essen soll, so ist auch in V.19 die Freiheit nicht in absoluter, sondern in relationaler Hinsicht gedacht. D.h. es gibt m.E. keinen zwingenden Anlass zu Interpretationen, wonach die paulinische Anpassung des Verhaltens dessen jüdische Lebensweise zu einem Adiaphoron erkläre oder grundsätzlich dessen jüdische Identität in Frage stelle. Jüdische Lebensweise wird in 1 Kor 9,19 weder per se abgewertet, noch streitet Paulus dieser für sich und anderen christusgläubigen Juden eine bleibend normative Bedeutung ab. Auch wenn dies an dieser Stelle nicht ausführlich dargelegt werden kann, lässt sich solch ein Verständnis von 1 Kor 9,19 m.E. auch für die darauffolgenden Explikationen in den Vv. 20–23 aufrechterhalten.

Interpretiert man die paulinische Metapher der Versklavung in 1 Kor 9,19 nicht im Kontext der anthropologischen Überlegungen aus Röm 6 und Gal 5, sondern eng innerhalb des von dem lebensweltlichen Bezug eines jüdischen Sklavens vorgegebenen Rahmens sowie der im Kontext von 1 Kor 8–10 aktivierten Bildelemente, dann lässt sich zugleich auch eine verbindende Lesart der oben skizzierten Linien gegenwärtiger Interpretationen von 1 Kor 9,19–23 bewerkstelligen. So lässt sich entgegen neueren Interpretationen aus einer „Paul within Judaism“ Perspektive plausibilisieren, dass Paulus in 1 Kor 9,19–23 zum einen eine tatsächliche Anpassung seines Verhaltens beschreibt und zum anderen, dass diese vermutlich auch eine Anpassung seiner jüdischen Verhaltensweisen inklusive der Befolgung jüdischer Speisegebote miteinschließt. Zugleich ergibt sich jedoch aus den oben angestellten Überlegungen zur Situation von speziell jüdischen Sklaven, dass die paulinische Konzeption von der Unterordnung der eigenen jüdischen Lebensweise unter höher zu gewichtende Normen in 1 Kor 9,19–23 weder eine paulinische Innovation noch ein „christliches“ Proprium darstellt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass zumindest jüdische Sklaven – v.a. in der Diaspora – schon lange vor Paulus und auch lange vor den Anfängen der Jesusbewegung mit analogen Situationen vertraut waren, in denen sie ihre jüdische Lebensweise den Lebensumständen unterordnen und pragmatisch anpassen mussten.

Acknowledgements

Dieser Aufsatz geht auf einen Vortrag im Rahmen eines neutestamentlichen Regensburger-Züricher Kolloquiums im Oktober 2021 in Regensburg zurück. Herzlichen Dank an alle dort Teilnehmenden, v.a. an Tobias Nicklas und Michael Sommer, für wertvolle Rückmeldungen und Ideen.

Competing interests

The author declares none.

References

1 Unter den jüdischen Exegeten, die sich intensiv in die Forschungsdebatten um Paulus jüdische Identität eingeschaltet haben, vgl. v.a. Boyarin, D., A Radical Jew: Paul and the Politics of Identity (Berkeley: University of California Press, 1994)Google Scholar; Eisenbaum, P. M., Paul Was Not a Christian: The Real Message of a Misunderstood Apostle (New York: HarperOne, 2009)Google Scholar; Fredriksen, P., Paul: The Pagans’ Apostle (New Haven: Yale University Press, 2017)CrossRefGoogle Scholar sowie die zahlreichen Publikationen von M. Nanos, u.a. gesammelt in Nanos, M. D., Reading Paul within Judaism: Collected Essays, Bd. 1 (Eugene: Cascade Books, 2017)Google Scholar. Nanos, M. D., Reading Romans within Judaism: Collected Essays, Bd. 2 (Eugene: Cascade Books, 2018)Google Scholar; Nanos, M. D., Reading Corinthians and Philippians within Judaism: Collected Essays, Bd. 4 (Eugene: Wipf and Stock Publishers, 2017)Google Scholar.

2 Dass Paulus Zeit seines Lebens Jude blieb, gilt inzwischen als selbstverständlich; vgl. dazu etwa J. Frey, „Das Judentum des Paulus“, Paulus: Leben – Umwelt – Werk – Briefe, UTB (hg. O. Wischmeyer; Bern/Tübingen: A. Francke; Francke, 20213), 47–103; Frey, J., „Paul's Jewish Identity“, Jewish Identity in the Greco-Roman World: Jüdische Identität in der griechisch-römischen Welt, AGJU (hg. Frey, J., Schwartz, D. R. und Gripentrog, S.; Leiden/Boston: Brill, 2007), 285321CrossRefGoogle Scholar; sowie ausführlich Niebuhr, K.-W., Heidenapostel aus Israel: Die jüdische Identität des Paulus nach ihrer Darstellung in seinen Briefen (WUNT, Bd. 62; Tübingen: Mohr, 1992)Google Scholar und Tiwald, M., Hebräer von Hebräern: Paulus auf dem Hintergrund frühjüdischer Argumentation und biblischer Interpretation (HBS, Bd. 52; Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2008)Google Scholar. Dabei zeigt sich die bleibende jüdische Identität und Prägung auch des christusgläubigen Paulus eindrücklich daran, dass auch die paulinische Christologie – selbst in ihren „hochchristologischen“ Aspekten – noch als Teil des frühjüdischen messianischen Diskurses zu verstehen ist; vgl. dazu Bühner, R. A., Messianic High Christology: New Testament Variants of Second Temple Judaism (Waco: Baylor University Press, 2021), 2363Google Scholar; sowie ausführlich zu verwandten frühjüdisch-messianischen Diskursen Bühner, R. A., Hohe Messianologie: Übermenschliche Aspekte eschatologischer Heilsgestalten im Frühjudentum (WUNT II, Bd. 523; Tübingen: Mohr Siebeck, 2020)CrossRefGoogle Scholar.

3 Die unter dem Stichwort „Radical New Perspective on Paul“ oder „Paul within Judaism“ versammelten Forschungsrichtungen gehen hinsichtlich der Nomenklatur wesentlich auf die gleichnamige Session der Society of Biblical Literature zurück, die sich erstmalig im Jahr 2010 traf. Für eine luzide Zusammenfassung der Vielfältigkeit der unter diesem Stichwort subsumierten Vertreter vgl. Nanos M. D. und Zetterholm M., Hg., Paul within Judaism: Restoring the First-Century Context to the Apostle (Minneapolis: Fortress, 2015) und für eine forschungsgeschichtliche Einbettung vgl. Zetterholm, M., Approaches to Paul: A Student's Guide to Recent Scholarship (Minneapolis: Fortress Press, 2009)CrossRefGoogle Scholar.

4 Im Kontrast zu dieser Relevanz von 1 Kor 9 für die Diskussionen um „Paul within Judaism“ steht die Tatsache, dass innerhalb dieser Debatten jener Perikope nur sehr vereinzelt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dies gilt etwa für Magnus Zetterholm sowie Pamela Eisenbaum, aber auch für die zahlreichen Veröffentlichungen von Paula Fredriksen, von denen einzig ihre Monographie jene Stelle mit insgesamt zwei Sätzen und einer knappen Fußnote thematisiert (vgl. Fredriksen, Paul, 165 and 228–9 n. 38). Eine eingehende Diskussion dazu findet sich allerdings bei Nanos, M. D., „Paul's Relationship to Torah in Light of His Strategy „to Become Everything to Everyone“ (1 Corinthians 9:19–23)“, Reading Corinthians and Philippians within Judaism: Collected Essays, Bd. 4 (Eugene: Wipf and Stock Publishers, 2017), 5292Google Scholar sowie bereits in Nanos, M. D., „The Myth of the „Law-Free“ Paul Standing between Christians and Jews“, SCJR 4 (2009), hier 16–8Google Scholar; Nanos, M. D., „Paul and Judaism. Why not Paul's Judaism?“, Reading Paul within Judaism: Collected Essays. Bd. 1 (Eugene: Cascade Books, 2017), 359Google Scholar, hier 6–9.

5 Vgl. so etwa Fee, G. D., The First Epistle to the Corinthians (NICNT; Grand Rapids: Eerdmans, 1988), 399Google Scholar: „[H]e abstained when eating with Jews, but ate when eating with Gentiles.“

6 Vgl. so etwa Hagner, D. A., „Paul as a Jewish Believer – According to his Letters“, Jewish Believers in Jesus (hg. Hvalvik, R. und Skarsaune, O.; Peabody: Hendrickson Publishers, 2007), 96120Google Scholar, hier 113: „break with Judaism.“

7 So schlussfolgert etwa N.T. Wright von solch einer Interpretation von 1 Kor 9,19–23: „Being a ,Jew‘ was no longer Paul's basic identity.“ (Vgl. Wright, N. T., Paul and the Faithfulness of God: Christian Origins and the Question of God. 2 Bände (New York: SPCK, 2013), 1436Google Scholar. Vgl. ferner Schrage, W., Der 1. Brief an die Korinther. Bd. 2: 1Kor 6,12–11,16 (EKK, Bd. 7,2; Zürich/Neukirchen-Vluyn: Benziger; Neukirchener, 1995), 340Google Scholar, der schlussfolgert Paulus sei – zumindest in mancher Hinsicht – kein Jude mehr.

8 Vgl. so neuerdings noch einmal bestärkt von U. Schnelle, „Über Judentum und Hellenismus hinaus: Die paulinische Theologie als neues Wissenssystem“, ZNW 111 (2020) 124–55, hier 139: „In 1Kor 9,20–22 erklärt Paulus das Gesetz zum Adiaphoron, das je nach der missionarischen Situation gilt oder nicht gilt.“

9 So kürzlich Schnelle, Judentum, 139–40 mit Anm. 48. In dieser Richtung geht auch der Hays, Kommentar von R. B., First Corinthians: Interpretation: A Bible Commentary for Teaching and Preaching (Interpretation; Louisville: Presbyterian Publishing Corporation, 2011), 153Google Scholar; Thiselton, A. C., The First Epistle to the Corinthians: A Commentary on the Greek Text (NIGTC; Grand Rapids: Eerdmans, 2000), 702Google Scholar; Barrett, C. K., A Commentary on the First Epistle to the Corinthians (BNTC, Bd. 7,1; London: Adam & Charles Black, 1968), 211Google Scholar.

10 Vgl. ferner Röm 9,3.5; Gal 1,13–14; 2,15; Phil 3,5–6 und 2 Kor 11,22.

11 Vgl. dazu etwa P. Fredriksen, „Why Should a ,Law-Free‘Mission Mean a ,Law-Free‘Apostle?“, JBL 134 (2015) 637–50; Nanos, „Myth“.

12 Nanos, “Paul's Relationship,” 68–9. Vgl. ferner die unter Anm. 4 angegebenen Publikationen von Nanos und Fredriksen.

13 Boccaccini, G., Paul's Three Paths to Salvation (Chicago: Wm. B. Eerdmans Publishing Co, 2020), 151Google Scholar.

14 Schrage, 1. Brief an die Korinther II, 336. Obwohl er auf S. 337 Anm. 337 es m.E. zu Recht für unwahrscheinlich hält, dass sich die Freiheit auf die „Freiheit von Sünde, Gesetz und Tod“ bezieht, übersieht er, dass seine Interpretation von 9,19a als Ermöglichungsgrund von 9,19b genau solch ein umfassendes Verständnis von Freiheit voraussetzt. Vgl. so auch auf S. 337: „Nur die ἐλɛυθɛρία ermöglicht auch das Freisein von Praktizierung und Durchsetzung der ἐξουσία.“ Vgl. ferner für die Rede von einer spezifisch christlichen Freiheit F. Lang, Die Briefe an die Korinther (NTD, Bd. 7; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1986), 119–220; J. Frey, „Das Ringen des Paulus um die Einheit der Gemeinde. Der erste Korintherbrief als Vermittlungsschreiben und seine integrative Argumentationsstruktur“, Paulus und die christliche Gemeinde in Korinth: Historisch-kulturelle und theologische Aspekte, BThSt (hg. J. Thiessen und C. Stettler; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2020), 149–81, hier 175–7; E. Kobel, Paulus als interkultureller Vermittler: Eine Studie zur kulturellen Positionierung des Apostels der Völker (Studies in Cultural Contexts of the Bible, Bd. 1; Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 2019), 154–5; H. Merklein, Der erste Brief an die Korinther: Kapitel 5,1–11,1 (ÖTBK, Bd. 7,2; Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 2000), 228; vgl. darüber hinaus auch R. A. Horsley, 1 Corinthians (Abingdon New Testament Commentaries, Bd. 7; Nashville: Abingdon Press, 1998), 130–1 (er spricht von „freedom he has in the gospel“); sowie C. Campbell, 1 Corinthians: Belief: A Theological Commentary on the Bible (Louisville: Presbyterian Publishing, 2018), 139.

15 Dem entspricht schließlich auch die Rede vom „frei Sein“ in 9,19 im Partizip Präsens (ἐλɛύθɛρος ὢν), das den Zeitpunkt der Befreiung nicht eigens in den Blick nimmt, sondern die Freiheit des Paulus an dieser Stelle schlicht als andauernde Ausgangslage für seine Selbstversklavung heranzieht (vgl. dazu auch Horsley, 1 Corinthians, 131).

16 Vgl. so aber etwa bei Lang, Briefe, 120.

17 Als Alternative zu einer spezifisch christlichen Freiheit deutet Fee, The First Epistle to the Corinthians, 470, die paulinische Freiheit in 1 Kor 9,19 als Ausdruck dessen, dass er finanziell von seinen Gemeinden unabhängig sei („financially independent of all“). Das Paulus auch jenen finanziellen Freiheitsaspekt mit im Blick hat, lässt sich sicherlich nicht ausschließen (vgl. 1 Kor 9,11–14); umgekehrt scheint es mir aber nicht gerechtfertigt, die Freiheit auf rein monetäre Belange zu beschränken.

18 Dabei ist die Einfügung der Sklavenmetapher evtl. nicht nur durch das Motiv der Freiheit mit dem vorausgehenden Kontext verbunden, sondern evtl. auch durch die Rede vom lohnlosen Dienst als Hausverwalter (οἰκονομία), was in der Antike nicht selten eine einem Sklaven anvertraute Aufgabe darstellte (vgl. zu dieser Überlegung ebd., 469).

19 Vgl. so D. Zeller, Der erste Brief an die Korinther (KEK, Bd. 5; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009), 300–1; Schrage, 1. Brief an die Korinther II, 337; W. F. Orr und J. A. Walther, I Corinthians: A New Translation (AB, Bd. 32; New York: Doubleday, 1976), 239.

20 Der finale Sinn für διὰ τὸ ɛὐαγγέλιον ergibt sich aus der Parallelstellung zu der wiederholten Wendung ἵνα … κɛρδήσω in 9,19, 20a, 20b, 21b und 22.

21 So hat z.B. C. Böttrich, „,Ihr seid der Tempel Gottes‘. Tempelmetaphorik und Gemeinde bei Paulus“, Gemeinde ohne Tempel, WUNT (hg. B. Ego, A. Lange und P. Pilhofer; Tübingen: Mohr Siebeck, 1999), 411–25, für die Verwendung der Tempelmetaphorik in 1 Kor 3,10–17 gezeigt, dass diese auch ohne Kenntnis des Tempels in Jerusalem von Menschen in Korinth verständlich ist, weil sie auf das gemeinantike Konzept von „Tempel“ zurückgreift.

22 Aus den bisherigen Untersuchungen erwähnt werden muss in diesem Kontext noch die Studie von D. B. Martin, Slavery as Salvation: The Metaphor of Slavery in Pauline Christianity (New Haven: Yale University Press, 1990), v.a. 86–116. Martin bemüht den Vergleich mit zeitgeschichtlichen griechisch-römischen Autoren, wo ebenfalls die Metapher der Sklaverei angeführt wird: „Paul's metaphors of slavery function within a particular ideological debate, a debate about status, leadership, monetary support, and manual labor.“(137–8). Dabei geht Martin m.E. zwar einerseits in die richtige Richtung, als dass er die unmittelbare Zeitgeschichte als den wesentlichen Kontext für die Interpretation der Metapher von der Selbstversklavung erkennt. Seine Konzentration auf philosophische Diskurse, in denen die Sklaverei als metaphorischer topos der (demagogischen) Anpassung begegnet, scheint mir jedoch zu einseitig. Soziale Aspekte der Hierarchie und Leiterschaft spielen in 1 Kor 8–10 sicherlich eine bedeutende Rolle, jedoch kann Martins Konzentration auf jene Aspekte letztlich von den paulinischen Explikationen seiner Selbstversklavung in 1 Kor 9,20–2 lediglich seiner Anpassung an die Schwachen (9,22) einen Sinn abgewinnen, wohingegen die übrigen Verhaltensanpassungen ungeklärt bleiben müssen.

23 Vgl. dazu grundsätzlich auch J. M. G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora: From Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE) (Edinburgh: T&T Clark, 1998), 325–6.

24 Finley spricht von Sklaven als „entwurzelte[…] Mensch[en]“; M. I. Finley, Die Sklaverei in der Antike: Geschichte und Probleme (München: Beck, 1981), 89. Zur antiken Praxis der Separierung von Sklavenfamilien und damit der Isolierung des einzelnen Sklaven vgl. ebd., 90–1. Eine grundlegende Untersuchung über die Institution der Sklaverei in der Antike sowie deren Geschichte findet sich bei A. Eckert, Geschichte der Sklaverei: Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert (C.H. Beck Wissen; München: C.H. Beck, 2021); vgl. ferner die Beiträge im Sammelband von E. Herrmann-Otto, Antike Sklaverei (Darmstadt: WBG, 2013); siehe auch das oben bereits zitierte Werk von Finley, Sklaverei; für einen Überblick über die Praxis der Sklaverei und deren rechtliche Verankerung in den Kulturen des östlichen Mittelmeerraums vor der Expansion des römischen Reiches vgl. D. Lewis, Greek Slave Systems in Their Eastern Mediterranean Context, c. 800–146 BC (Oxford/New York: Oxford University Press, 2018).

25 Für einen Anteil von 15–20 % votiert etwa L. Schumacher, Sklaverei in der Antike: Alltag und Schicksal der Unfreien (Beck's archäologische Bibliothek; München: Beck, 2001), 42. Folgt man Schumachers Berechnung würde dies in absoluten Zahlen die Menge von etwa zehn Millionen Sklaven im römischen Reich zur Zeitenwende bedeuten. Für einen Anteil der Sklaven an der Gesamtbevölkerung von 30–35 % argumentiert wiederum (vorsichtig) Finley, Sklaverei, 94–5. Die quantitativen Schätzungen gehen in der Literatur weit auseinander und dürften auch lokal höchst unterschiedlich ausgefallen sein. So schätzt R. Müller-Wollermann, „Sklaverei. II. Ägypten“, Der Neue Pauly. Bd. 11 (hg. H. Cancik; Stuttgart: Brill, 2001), 623-4, hier 624, für Ägypten zur römischen Zeit einen Sklavenanteil von 10 % an der Gesamtbevölkerung. Zur Abgrenzung von Sklaverei gegenüber anderen Formen der Unfreiheit vgl. Schumacher, Sklaverei, 11–3.; zur antiken Terminologie vgl. E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt (Studienbücher Antike, Bd. 15; Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms Verlag, 20172), 16–8.

26 Vgl. dazu auch E. S. Gruen, Diaspora: Jews amidst Greeks and Romans (Cambridge: Harvard University Press, 2002), 3.8.15–17.

27 Vgl. dazu mit Bezug auf Kleinasien und Griechenland Barclay, Jews, 244.

28 Im Zuge des jüdischen Krieges erwähnt Josephus in Bell VI 420 etwa die Zahl von insgesamt 97.000 jüdischen Kriegsgefangenen. Zur Versklavung von Juden im Zuge des jüdischen Krieges vgl. auch Josephus, Bell III 304–306.540f. Vgl. dazu auch C. Hezser, „Slavery and the Jews“, The Cambridge World History of Slavery. Bd. 1: The Ancient Mediterranean World (hg. K. R. Bradley und P. Cartledge; Cambridge: Cambridge University Press, 2011), 438–55, hier 440. Zur römischen Praxis von massenhaften Versklavungen im Zuge ihrer Kriege in Judäa und anderswo vgl. W. Scheidel, „The Roman Slave Supply“, The Cambridge World History of Slavery. Bd. 1: The Ancient Mediterranean World (hg. K. R. Bradley und P. Cartledge; Cambridge: Cambridge University Press, 2011), 287–310, hier 295–6.

29 Vgl. dazu P. R. Trebilco, Jewish Communities in Asia Minor (SNTSMS, Bd. 69; Cambridge: Cambridge University Press, 1991), 6–7.

30 Vgl. etwa die Versklavung von Aristobul sowie dessen Kinder und Schwiegervater in Josephus, Ant XIV 70f.79.

31 Vgl. Philo, Leg 155; Josephus, Bell I 154.180; Ant XIV 71.79.97.120.275.304.313.321; XX 244; vgl. dazu Gruen, Diaspora, 3 Anm. 9.

32 Vgl. dazu auch Hezser, „Slavery“, 440. Vgl. für die schon früh einsetzende Versklavung von Juden und deren Deportation an andere Orte des Mittelmeerraums auch schon Joel 4,6 mit der Erwähnung vom Verkauf der Söhne Judas und Jerusalems an die בני היונים, womit entweder Ionien im Besonderen oder aber Griechenland im Allgemeinen gemeint sein dürfte. Ähnlich spricht Ob 20b von einer jüdischen Exilsgemeinschaft in ספרד, womit vermutlich Sardeis gemeint ist (vgl. zum hohen Alter der diasporajüdischen Gemeinde in Sardeis dann auch Josephus, Ant XIV 235.259).

33 Vgl. zum Folgenden G. Delling, „Die Bewältigung der Diasporasituation durch das hellenistische Judentum“, Studien zum Frühjudentum: Gesammelte Aufsätze 1971–1987 (hg. C. Breytenbach und K.-W. Niebuhr; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000), 23–121, hier 79–81.

34 Vgl. CPJ 7, Z. 166 (257 v.Chr.).

35 Vgl. CPJ 126, Z. 15f. (238/7 v.Chr.).

36 Vgl. CPJ 148 (10 v.Chr.).

37 Vgl. CIJ 709 (157/6 v.Chr.).

38 Vgl. CIJ 710 (162 v.Chr.).

39 Vgl. etwa Josephus, Bell III 540, wonach Vespasian die Menge von 6.000 Sklaven nach Korinth schickt für Neros Versuch einen Kanal durch den Isthmus zu graben.

40 Vgl. die Inschriften zur Freilassung von Sklaven in Synagogen aus dem Bosporanischen Reich: CIRB 70; 71; 73; 985; 1123; SEG XLIII 510 (alle vermutlich aus dem späten 1. oder frühen 2. Jh. n.Chr.), vgl. dazu auch Gruen, Diaspora, 109–10 und E. L. Gibson, The Jewish Manumission Inscriptions of the Bosporus Kingdom (TSAJ, Bd. 75; Tübingen: Mohr Siebeck, 1999); zur Datierung vgl. ebd., 112–113 und 124–125. Zur Diskussion, ob es sich dabei um Juden oder Gottesfürchtige handelt, vgl. I. A. Levinskaja, The Book of Acts in its First Century Setting. Bd. 5: The Book of Acts in Its Diaspora Setting (hg. B. W. Winter; Grand Rapids: Eerdmans, 1996), 111–6.

41 Vgl. CIJ 556 (Neapel, aus claudischer oder neronischer Zeit); ähnlich auch CIJ 643 (Aquileia).

42 Dass hierbei mehr noch als sonst mit einer großen Vielfalt hinsichtlich der den Sklaven obliegenden Möglichkeiten zu rechnen ist, wird schon allein aus dem disparaten Charakter der uns überlieferten Situationen und Rahmenbedingungen deutlich, in denen sich (jüdische) Sklaven befanden. Ohne dass uns die Quellen explizit nähere Details überliefern, ist es nur plausibel anzunehmen, dass etwa die Jüdin Acme, die als Sklavin der Julia, der Frau von Kaiser Augustus, diente (Josephus, Ant XVII 134–41) gänzlich andere Rahmenbedingungen vorfand als Sklaven, die etwa im Bergwerk eingesetzt wurden.

43 Zum allgemeinen Phänomen der Sklaverei in der Antike vgl. die angegebene Literatur in Anm. 24 sowie den Sammelband von Bradley K. R. und Cartledge P., Hg., The Cambridge World History of Slavery. Bd. 1: The Ancient Mediterranean World (Cambridge: Cambridge University Press, 2011).

44 Vgl. dazu den Aufsatz von M. L. Gordon, „The Nationality of Slaves Unter the Early Roman Empire“, Slavery in Classical Antiquity: Views and Controversies (hg. M. I. Finley; Cambridge: Heffer, 1960), 171–89, und das Fazit auf ebd., 188: „The elusiveness of servile nationality, intensified as it is by the rarity of ethnica and the Latinization of native names, has in itself a highly important significance.“ Zur Praxis der Umbenennung von Sklaven vgl. ferner M. Golden, „Slavery and the Greek Family“, The Cambridge World History of Slavery. Bd. 1: The Ancient Mediterranean World (hg. K. R. Bradley und P. Cartledge; Cambridge: Cambridge University Press, 2011), 134–52, hier 136.

45 Vgl. dazu Herrmann-Otto, Sklaverei, 237: „Die Sklaven in den privaten Haushaltungen konnten aus aller Herren Länder stammen, auch noch in der Kaiserzeit und der Spätantike. Von dort her brachten sie fremde Kulte mit, die teilweise in Vereinen, collegia, organisiert waren. Nicht nur der Staat auch die privaten Herren waren tolerant und erlaubten ihren Sklaven die Mitgliedschaft. Voraussetzung war, dass der Verein nicht offiziell verboten war und seine Statuten die Sklaven nicht an ihrer Pflichterfüllung gegenüber ihren Herren hinderten.“

46 Vgl. dazu F. Bömer, Untersuchungen über die Religion der Sklaven in Griechenland und Rom (FASk, 14,1–3; Wiesbaden: Franz Steiner Verlag, 1960/1981/1990). Einschlägige Belege finden sich auch bei W. Eck und J. Heinrichs, Sklaven und Freigelassene in der Gesellschaft der römischen Kaiserzeit (TzF, Bd. 61; Darmstadt/Norderstedt: Wiss. Buchges, 2005), 165–9.

47 Hezser, „Slavery“, 440–1.

48 Vgl. diesbezüglich auch die grundsätzlichen Überlegungen bei Barclay, Jews, 325–6 mit dem Fazit: „[I]t cannot have been easy to continue practising Jewish customs in such circumstances.“ (ebd., 326).

49 Vgl. so E. Hermann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, Reallexikon für Antike und Christentum. Lieferung 238 (hg. C. Hornung, H. Brakmann, S. Blaaue, T. Fuhrer, Leppin Hartmut, W. Löhr, H.-G. Nesselrath, M. R. Niehoff, G. Schöllgen und I. Tanaseanu-Döbler; Stuttgart: Anton Hiersemann, 2020), 691–751, hier 705–6. In gewisser Hinsicht zeigt sich die Thematik der Versorgung eines jüdischen Sklavens auch in der Erzählung von Daniel in Dan 1; vgl. dazu R. A. Bühner, „Interaktion mit dem Fremden. Grenzen und Möglichkeiten der Tischgemeinschaft anhand von Daniel und Ester“, ZAW 133 (2021) 329–45, hier 331–8.

50 So etwa bei Seneca, Von der Seelenruhe 8, 5–9; vgl. J. Fischer, Sklaverei: Quellenreader Antike (hg. M. Sommer; Darmstadt: wbg Academic, 2018), 122.

51 Vgl. so etwa bei Xenophon, Erinnerungen an Sokrates 2,1,16; vgl. Fischer, Sklaverei, 123.

52 So bei Pseudoaristoteles, Oikonomika 1, 5 (1344a 23ff.); vgl. Fischer, Sklaverei, 124.

53 Vgl. auch Iustin 43, 1,4, wonach Sklaven zumindest an den Saturnalien mit ihren Herren gemeinsam zu Tisch sitzen (in conviviis servi cum dominis recumbant, „beim Mahl liegen Sklaven gemeinsam mit den Herren“).

54 Zur fehlenden Autonomie von Sklaven in der Antike vgl. Finley, Sklaverei, 86–90 und das Zitat (88): „Die Rechte des Sklavenbesitzers über seinen Sklavenbesitz waren in mehr als einer Hinsicht unbegrenzt. Der Sklave erlitt als solcher nicht nur den ,völligen Verlust der Kontrolle seiner Arbeit‘, sondern auch den völligen Verlust der Kontrolle über seine Person und seine persönliche Lebensgestaltung.“

55 Eine Ausnahme stellt die Erzählung von Daniel in Dan 1 dar, vgl. dazu Bühner, „Interaktion“, 331–8. In anderen Zusammenhängen sind wir freilich gut über die Sonderbehandlung von Juden im römischen Reich informiert. Dies betrifft etwa die Befreiung von Juden vom Militärdienst (vgl. dazu v.a. Josephus, Ant XIV 236 u.ö.) sowie die unter Augustus bezeugte Praxis, dass Juden in Rom bei der kostenlosen Verteilung von Brot auch noch am Tag danach Anspruch darauf erheben konnten, wenn die allgemeine Austeilung auf einen Sabbat fiel (vgl. dazu Philo, Legat 158). Diese uns belegten Formen der jüdischen Sonderbehandlung betrifft allerdings jeweils explizit Juden, die das römische Bürgerrecht besaßen. Von daher lässt sich aus solchen Belegen nur in sehr geringem Umfang auf Juden schließen, die als Sklaven gewissermaßen am genau entgegengesetzten Ende der gesellschaftlichen Hierarchie standen.

56 Für Juden als Sklavenbesitzer vgl. CPJ 1 (Jordanien, 259 v.Chr.); CPJ 4 (Jordanien 257 v.Chr.); CIJ 711 (Delphi, 119 v.Chr.), sowie einige weitere Papyri aus Ägypten; vgl. dazu Martin, D. B., „Slavery and the Ancient Jewish Family“, The Jewish Family in Antiquity, BJSt (hg. Cohen, S. J. D.; Atlanta: Scholars Press, 2010), 113–29Google Scholar, hier 123 mit Anm. 34.

57 Ebd., 113; vgl. ähnlich auch die Hezser, Leitthese von C., Jewish Slavery in Antiquity (Oxford: Oxford Univ. Press, 2009)Google Scholar. Vgl. darüber hinaus auch zahlreiche Papyri aus Edfu, die dokumentieren, dass nach dem jüdischen Krieg auch von Sklaven die Zahlung des Fiscus Judaicus erhoben wurde. Da in jenen Fällen die Sklavenbesitzer häufig typische Namen für Juden tragen, gehen die Herausgeber der CPJ davon, dass in jenen Fällen die Besitzer und nicht die Sklaven jüdischer Abstammung waren (vgl. CPJ 171 [Edfu 75 n.Chr.]; CPJ 179 [Edfu, 80 n.Chr.]; CPJ 180 [Edfu, 80 n.Chr.]; CPJ 212 [Edfu, 107 n.Chr.]; CPJ 229 [Edfu, 116 n.Chr.]); siehe dazu Martin, „Slavery and the Ancient Jewish Familiy“, 124; die gegenteilige Interpretation, wonach die Sklaven und nicht deren Besitzer Juden seien, findet sich bei Delling, „Bewältigung“, 81.

58 Vgl. dazu auch Hezser, „Slavery“, 441: „Gentile slaves bought by Jews would almost always be circumcised or immersed for purity reasons. Similarly, Christian slaveholders would baptise their pagan (and Jewish?) slaves. These slaves would be forced to live together with slaves of other ethnic and religious backgrounds and have sexual relations with them. Accordingly, ethnic and religious identity could hardly be preserved or at least not be exposed during enslavement.“

59 Vgl. dazu auch Delling, „Bewältigung“, 30. Die extremen Herausforderungen, die die Versklavung in ein nichtjüdisches Umfeld mit sich bringt, spiegelt sich bei Josephus auch dort wider, wo er von jüdischen Aufständischen erzählt, die sich lieber selbst das Leben nehmen, anstatt als Kriegsgefangene in die Sklaverei zu gelangen (vgl. Bell VII 334–6).

60 Eine ähnliche Kritik findet sich ferner auch bei Philo. In Spec Leg 4,13–19 kritisiert dieser die Versklavung der eigenen Volksgenossen. Im Blick ist hier bei Philo jedoch nicht nur speziell der Verkauf von jüdischen Sklaven, sondern grundsätzlich die Versklavung von Menschen der gleichen Abstammung. Anders als bei Josephus fehlt demnach bei Philo auch die Begründung durch den Verweis auf die Schwierigkeit, die speziell jüdische Existenz bei einem nichtjüdischen Herrn auszuleben. Doch mit dem Verweis darauf, dass die, die solches tun, die Gemeinsamkeit der Gesetze und Bräuche missachten (ἀλογήσαντɛς κοινωνίας νόμων τɛ καὶ ἐθῶν), klingt auch bei Philo das grundsätzliche Problem an, dass die eigene religiöse wie ethnische Identität nur sehr bedingt im Stand der Sklaverei weitergeführt werden kann.

61 Verwandte metaphorische Verwendungen der Sklaverei oder des Sklavenstandes finden sich auch in der griechisch-römischen Umwelt. So vergleich Publilius Syrus 414 (M 65) die Fügsamen (mansueta) mit Sklaven (vgl. Eck und Heinrichs, Sklaven, 175). Und Epiktet 4,1,40 vergleicht alle Stufen der römischen Gesellschaft mit den äußeren Zwängen des Sklavenstandes, schließlich resümiert er klimaktisch über das Dasein von Senatoren: „Steigt er hierauf zu höchsten Höhen auf und wird Senator, so wird er ein Sklave (τότɛ γίνɛται δοῦλος) durch Teilnahme an den Sitzungen: nun hat er die herrlichste und fetteste Art der Sklaverei erreicht.“ (Text und Übersetzung nach ebd., 175–6).

62 Vgl. zu einer Deutung von 1 Kor 9 als exemplum auch Thiselton, First Epistle to the Corinthians, 610–1; Schrage, 1. Brief an die Korinther II, 213–4; J. A. Fitzmyer, First Corinthians: A new Translation with Introduction and Commentary (AYB, Bd. 32; New Haven: Yale Univ. Press, 2008), 353; Zeller, Der erste Brief an die Korinther, 300 sowie Rogers, T., God and the Idols. Representations of God in 1 Corinthians 8–10 (WUNT II, Bd. 427; Tübingen: Mohr & Siebeck, 2016), 185–6Google Scholar. Entschieden anders v.a. Fee, The First Epistle to the Corinthians, 433–5.

63 Dem Argumentationsgang in 1 Kor 9 ist es hingegen fremd, wenn Hübner H., Hg., Biblische Theologie: Entwürfe der Gegenwart (BThSt, Bd. 38; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1999), 167, vom „solidarischen Mittragen der Gesetzesknechtschaft“ spricht. Denn eine sprachliche Verbindung zwischen Gesetz und Sklaverei findet sich gerade nicht. Das Objekt der Selbstversklavung des Paulus sind „jedermann“ (πᾶσιν, V.19), nicht aber das Gesetz oder Teile davon. Zugleich ist die Versklavung gegenüber „jedermann“ sprachlich sowie inhaltlich zusammengedacht mit der Unterordnung unter das Evangelium. Denn Ziel der Versklavung ist jeweils das “Gewinnen” der anderen für das Evangelium. So kann die wiederholte Wendung ἵνα … κɛρδήσω (Vv.19, 20a, 20b, 21b, 22) am Schluss in V.23 schließlich auch mit dem Synonym διὰ τὸ ɛὐαγγέλιον ersetzt werden.