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Loris—Die Frühen Essays Des Jungen Hofmannsthal

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Hilde D. Cohn*
Affiliation:
Bryn Mawr College

Extract

In den Jahren 1891–97 veröffentlichte Hofmannsthal in Wiener Zeitungen und Zeitschriften eine Reine von Essays über die Literatur, die Kunst, und das Theater seiner Zeit. Erst 1930, ein Jahr nach dem Tode des Dichters, erschienen diese Aufsätze gesammelt unter dem Titel Loris, dem Pseudonym des jungen Hofmannsthal. Die meisten von ihnen beschäftigen sich mit einzelnen Persönlichkeiten—Barres, Amiel, Pater, Swinburne, Ibsen, Bahr, Stefan George, Eleonora Duse—aber es sind auch solche darunter, die allgemeine Problème zum Thema haben, wie der Vortrag über Poésie und Leben, order der Bericht über die Mozartfeier in Salzburg.

Type
Research Article
Information
PMLA , Volume 63 , Issue 4 , December 1948 , pp. 1294 - 1313
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1948

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References

1 Loris. Die Prosa des jungen Hofmannsthal (Berlin, 1930). Der Band enthält aufier den kritischen Aufsätzen auch ein halbes Dutzend kurzer Prosadichtungen aus demselben Jahrzehnt.

2 Hermann Bahr, Studien zur Kritik der Moderne (Frankfurt a.M., 1894), S. 122 ff.

3 Ein anderer, wenig beachteter Kritiker, der den jungen Hofmannsthal schon früh richtig beurteilte, ist Josef Hofmiller in Zeitgenossen (München, 1910), S. 243 ff. Leider sind die Ergebnisse der Spezialforschung den Literaturgeschichten der letzten zwanzig Jahre nicht eigentlich zugute gekommen. In ihnen tritt Hofmannsthal immer noch als der lebensmüde, willensschwache Aesthet auf, der “von Natur das Ideal der Dekadenz er-füllte” (Eloesser, Die deutsche Literatur [Berlin, 1931], ii, 480). Von den neueren Gesamt-darstellungen weicht nur die von Victor Lange, Modern German Literature 1870–1940 (Ithaca, 1945), erfreulicherweise von dem ublichen Klischee ab.

4 Hugo von Hofmannsthal, Briefe 1890–1901 (Berlin, 1935), No. 53.

5 Hermann Bahr, a.a.O., S. 128.

6 S. 87.

7 Ibid., S. 128.

8 Nur bei Oskar Walzel, Deutsche Dichtung von Gottsched bis zur Gegenwart (Potsdam 1930), ii, 221, und Paul Wiegler, Geschichle der deutschen Literatur (Berlin, 1930), ii, 728, wird auf Bahrs Essay angespielt, wobei aber auch wieder nur von Bahrs innerer Verwandt-schaf t mit Hofmannsthal, nicht aber von dem entschiedenen Anderssein, das Bahr selbst empfand, gesprochen wird.

9 In den Briefen an Bahr, Beer-Hofmann, Schnitzler und Salten spielen personliche Mitteilungen eine ebenso große Rolle wie die gemeinsamen literarischen Interessen. Mir scheint, daß die persönlichen Beziehungen zur österreichischen Aristokratiefiir Hofmannsthal wichtiger und dauernder waren. Vgl. dazu Walter Perl, Das lyrische Jugendwerk Hugo von Hofmannsthals (Berlin, 1936), S. 15.

10 Hermann Bahr, a.a.O., S. 85.

11 Die wichtigsten Einzeluntersuchungen jüngeren Datums, die sich auf die früheren Dichtungen beziehen, sind die Arbeiten von Ernst Feise, “Philosophische Motive im Werk des jungen Hofmannsthal”, Monalshefte, xxxvii (1945), 31 ff., und von Richard Alewyn, “Hofmannsthals Tor und Tod”, Monatshefte, xxxvi (1944), 409 ff. In ihnen wird zum ersten Mal mit Berücksichtigung der Lorisaufsätze auf die Bedeutung Schopenhauers und Nietzsches für Hofmannsthal hingewiesen. Gewiße Berührungspunkte meiner Arbeit mit der von Alewyn liegen im Stoff und in einer ähnlichen Beurteilung des Dichters begrundet. Der Aufsatz von Friedrich Gundolf, “Loris”, Europáische Revue, vi (1930), 672 ff., erscheint mir wegen seiner überspitzten Formulierungen und befangenen Einstellung zu Hofmannsthal für meine Zwecke kaum verwendbar.

12 Obwohl Loris in dem Essay über Bahr von den “unanfechtbaren Forderungen natural-istischer Kunsttheorie” (S. 190) spricht, hat sein Bekenntnis zum Leben nichts mit Natu-ralismus zu tun. In dem Aufsatz über Stefan George heißt es: “Es ist ein Hauptmerkmal der schlechten Bücher unserer Zeit, daß sie gar keine Entfernung vom Leben haben: eine lächerliche korybantenhafte Hingabe an das Vorderste, Augenblickliche hat sie diktiert. Zuchtlosigkeit ist ihr Antrieb, freudlose Anmaßung ihr merkwiirdiges Kennzeichen” (S. 250).

13 Nietzsche, Gesammelle Werke (Leipzig, 1895), i, 338.

14 Briefe, No. 59. Cf. Nietzsche, a.a.O., S. 418: “Ich ergötze mich an der Vorstellung, daß die Menschen bald einmal das Lesen satt bekommen werden …”

15 Ibid., No. 30.

16 Ibid., No. 144.

17 Ibid., No. 147.

18 Ibid., No. 114.

19 Dieser Satz enthält Hofmannsthals Formulierungen, ist aber nicht wortliches Zitat.

20 “Die Glücklichen” ist der Untertitel des Kleinen Welttheaters, 1897. Dieses Dramolett bildet, wie mir scheint, eine neue Stufe innerhalb des Jugendwerkes. Hofmannsthal, der diese Dichtung besonders liebte, nennt sie “eine lyrische dialogisierte Kleinigkeit, die Ei-genart ohne Manier und innere Fülle ohne Dunkelheit, das sind zwei Dinge, die ich immer suche, wieder etwas mehr haben wird als meine früheren Sachen” (Briefe, No. 170).

21 Marsilio erinnert Andrea an die Zeit, da sie Pläne machten zu spàteren Taten. Marsilio: “Andrea, hast Du ganz der Zeit vergessen, da wir so viel, so Großes uns vermessen…? Wir schworen uns, ein neu Geschlecht zu griinden.” Andrea: “Ich bin gescheitert an den alten Sunden.” Gesammelle Werke (1934), i, 105.

22 Ibid., S. 114.

23 “Der Schmied füllt seinen Kreis in bewußter Tat mit Spuren seiner Arbeit”—Ernst Feise, a.a.O., S. 34. Der junge Kritiker bedauert und tadelt den Mangel an Berufsfreude unter den Künstlern seiner Zeit folgendermaßen: “Wir nehmen uns in Gedanken so viel vor der ubrigen Menschheit voraus … Es gibt nichts Enervierenderes als Müfliggang und das Saugen an den eigenen Pfoten” (Briefe, No. 83).

24 “Und Psyche, meine Seele, sah mich an / Mit bösem Blick und hartem Mund, und sprach : / Dann muß ich sterben, wenn du so nichts weißt / Von alien Dingen, die das Leben will”—NacklesederGedickte (Berlin, 1934), S. 16.

26 Die beiden ersten Essays über d'Annunzio sind 1893 und 1894 geschrieben. Zwischen Oktober 1894 und September 1895 liegt das Freiwilligenjahr. Am Anfang des dritten Essays spricht Loris selbst über die Bedeutung dieser Zeitspanne: “Ich habe inzwischen in den mannigfaltigsten Erfahrungen eines Jahres eine komplexe, wortlose Lehre empfangen, welche sich auf das Sittliche in jener Sache bezieht.” Mit “jener Sache” ist das “Starre und Künstliche” in d'Annunzios Weltanschauung gemeint. In den Briefen No. 93, 99,106, 129 stehen Sätze, deren Unmittelbarkeit den Prozeß des inneren Reifwerdens deutlich vermittelt.

26 “Ich werde Menschen auf dem Wege finden, / Nicht langer stumm im Nehmen und im Geben, / Gebunden werden—ja!—und kräftig binden.”

27 Hermann Bahr, Bildung (Leipzig, 1901), S. 90 ff.: “Man kann ja jetzt aile Tage irgendwo lesen, bald als Lob, bald als Tadel, dafi Hofmannsthal ein Dichter des art pour art sei. Das ist wohl das Dummste, was man ihm nachsagen kann. Will man ihn schon durchaus in ein ‘Kastl’ stecken, so wiirde er eher zu den Moralisten gehôren. Ich kenne kaum einen Vers von ihm, der nicht eine moralische Frage, eine moralische Sorge aus-sprechen würde. Fast immer sind es die tiefsten Problème der Bildung, die er suchend, stau-nend, klagend berührt.” Cf. Geneviève Bianquis, La Poésie Autrichienne de Eofmannsthal à Rilke (Paris, 1926), SS. 98,127.

28 Auch in dem Punkte des historischen Kostiims meistert der junge Dichter nicht von Anfang an, was ihm als kiinstlerisches Ideal vorschwebt. Er berührt dieses Problem in Briefe, No. 29. Wie glänzend der spätere Hofmannsthal gerade diese Schwierigkeit löste, beweist die Darstellung des theresianischen Wien im Rosenkavalier und die Verdichtung der Stadt Venedig im Drama, Lustspiel und Roman.

29 Nietzsche, a.a.O., S. 307. Diese “Nachfolge” war Hofmannsthal, wie mir scheint, nicht vollig bewußt. Eine Bemerkung in Carl J. Burckhardt, Erinnerungen an Hofmannsthal (Basel, 1944), S. 28, scheint mir das Entscheidende für diesen Vorgang sowohl als fur Hofmannsthals Geistesart im Gegensatz zu der Nietzsches auszusprechen: “In der Tat vieles, das Nietzsche aus seiner Welt heraus qualvolle Errungenschaft war, erschien dem Osterreicher einfach, und aus einem intakten Erfahrungsgrund heraus hätte er es in Ruhe im alltäglichen Bild und wie nebenher äußern können.” Dafi Burckhardt hier von dem reif en Dichter spricht und das Gesamtbild Nietzsches vor Augen hat, tut nichts zur Sache. Der Akzent liegt auf “einfach” und “intakt”, Worte, die an die anfangs zitierten Sätze von Hermann Bahr erinnern, und die durch zahlreiche Zeugnisse der Freunde des Dichters vermehrt werden könnten.

30 Nachlese, S. 122 ff.

31 Diese Studie, Loris, S. 205 ff., ist wohl die früheste uber ein Thema, das den Dichter seit seines Lebens beschäf tigt hat, und das seine schönste und berühmteste Formulierung zehn Jahre später fand in dem, “Gespräch iiber Gedichte”, Cf., “Bildlicher Ausdruck”, Loris, S. 258, und Briefe, No. 275.

32 Briefe, No. 91.

33 Briefwechselzwischen George und Hofmannsthal (Berlin, 1938), S. 154.

34 Vgl. “Gespräch”, Gesammelte Werke, i, 28–29. Dieses Gedicht, das 1898, also nach den zitierten Prosastellen für Beer-Hofmann geschrieben wurde, ist der gesammelte poetische Ausdruck der gedanklichen Motive des Lorisbandes. Die Situation des Gedichts, in dem “Der Jüngere” Maß und Lehre schenkt, entspricht der tatsächlichen. Loris ist erheblich jünger als die in den Essays behandelten Dichter.

35 Aufier den im Text angeführten Zitaten und Loris, SS. 52, 64, 67, 140,143 wird Nietzsche in dieser Epoche nur noch in den Brief en No. 7 und No. 261 erwähnt. In No. 261 berichtet Hofmannsthal, daß d'Annunzio ihm “eine recht schone Ode auf den Tod Nietzsches geschickt hat.”

36 Nietzsche, a.a.O., SS. 383–384. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang der 1901 von Hermann Bahr veröffentlichte Essayband Bildung, cf. Anm. 28. Goethe ist hier das Ideal, auf das immer wieder Bezug genommen wird, und zwar Goethe als der Meister seines Lebens-Kunstwerkes. Der Titel des Zola-Aufsatzes, “Der Glaube an das Leben”, scheint mir charakteristisch fiir den Grundton des Buches.

37 Daß Hofmannsthal schon damais eine gewifie Reserve zeigt gegenüber den manirierten und diktatorischen Gewohnheiten des Kreises um George, geht hervor aus den Brief en, No. 43, 69, 84.

38 Cf. Max Mell, “Nachwort” zum Lorisband, S. 272: “Und es ist eben das Außerordentliche in diesem Ganzen der frühen Prosaschriften, daß in ihnen ailes schon da ist, was das spätere Werk entfaltet…” Cf. Richard Alewyn, a.a.O., SS. 409,424.

39 Anders nur Victor Lange, s.o. Anm. 3.

40 Tonio Kröger bleibt auch mit diesem Bekenntnis der melancholische Literat. Vom Dichter Loris unterscheidet er sich vor allem durch seine grundsàtzlich ironische Einstellung zum Leben.