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Goethe und Bettina von Arnim: Ein Neuer Fund

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Von Curt von Faber du Faur*
Affiliation:
Yale University, New Haven, Conn.

Extract

Durch die geschichte der deutschen Literatur im hochsten ihrer Augenblicke geistert die Gestalt der Bettina Brentano, Frankfurterin italienischer Abkunft, ein Licht das sich als Irrlicht gab, eine ewig unruhige Flamme, nicht weit strahlend, aber unauslöschbar, auftauchend hier und dann wieder dort, lästig in seiner zitternden Unruhe, aber mit der Stetigkeit eines Naturgesetzes wiederkehrend, so füllt sie die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts aus. Man braucht sie nur für einen Augenblick wegzudenken und man fühlt sofort, was alles fehlen würde, wenn sie nicht da gewesen wäre. So viel Leichtes, Sprudelndes, Spontanes und Beschwingtes, das in der Literatur der Welt kaum eine Parallele besitzt, wurde uns nur in ihr geschenkt, so viel Seelensprache Dinge zu benennen, die noch ungenannt waren. Eine Virtuosin der Liebe, so scheint es, aber soviel sie von Liebe spricht, es ist nichts Lüsternes in ihr, nichts von Ungesundem, Falsch-Mondänem, nichts was an Elinor Glyn erinnern konnte. Wollte man nach einer Verwandtschaft in neuerer Zeit suchen, so wäre es die zur Grafin Fanny Reventlow, dieser ewig liebenden Sucherin nach dem Geistigen im Manne. Bettina war mehr, sehr viel mehr gegeben als der armen durchgegangenen Komtesse. Sie hatte kein Vaterhaus dem man zu entlaufen gezwungen war. Sie war relativ glücklich geboren, in ahnlichen Kreisen unter ahnlichen Verhaltnissen in derselben Stadt wie Goethe, sechsunddreissig Jahre nach ihm. Sie war Erbin alles dessen was er geschaffen hatte. Nicht gebunden in die patrizischen Sitten der alten Familien, der Gunderodes, Stallburgs, Adlerflychts und Lersners, auch nicht zugehorig zur Klasse der Ratsfamilien, die unter sich die hochsten Amter teilten und denen unter Grossvater Textors Regierung ein merkbarer Miasmus entströmte, aber wohl geboren genug um überall Zutritt zu haben. Wenn Peter Anton Brentano noch kleinburgerliche Zuge geblieben waren, seine Kinder waren Leute von Welt und Bettina war so sehr Dame, dass sie aus alien Regeln schlagen, ein freier Mensch und ganz sie selbst sein konnte, seit ihrer Heirat mit Achim von Arnim auch “bien aparantée,” so sehr, dass ihre jüngste Tochter ihre Heirat mit Herman Grimm der Familie gegenuber zunachst geheim hielt—ein Burgerlicher!

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1960

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References

1 Vgl. übermassig demtitige Briefe an Ludwig Ysenburg von Bury; Sophien-Ausgabe, Abt. 4, I, 1–6, und den übel-wollenden J. Andres zu denselben; Max Morris, Der junge Goethe (Leipzig, 1909), i, 94.

2 Briefe des Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar an seine Mutter, herausgegeben von Alfred Bergmann (Jena, 1938).

3 Reinhold Steig, Bettinas Briefwechsel mit Goethe (Leipzig, 1922), pp. 17–18.

4 Karl Wagner, Briefe aus dem Freundeskreise von Goethe, Herder, Hopfner und Merck (Leipzig, 1847), p. 85.

5 Die Briefe der Frau Rath Goethe, herausgegeben von Albert Koster (Leipzig, 1904), I, 11, 15–17.

6 Samtliche Werke, Jubilaums-Ausgabe, xxii, 53.

7 Die Brüder Senckenberg (Frankfurt, 1869).

8 Samtliche Werke, XXII, 51–52.

9 Ausgabe von 1848, pp. 250–252.

10 Aus dem Nachlass Varnhagens von Ense (Leipzig, 1865), p. 262.

11 Aus Schleiermachers Hause (Berlin, 1909), pp. 132–133.

12 An Zelter. Sophien-Ausgabe, Abt. 4, XLVII, no. 236.

13 Je zwei Folioblätter Schreibpapier, 262X222 mm. gross, randvoll beschrieben, die langere Fassung bis 10 mm. vom unteren Rand reichend, sodass deutlich der Text auf dem nachsten, verlorenen Blatt weiter ging; das kurzere Manu-skript endet 80 mm. vom unteren Rande des Blattes.

14 Paris, xciie annee, septieme penode, tome XI (1922).

15 Bettine und Marianne [Willemer] (Zurich, 1947).

16 (Barcelona, 1957) Mit Einleitung von Damaso Alonso.

17 Aber weder H. Vowahls Artikel “Zu Goethes Liebes-leben” in der Zeitschrijt fur Sexualwissenschaft und Sexual-folitik, xviii, noch Hans Kerns Vom Genius der Liebe (Leipzig, 1942), noch Helene Nostiz in Deutsche Frauen (Berlin, 1939) wissen das Geringste ttber die Teplitzer Episode.

18 2. Auflage (Frankfurt a.M., 1956), p. 239.