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LXIX. Zum Begriff Des Jungen Goethe
Published online by Cambridge University Press: 02 December 2020
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Allenthalben begnügt man sich noch mit dem Begriff vom Jungen Goethe, wie ihn Ludwig Tieck faszte, der diesen nur bis auf den Vorweimarer Goethe angewandt wissen wollte. Ihm folgte Max Morris, dessen kritische Stoffsammlung mit dem Reisetagebuch Goethes vom 30. Oktober 1775 abschlieszt. So hält auch Karl Alt an der Auffassung Tiecks fest. Das glänzend geschriebene synthetische Werkchen von Karl Viëtor greift ebenfalls über Goethes letzte Frankfurter Tage nicht hinaus. Korff schlieszt den Jungen Goethe, ohne sichere Daten zu geben, mit dem Urfaust ab. Selbst Gundolf macht kaum eine Ausnahme, doch unterscheidet er schärfer zwischen einem Frühweimarer und dem mit der Rückkehr aus Italien wirklich gereiften Goethe. Das trefflichste Beispiel bietet jedoch Eugen Wolffs Untersuchung über die geschichtliche Entwicklung junggoethescher Gedichte, die mit Anfang November 1775 abschlieszt, allerdings schon 1907 erschien. Aber noch Hermann Baumgart in seinem Werk Goethes lyrische Dichtung in ihrer Entwicklung und Bedeutung, Band i, S. 186 f. (Heidelberg, 1931) hält die nachfrankfurter Jahre “zur entscheidenden Epoche” von Goethes Leben, in denen sich “die bleibende Richtung seines Lebens” gebildet habe. Und so könnte man die Liste bewährter Forscher weiter verfolgen, ohne dasz sich das herkömmliche Bild nennenswert ändern würde.
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- Research Article
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- Copyright © Modern Language Association of America, 1935
References
1 Vergl. Hans Röhl, “Die ältere Romantik und die Kunst des jungen Goethe”. Forschungen zur neueren Literatur-Geschichte, xxxvi (1919), 161.
2 Der junge Goethe (Leipzig, 1909).
3 Goethes Werke, Goldene Klassiker Bibliothek, i, S. 35.
4 Der Junge Goethe (Leipzig, 1930).
5 Geist der Goethezeit, Band i (Leipzig, 1923).
6 Goethe (Berlin, 1916) S. 235 f.; 243.
6 a Erst nach Abschluss meiner Arbeit erschien das ausgezeichnete Buch von Hans Keipert, Die Wandlungen Goethescher Gedichte zum klassischen Stil: Die Umarbeitungen zur Gesamtausgabe 1789 (Jena, 1933). Keipert bemerkt, dasz schon “im Anfang der Weimarer Jahre … sich im Dichter die Kraftgeniestimmungen zu klären” begonnen hätten (S.3), betont aber dann ausdrücklich, “dasz dieser Umschwung nicht plötzlich vollzogen ist, dasz er sich vielmehr aus einer langsamen inneren Entwicklung des Dichters ergab, deren Spuren mindestens bis in die letzte Frankfurter Zeit zurückzuverfolgen sind.”
7 Siehe Goethes Briefentwurf: Saarbrück, 27. Juni 1770. —Die Einwirkung des Bildungserlebnisses Rousseau, die hier und im folgenden vorausgesetzt ist, gehört im engern Sinne nicht zu unserm Thema.
8 In dem Bruchstück des Romans Arianne an Wetty, Spätherbst 1770, in welchem Goethe Leipziger Liebeswirren “mit Gedanken zu durchdringen” sucht, “die ihm durch Herder aufgegangen waren” (Morris, Der junge Goethe, vi, 152 ff.), handelt es sich zwar nicht um eine (romantische) Landschaft, wohl aber nennt der Dichter das kleine “Stübgen, das so offt der Zeuge unsrer seeligen Trunckenheit war,” eine “liebe romantische Höle”—eine Metapher, der Natur entnommen. Doch siehe Erwin und Elmire, worin Bernardo u.a. sagt“: … alles, was wir von romantischen Gegenden geträumt haben, hält dieses Plätzchen in einem” (Morris, v, 51). Vergl. auch: Werther, Brief vom 10. Sept. 1771; Goethes Reisebericht an den Herzog v. 23.-26. Dez. 1775; Lila, Bühnenanweisung zum zweiten Aufzug.
8 a Vergl. Beiti, Goethes Bild der Landschaft (Berlin, 1929) S.34. Beiti beschränkt sich auf die Prosawerke Goethes. Sein Hauptverdienst ist, gezeigt zu haben, dass Goethes Auge nicht plastisch sondern zeichnerisch gesehen.
9 An Frau v. Stein, 29. Juni 1776.
10 Tagebuch v. 8. Okt. 1777; 30. Nov. 1777.
11 Man lese Goethes Reisebericht v. 22. Febr. 1787, worin er sich sichtlich freut über die wahre Wildnis der verdorrten, umgestürzten, verfaulten Bäume, Sträucher, Kräuter und wuchernden Ranken im Parke des Prinzen di Chigi.
12 13. u. 26. Mai 1771; 21. June 1771; 28. Aug. 1771; 15. März 1772.
13 12. Okt. 1772.
14 20. Okt. 1771; 15. u. 17. Mai 1771.
15 15. Mai 1771; 29. Juni 1771.
16 Morris, ii, 218, 247 ff., 253; iii, 245.
17 24. Dez. 1771.
18 24. Dez. 1771.
19 Tagebuchartiger Brief an Schönborn, 1. Juni- 4. Juli 1775.
20 Morris, v, 165.
21 Ibid., v, 160.
22 Ibid., v, 348.
23 Ibid., v, 41.
24 Ibid., v, 90; 73 f., 79, 89.
25 An Lavater, 21. Dez. 1775. Vergl. Brief an Karl August, 23. Dez. 1775.
26 Erste Abtlg dritter Abschnitt; Zweite Abtlg., Schluszsatz in Eintragung unter “Sion, den 8. November; Leuk, gegen 10 Uhr.”
27 An Karl August, Kochberg 1776.
28 An Karl August, 4. Mai 1776; an Gustgen, 20. Mai 1776; vergl. Brief v. 24. Mai 1776, worin Goethe über einen groszen Brand Mitteilung macht, ohne die armen Geschädigten auch nur mit einem Worte zu erwähnen.
29 An Herder, 5. Juni 1776.
30 An Frau von Stein, 28. März 1777; vergl. die förmliche Verdammung des Romans im fünften Aufzug des Triumphs der Empfindsamkeit.
31 Undatierter Brief an Frau von Stein, etwa vor 13. Sept. 1777; vergl. Brief v. 13. Sept. 1777.
32 Tgbch. v. 12. Febr. 1778; an Frau von Stein, 2. März 1778.
33 An Kestner, 28. Sept. 1777; Tgbch. v. 31. Aug. 1778; an Frau von Stein, 4. März 1779; an Knebel, 5. März 1779; an den Herzog heiszt es in einem Briefe vom 14. März desselben Jahres aus dem Dornburger Schlöszchen, dasz er (Goethe) gern nach Weimar gekommen sei, doch sei ihm vor der Zerstreuung bange gewesen.
34 Erste Abteilung; vergl. Tgbch. v. 14. Juli 1779; an Krafft, 9. Sept. 1779.
35 Vergl. die Briefe aus dem Sommer 1774 nebst den Lili-Liedern.
36 In einem Briefkonzept vom 27. Juni 1770 aus Saarbrücken (an Katharina Fabricius?) lesen wir unter anderem die bezeichnenden Worte: “Wir sind wie Kinder auf dem Schaukelpferde immer in Bewegung, immer in Arbeit, und nimmer vom Fleck. Das ist das wahrste Bild eines Liebhabers. Wie traurig wird die Liebe, wenn man so scheniert ist, und doch können Verliebte nicht leben, ohne sich zu schenieren.” An Kestner schreibt Goethe am 11. Dez. 1772: “Und ich binn frey, und liebebedürftig. … Da binn ich wieder in Frfurt, gehe mit neuen Plans um und Grillen, das ich alles nicht tuhn würde hätt ich ein Mädgen.” Vergl. Briefe an Johanna Fahlmer, Straszburg, 24. u. 26. Mai 1775; an Frau von Stein vom August 1776 an; ferner das Gedicht “Rettung” (1773?) und im “Concerto Dramatico” die Verse “Sonne kann nicht ohne Schein/Mensch nicht ohne hebe seyn” (Morris, iii, 79).
37 Morris, vi, 188 ff.; vergl. Brief an Kestner vom 15. Sept. 1773.
38 “Dem Hafen häuslicher Glückseelichkeit, und festem Fuse in wahrem Leid u. Freud wähnt ich vor kurzen näher zu kommen, bin aber auf leidige Weise wieder in's weite Meer geworfen.” An Herder, 12. Mai 1775.
39 Vergl. die Briefe an Frau von Stein vom Januar 1776 an.
40 An Frau von Stein, 29. Januar 1776.
41 An Frau von Stein, 2. Mai 1776.
42 An Bürger, 2. Febr. 1776. Dagegen schreibt Goethe am 20. Mai 1776 an sein “Gustgen,” dasz “rechte Weiber” Männer überhaupt nicht lieben sollten, da sie es nicht verdienten.
43 An Frau von Stein, 16. Juli 1776; vergl. Brief v. 25. März 1776.
44 An Frau von Stein, 22. Juli 1776.
45 Briefkonzept an Hetzler den Jüngeren, 14. Juli 1770; vergl. Wagnerszene im Urfaust.
46 Morris, v, 262 f.; vergl. Kant, Kritik der Urteilskraft, Paragr. 46; Eucken, Geistige Strömungen der Gegenwart (1904), 127 ff.; Walzel, Deutsche Romantik (1923), i, 15; Gundolf, Goethe (1916), 461; Korff, Geist der Goethezeit, i (1923), 132 f.
47 An Herder, Frankfurt, Ende 1771; u. etwa 10. Juli 1772.
48 Morris, vi, 220 ff.
49 Ibid., iii, 107 unten.
50 Ibid., ii, 174 oben.
51 An Herder, etwa 10. Juli 1772.
52 Morris, ii, 32 f.; Briefkonzept an Hetzler den Jüngeren v. 14. Juli 1770; an Friederike Oeser, 8. April 1769; Morris, ii, 51 f., 140, 305 ff.; iii, 101 ff.; v, 262 f.
53 An Kestner, 15. Sept. 1773 (gegen Ende des langen Briefes).
54 An Schönborn, 10. Juni 1774.
55 –57 Morris, v, 344.
58 Morris, v, 261 ff.
59 An Johanna Fahlmer, 24. u. 26. Mai 1775.
60 Morris, v, 259.
61 Ibid., v, 260.
62 Ibid., v, 350.
63 Eine religions-philosophische und -psychologische Betrachtung der Goetheschen Weltanschauung ist in dieser Arbeit nicht beabsichtigt, so sehr solche in den Rahmen des Gesamtbildes hineingehörte.
64 Unter dem 20. Sept. 1935 zeigt der Verlag Friedr. Vieweg und Sohn A. G., Braunschweig, ein neues Buch an, betitelt: Jahr der Wandlung, Goethes Schicksalswende 1775 von Franz Servaes. In der Voranzeige heiszt es: “Franz Servaes erlebt das für Goethe so schick salhafte Jahr 1775, die grosze Leidenschaft für Lili, den Abschied vom Sturm und Drang.” Auf diese Beweisführung darf man gespannt sein. Unsere eigenen diesbezüglichen Beobachtungen, teilweise jetzt hier im Druck erschienen, gehen auf Untersuchungen im literarischen Seminar von Professor A. R. Hohlfeld (Wisconsin) im Jahre 1929 zurück.