Hugo Von Hofmannsthal (1874–1929) und Anton Wildgans (1881–1932), beide geboren zu Wien, gelten in der literarischen Welt als die repräsentativsten österreichischen Dichter der letzten Jahrzehnte. Beide haben auch in ihren Werken wiederholt auf das “spezifisch Österreichische” hingewiesen; Wildgans hat geradezu Wort und Begriff des “österreichischen Menschen” geschaffen, Hofmannsthal wird von Wassermann, offenbar im Anklang an Wildgans' Wortprägung, als solch ein “österreichischer Mensch” geschildert. So nimmt es kein Wunder, dass der Beginn des Briefwechsels und damit auch der Freundschaft zwischen den beiden Dichtern durch die Schicksalsstunde des alten Österreichs, den Beginn des Weltringens 1914, veranlasst war. Die in diesen Kriegsjahren mehr auf dem Dienste am Vaterlande fussende dichterische Zusammenarbeit der beiden gestaltete sich allmählich immer mehr zu edelster freundschaftlicher Bindung, welche die gegenseitigen Pläne und Schöpfungen nicht mit nivellierendem literarischem Kritizismus, wohl aber mit feinstem Einfühlen in die ureigenste Gedanken- und Arbeitswelt des andern begleitete und auch befruchtete. Die bedingungslose Unmittelbarkeit des Ausdrucks, die besonders bei dem in seinen Werken als Meister der Form und Distanzierung bekannten Hofmannsthal bisweilen überrascht, wirft vielfach persönlich wertvolle Schlaglichter auf das geheimste Seelenklingen und die scheinbar unberührbare Innerlichkeit der Dichterfreunde. Gingen die Ansichten und Wege des neu-österreichischen Klassikers, des “zeitlosen,” im christlich-neuplatonischen Schönheitsideal aufgehenden Hofmannsthal und die des schollenverbundenen Lyrikers Wildgans, des Sängers der Menschlichkeit und des Menschlichen, auch oft weit auseinander, so fanden sie sich doch immer wiederum auf dem Boden des Heimatlich-Österreichischen, das sich aber stets in Liebe und Treue zum “grossen” Deutschtum und zum deutschen Geist verbunden fühlte. Der Briefwechsel kommt einige Tage vor dem tragischen Tode Hofmannsthals, 15. Juli 1929, zu einem plötzlichen Ende.