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Published online by Cambridge University Press: 02 December 2020
Die Irrfahrten des freien Individuums, die mit der Reformation begannen, wurden zugleich vollendet und abgeschlossen durch das Jahr 1789, den Beginn der französischen Revolution. Durch sie sollte der verkümmerte Untertan des absolutistischen Staates vermählt werden mit der unendlichen Freiheit der protestantischen Seele. Das Kind dieser Ehe war der Bürger, der sich freiwillig bindende, in die Gesellschaft einordnende Mensch. Die politische Freiheit existierte nicht mehr wie die religiöse und philosophische Freiheit der vorangehenden Jahrhunderte im unendlichen Raum des Geistes. Der freie Bürger steht im realen Raum des Staates; das bürgerliche Individuum findet seine Grenze in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Rolle des Einzelnen in der Gemeinschaft wurde das beherrschende philosophische, literarische und politische Thema des Zeitalters, das der französischen Revolution folgte. Auch die beiden tiefsten Romane der deutschen Literatur der bürgerlichen Epoche wachsen aus dem Boden dieses Problems auf und sind bis in die feinsten Fasern von ihm durchdrungen: der Wilhelm Meister Goethes und der Grüne Heinrich von Gottfried Keller. Beide führen das an Freiheit leidende Individuum in die Grenzen der bürgerlichen Ordnung. Sie sind beide Geschöpfe des Gedankenkreises der französischen Revolution, aber im Sinne der Gegenwirkung: sie sind aus dem Glauben der notwendigen Begrenzung des Menschen und nicht aus dem Geiste unendlicher Freiheit geboren.