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Paulus, der „Sklave Christi Jesu“ (Gal 1,10; Röm 1,1; Phil 1,1), im Lichte des römischen Rechts

Published online by Cambridge University Press:  15 November 2023

Eve-Marie Becker*
Affiliation:
Evangelisch-Theologische Fakultät, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster, Germany
Ulrike Babusiaux
Affiliation:
Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universität Zürich, Switzerland
*
Corresponding author: Eve-Marie Becker. Email: [email protected]; Ulrike Babusiaux. Email: [email protected]
Rights & Permissions [Opens in a new window]

Abstract

In Gal 1:10, Rom 1:1, and Phil 1:1 Paul refers to himself as δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ). This self-designation is open to interpretation. What is the function of this claim of roles, which is slightly varied syntagmatically in the three passages mentioned, i.e., tends to be linguistically flexible on Paul's part and thus adapted to the context in each case? The present contribution is intended to expand the interpretive framework with an aspect that has been rather neglected in previous Pauline research, when it invokes the interpretive context of Roman law. For it is Roman law that is of particular interest for the self-definition as a slave. In Roman legal discourse, which finds universal application through the ius gentium as the ‘law of all men' (Gaius 1.1), i.e. also application to non-Romans or the peregrinus, the scope of action for slaves in relation to their ‘masters' is also conceptually determined by taking into account the ‘human characteristic of the slave'. Within the interpretive framework of ancient Roman law, therefore, those lines of meaning in Pauline self-fashioning as δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ that reveal self-designation in subordination to Christ as enabling ambition, zeal, honour, and success are particularly revealing. These aspects include (1) the Pauline description of status and the legitimation and exposition of his (2) relationship to the “Lord”, the description of (3) his areas of work and responsibilities, and his (4) socio-economic living conditions and lifestyle. Thus, against the background of ancient Roman law, which primarily focused on its pragmatisation rather than problematising the socio-historical reality of slaves or the moral-philosophical attitude toward slavery, certain aspects of Paul's understanding of himself and his apostolate can be more sharply defined.

German abstract

German Abstract

In Gal 1,10, Röm 1,1 und Phil 1,1 bezeichnet sich Paulus als δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ). Diese Bezeichnung ist interpretationsbedürftig. Welche Funktion kommt dieser Rollenübernahme zu, die an den drei genannten Stellen syntagmatisch leicht variiert, d.h. von Paulus tendenziell sprachlich flexibel gestaltet und so jeweils kontextbezogen angepasst wird? Der vorliegende Beitrag soll den Interpretationsrahmen um einen in der bisherigen Paulus-Forschung eher vernachlässigten Aspekt erweitern, wenn er den Deutungskontext des römischen Rechts aufruft. Denn für die Selbstdefinition als Sklave ist gerade das römische Recht von besonderem Interesse. Im römischen Rechtsdiskurs, der durch das ius gentium als ‚Recht aller Menschen‘ (Gaius 1,1) universale Anwendung, d.h. auch Anwendung auf Nichtrömer bzw. den peregrinus findet, wird auch der Handlungsspielraum für Sklaven im Verhältnis zu ihren „Herren“ dadurch konzeptionell bestimmt, dass die „Menscheneigenschaft des Sklaven“ Berücksichtigung findet. Im Deutungsrahmen des antiken römischen Rechts erschließen sich daher besonders jene Sinnlinien im paulinischen self-fashioning als δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ, die die Selbstbezeichnung in Unterordnung unter Christus als Ermöglichung von Ambition, Eifer, Ehre und Erfolg zu erkennen geben. Diese Aspekte umfassen im Einzelnen (1) die paulinische Statusbeschreibung sowie die Legitimierung und Darlegung seines (2) Verhältnisses zum „Herrn“, die Beschreibung (3) seiner Arbeits- und Aufgabengebiete und seiner (4) sozio-ökonomischen Lebensbedingungen und Lebensformen. So lassen sich vor dem Hintergrund des antiken römischen Rechts, das in erster Linie die pragmatisierte Rechtsauffassung in den Blick nahm und weniger die sozialgeschichtliche Realität von Sklaven oder die moralphilosophische Einstellung zur Sklaverei problematisierte, bestimmte Aspekte des paulinischen Selbst- und Apostolatsverständnisses schärfer fassen.

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Copyright © The Author(s), 2023. Published by Cambridge University Press

1. Einführung in die Frage- und Problemstellung

1.1 Die δοῦλος-Rolle als Selbsttitulatur

In Gal 1,10, Röm 1,1 und Phil 1,1 bezeichnet sich Paulus als δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ). Diese Bezeichnung ist auffällig und interpretationsbedürftig. In der Paulusexegese wird die epistolare Selbsttitulatur des Paulus als „Sklave Christi“ oftmals nur in Unterscheidung zum „Aposteltitel“, den Paulus in der korinthischen Korrespondenz verwendet, verstanden.Footnote 1 Doch in Röm 1,1 tritt schon in der superscriptio der δοῦλος-Titel dezidiert neben den ἀπόστολος-Titel und zeigt an, dass Paulus seine Rollenkonfiguration weiter ausarbeitet und spezifisch formt. Im Präskript des Phil wird sich Paulus sogar gänzlich auf die δοῦλος-Titulatur beschränken (Phil 1,1) und – mit der Bildung einer solchen antonomasia Footnote 2 – in der späteren frühchristlichen Briefliteratur Nachfolger finden (z.B. Jak 1,1). In den juristischen Arbeiten zu Paulus und dem antiken Recht, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven, z.B. von Francis Lyall oder Dieter Nörr, vorgelegt wurden, wurde wiederum die Selbsttitulatur des Paulus als Sklave nicht eigens interpretiert,Footnote 3 obwohl neben den Themen Adoption und Bürgerrecht gerade das Thema Sklaverei in den paulinischen Briefen dem römischen Rechtskontext zugeordnet wurde.Footnote 4 Welche Funktion kommt dieser Rollenübernahme zu, die an den drei genannten Stellen in Gal, Röm und Phil syntagmatisch leicht variiert,Footnote 5 d.h. von Paulus tendenziell sprachlich flexibel gestaltet und so jeweils kontextbezogen angepasst wird?

Dass Paulus für sich programmatisch die δοῦλος-Bezeichnung verwendet, ist einerseits deswegen nicht verwunderlich, weil er in sozio-politischen Umständen lebt, die als ‚sklavistisch‘ bezeichnet oder als Sklavenhaltergesellschaft gekennzeichnet werden können.Footnote 6 Paulus ist daher mit der Sklaverei im jüdischenFootnote 7 wie im griechisch-römischen Kontext als sozialhistorischer Realität bestens vertraut. Andererseits ist der Umfang an antiken literarischen Quellen, die Sklaverei nicht nur benennen, sondern explizit problematisieren, verhältnismäßig begrenzt.Footnote 8 Die Institution der Sklaverei ist so selbstverständlich, dass man sie „nicht eigens thematisieren muss“.Footnote 9 So ist es zwar nicht außergewöhnlich, aber doch bemerkenswert, dass sich Paulus dieser eher inferioren Rollenkonfiguration in programmatischer Weise, ja gleichsam als ‚Berufsbezeichnung‘,Footnote 10 bedient. Leistet der Apostel, der sich andernorts auf seine besondere persönliche Legitimierung beruft (z.B. 1 Kor 15,8f.; 2 Kor 12; Gal 1–2; Röm 1,1–7), damit einen eigenständigen Beitrag zum antiken Sklavereidiskurs?Footnote 11 Die Beobachtungen, die in diesem Beitrag angestellt werden, legen eine Bejahung dieser Frage nahe.

1.2 Der sozio-historische Kontext

Beginnen wir mit der Betrachtung der historischen Umstände, mit denen Paulus konfrontiert war: Wie hoch genau der Anteil an Sklaven, also „Unfreien“ unter den Mitgliedern in den paulinischen Gemeinden war, lässt sich nur schätzen. Die sozialgeschichtliche Forschung geht gemeinhin von einer sozialen Schichtung aus, bei der die „überwiegende Mehrheit… zur Unterschicht, d.h. zu den relativ Armen bzw. relativ Wohlhabenden“, zu rechnen ist. Viele „waren Sklaven oder Freigelassene“.Footnote 12 Allerdings wäre es wohl verfehlt, sich Sklaven und Freigelassene als überwiegend bedürftig vorzustellen. Typisch ist vielmehr, dass Sklaven (und Freigelassene) die wirtschaftliche Lage ihres Herrn teilen, was zum Beispiel die relativ große Anzahl wohlhabender Freigelassener erklärt, die vor allem in Inschriften bezeugt sind.Footnote 13 Petronius wiederum karikiert, wie ein ehemaliger Sklave seine komfortable Lebenssituation in geschmackloser Weise ausnutzt (Sat. 26.7 bis 79 [cena Trimalchionis]).

Besonders in 1 Kor und Phlm ist Paulus mit der realen Situation von Sklaven befasst. Von dieser realen Beschäftigung mit den Lebensbedingungen von Sklaven einerseits ist bei Paulus andererseits eine metaphorische Redeweise zu unterscheiden, in der die Sklaverei-Semantik tendenziell negativ konnotiert ist. So spricht Paulus von der Versklavung ‚unter die Sünde‘ (Röm 6,17), stellt dieser zugleich aber einen Sklavendienst gegenüber, der auf den Gehorsam vor Gott zielt (Röm 6,16f.). Innerhalb der uneigentlichen Redeweise ist dann dritterseits die programmatische Selbsttitulatur des Paulus als δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ zu verorten, um deren Interpretation es im Folgenden geht. Hierbei wäre am ehesten von einer uneigentlichen Begriffsverwendung im Sinne der rhetorischen improprietas mit der Funktion der Bildung einer antonomasia zu sprechen,Footnote 14 denn Paulus ist weder im literalen Sinne jemandes „Sklave“, noch handelt es sich bei δοῦλος um bildhafte, also metaphorische Rede.Footnote 15 Vielmehr konzipiert Paulus sein Christus-Verhältnis so, dass es im realen Kontext römischer Rechts- und Sozialvorstellungen plausibel wird. Welches Selbstverständnis als Apostel gibt Paulus mit der Wahl dieser Selbsttitulatur, die wie ein im griechischsprachigen Osten anzutreffender Vatersname verwendet wird,Footnote 16 zu erkennen? Welches Rollenverständnis entwickelt Paulus? Wie lässt sich dieses Rollenverständnis – im Lichte des antiken römischen Rechts – plausibilisieren? Führt es zu einem inferioren Selbstverständnis? Welche Handlungsspielräume eröffnet es für den Apostel?

Dass die Selbstbezeichnung als δοῦλος keine literale, sondern eine uneigentliche Bedeutung „zur Setzung eines Appellativs“Footnote 17 hat, liegt aus zwei Gründen nahe: Erstens gehörte Paulus – sozialgeschichtlich betrachtet – nicht dem Sklavenstand an, selbst wenn erst sein Vater das Bürgerrecht aufgrund einer Freilassung (iusta manumissio) aus der Kriegsgefangenschaft erhalten haben sollte.Footnote 18 Zweitens handelt es sich beim Genitivobjekt Χριστοῦ (Ἰησοῦ) um eine christologische Hoheitsbezeichnung für eine nicht-immanent wirksame kyrios-Gestalt. Paulus ordnet sich selbst also im Blick auf das Genitivattribut gerade keinem irdischen Haushalt zu. Als uneigentliche Redeweise ist die Selbstbezeichnung des Paulus als δοῦλος Χριστοῦ gleichwohl rollenbildend.Footnote 19 Sie dient dem self-fashioning des Apostels und erscheint nicht zufällig programmatisch in den Briefanfängen dreier Briefe, nämlich in unmittelbarer Nähe zum Proömium im GalFootnote 20 bzw. bereits in der superscriptio des Präskripts in Röm und Phil. Paulus verbindet und entwickelt im Laufe seiner brieflichen Korrespondenz mit dieser Selbstbezeichnung ein genuines Rollenverständnis, das seinen Namen ergänzt bzw. wie eine Antonomasie an die Stelle seines Namens Παῦλος treten kann und die Frage aufwirft, welche Sicht der Apostel selbst auf die Institution der Sklaverei hatte und prägte.

1.3 Zur Bedeutung der δοῦλος-Lexik bei Paulus

In der Paulusexegese wird die Bedeutung der δοῦλος-Lexik bei Paulus gemeinhin entweder traditionsgeschichtlich,Footnote 21 motivgeschichtlich,Footnote 22 sozialgeschichtlichFootnote 23 oder im Verhältnis zum moralphilosophischen Diskurs der Zeit (z.B. Philon; Epiktet; Seneca; Dion von Prusa)Footnote 24 erschlossen.Footnote 25 Dabei steht einerseits die Frage im Vordergrund, wie die paulinische δοῦλος-Semantik durch Septuaginta-Sprache und -Motivik vorgeprägt ist (Traditions- und Motivgeschichte). Weiterführende Fragen zur Textinterpretation schließen sich an: In welcher Weise knüpft Paulus mit dem δοῦλος-Attribut für Christus (Phil 2,7) an die Gottesknechtsvorstellung in Deuterojesaja (Jes 52–53) an?Footnote 26 Und wieweit lehnt sich dann die δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Selbsttitulatur, die Paulus in Phil 1,1 (und schon Röm 1,1) wählt, an die prophetische Vorstellung (vom Gottesknecht) an,Footnote 27 so dass sie in Reziprozität zu Phil 2,7 zu sehen und – in Kombination mit der ταπɛιν-Semantik – aus der Septuaginta herzuleiten ist?Footnote 28 Andererseits wird diskutiert, wie sich Paulus zur Institution der Sklaverei als sozialer Realität in der frühen römischen KaiserzeitFootnote 29 selbst verhält (Sozialgeschichte):Footnote 30 Stützt er die Sklaverei, wenn er für sich selbst den δοῦλος-Titel annimmt,Footnote 31 oder sucht er sich mit der Übernahme der δοῦλος-Rolle mit den Sklaven und Sklavinnen in seinen Gemeinden solidarisch zu erklären (vgl. 1 Kor 9,19–23)? Dritterseits lassen sich Umgang und Einstellung des Paulus mit/zu der Sklaverei in den Kontext der moralphilosophischen Diskurse seiner Zeit stellen (Philosophie):Footnote 32 Trägt Paulus mit seiner Rede von der Sklaverei zur Konzeption einer ‚moralischen Sklaverei‘ bei, die – so wie bei Cicero (Parad. 35) oder Seneca (Benef. 3,18,2) sichtbar – letztlich zur Relativierung und Marginalisierung des Sklavendienstes in der antiken Welt führt?Footnote 33

1.4 Der Deutungsrahmen des römischen Rechts

Der vorliegende Beitrag soll den Interpretationsrahmen um einen in der bisherigen Paulus-Forschung eher vernachlässigten Aspekt erweitern, wenn er den Deutungskontext des römischen Rechts aufruft,Footnote 34 der in der Paulusexegese lange nicht und auch früher nur am Rande berücksichtigt worden ist, obwohl das römische Recht mit Sicherheit zur Lebenswelt des Paulus zählte.Footnote 35 Hier scheint in der Forschung immer noch die Vorstellung nachzuwirken, dass Paulus aufgrund seiner Herkunft zwingend und ausschließlich jüdischen Rechtsvorstellungen angehangen habe,Footnote 36 wenngleich bereits in früheren Arbeiten herausgearbeitet worden ist, dass eine Untersuchung der „Rechtsanschauungen [des Paulus; Verf.] besonderer Maßstäbe bedarf, die die drei Faktoren seiner jüdischen Religionszugehörigkeit, seiner Herkunft aus… Tarsus und seines römischen Bürgerrechts berücksichtigen müßten.“Footnote 37

Für die Selbstdefinition als Sklave ist gerade das römische Recht von besonderem Interesse, weil es – in Abkehr vom griechischen Recht der Sklaverei – eine „stringente Theorie entwickelt (hat), die… als eigenständiger antiker Sklavereidiskurs bezeichnet“ werden kann.Footnote 38 Vor dem Hintergrund des antiken römischen Rechts nämlich, das – als „common factor“ wirkendFootnote 39 – in erster Linie die pragmatisierte RechtsauffassungFootnote 40 in den Blick nahm und weniger die sozialgeschichtliche Realität von Sklaven oder die moralphilosophische Einstellung zur Sklaverei problematisierte, lassen sich bestimmte Aspekte des paulinischen Selbst- und Apostolatsverständnisses noch einmal schärfer fassen. Denn im römischen Rechtsdiskurs, der durch das ius gentium als ‚Recht aller Menschen‘ (Gaius 1,1) universale Anwendung, d.h. auch Beachtung durch Nichtrömer bzw. den peregrinus findet,Footnote 41 wird auch der Handlungsspielraum für Sklaven im Verhältnis zu ihren „Herren“ dadurch konzeptionell bestimmt, dass die „Menscheneigenschaft des Sklaven“ Berücksichtigung findet.Footnote 42

Das erste sichtbare Zeichen dieser Auffassung ist, dass auch römische Bürger (durch fremde Völker) versklavt werden können und als Folge auch nach römischem Recht ihren Status verlieren. Im Rahmen dieser capitis deminutio maxima werden dem Kriegsgefangenen seine Freiheit (status libertatis), sein Bürgerrecht (status civitatis) und seine Familienzugehörigkeit (status familiae) aberkannt.Footnote 43 Allerdings ist – und auch das zeichnet die Konzeption der Sklaverei nach römischem Recht aus – der Verlust dieses Status nicht definitiv; vielmehr kann der Rückkehrer wieder in seine Freiheit, sein Bürgerrecht und seine Familienposition restituiert werden.Footnote 44 Aber auch der als Sklave Geborene und der in Rom versklavte Nichtrömer können nach Anschauung der römischen Juristen auf eine Freilassung (manumissio) hoffen, wobei das römische Recht – im Gegensatz zum griechischen Rechtskreis – die Besonderheit aufweist, dass die ordnungsgemäß freigelassenen Sklaven zu römischen Bürgern werden, und damit alle Rechte des civis Romanus erhalten.Footnote 45

So erschließen sich im Deutungsrahmen des antiken römischen Rechts besonders jene Sinnlinien im paulinischen self-fashioning als δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ, die ebendiese Selbstbezeichnung in Unterordnung unter Christus als Ermöglichung von Ambition, Eifer, Ehre und Erfolg zu erkennen geben. Diese Aspekte umfassen im Einzelnen (1) die paulinische Statusbeschreibung sowie die Legitimierung und Darlegung seines (2) Verhältnisses zum „Herrn“, die Beschreibung (3) seiner Arbeits- und Aufgabengebiete und seiner (4) sozio-ökonomischen Lebensbedingungen und Lebensformen. Wir legen im Folgenden den Deutungsrahmen des römischen Rechts so an, dass verschiedene Möglichkeiten, die der Bedeutung des δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Syntagmas für das paulinische Selbstverständnis zukommen können, sichtbar werden. Aus der Deutung des paulinischen δοῦλος-Titels im Lichte des römischen Rechts ergeben sich dabei schließlich derart weiterführende Sinnlinien, die diese Selbstbezeichnung nicht allein, vielleicht noch nicht einmal primär als Ausdruck von Inferiorität oder humilitas deuten,Footnote 46 sondern vielmehr das Selbstbewusstsein sowie die Aufstiegschancen und Erfolgsaussichten des Apostels in unbedingter Dienstbarkeit spiegeln und als Ermöglichungsraum für die Ausführung seiner Arbeit darstellen.Footnote 47 Diesen vier Aspekten, die in den genannten Briefen (Gal, Röm, Phil) noch einmal jeweils spezifisch konnotiert sind und so von Paulus in jeweils eigener Weise konzeptionell profiliert werden, gehen wir im Folgenden (s.u. 2.2–2.5) nach.

2. Aspekte paulinischen Selbstverständnisses als δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ im Lichte des antiken römischen Rechts

2.1 Der Ansatzpunkt in der Forschung – die These

Richard Gamauf hat kürzlich in seinem Beitrag „Sklaven (servi)“ im „Handbuch des Römischen Privatrechts“ das Wissen zum römischen Sklavenrecht zusammengetragen und so auf den neuesten Stand gebracht.Footnote 48 Diese Darstellung lässt sich auch für die neutestamentliche Exegese fruchtbar machen. Der vorliegende Beitrag wertet die enzyklopädische Aufbereitung des (römischen) Quellenmaterials durch Gamauf aus und wendet sie auf die Interpretation der δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Aussagen vorzugsweise in Gal, Röm und Phil an.Footnote 49 Dabei wird sich zeigen: Die programmatische Selbstbezeichnung des Paulus mit Hilfe des Syntagmas δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ) einerseits, die rechtlichen Implikationen, die mit dem „Sklaven“-Status und der Aufgabenbestimmung der Sklaven in der römischen Welt verbunden und insbesondere im Rahmen des ius gentium geordnet sind, andererseits sowie die briefliche Kontextualität, in der das Syntagma in den einzelnen Schreiben zu stehen kommt, dritterseits bilden in Gal, Röm und Phil einen konstitutiven Bedeutungszusammenhang, der bei der Interpretation der Einzelverse in Gal 1,10, Röm 1,1 und Phil 1,1 und ihrer Einbindung in den jeweiligen brieflichen Makrokontext zu berücksichtigen ist.

Die Frage, ob und inwieweit sich aus der Interpretation der paulinischen δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Selbstbeschreibung im Lichte des antiken römischen Rechts auch eine zumindest partielle Vertrautheit des Apostels mit dem römischen (Privat-)Recht ableiten lässt, werden wir abschließend nur kurz streifen können (s. 3.). Es fällt jedenfalls auf, dass Paulus Vertrautheit mit der griechisch-römischen Institution der Sklaverei in hellenistischer Zeit zeigt. Während die traditionelle israelitisch-jüdische Vorstellung weder einen spezifischen Begriff für „Sklave“ kannte noch klar zwischen Sklaven- und Frondienst unterschied,Footnote 50 weil – wenn überhaupt – die Sklavenquote in Israel „relativ niedrig, unter 10%“ war,Footnote 51 kam es in hellenistischer Zeit durch Eroberungskriege zu gegenseitiger Versklavung (Judit 7,27; 8,22). Dieser Assimilationsprozess schlägt sich wiederum sowohl semantisch als auch motivisch in den Schriften der Septuaginta nieder, in denen nun die gängige griechische Sklavenlexik Verwendung findet (δοῦλος/δούλη, παῖς/παιδίσκη) und sich die sozialen Verhältnisse – so z.B. auch in Form einer „S(klaven)haltermentalität“ – spiegeln (vgl. z.B. Sir 33[30],25–32[33–40]).Footnote 52 Mit seinen Vorstellungen von Sklaverei bewegt sich Paulus daher in einem gemein-hellenistischen Erfahrungsbereich, der mit der Expansion der Römer in der vorderasiatischen Welt im 1. Jh. v.Chr. durch das ius gentium eine völkergemeinschaftliche Ordnung erfuhr.Footnote 53 Zur „daily life“-Erfahrung zählten dabei auch ambivalente Deutungen der Sklaverei im jüdischen und griechisch-römischen Kontext – insbesondere im Blick auf die Statusbeschreibung eines Sklaven.Footnote 54 Der Diskursrahmen war also dynamisch.

Dieser Beitrag zielt nun vornehmlich darauf aufzuzeigen, wie den Rezipienten der Paulusbriefe in Galatien, Rom und Philippi die δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Rolle des Briefabsenders im Kontext römischer Rechtsvorstellung plausibel erscheinen konnte und zum tieferen Verständnis der Rollenbeauftragung des Paulus als „Apostel Jesu Christi“ beitrug. Wir rechnen dabei damit, dass die δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Selbstaussage des Paulus weitere, etwa durch die Septuaginta-Sprache geprägte Motive und Vorstellungen aufruft und entsprechende Sinnlinien herstellt (s.o.). Traditions- oder motivgeschichtliches Arbeiten bleiben daher auch weiterhin nötig. Gleichwohl legt dieser Beitrag seinen Fokus auf die Deutung des δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ vor dem Hintergrund des antiken römischen Rechts. Denn es waren vornehmlich die (römischen) Juristen, die die Sklaverei als Institution des ius gentium, also des Völkergemeinrechts, und gerade nicht des ius naturale verstanden.Footnote 55 Dafür steht beispielhaft D. 1,5,4 Florent. 9 inst. Der Text zeigt, dass dem Juristen des 2. Jh. die aus dem Verstoß gegen die libertas abgeleitete Widernatürlichkeit der Sklaverei bewusst ist. Als Institut des ius gentium muss sie aber hingenommen werden.Footnote 56 Das ‚Völkergemeinrecht‘ entspricht also der Praxis der Völker, die durchaus tauglich ist, den Naturzustand, den das ius naturale in der empirisch orientierten Sicht der römischen Juristen abbildet, zu verändern.

Auch Paulus pflegte – wie in der Forschung vielfach festgehalten wurdeFootnote 57 – einen äußerst unkritischen Umgang mit der Sklaverei. Er problematisierte das Verhältnis von „Freien“ und „Sklaven“ (z.B. 1 Kor 12,12) und besonders den sozialen Status der Sklaven in den Gemeinden letztlich höchstens insoweit (z.B. 1 Kor 7,21ff.; Phlm), dass weder ‚soziale Störungen‘ nach außen noch innerhalb der Gemeinde riskiert wurden.Footnote 58 Grundsätzlich legitimierende Überlegungen zur Institution der Sklaverei äußerte Paulus ebenso wenig wie eine substanzielle Kritik. Gleichwohl stand ihm die Sklaverei konkret vor Augen (s.o.). Wie ist diese wenig profilierte Sicht des Paulus auf die Sklaverei zu verstehen? In welcher Weise lässt sie sich in die dynamische Debattenkultur hellenistisch-römischer Zeit einordnen? Dieser Beitrag versucht insofern eine ‚neue‘ Paulusdeutung, als er den erkennbaren pragmatischen Umgang des Paulus mit der Sklaverei, einschließlich der Wahl der Selbsttitulatur als δοῦλος, auf einen breiten hellenistisch-römischen Rechtsdiskurs zurückführt, der Paulus eine reiche Vorstellungswelt und ein vielfältiges Motivinventar zur Gestaltung seiner δοῦλος-Rolle geboten hat.

2.2 Zur Herleitung, Begründung und Beschreibung des δοῦλος-Status

In der römischen Rechtsvorstellung gibt es – anders als etwa in der griechischen Welt – keine Vorstellung von einer Zwischenstufe zwischen „Sklaven“ und „Freien“ (Rn. 2–3).Footnote 59 Dieser Umstand scheint auch Paulus bekannt, wenn er in Gal 3,28 in einer kurzen Reihe binärer Gegenüberstellungen den „Sklaven“ vom „Freien“ unterscheidet (… οὐκ ἔνι δοῦλος οὐδὲ ἐλɛύθɛρος…)Footnote 60 und ein tertium nicht kennt. Dieser Logik zufolge kann Paulus sein eigenes Subordinations- bzw. Dienstverhältnis zum κύριος Jesus Christus gar nicht anders als in der Selbstbeschreibung als δοῦλος zum Ausdruck bringen. Damit ist zweierlei impliziert: Paulus erkennt Christus erstens unbedingt als seinen „Herrn“ (κύριος/dominus) an, dem er dienend verpflichtet ist. Dieser Herr hat somit vollständige und uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Person des Paulus (s.u.). Zweitens: Paulus ist nicht „frei“, d.h. er ist bereits einem Haushalt fest zugeordnet und verpflichtet. Das heißt aber auch: Er arbeitet – genauso wie die Hauskinder, die unter der Hausgewalt des Vaters stehen – nicht auf ‚eigene Rechnung‘. Alles, was er erarbeitet, gehört vielmehr seinem „Herrn“ (z.B. 1 Kor 1,9.19). Diese Sinnlinie des δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ) lässt sich in allen drei Briefen – Gal, Röm und Phil – gleichermaßen wiedererkennen (vgl. Gal 1–2; Phil 1,18–21; Rom 14,7–8).

Damit zusammenhängend ergibt sich die vielleicht wichtigste Folgerung: Paulus spricht für den Herrn. Er kann ihn – genau wie ein Hauskind oder Sklave – ‚vertreten‘, indem zum Beispiel die Erklärungen, die er für den Herrn abgibt, diesem zugerechnet werden. Als Sklave spricht Paulus niemals für sich selbst, sondern immer für den ihm übergeordneten Herrn. Dies entspricht den auch in der römischen Rechtsliteratur überlieferten Urkunden, in denen der als Geschäftsführer tätige Sklave (servus actor) für seinen Herrn Erklärungen abgibt und entgegennimmt. Das plastischste Beispiel bildet D. 45,1,126,2 Paul. 3 quaest.: „Chrysogonus Flavii Candidi servus actor scripsit, coram subscribente et adsignante domino meo …“ („Chrysogonus, des Flavius Candidus Geschäftsführer, hat geschrieben, in Anwesenheit des Unterzeichnenden und auf Anweisung meines Herren…“).Footnote 61 Entscheidend ist dabei, dass eine sog. ‚direkte Stellvertretung‘Footnote 62 durch freie Personen – mit Ausnahme der Hauskinder – nach römischem Recht nicht möglich war.Footnote 63 Erst der Einsatz von Sklaven ermöglichte es dem Herrn, an verschiedenen Orten mit unmittelbarer Wirkung für sich Geschäfte führen zu lassen. So konnten Sklaven auch als Schreiber von (Geschäfts-)Briefen agieren (vgl. z.B. TPSulp. 48, TPSulp. 61, TPSulp. 65).Footnote 64 Ciceros Werken lässt sich im Detail entnehmen, wie Sklaven im Haushalt eingesetzt wurden.Footnote 65

Zu beachten ist weiter, dass sogar Personenvereinigungen, wie Städte oder Vereine, durch Sklaven ‚vertreten‘ werden konnten, sofern der Sklave zur Stadtkasse (servus publicus)Footnote 66 oder zum Vereinsvermögen (servus communis) gehörte, während eine direkte Vertretung durch die Funktionsträger der Stadt oder des Vereins nicht möglich war.Footnote 67 Paulus übernimmt, so gesehen, eine doppelte Stellvertreterrolle: einerseits für seinen ‚Herrn‘, andererseits für die ihm unterstehenden Gemeinden.Footnote 68 Dazu fügt sich, dass der römische Jurist und Kirchenvater Tertullian die christlichen Gemeinden später mit den römischen collegia vergleicht.Footnote 69

Gamauf weist darauf hin, dass es in der römischen Jurisprudenz zu einer sprachwissenschaftlich jedenfalls nicht eindeutigen etymologischen Herleitung des servus-Begriffes gekommen ist,Footnote 70 die dessen Rollenzuschreibung faktisch ideologisiert: Servus/Sklave wurde mit „servare/retten anstelle des offensichtlichen servire/dienen verknüpft. Die Rechtfertigung zur Versklavung des Besiegten lag also darin, dass die Alternative deren Tod gewesen wäre“ (Rn. 7). Schwingt eine Anspielung auf diesen semantischen Zusammenhang auch bei Paulus in Röm mit, wo der Apostel explizit seine Dankbarkeit für die Rettung aus dem Bereich der Sünde, des Todes und der Todesverstrickung zum Ausdruck bringt (z.B. Röm 7,24f.)? Diese Sinnlinie bei der Selbstbezeichnung als δοῦλος könnte auch in Phil 3,10f.20f. anklingen,Footnote 71 wo Paulus zusammen mit Christus auf seine Auferstehung von den Toten hofft, sie scheint hingegen im Argumentationsrahmen des Gal keine besondere Rolle zu spielen.

Der Status eines Sklaven wird – wenn man von dem ‚moralischen Sklaven‘ absieht, den die hellenistisch-römische Moralphilosophie problematisiert (vgl. z.B. Dion von Prusa Or. 15,29) –Footnote 72 einer Person entweder bereits durch die Geburt, durch Schuldknechtschaft bzw. SelbstverkaufFootnote 73 oder durch die „Versklavung im Krieg“ zuteil (captivitas):Footnote 74 Genauso wie der Sieger originäres Eigentum an der Kriegsbeute durch occupatio/Aneignung erhält, bekommt er auch die Herrschaft über den gefangenen Feind, der zum Sklaven wird.Footnote 75 In Gal, Röm und Phil lassen sich Assoziationen insbesondere zu beiden Sinnlinien – erstens dem Eintritt des Paulus in die Sklaverei durch Geburt (Gal) oder zweitens den Verlust der Freiheit durch occupatio (Röm und Phil) – finden.

Erstens: Da Paulus in Gal 1,15ff. darauf hinweist, schon vor seiner Geburt auserwählt worden zu sein, muss ihm die ihm eigene Rolle als δοῦλος Χριστοῦ ebenso bereits pränatal zugefallen sein. Maßgeblich für den Sklavenstatus durch Geburt ist der Status der MutterFootnote 76 – das Kind folgt dem Status der Mutter immer dann, wenn es außerhalb einer nach römischem Recht wirksamen Ehe (matrimonium iustum) geboren wurde (Gai. 1,55f.).Footnote 77

Ähnlich wie in Israel und nach jüdischem VerständnisFootnote 78 waren auch im römischen Rechtskontext die Kinder einer Sklavin grundsätzlich – und das galt mit nur wenigen Ausnahmen – unfrei.Footnote 79 Gleichwohl macht Paulus in Gal 4,22ff. mit seinem Verweis auf Hagar und Sara als παιδίσκη bzw. ἐλɛυθέρα eine Unterscheidung im Blick auf den Status der Nachkommenschaft auf.Footnote 80 Die Erklärung dafür, dass neben AbrahamFootnote 81 auch die beiden Frauengestalten Hagar und Sara in die Argumentation von Gal 3–4 ‚hineinkommen‘, liegt in der Allegorese in Gal 4,24ff.Footnote 82 Denn im Blick auf das römische wie jüdische Rechtsverständnis kann Paulus nicht auf den (rechtlichen) Unterschied im Status hinweisen, der mit der Nachkommenschaft Hagars als Sklavin einerseits und Saras als „Freier“ andererseits verbunden ist. So löst sich die paulinische Argumentation in Gal 4,21–31 weitgehend vom Rechtsdiskurs, auch wenn sie sich der Sklavereilexik (παιδίσκη, ἐλɛυθέρα) bedient und diese explizit aufruft (Gal 4,24f.: ɛἰς δουλɛίαν… δουλɛύɛι). Hier bestimmen nicht rechtliche oder soziale Fragen den Deutungsrahmen, sondern der allegorische Zugriff auf die Genesiserzählungen (Gen 16–21LXX) im Lichte prophetischer Interpretation (s. Gal 4,27: Jes 54,1LXX). Wie passt die paulinische δοῦλος-Rolle in diesen Argumentationsgang? Als δοῦλος Χριστοῦ ist Paulus – so wie die Adressaten in Galatien – in der Folge Isaaks ein „Kind der Verheißung“ (Gal 4,28: … κατὰ Ἰσαὰκ ἐπαγγɛλίας τέκνα …). Dessen Mutter – Sara – ist zugleich eine „Freie“. Wichtiger noch als die δοῦλος-Rolle selbst ist letztlich also deren attributive Determinierung: „Sklave Christi“ zu sein, bedeutet in der auf Freiheit hin (s. Gal 5,1: Τῇ ἐλɛυθɛρίᾳ ἡμᾶς Χριστὸς ἠλɛυθέρωσɛν …) angelegten Nachkommenschaft Abrahams zu stehen und darin die Aufgabe wahrzunehmen, die Gemeinschaft der Christus-Glaubenden auf diesen Weg der Freiheit zu führen.

Zweitens: Anders als in Gal, wo Paulus darauf anspielt, schon vor und mit der Geburt δοῦλος Χριστοῦ zu sein, klingt in Röm und Phil eher die Sinnlinie der Versklavung durch occupatio an: Im universalen Krieg gegen Sünde und Tod, denen Paulus selbst so wie jeder Mensch (Röm 1,18ff.) unterworfen war, wurde der Apostel durch Jesus ‚okkupiert‘, d.h. er steht von nun an in dessen Dienst und unter der Verfügungsgewalt Christi (s.u.). Somit wäre die δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Selbsttitulatur, die sich Paulus im Präskript des Röm selbst zuweist (Röm 1,1), letztlich gewissermaßen ein Rollenangebot für jeden/jede Christus-Gläubige(n) in der römischen Gemeinde, der/die sich durch Christus aus dem universalen Zorn Gottes (Röm 5,9f.) und der Vergänglichkeit (Röm 8,21) retten will. Auch im Phil klingt die occupatio des Paulus durch Christus an (Phil 1,23ff.; 3,10f.20f.). Allerdings steht hier weniger – als noch in Röm 1,18–8,39 der Fall – die Explikation der Begründung dieser occupatio im Vordergrund als vielmehr die prospektive Erwartung der Zukunft für die Sklavenexistenz, die Paulus als vollständige Konformität mit Christus (Phil 3,20f.), der selbst Sklave wurde (Phil 2,6ff.) und dann aus seiner ultimativen Selbsterniedrigung heraus die von Gott verliehene kosmokratische κύριος-Würde erhielt (Phil 2,11), für sich persönlich antizipiert.

Die gewöhnliche Todesstrafe für einen Sklaven bestand u.a. in der Kreuzigung (Rn. 15).Footnote 83 Auch diese Konnotation ist in Phil 2 erkennbar. Erklärt sich so die wie ein Zusatz wirkende Wendung θανάτου δὲ σταυροῦ in Phil 2,8, die von der Paulusexegese vielfach entweder soteriologisch aufgefasst oder in Kohärenz mit der paulinischen Kreuzestheologie gedeutet wird?Footnote 84 Lesen wir die δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Wendung im Lichte römischer Rechtspraxis, so wird hingegen eine doppelte Interpretation möglich: Für Paulus liegt in Phil 2 der Fokus zum einen darin hervorzuheben, dass Jesus – als Sklave (Phil 2,7)! – mit der Kreuzigung nicht auf widerrechtliche Weise starb.Footnote 85 Zum anderen sucht Paulus, den Sklaven-Status Jesu in seiner paradigmatischen Funktion der Selbsterniedrigung für sich selbst (und seine Mitarbeiter und die Gemeinde) und im Blick auf die Konformität mit dem eschatologischen Schicksal Jesu herauszustellen. Dass Paulus (und Timotheus) – im Unterschied zu den Gemeindemitgliedern, die in der Gefahr stehen, sich mit den „Feinden des Kreuzes Christi“ gemein zu machen (Phil 3,18) – schon jetzt jeweils als δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ bezeichnet werden können (Phil 1,1; s. auch 2,22), lässt sich als ein Hinweis darauf verstehen, dass sie selbst bereits auf dem Weg der Christus-Konformität vorangeschritten sind.

2.3 Darlegung des Verhältnisses zum „Herrn“ im Sinne der Unterordnung unter die dominica potestas

Nach römischer Rechtsvorstellung war ein Sklave sowohl Person als auch Sache (Rn. 9). Die sog. „dominica potestas/Herrengewalt des ius gentium beinhaltete Disziplinarbefugnisse … und gab dem Herrn/Eigentümer das Anrecht auf sämtlichen Erwerb des Sklaven“ (ebd.). Damit einher geht das ius vitae necisque, d.h. das Recht über Leben und Tod (Rn. 32). Wie Paulus Vorstellungen einer solchen, durch Christus ausgeübten dominica potestas entwickelt, wird bereits in der korinthischen Korrespondenz greifbar, ohne dass er sich selbst hierin schon programmatisch als δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ bezeichnen würde. Gleichwohl wird schon in 1 und 2 Kor die Anerkennung einer solchen durch Christus ausgeübten dominica potestas in dreifacher Hinsicht greifbar.

Erstens: Paulus macht deutlich, dass alles, was er im Rahmen seines apostolischen Dienstes tut, Christus gehört (z.B. schon 1 Kor 3,23). Die Verdienste des Apostels also fallen Christus zu – Paulus selbst kann auf seine Leistungen keine eigenen ‚Eigentumsansprüche‘ erheben (s.o.). Doch in welcher Weise findet Paulus als Sklave durch seinen „Herrn“ Verwendung? Paulus sieht sich seinem „Herrn“ direkt unterstellt, auch wenn er die Vorstellung von einem Sklavendienst unter Aufsicht eines ἐπίτροπος kenntFootnote 86 und als Bild zur Beschreibung der Unmündigkeit vor der Sendung Christi verwendet (Gal 4,2). Nach seiner eigenen Darstellung (z.B. 2 Kor 12,1–10) ist seine Verbindung zu seinem Herrn jedoch nicht distanziert – Paulus ist vielmehr gut integriert in die familia Christi und arbeitet stets in direkter, enger Verbindung zu seinem „Herrn“.

Zweitens: Christus kann als Herr des Paulus disziplinieren. Die „Leiden Christi“, die über den Apostel kommen (z.B. 2 Kor 1,5: τὰ παθήματα τοῦ Χριστοῦ ɛἰς ἡμᾶς), lassen sich nicht nur partizipatorisch, sondern auch als korrigierende Disziplinarmaßnahme des erhöhten Christus an Paulus verstehen. Paulus soll in körperlicher Schwäche auf die Gnade Christi angewiesen sein (2 Kor 12,9). Die Sklavenrolle prägt für Paulus gleichzeitig seine Sicht auf die Schicksals- bzw. Leidensgemeinschaft mit Christus und ermöglicht ihm eine vorauslaufende Deutung seines nahe bevorstehenden gewaltsamen Todes (Phil 1–3): Zwar ist die unrechtmäßige Tötung eines Sklaven (servus) ein Privatdelikt,Footnote 87 das eine Eigentumsverletzung des „Herrn“ sanktioniert, während die gewaltsame Tötung des Vaters (parricidium) ein durch Popularklage verfolgtes crimen darstellt.Footnote 88 Entscheidend ist aber, dass auch die Tötung des Sklaven nicht folgenlos bleibt, sondern vom „Herrn“ verfolgt wird und letztlich eine Rechtsverletzung des „Herrn“ bedeutet. Als „Sklave“ hofft Paulus, dass sein „Herr“ in jedem Fall – sei es durch Leben oder Tod des Sklaven – an dessen Leib groß gemacht werde (μɛγαλυνθήσɛται Χριστὸς ἐν τῷ σώματί μου, ɛἴτɛ διὰ ζωῆς ɛἴτɛ διὰ θανάτου: Phil 1,20). Da sein „Herr“ ebenfalls einen gewaltsamen Tod erlitten hat (Phil 2,8), führt die Eigentumsverletzung, die Christus durch den Tod des Paulus entstünde, letztlich den Herrn und seinen Sklaven – in Tod und Auferstehung – nunmehr noch näher zusammen (Phil 3,10f.20f.). Zugleich kann der Herr, wenn der Sklave getötet wird, gegen den Schädiger auf Zahlung einer Buße vorgehen, d.h. die Tat sühnen lassen.

Drittens: Wenn Christus als „Herr“ das ius vitae necisque innehat, so ist Paulus – als sein Sklave – diesem Herrn im Leben und Tod vollständig ausgeliefert.Footnote 89 Eine solche Vorstellung eines vollständigen Ausgeliefertseins im Leben und Tod bringt Paulus z.B. in Röm 14,8 zum Ausdruck: ἐάν τɛ γὰρ ζῶμɛν, τῷ κυρίῳ ζῶμɛν, ἐάν τɛ ἀποθνῄσκωμɛν, τῷ κυρίῳ ἀποθνῄσκομɛν. ἐάν τɛ οὖν ζῶμɛν ἐάν τɛ ἀποθνῄσκωμɛν, τοῦ κυρίου ἐσμέν. Mit der Anerkennung der Ausübung der ius vitae necisque durch Christus begreift sich Paulus zugleich als Teilhaber an Jesu Schicksalsgemeinschaft in Leiden, Tod und Auferstehung. Er befindet sich so faktisch in der dem Sklaven sehr ähnlichen Rolle eines Hauskindes, das der familia als (Wirtschafts-)Organisation angehörtFootnote 90 und wie die familia als ganze vollständig durch das Geschick des pater familias bestimmt wird.

So sehr Sklaven und Hauskinder damit zu Lebzeiten als ‚vermögenslos‘ gelten, so sehr haben sie berechtigte Erwerbshoffnungen auf die Zukunft. Dieser Motivkomplex könnte auch Paulus vertraut sein und sein self-moulding mitbeeinflusst haben: Denn er selbst – einstiger Verfolger der Christus-Glaubenden (Gal 2,13f.; Phil 3,6) – kann nur von außen, d.h. durch die Sklavenrolle zu dem Haushalt Christi hinzustoßen und so seine Einbindung in die Familie seines „Herrn“ erlangen.Footnote 91 Zugleich darf er auf eine Alimentierung oder auf sonstige erbrechtliche Beteiligung am Nachlass des Herrn hoffen. Zunächst sind die Hauskinder als sui heredes die natürlichen Erben des verstorbenen Hausvaters.Footnote 92 Die Sklaven hingegen können auf testamentarische Freilassung und auf Alimentierung im Testament hoffen. Diese Motivik dürfte nicht nur das paulinische Selbstverständnis mitprägen, sondern auch im Hintergrund von Gal 4,1–7 stehen, wo Paulus einerseits auf ebendiesen Unterschied zwischen dem κληρονόμος νήπιος und dem δοῦλος hinweist, andererseits aber deutlich macht, wie Gott – in dem Fall der ‚Hausvater‘ – mit der Sendung Christi (Gal 4,6) nun den zunächst nicht erbberechtigten HaussklavenFootnote 93 Anteil an der Erbschaft gibt. In der Logik des römischen Rechts kann diese Zuweisung der Erbenstellung an den Sklaven nur testamentarisch erfolgen,Footnote 94 muss also durch eine διαθήκη geregelt sein (Gal 3,15.17). Aus dem Duktus der paulinischen Argumentation in Gal 3–4 ergibt sich, dass ebendiese testamentarischen Regelungen von Gott bereits im Voraus getroffen wurden (Gal 3,15.17).Footnote 95

Ziehen wir den Kontext römischer Rechtspraxis für die Interpretation von Gal 3–4 hinzu, so entsteht eine weiterführende Einsicht. Paulus variiert bei der Definition der Rolle des Hausvaters. Während für Paulus selbst Christus sein „Herr“ ist, so verknüpft er die Erbberechtigung der Galater mit der Hausgemeinschaft Gottes. Nicht nur ordnet Paulus auf diese Weise die Herrschaft Christi der Herrschaft Gottes bei, sondern verbindet dabei beide Bereiche der dominica potestas durch seine Person. Denn Paulus, der Χριστοῦ δοῦλος (Gal 1,10), ist zugleich der ἀπόστολος (Gal 1,1), der die Galater wiederum darin anleitet, ihre Erbschaft in der Hausgemeinschaft Gottes nicht zu verspielen, sondern ‚ordnungsgemäß‘, d.h. evangeliumsgemäß (Gal 1,6–9), anzutreten. In der Konsequenz agiert Paulus, der Χριστοῦ δοῦλος, im Gal gewissermaßen als παιδαγωγός der Galater. Das aber bedeutet: Nun ist nicht mehr (allein) – wie Paulus in Gal 3,24 unterstreicht – der νόμος der παιδαγωγὸς… ɛἰς Χριστόν (Gal 3,24), sondern Paulus selbst, der „Sklave Christi“, wird im Laufe seines Schreibens der παιδαγωγός der Galater, der diese in ihre Erbschaft einweist (z.B. Gal 4,7).Footnote 96

2.4 Darlegung der Arbeits- und Aufgabenbereiche und Begründung des paulinischen Karrierestrebens

Gamauf weist darauf hin, dass die Sklaverei im Imperium Romanum im Prinzipat in sozialer und ökonomischer Hinsicht „den Zenit“ erreicht (Rn. 5). Die vielfältige Einsetzbarkeit von Sklaven ist ebenso belegt wie deren Karrieremöglichkeiten, die von Unterhaltungsaktivitäten (z.B. Gladiatoren, Schauspieler) über Medizin (Ärzte) bis zu Literatur, Philosophie und Wissenschaften reichten (Rn. 5). Géza Alföldy spricht davon, wie gerade „unter den Sklaven und Freigelassenen… die Vertreter der ‚Intelligenzschicht‘ des Römischen Reiches“ zu finden waren.Footnote 97 Wahrscheinlich war Tiro, der Sklave Ciceros, literarisch und philosophisch tätig. Epiktet ist ein berühmtes Philosophen-Beispiel aus der frühen Kaiserzeit.Footnote 98 Hier spricht ein ehemaliger Sklave selbst über Sklaverei und Freilassung aus der Sklaverei (Diatr. 4.1).Footnote 99 Im Unterschied zu Epiktet sieht sich Paulus aber jetzt noch als Sklave, ja macht sich die Sklavenrolle im Sinne einer Antonomasie sogar zu eigen (s.o.).

Im Spiegel der römischen Sozialgeschichte betrachtet, ist die Selbstbeschreibung des Paulus als δοῦλος weder als Begrenzung seiner Ambitionen noch seines möglichen Aktivitätsradius misszuverstehen. Ganz im Gegenteil: Gehört der Sklave einem wohlhabenden und angesehenen Haus an, so sind seine Aufstiegschancen – insbesondere als Freigelassener – besonders groß. Freigelassene, die – wie gesehen – römisches Bürgerrecht erhalten, sind die „großen Karrieristen in der römischen Gesellschaft im Osten und im Westen des römischen Reiches“.Footnote 100 Sklaven fanden im Haushalt ihres „Herrn“ Nahrung, Ausbildung und Sicherheit oder hatten als Handwerker Möglichkeiten, einen eigenen kleinen Betrieb zu führen.Footnote 101 Die Sklaverei bot insofern sogar Anreize, als sie mit der Hoffnung verbunden war, durch die Freilassung „automatisch das römische Vollbürgerrecht“ zu erwerben.Footnote 102 Gerade dies zeichnet die römische „générosité“ gegenüber der griechischen „avarice“ aus.Footnote 103 Auch wenn nämlich ein Freigelassener (libertus) gegenüber dem Freigeborenen (ingenuus) ein geringeres Ansehen genoss und verschiedene Einschränkungen der Rechtsstellung hinnehmen musste, war das römische Bürgerrecht damit eine erwartbare Perspektive jedes römischen Sklaven.

So schafft der Sklavendienst also Möglichkeiten, die auch das Selbstverständnis des Paulus in fünffacher Hinsicht prägen. Erstens: Paulus kann als Sklave seiner Arbeit in relativer Selbständigkeit nachgehen und mit unmittelbarer Wirkung für den Herrn erbringen. Zweitens: Da er sich selbst als im ‚göttlichen Haushalt‘ Tätigen ansieht (1 Kor 4,1: … ὡς ὑπηρέτας Χριστοῦ καὶ οἰκονόμους μυστηρίων θɛοῦ), kann er seinen Aktivitätsradius sogar als universal ansehen und seinen apostolischen Eifer als maximal wirksam einstufen (z.B. Phil 3,12ff.). Hinter der δοῦλος-Rolle, die sich Paulus zuweist, dürfte also weniger die Vorstellung stehen, sich als Sklave im Bergwerk in Dunkelheit abzumühen, als vielmehr im Haushalt Christi – in engem Kontakt zu seinem „Herrn“ – seine Arbeit als angesehener οἰκονόμος im Rahmen der ekklesialen Gemeinschaft Christi, der Paulus in doppelter Vertreterschaft vorsteht (s.o.), zu verrichten.Footnote 104 Wichtig scheint in diesem Zusammenhang, dass im römischen Kontext nicht das Haus (οἶκος), sondern die familia Bezugspunkt der Sklaven war.Footnote 105 Der Begriff familia hat eine „mehrstufige soziale Bedeutung“, die Personen umfasst, die in Stadt und Land der patria potestas unterstehen.Footnote 106 Herren- bzw. Hauskinder und Sklavenkinder wuchsen zusammen auf und wurden teils zusammen unterrichtet. Dabei war das „Lehrpersonal… unfreier Herkunft“.Footnote 107 Jenes Zusammenleben des freien Sohnes mit dem Sklaven ist auch Paulus vertraut – er spielt darauf in Gal an (Gal 4,1). Denn er kennt ebenfalls die Praxis des Unterrichts des unmündigen „Freien“ durch eine unfreie Lehrperson (Gal 3,24: παιδαγωγός).Footnote 108

Drittens: Durch die Rollenzuweisung als δοῦλος erhöht Paulus die Möglichkeiten seines persönlichen Karrierestrebens, das er in Phil 3,7ff. in vollständiger Unterordnung unter seinen „Herrn“ darlegt. Paulus hat den pharisäischen ζῆλος zugunsten eines Eifers als Sklave, der letztlich auf das Erlangen von Christus-Erkenntnis und Gerechtigkeit (Phil 3,8f.) zielt, abgelegt. Dass Paulus in seinem Sklavendienst für Christus sogar inzwischen in das „Haus des Kaisers“ vorgedrungen ist (Phil 4,22; vgl. schon 1,13), lässt sich als Ausweis seines erfolgreichen Strebens nach προκοπὴ τοῦ ɛὐαγγɛλίου (Phil 1,12) begreifen, die selbst unter den Bedingungen von Gefangenschaft gelingt. Denn die Teilhabe und Teilnahme an den „Leiden Christi“ (so schon 2 Kor 1,5) authentifizieren die Kreuzestheologie des Apostels (1 Kor 1,18ff.) in und an seiner eigenen Person (Gal 6,14.17) und bringen den Apostel so in noch größere Nähe zu seinem „Herrn“ (Phil 1,21ff.).

Viertens: Paulus darf zudem als Sklave hoffen, am πολίτɛυμα ἐν οὐρανοῖς (Phil 3,20) teilzuhaben, d.h. gleichsam volles himmlisches Bürgerrecht zu erhalten.Footnote 109 Nicht zu unterschätzen sind fünftens die Vorteile, die der „Herr“ durch den Sklaven – sogar noch „im Patronatsverhältnis mit seinem libertus“ – hat.Footnote 110 Christus also ‚profitiert‘ durch Paulus, so wie Paulus von seinem Sklavendienst für seinen „Herrn“ Christus ‚profitiert‘, und zwar lange über den aktiven Dienst für seinen „Herrn“ hinaus.Footnote 111 Paulus und Christus bleiben aufeinander angewiesen und sind untrennbar verbunden (z.B. Gal 2,20 oder Phil 1,21-26). Diese Vorstellung lässt sich nicht nur mystisch,Footnote 112 sondern – wie gerade gesehen – auch im Deutungsrahmen des Patronatsrechts verstehen.Footnote 113

2.5 Begründung der sozio-ökonomischen Lebensbedingungen und Lebensweise

Schließlich lässt sich das Selbstverständnis des Paulus als δοῦλος gerade in sozio-ökonomischer Hinsicht näher profilieren, wenn es in den Interpretationsrahmen des antiken römischen Rechts sowie der Sozialgeschichte hineingestellt wird. Folgendes Bild ergibt sich: Sklaven waren trotz „ihres unfreien Status nicht konsequenterweise arm“, da sie sich im „Netzwerk der familia ihres Herrn, die ihr Schicksal bestimmt“, befanden.Footnote 114 Gleichwohl waren Sklaven rechtsunfähig (Rn. 9) und konnten kaum anerkannte soziale Beziehungen eingehen (Rn. 10). Auch konnte ein Sklave – mit Ausnahme des peculium Footnote 115 – „weder zivilrechtlich schulden, noch aus Forderungen oder dinglich berechtigt sein und nicht einmal im Rechtssinne besitzen“ (Rn. 14). Zugleich waren Sklaven jedoch „deliktsfähig: Für das Strafrecht blieben sie persönlich verantwortlich (und ihre Strafen strenger als bei Freien)“ (Rn. 15).Footnote 116

Der rechtliche Status des Sklaven könnte in mehrfacher Hinsicht im Hintergrund der paulinischen Apostolatsauffassung in seiner sozio-ökonomischen Dimension stehen. Denn erstens stellt Paulus seine Besitzlosigkeit heraus. Zweitens betont Paulus, dass er keinen eigenen Gewinn oder Ruhm aus seiner apostolischen Tätigkeit zu beziehen beabsichtigt, sondern sich ganz in den Dienst seines Herrn stellt (z.B. 2 Kor 3,1) und sich – wenn überhaupt – nur der Gemeinde (z.B. 2 Kor 1,12–14) und ihrer Auferbauung rühmt (z.B. 1 Kor 12–14). Drittens aber ist sich Paulus zugleich bewusst, dass er um seine Integrität besorgt sein muss (bes. 2 Kor 1–7 und 10–13) und sich nichts zuschulden kommen lassen darf: Auch wenn er selbst keinen Gewinn für sich erzielt, so ist er persönlich für die Art, in der er seinen apostolischen Dienst ausführt und versieht, verantwortlich und – letztlich vor Christus und Gott selbst – ‚haftbar‘ (z.B. 2 Kor 5,10).

Auf rechtliche Aspekte, die die Möglichkeit eines Sklaven betreffen, als Erbe in einem Nachlass eingesetzt zu werden,Footnote 117 scheint Paulus höchstens indirekt anzuspielen, wenn er für sich selbst die δοῦλος-Rolle bemüht. Als res wurden Sklaven „den allgemeinen sachen-, schuld- oder erbrechtlichen Regeln“ unterworfen (Rn. 9).Footnote 118 Wenn Paulus in Gal 3–4 die Bedingungen, unter denen die Erbschaft nach der Verheißung Gottes als „Sohnschaft“ (Gal 4,5) angetreten werden kann, reflektiert, so verknüpft er diese Überlegungen jedenfalls nicht erkennbar mit seiner δοῦλος-Rolle, sondern klärt vornehmlich seine Adressaten in Galatien über ihre eigentliche Zugehörigkeit zur Nachkommenschaft Abrahams und somit zur familia Dei auf.

3. Paulus und das römische Recht: Ein kurzer Ausblick

Die Selbstbeschreibung als δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ) nimmt Paulus nicht zufällig oder situativ bedingt vor. Sie findet sich vielmehr in drei Briefen an prominenter Stelle im Briefeingang oder in der Nähe dazu. Nicht nur ist Paulus in der Kommunikation mit seinen Gemeinden in realer Weise mit der Institution der Sklaverei vertraut und thematisch beschäftigt, sondern er bedient sich der Sklaven-Semantik auch darüber hinausgehend in uneigentlicher Sprachform,Footnote 119 die – in Bezug auf sich selbst – vom metaphorischen Sprachgebrauch in eine Antonomasie übergeht. Denn in Verwendung für sich selbst begreift Paulus die δοῦλος-Bezeichnung als Näherbestimmung seines apostolischen Dienstes für Christus. Findet sich die Selbstbezeichnung als δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ) in (Nähe zu) den Briefeingängen von Gal, Röm und Phil, so füllt Paulus sein Sklaven-Verständnis in diesen drei Briefen jeweils spezifisch aus und entwickelt auf diese Weise seine apostolische Rollenkonfiguration über 1 Thess und 1 und 2 Kor hinaus weiter: Die δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ)-Rolle steht – wie keine andere Selbstbezeichnung – für die direkte und uneingeschränkte Bindung des Paulus an Christus, die einerseits seine persönliche Ergebenheit gegenüber seinem „Herrn“, andererseits seine maximale Bevollmächtigung durch den „Herrn“ zum Ausdruck bringt.Footnote 120 Macht sich Paulus in Gal zum Sklaven Christi von Geburt an, so gestaltet er – mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung – in Röm und Phil gewissermaßen die Vorstellung von einer Versklavung durch Christus als occupatio bzw. captivitas im Sinne einer siegreichen Aneignung seiner Person durch Christus (s.o.).

Paulus zeigt in vielerlei Hinsicht Vertrautheit mit der Sklaverei in der hellenistischen Welt. Stellen wir das paulinische Syntagma des δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ) in den Interpretationsrahmen des römischen Rechts, so ergeben sich Sinnlinien, die das paulinische Selbstverständnis als Sklave nicht (allein) vom Aspekt der Abhängigkeit, Unfreiheit, Selbsterniedrigung oder Stigmatisierung her erschließen, sondern als Ausweis von maximaler Einsatzbereitschaft durch unbedingte Unterordnung unter den „Herrn“ plausibilisieren. Denn der römische Rechtsrahmen bietet insgesamt einen pragmatischen Umgang mit der Sklaverei an, der den Handlungsspielraum des Sklaven im Verhältnis zu seinem „Herrn“ ordnet und so gewissermaßen funktionalisiert. Diese Denkbewegung, die durch das ius gentium universalisiert ist und in der römischen Konzeption der Sklaverei im Rahmen der familia eine personal strukturierte Organisationsform findet, scheint auch bei Paulus durch, und es stellt sich die Frage: Wieweit war Paulus mutmaßlich mit dem römischen Recht und den römischen Rechtsvorstellungen zur Sklaverei vertraut? Zur Beantwortung dieser Frage, die in den Darstellungen zur Bildung des Paulus gemeinhin nicht tangiert wird,Footnote 121 lassen sich vorerst nur Indizien anführen, die sich einerseits aus der Biographie des Paulus und andererseits aus seinem Denk- und Argumentationsstil in den Briefen ableiten lassen.

Zur Biographie des Paulus: Sollte Paulus schon qua Geburt (Apg 22,28) römisches Bürgerrecht durch Freilassung erhalten haben,Footnote 122 so entstammte er einer Familie in Kilikien, die auf ihre manumissio in Dankbarkeit und Loyalität zurückblickte und aus dieser auch sittlich und rechtlich verpflichtet war: „Freigelassene waren allzumeist besonders ergebene Diener ihres Herrn. Für mächtige Römer stellten sie eine wichtige Funktionsgruppe dar“.Footnote 123 Doch nicht erst Freigelassene, sondern schon SklavenFootnote 124 wurden vielfach als fähige Verwalter und Geschäftsführer eingesetzt, so dass darauf geachtet wurde, „daß der Freizulassende hinreichend integriert war, also mit römischen Sitten und der Sprache vertraut war und einen brauchbaren römischen Bürger abgab“.Footnote 125 Für die Stadtgeschichte Roms im 1. Jh. ist belegt, dass ein hoher Prozentsatz der Juden sich „aus Freigelassenen bzw. Freigelassenen-Nachkommen“ rekrutierte.Footnote 126 Dass es in Kilikien – dem vermuteten Herkunftsbereich des Paulus (s. Apg 21,39; 22,3; 23,34; 9,11)Footnote 127 – Juden gab, ist unbestritten (Philo Legat. 281). Wie groß der Anteil an freigelassenen Juden war, können wir kaum wissen. Wichtig aber scheint, dass Freigelassenen bzw. Freigelassenen-Nachkommen ein gewisses Interesse an römischen Sitten und eine Vertrautheit damit unterstellt werden können.Footnote 128 Das ius gentium könnte darüber hinaus einen hohen Bekanntheitsgrad, u.a. auch für das rabbinische Recht,Footnote 129 gehabt haben – insbesondere unter denen, die qua Freilassung das römische Bürgerrecht erhalten hatten.Footnote 130

Zum Denk- und Argumentationsstil des Paulus: Gerade in Gal und Röm ist die paulinische Argumentation durch rechtliches (nomistisches) Denken, d.h. praktische Fragen der Schrift- bzw. Gesetzauslegung und ein fundamentales Nachdenken über die Bedeutung des Gesetzes, geprägt (z.B. Gal 3,19ff.), was vermuten lässt, dass sich Paulus auch in grundsätzlicher Weise mit Fragen von Rechtsauffassung und -vorstellung befasst hat. In Phil 3 weist Paulus zudem auf seine pharisäische Ausbildung hin (Phil 3,5: κατὰ νόμον Φαρισαῖος). Auch wenn der Bildungskanon der Pharisäer im Einzelnen nicht rekonstruiert werden kann, so lässt sich Josephus entnehmen, dass Pharisäer – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – als gebildet galten (z.B. Josephus Vit. 191ff.).Footnote 131 Auch ihre Akribie im Umgang mit dem Gesetz war bekannt (z.B. Josephus BJ 2,162).Footnote 132 Da Fragen der Herleitung des ius gentium besonders im Verhältnis zum ius naturale u.a. in der Rhetorik verhandelt werden,Footnote 133 ist eine Beschäftigung mit Grundfragen des (römischen) Rechts bei einer rhetorischen Ausbildung – nicht zuletzt in den Progymnasmata (nomos) – durchaus mitzudenken (z.B. Theon Prog. 128f.).Footnote 134 Dazu kommt: Als hellenistischem Juden, dem die Mittelmeerwelt und mit ihr das dort allgemein praktizierte, im ius gentium dargelegte Sklavenrecht vertraut war, dürfte Paulus das römische Recht zumindest in Grundzügen bekannt gewesen sein. Gleichwohl gilt für den paulinischen Umgang mit jedweden Motiv- und Vorstellungsbereichen: Die IntellektualitätFootnote 135 paulinischer Argumentation manifestiert sich im eklektischen und synthetisierenden Zugriff auf vielfältige Traditions- und Motivbereiche,Footnote 136 die Paulus jeweils in eigenwilliger Weise in seinen eigenen, epistolaren Denk- und Schreibstil überschreibt.

Impulse für die zukünftige Forschung: Dieser Beitrag hat verschiedene Aspekte des römischen Sklavenrechts benannt und für die Deutung des paulinischen Syntagmas δοῦλος Χριστοῦ (Ἰησοῦ) herangezogen, um die Plausibilität dieser Selbstkonzeption und ihrer Bedeutung in Gal, Röm und Phil nachzuvollziehen. Paulus leistet mit der Deutung seines Lebens und Wirkens als „Sklave Christi Jesu“ durchaus einen eigenständigen Beitrag zum antiken Sklavereidiskurs. Weitere Studien – insbesondere zu den Erbrechtsvorstellungen in Gal 3–4 – werden nötig sein, um bewerten zu können, inwieweit das römische Recht und die römische Rechtspraxis in größerem Umfang im Blickfeld des Apostels waren. Inwieweit und in welcher Weise hat sich Paulus, der in Röm 1,16f. die δικαιοσύνη θɛοῦ zum Schlüsselthema seiner Argumentation macht, mit verschiedenen antiken Vorstellungen von Recht befasst? Die mögliche Perspektivenerweiterung bei diesen Forschungsfragen liegt dabei sowohl auf Seiten der Paulus-Forschung wie auf Seiten der Erforschung des römischen Rechts: Wenn die hier vermutete Vertrautheit des Paulus mit römischen Rechtsauffassungen und römischer Rechtspraxis in einem hellenistischen Kontext zutrifft, könnten seine Briefe ein wertvoller Hinweisgeber für die Erforschung populärer Rechtsvorstellungen in der frühen Kaiserzeit sein.

Competing interests

The authors declare none.

References

1 Vgl. zuletzt Standhartinger, z.B. A., Der Philipperbrief (HNT 11/1; Tübingen: Mohr Siebeck, 2021) 75CrossRefGoogle Scholar.

2 S. dazu unten Anm. 13f.

3 Vgl. Lyall, F., Slaves, Citizen, Sons. Legal Metaphors in the Epistles (Grand Rapids: Academic Books, 1984)Google Scholar – dazu: E. Herrmann-Otto, Rez. in ZRG 104 (1987) 750–6; Lyall, F., „Legal Metaphors in the Epistles“ in TynB 32 (1981) 8195Google Scholar (dort weitere Lit.!); Nörr, D., „Die Evangelien des Neuen Testaments und die sogenannte hellenistische Rechtskoine“ in ZRG RA 78 (1961) 92141Google Scholar; „Civil Law in the Gospels“ in The Irish Jurist 1 (1966) 328–40; Ο. Eger, „Rechtswörter und Rechtsbilder in den paulinischen Briefen“ in ZNW 18 (1917) 84–108; Conrat, M., „Das Erbrecht im Galaterbrief (3,15–4,7)“ in ZNW 5 (1904) 204–27CrossRefGoogle Scholar; Halmel, A., Über römisches Recht im Galaterbrief (Essen: G.D. Bädeker, 1895)Google Scholar. – Vgl. auch die Hinweise auf allgemeine rechtsgeschichtliche Publikationen zur Mitteis, Sklaverei von L., Buckland, W., Nehlsen, H. und Hezser, A. Watson bei C., Jewish Slavery in Antiquity (Oxford: Oxford University Press, 2005) 19fGoogle Scholar. Anm. 87.

4 Vgl. F. Lyall, „Legal Metaphors in the Epistles“, 84. – C. Hezser, Jewish Slavery in Antiquity, 19 spricht zwar von einem „legal-historical approach“ in der antiken Sklaverei-Forschung, rekurriert auf die Rechtsquellen jedoch primär im Blick auf Fragen der Rechtsauslegung und weniger – wie der vorliegende Beitrag anregt – im Blick auf Rechtsanschauungen oder -vorstellungen, die durch das ius gentium verbreitet waren.

5 In Gal 1,10 heißt die Wendung: Χριστοῦ δοῦλος οὐκ ἂν ἤμην, in Röm 1,1 Παῦλος δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ – die Wortfolge ist hier jedoch textkritisch umstritten (Χριστοῦ Ἰησοῦ lesen u.a. P10, B – es könnte sich bei dieser Lesart in Röm 1,1 jedoch um eine Angleichung an Phil 1,1 handeln; Ἰησοῦ Χριστοῦ lesen dagegen u.a. P26, Sinaiticus, A); in Phil 1,1 heißt die Wendung: Παῦλος καὶ Τιμόθɛος δοῦλοι Χριστοῦ Ἰησοῦ.

6 Vgl. die Diskussion dazu: E. Herrmann-Otto, „Antike Sklaverei: Eine Einführung“ in Antike Sklaverei (ed. E. Herrmann-Otto; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2013) 7–24; J. Andreau/R. Descat, Esclave en Grèce et à Rome (Paris: Hachette Littératures, 2006) 13–27: „société esclavagiste“.

7 Vgl. grundlegend: C. Hezser, Jewish Slavery in Antiquity.

8 Vgl. dazu E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt (Studienbücher Antike 15; Hildesheim etc.: Georg Olms, 20172) 12f. Zu dem antiken Schriftencorpus zählen ein nicht weiter erhaltenes Werk des Antisthenes („Über Freiheit und Sklaverei“), drei Reden Dions von Prusa (Or. 10, 14 und 15) sowie ein Traktat Philons (Quod omnis probus liber sit). Diese Schriften befassen sich mit der Sklaverei als „einem inneren Makel unter moralphilosophischem Aspekt“ (a.a.O. 13).

9 Vgl. dazu E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung, 13. P. Garnsey, Ideas of Slavery from Aristotle to Augustine (Cambridge: Cambridge University Press, 1996) 9 und 53; K. Bradley, Slavery and Society at Rome (Cambridge: Cambridge University Press, 1998) 101–2; S.R. Joshel, Slavery in the Roman World (Cambridge: Cambridge University Press, 2010) 6.

10 Vgl. J. Frey, „Paulus und die Apostel. Zur Entwicklung des paulinischen Apostelbegriffs und zum Verhältnis des Heidenapostels zu seinen ‚Kollegen‘“ in Biographie und Persönlichkeit des Paulus (ed. E.-M. Becker/P. Pilhofer; WUNT 187; Tübingen: Mohr Siebeck, 2005/2009) 192–227, der den Aposteltitel so versteht.

11 C.L. de Wet, The Unbound God. Slavery and the Formation of Early Christian Thought (London: Routledge, 2018) 8 bezeichnet den frühchristlichen Diskurs zur Sklaverei als „doulology“: „Doulology refers to that enunciative process in which slavery and mastery operate together as a concept ‘to think/communicate with’…. The usefulness of viewing slavery as a discourse lies in the fact that it covers the metaphorical, religious, cultural, social, and political manifestations of slavery“. De Wet lässt allerdings die Rechtsfragen hier unberücksichtigt.

12 Vgl. z.B. E.W. Stegemann/W. Stegemann, Urchristliche Sozialgeschichte. Die Anfänge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt (Stuttgart etc.: Kohlhammer, 1995) 260.

13 H. Mouritsen, „Freedman and Decurions. Epitaphs and Social History in Imperial Italy“ in Journal of Roman Studies 95 (2005) 38–63.

14 Zur Differenzierung von Metapher und der Antonomasie als uneigentlicher Redeweise vgl. H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft (Stuttgart: Franz Steiner, 20084) § 533 und 558–64; vgl. auch R. Zymner, „Uneigentliche Bedeutung“ in Regeln der Bedeutung. Zur Theorie der Bedeutung literarischer Texte (ed. F. Jannidis et al.; Berlin/New York: De Gruyter, 2003) 128–68. Nach Quintilian inst. or. 8,2,7 bezeichnet die ‚eigentliche Redeweise‘ (proprium) u.a. das, wo eine Benennung ihren Ansatzpunkt hat (… proprie tamen unde initium est). Die ‚uneigentliche‘ Redeweise ist rhetorisch betrachtet ein vitium (Quintilian inst. or. 8,2,3). Paulus verwendet die δοῦλος Χριστοῦ Ἰησοῦ-Bezeichnung im uneigentlichen Sinne zur Herstellung einer antonomasia (H. Lausberg, Handbuch, § 580f.).

15 Zur Funktion der Metapher als „brevitas-Form des Vergleichs“: H. Lausberg, Handbuch, § 558–64 (S. 285). Dass es sich bei der Selbsttitulatur nicht um metaphorische Rede handelt, wird in Teilen der jüngsten Forschung mit der Vorstellung von einer frühchristlichen „doulology“ als Denk- und Kommunikationskonzept zu lösen versucht: Vgl. C.L. de Wet, The Unbound God, bes. 9ff.

16 Vgl. zur Namensgebung von Sklaven: H. Solin, Die stadtrömischen Sklavennamen. Ein Namenbuch. 3 Bde (Forschungen zur antiken Sklaverei; Beiheft 2; Stuttgart: Franz Steiner 1996).

17 H. Lausberg, Handbuch, § 580 (S. 300).

18 Vgl. etwa die Diskussion bei E. Ebel, „Das Leben des Paulus“ in Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe (ed. O. Wischmeyer/E.-M. Becker; UTB 2767; Tübingen/Basel 20213) 155–71, 165; W. Stegemann, „War der Apostel Paulus ein römischer Bürger?“ in ZNW 78 (1987) 200–29; E. Weber, „Das römische Bürgerrecht des Apostels Paulus“ in Tyche 27 (2012) 193–207. – Im römischen Recht: R. Gamauf, „Sklaven (servi)“ in Handbuch des Römischen Privatrechts (ed. U. Babusiaux/C. Baldus/W. Ernst/F.-S. Meissel/J. Platschek/T. Rüfner; Tübingen: Mohr Siebeck, 2023) Rn. 970.

19 Vgl. E.-M. Becker, „Paulus als doulos in Röm 1,1 und Phil 1,1: Die epistolare Selbstbezeichnung als Argument“ in Autoren in religiösen literarischen Texten der späthellenistischen und der frühkaiserzeitlichen Welt: Zwölf Fallstudien (ed. E.-M. Becker/J. Rüpke; CRPG 3; Tübingen: Mohr Siebeck, 2018) 105–20.

20 F. Vouga, An die Galater (HNT 10; Tübingen: Mohr Siebeck, 1998) 25–8, versteht Gal 1,10–12 als ‚thetische Begründung‘. In dieser Themenangabe, die sich in Gal 1,10 bzw. 1,10–12 findet, greift Paulus wiederum auf die superscriptio zurück: So wie Paulus nicht ein Apostel ἀπ’ ἀνθρώπων und auch nicht δι’ ἀνθρώπου ist, so sucht er ebenso wenig Menschen zu gefallen (V. 10b).

21 Vgl. z.B. J. Byron, Slavery Metaphors in Early Judaism and Pauline Christianity (WUNT 2.162; Tübingen: Mohr Siebeck, 2003).

22 Vgl. z.B. D.M. Martin, Slavery as Salvation (New Haven: Yale University Press, 1990); M.J. Harris, Slave of Christ. A New Testament Metaphor for Total Devotion to Christ (Downers Grove: InterVarsity Press); I.A.H. Combes, The Metaphor of Slavery in the Writings of the Early Church: From the New Testament to the Beginning of the Fifth Century (Sheffield: Sheffield Academic Press, 1998); S. Tsang, From Slaves to Sons: A New Rhetoric Analysis on Paul's Slave Metaphors in His Letter to the Galatians (New York: Peter Lang, 2005).

23 Vgl. z.B. J.A. Harrill, Slaves in the New Testament: Literary, Social and Moral Dimensions (Minneapolis: Fortress Press, 2006); R. Horsley, „Paul and Slavery. A Critical Alternative to Recent Readings“ in Semeia 83/84 (1998); P. Garnsey, Ideas of Slavery from Aristotle to Augustine, 173–90.

24 Vgl. dazu z.B. E. Herrmann-Otto, Sklaverei und Freilassung, bes. 12f.

25 Zur Übersicht über die Positionen der Forschung vgl. insgesamt auch J. Byron, Slavery Metaphors in Early Judaism and Pauline Christianity. bes. 3ff.; ders., Recent Research on Paul and Slavery (Sheffield: Sheffield Phoenix Press, 2008); J.A. Glancy, Slavery as Moral Problem: In the Early Church and Today (Minneapolis: Fortress Press, 2011); J.A. Glancy, Slavery in Early Christianity (Minneapolis: Fortress Press, 2006) 39–70.

26 Vgl. zur Diskussion zuletzt z.B. A. Standhartinger, Der Philipperbrief, 158.

27 Vgl. z.B. E. Lohse, Paulus. Eine Biographie (München: C.H. Beck, 1996) 121f.; W. Kraus, „Die Anfänge der Mission und das Selbstverständnis des Paulus als Apostel der Heiden“ in Paulus Handbuch (ed. F.W. Horn; Tübingen: Mohr Siebeck, 2013) 227–37, 233f.

28 Vgl. ausführlich E.-M. Becker, Der Begriff der Demut bei Paulus (Tübingen: Mohr Siebeck, 2015) 77ff.

29 Vgl. insbesondere zur Darstellung der frühkaiserzeitlichen Sklaverei: G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte (Stuttgart: Franz Steiner, 20114) 183ff., die mit einer besseren Behandlung von Sklaven verbunden war, Grausamkeiten zunehmend verpönte und seit Augustus „Maßnahmen zugunsten der Unfreien“ traf bzw. Gesetzgebungen zum Schutz der Sklaven erließ (188). Gleichzeitig wurden schon durch Augustus die Möglichkeiten der manumissio durch Gesetzgebung eingeschränkt (190).

30 Vgl. J.A. Harrill, „Neues Testament“ in Handwörterbuch der Antiken Sklaverei 2 (2017) 2034–6; J. Byron, Recent Research on Paul and Slavery, 2–17.

31 Vgl. zur Diskussion auch: E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“ in RAC 30 (2021) 691–751, 731–4.

32 Im Blick auf Epiktet z.B. vgl. S. Vollenweider, „Lebenskunst als Gottesdienst. Epiktets Theologie und ihr Verhältnis zum Neuen Testament“ in Epiktet, Was ist wahre Freiheit? Diatribe IV 1 eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von S. Vollenweider, M. Baumbach, E. Ebel, M. Forschner und T. Schmeller (SAPERE 22; Tübingen: Mohr Siebeck, 2013) 119–62.

33 Vgl. dazu die Beiträge von T. Fleischhauer/I. Samotta („Cicero, M. Tullius“) und R. Knöbl („Philosophie“) in Handwörterbuch der Antiken Sklaverei 2 (2017) 563–71 und 2216–25.

34 Vgl. dazu die Lit.-hinweise oben in Anm. 3.

35 Vgl. z.B. J.A. Harrill, „Neues Testament“. T. Morgan, Roman Faith and Christian Faith. Pistis and Fides in the Early Roman Empire and Early Churches (Oxford: Oxford University Press, 2015) 108–16 kommt immerhin auf den Kontext des römischen Rechts zu sprechen und stellt dar, wie pistis/fides im Bereich von „legal thinking“ konzipiert wurden (108).

36 So zum Beispiel noch M. Armgardt, „Die Bedeutung des antiken römischen Rechts für das römische Recht und die antike Rechtsgeschichte am Beispiel der rabbinischen Rezeption und Modifikation der griechisch-hellenistischen diathēkē als dîjathîqî und der donatio mortis causa“, in ZRG RA 137 (2020) 39–69, bes. 62f., der Gal 3,15–18 als Beleg für eine Rechtsvorstellung „im Judentum“ zitiert.

37 D. Nörr, „Die Evangelien des Neuen Testaments und die sogenannte hellenistische Rechtskoine“, 93.

38 E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 722. Vgl. auch E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei (München: C.H. Beck, 20183) 76f.

39 F. Lyall, „Legal Metaphors in the Epistles“, 85.

40 U. Babusiaux, „§ 6 Rechtsschichten“, Rn. 188–96.

41 Zum ius gentium s.u. Zur Wortbedeutung: M. Kaser, Ius gentium (Köln etc.: Böhlau, 1993) 3–8.

42 U. Babusiaux, „§ 6 Rechtsschichten“, Rn. 253: Denn Versklavung widerspricht „der Menscheneigenschaft nach ius naturale“. Das durch die Empirie sichtbar abgewandelte Rechtsverständnis im ius gentium, das Versklavung kennt, wird dennoch durch das Naturrecht so beeinflusst, dass die „Menscheneigenschaft“ eines Sklaven, d.h. z.B. seine „Verwandtschaftsverhältnisse zu beachten oder auch unnötige Brutalität zu vermeiden“ sind (ebd.).

43 F. Lamberti, „§ 26 Bürger (cives) und Nichtbürger (peregrini)“ in Handbuch des Römischen Privatrechts. (ed. U. Babusiaux/C. Baldus/W. Ernst/F.-S. Meissel/J. Platschek/T. Rüfner; Tübingen: Mohr Siebeck, 2023) 687–717, Rn. 51.

44 Zum ius postliminii, vgl. F. Lamberti, „§ 27 Kriegsgefangenschaft und Rückkehr“, Rn. 718–30.

45 Einer der frühesten Belege ist ein auf einer Inschrift überlieferter Brief Philipps V. von Makedonien an die Larisäer (Syll. 3, 543 = IG IX, 2, 517) aus dem Jahr 214 v.Chr., der von dieser Praxis der Römer spricht. Ein wichtiger (wenngleich späterer) Beleg ist Cicero pro Balb. 9,24, der libertas und civitas gleichstellt. – Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass römische Sklaverei nicht grausam und entrechtend gewesen sei; die doppelte Qualifizierung als Sache (res) und Mensch (homo) ermöglichte aber einen Statuswechsel, der in anderen antiken Rechten nicht oder nur schwerer vollzogen werden konnte. Unklar ist, wie sich Paulus selbst zur Freilassung der Sklaven in 1 Kor 7,20–4 stellt – vgl. dazu z.B. M. Öhler, Geschichte des frühen Christentums (UTB 4737; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2018) 250.

46 Vgl. E.-M. Becker, „Paulus als doulos in Röm 1,1 und Phil 1,1“.

47 Hierbei ist zu bedenken, dass auch Römer Sklaven sein konnten. Sie hofften auf Restitution und Rückkehr in ihr früheres Leben und ihren früheren Stand (ius postliminii).

48 Vgl. R. Gamauf, „§ 36 Sklaven (servi)“, Rn. 924–94; vgl. auch E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“.

49 Die Klammern im Text beziehen sich im Folgenden auf die Randnummern im Handbuchbeitrag R. Gamaufs.

50 Vgl. E. Lipinski, „Sklave, Sklavin“, in NBL Lfg. 13 (1999) 616–18, 616f.

51 E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 35.

52 Vgl. E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 712f. (713).

53 Zur Herleitung, Bedeutung und Entwicklung des ius gentium vgl. M. Kaser, Ius gentium, bes. 20–4. Der Begriff des ius gentium findet sich erstmals bei Cicero (z.B. De off. 3,69): M. Kaser, Das römische Privatrecht. Erster Abschnitt. Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht (HAW 3,3,1; München: C.H. Beck, 2. Aufl. 1971) 203. Cicero wiederum hat – unter Einfluss der griechischen Philosophie – zwischen naturaconsuetudolex (φύσις, ἔθος, νόμος) als Bereichen des Rechts unterschieden (inv. 2,65–8): Vgl. J. Blänsdorf, „Griechische und römische Elemente in Ciceros Rechtstheorie“ in Würzburger Jahrbücher N.F. 2 (1976) 135–47, 136. Zum ius gentium als Teil der Rechtsschichten in seiner philosophischen Konnotation und als „Ausdruck einer völkerübergreifenden Bindung in der societas humana“ vgl. U. Babusiaux, „§ 6 Rechtsschichten“, 168ff. (169) und 178ff.

54 C. Hezser, Jewish Slavery in Antiquity, 63.

55 E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 76.

56 D. 1,5,4pr.-1 Florent. 9 inst. pr. Libertas est naturalis facultas eius quod cuique facere libet, nisi si quid vi aut iure prohibetur. 1. Servitus est constitutio iuris gentium, qua quis dominio alieno contra naturam subicitur. „pr. Freiheit ist die natürliche Fähigkeit das zu tun, was einem zu tun beliebt, vorausgesetzt dass es nicht durch Gewalt oder das Recht verboten ist. 1 Die Sklaverei ist ein Rechtsinstitut des ius gentium, durch das jemand gegen die Natur einer fremden Herrschaft unterworfen wird.“ Aus der reichen Literatur vgl. B. Huwiler, „Homo et res: Skizzen zur hellenistischen Theorie der Sklaverei und zum Einfluss auf das römische Recht“ in Mélanges Félix Wubbe (ed. H. Ankum et al.; Fribourg: Editions universitaires, 1993) 207–72; zum Gegensatz von ius naturale und ius gentium, vgl. U. Babusiaux, „§ 6 Rechtsschichten“, Rn. 252–7.

57 Pointiert etwa bei E. Herrmann, Ecclesia in Re Publica. Die Entwicklung der Kirche von pseudostaatlicher zu staatlich inkorporierter Existenz (Frankfurt: Peter D. Lang Verlag, 1980) 116–24.

58 Vgl. dazu z.B. J.M.G. Barclay, „Paul, Philemon and the Dilemma of Christian Slave-Ownership“ in NTS 37 (1991) 161–86.

59 Hinweise dazu bei R. Gamauf, „Sklaven (servi)“, Rn. 2, Fn. 9. – Vgl. auch K.-W. Welwei, „Halbfreiheit“, in: Handwörterbuch der Antiken Sklaverei 2 (2017) 1277–9 unter Hinweis auf die von Pollux 3,83 genannte Mittelstellung „zwischen Freien und Sklaven“, die allerdings nach römischer Rechtsvorstellung nicht unter die liberti fallen, da in der Antike keine „personenrechtliche Kategorie der Halbfreiheit“ existierte (1277).

60 Vgl. dazu auch die bekannte partitio von Gaius (I,9): Et quidem summa divisio de iure personarum haec est, quod omnes homines aut liberi sunt aut servi.

61 Vgl. auch D. 46,3,94, 3 Pap. 8 quaest. Hier erfolgt die Zahlung (zur Schuldtilgung) an den servus actor.

62 Direkte Stellvertretung bedeutet, dass die Wirkungen des Geschäftes sofort den Vertretenen treffen. Freie Römer können auch Geschäfte für einen Freund etc. führen (Auftragsverhältnis); hier bedarf es aber erst der Auslieferung des Ertrags oder der erworbenen Sache mit anschließender Rechnungslegung (= indirekte Stellvertretung).

63 Die Regel lautet: alteri stipulari nemo potest, vgl. zum Beispiel Gai. 2,95 Ex his apparet per liberos homines, quos neque iuri nostro subiectos habemus neque bona fide possidemus, item per alienos seruos, in quibus neque usumfructum habemus neque iustam possessionem, nulla ex causa nobis adquiri posse. et hoc est, quod uulgo dicitur per extraneam personam nobis adquiri non posse; tantum de possessione quaeritur, an per liberam personam nobis adquiratur. Auch direkter Briefverkehr zwischen Sklaven ist bezeugt, z.B. in Tab. Vind. 301, vgl. N. Hömke, „Antike Privat- und Alltagsbriefe“ in Handbuch Brief: Antike (ed. E.-M. Becker/U. Egelhaaf-Gaiser/A. Fürst; Berlin/Boston: De Gruyter) (im Druck).

64 Vgl. zu der reichen Literatur: K. Verboven, „L'organisation des affaires financières des C. Sulpicii de Pouzzoles (‚Tabulae Pompeianae Sulpiciorum‘)“ in Cahiers du Centre Gustave Glotz 11 (2000) 161–71; P. Gröschler, Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanensischen Urkundenfunden (Berlin: Duncker & Humblot, 1997).

65 Vgl. hierzu z.B. materialreich: I. Samotta, „II. Cicero als Sklavenherr“ in Handwörterbuch der Antiken Sklaverei 2 (2017) 565–8.

66 D. 45,3,3 Ulp. 5 ad Sab. Si servus rei publicae vel municipii vel coloniae stipuletur, puto valere stipulationem.

67 Zu diesem einzigen Fall der direkten Stellvertretung für Personenvereinigungen im römischen Recht, vgl. zuletzt B. Zahn, Si quid universitati debetur. Forderungen und Schulden privater Personenvereinigungen im römischen Recht (Wien/Köln: Böhlau Verlag, 2021), dazu auch U. Babusiaux, „Altes und Neues zum Vereinsrecht“ in ZRG RA 140 (2023) 298–323.

68 Zu diesem Aspekt der Sklavenrolle, vgl. bereits R. Sugranyes de Franch, Études sur le droit palestinien à l‘époque évangelique. La contrainte par corps (Fribourg: Librairie d'université, 1946) 32–7, der die „serviteurs“ als „fonctionnaires“ beschreibt.

69 Tertullian Apol. 39, dazu B. Zahn, „§ 32 Vertretung von Personenmehrheiten“ Rn. 50. Die Funktion des Sklaven-Diskurses als Autoritätssicherung betont K. Shaner, Enslaved Leadership in Early Christianity (Oxford: Oxford University Press 2018) v.a. 42–62.

70 Vgl. zur Etymologie auch: E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 713f.

71 Im Unterschied zu Röm 7, wo die genaue Identifikation des sprechenden „Ich“ unklar bleibt, scheint Paulus in Phil 3 seine persönliche Christus-Hoffnung zum Ausdruck zu bringen: Vgl. E.-M. Becker, „Das introspektive Ich des Paulus nach Phil 1–3: Ein Entwurf“ in NTS 65 (2019) 310–31.

72 Vgl. Hinweise bei E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 721.

73 Vgl. zur ‚freiwilligen Versklavung‘: G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 187.

74 F. Lamberti, „§ 27 Kriegsgefangenschaft und Rückkehr“, Rn. 1.

75 Vgl. Gai. 2, 69: Ea quoque, quae ex hostibus capiuntur, naturali ratione nostra fiunt; Inst. Just. 2,1,17: Item ea quae ex hostibus capimus iure gentium statim nostra fiunt: adeo quidem, ut et liberi homines in servitutem nostram deducantur (…).

76 Vgl. dazu auch E. Herrmann-Otto, Ex ancilla natus: Untersuchungen zu den ‚hausgeborenen‘ Sklaven und Sklavinnen im Westen des römischen Kaiserreiches (Forschungen zur antiken Sklaverei 24; Stuttgart: Steiner, 1994) 191ff., 409.

77 Nach römischem Recht gibt es kein Eheverbot, sondern schlicht keine Ehe zwischen Sklaven und freien Frauen. Interessant ist, dass im Blick auf den Status der Kinder die verschiedenen Rechtsschichten zu unterschiedlichen Aussagen gelangen: Nach ius gentium wäre das Kind, das von einem Sklaven mit einer freien Frau gezeugt wurde, ohne Vater und daher frei (Gai. 1, 83). Dagegen ordnete das römische ius civile zwischenzeitlich die Sklaveneigenschaft des Kindes an, bis unter Hadrian diese Strafe (für die Mutter) wieder aufgehoben wurde: Gai. 1,84: Ecce enim ex senatus consulto Claudiano poterat ciuis Romana, quae alieno seruo volente domino eius coiit, ipsa ex pactione libera permanere, sed servum procreare; nam quod inter eam et dominum istius servi convenerit, ex senatus consulto ratum esse iubetur. Sed postea divus Hadrianus iniquitate rei et inelegantia iuris motus restituit iuris gentium regulam, ut cum ipsa mulier libera permaneat, liberum pariat. – Zu den Schwierigkeiten sog. Mischehen von Sklaven und freien Frauen in der frühen Kirche als sozialem Problem, das dann im Licht der paulinischen Überlegungen in 1 Kor 7,12–16 bearbeitet wird, vgl. W. Wischmeyer, Von Golgatha zum Ponte Molle. Studien zur Sozialgeschichte der Kirche im dritten Jahrhundert (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Bd. 49; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992) 104f.

78 Vgl. E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 35: „… sexueller Zwang hatte rechtliche Folgen, insofern ein Israelit die Sklavin, mit der er verkehrte, in den Status einer Nebenfrau heben mußte; gemeinsame Kinder waren frei…“.

79 Gai. 1, 85f.: 85. Item e lege […] ex ancilla et libero poterant liberi nasci; nam ea lege cavetur, ut si quis cum aliena ancilla, quam credebat liberam esse, coierit, siquidem masculi nascantur, liberi sint, si vero feminae, ad eum pertineant, cuius mater ancilla fuerit. Sed et in hac specie divus Vespasianus inelegantia iuris motus restituit iuris gentium regulam, ut omni modo, etiamsi masculi nascantur, servi sint eius, cuius et mater fuerit. 86. Sed illa pars eiusdem legis salva est, ut ex libera et servo alieno, quem sciebat servum esse, serui nascantur. Itaque apud quos talis lex non est, qui nascitur, iure gentium matris condicionem sequitur et ob id liber est.

80 Erst im weiteren Verlauf der schriftauslegenden Argumentation wird deutlich werden, warum und woher Paulus den παιδίσκη-Begriff (bei Paulus nur in Gal 4) nimmt: aus der LXX (s. Gen 21,10 in V. 30). Die Gegenüberstellung zur ἐλɛυθέρα ist dann seine, also eine paulinische, Konstruktion. Auch eine παιδίσκη kann eine Sklavin sein – der Schwerpunkt der Begriffsbedeutung liegt hier aber auf der jungen Frau „in dienender Funktion“: J.-A. Bühner, „παιδίσκη κτλ.“ in EWNT III (19922) 10–14, 10.

81 Vgl. O. Wischmeyer, „Wie kommt Abraham in den Galaterbrief?“ in Umstrittener Galaterbrief. Studien zur Situierung der Theologie des Paulus-Schreibens (ed. M. Bachmann/B. Kollmann; BThSt 106; Neukirchen: Neukirchener Verlagsanstalt, 2010) 119–63.

82 F. Wilk, Die Bedeutung des Jesajabuches für Paulus (FRLANT 179; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1998) deutet wie folgt (190): „Innerhalb der Hagar-Sara-Allegorese bringt Paulus im Zitat von Jes 541 das typologische Entsprechungsverhältnis zwischen Sara und dem ‚oberen‘ Jerusalem zum Ausdruck, um seine Doppelthese zu begründen, daß das ‚obere‘ im Gegensatz zum ‚jetzigen‘ Jerusalem frei von der Knechtschaft des Gesetzes ist – und als solches ‚Mutter‘ der galatischen Christengemeinden“. – Vgl. zur allegorischen Funktion Hagars in Gal im Kontext frühjüdischer Interpretationen zuletzt auch: R. Heinsch, The Figure of Hagar in Ancient Judaism and Galatians (WUNT 2.579; Tübingen: Mohr Siebeck, 2022) bes. 122ff.

83 Vgl. auch P. Lampe, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte (WUNT 2.18; Tübingen: Mohr Siebeck, 1987) 66.

84 Vgl. zur Diskussion zuletzt A. Standhartinger, Philipperbrief, 174, die im Motiv der „Sklavenstrafe“ lediglich eine Verstärkung der Niedrigkeitsaussage sieht.

85 Zur widerrechtlichen Anwendung der Kreuzigung bei römischen Bürgern vgl. P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 66 bes. Anm. 189.

86 Vgl. E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 705.

87 Die Haftung beruht auf der lex Aquilia, vgl. D. 9.2.2.pr. Gai. 9 ad ed. prov: Lege Aquilia capite primo cavetur: ‚ut, qui servum servamve alienum alienamve quadrupedem vel pecudem iniuria occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes dare domino damnas esto‘.

88 Zum Verwandtenmord (parricidium), vgl. D. 48.9.1 Marcian. 14 inst.: Lege Pompeia de parricidiis cavetur, ut, si quis patrem matrem, avum aviam, fratrem sororem patruelem matruelem, patruum avunculum amitam, consobrinum consobrinam, uxorem virum generum socrum, vitricum, privignum privignam, patronum patronam occiderit cuiusve dolo malo id factum erit, ut poena ea teneatur quae est legis Corneliae de sicariis. […]; A. Völkl, „Parricidium“ in: DNP 9 (2000) 358; zur Popularklage, vgl. D. 48.9.10 Paul. L. sing. De poenis omn. leg.

89 Allerdings wird die Ausübung dieses Rechts durch Erwägungen des ius naturale eingeschränkt: Verschiedene kaiserliche und statthalterliche Rechtsakte untersagen unnötige Grausamkeit beim Umgang mit den Sklaven und kontrollieren so die Ausübung des ius vitae necisque im Sinne der humanitas (und durch Asylrecht und Tempelflucht), vgl. Gai. 1,53: Sed hoc tempore neque civibus Romanis nec ullis aliis hominibus, qui sub imperio populi Romani sunt, licet supra modum et sine causa in servos suos saevire: nam ex constitutione sacratissimi imperatoris Antonini, qui sine causa servum suum occiderit, non minus teneri iubetur, quam qui alienum servum occiderit. Sed et maior quoque asperitas dominorum per eiusdem principis constitutionem coercetur: nam consultus a quibusdam praesidibus provinciarum de his seruis, qui ad fana deorum vel ad statuas principum confugiunt, praecepit, ut si intolerabilis uideatur dominorum saevitia, cogantur servos suos uendere. Et utrumque recte fit: male enim nostro iure uti non debemus; qua ratione et prodigis interdicitur bonorum suorum administratio.

90 Zur familia als Wirtschaftsorganisation vgl. z.B. H. Mouritsen, The Freedman in the Roman World (Cambridge: Cambridge University Press, 2011) 206–47.

91 Vgl. zu dieser Vorstellung: G. Lobrano, Pater et filius eadem persona. Per lo studio della ‚patria potestas‘ I (Mailand: Giuffrè 1984) zitiert “eadem persona” für Vater und Sohn, ein Motiv aus der Gesetzgebung Justinians, das die Stellvertretungsbefugnis des Haussohnes anzeigt (und gleichzeitig christlich konnotiert werden kann).

92 D. 28,2,11 Paul. 2 ad Sab. In suis heredibus evidentius apparet continuationem dominii eo rem perducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi domini essent, qui etiam vivo patre quodammodo domini existimantur. Unde etiam filius familias appellatur sicut pater familias, sola nota hac adiecta, per quam distinguitur genitor ab eo qui genitus sit. Itaque post mortem patris non hereditatem percipere videntur, sed magis liberam bonorum administrationem consequuntur. Hac ex causa licet non sint heredes instituti, domini sunt: nec obstat, quod licet eos exheredare, quod et occidere licebat. Zur Analyse des Textes vgl. A. Wacke, „Erbrechtliche Sukzession als Persönlichkeitsfortsetzung“, ZRG RA 123 (2006) 197–296; U. Babusiaux, Wege zur Rechtsgeschichte. Römisches Erbrecht (Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 20212) 51–3.

93 In Gal 4,5 spricht Paulus jedoch nicht von Haussklaven, sondern von τοὺς ὑπὸ νόμον ἐξαγοράσῃ.

94 Die Erbeinsetzung setzt die vorherige Freilassung voraus. Die typische Formel lautet: „Stichus servus meus liber esto.“ (vgl. Gai. 2,267).

95 Die testamentarische Planung ist ein zentrales Anliegen jedes römischen Hausvaters, und er hat sein Testament jederzeit aktuell zu halten, vgl. E. Champlin, Final Judgments. Duty and Emotion in Roman Wills, 200 B.C. – A.D. 250 (Berkeley: University of California Press, 1991).

96 Zur Unterscheidung von παιδαγωγός und πατήρ vgl. 1 Kor 4,15: In 1 Kor sieht sich Paulus primär als Gründungsvater der Korinther und nicht als deren παιδαγωγός.

97 G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 183.

98 Vgl. ausführlich Epiktet, Was ist wahre Freiheit?

99 Vgl. E. Ebel, „Ein ehemaliger Sklave spricht über Sklaverei und Freilassung. Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund von Epiktets Diatribe über die Freiheit“ in Epiktet, Was ist wahre Freiheit? Diatribe IV 1 eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von S. Vollenweider, M. Baumbach, E. Ebel, M. Forschner und T. Schmeller (SAPERE 22; Tübingen: Mohr Siebeck, 2013) 79–96, 79.

100 E. Herrmann-Otto, „Armut, Arbeit, Sklaverei und Prostitution in der römischen Kaiserzeit“ in Armut – Arbeit – Menschenwürde. Die Euböische Rede des Dion von Prusa. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen v. G.A. Lehmann, D. Engster, D. Gall, H. Rupprecht Goette, E. Herrmann-Otto, W. Heun, B. Zehnpfennig (SAPERE 19; Tübingen: Mohr Siebeck, 2012) 213–33, 225.

101 Vgl. G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 184 und 191.

102 Vgl. G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 191.

103 Grundlage dieser Aussage ist Syll.3, 544 = IG IX, 2, 517, dazu P. Gauthier, „‚Générosité‘ romaine et ‚avarice‘ grecque: sur l'octroi du droit de cité“, Mélanges offertes à W. Seston (Paris: De Boccard, 1974) 207–2015; skeptischer A. Coşkun, Großzügige Praxis der Bürgerrechtsvergabe in Rom? Zwischen Mythos und Wirklichkeit (Stuttgart: Franz Steiner, 2009).

104 Vgl. D.B. Martin, Slavery as Salvation, der die Versklavung des Paulus und seine Zuordnung zum Haushalt Christi als Beispiel für eine „upwards mobility” in der Gesellschaft versteht. Sklave Christi zu sein, gab Paulus und den Glaubenden die Möglichkeit, um möglicherweise der „oppression of hierarchy“ zu entkommen und „to reach high status in the household of Christ“ (149).

105 E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 716.

106 E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 716f.

107 E. Herrmann-Otto, „Sklave, Sklaverei, Sklavenrecht“, 717 mit Hinweis auf CIL 6, 1052.

108 Vgl. dazu auch H.D. Betz, Galatians (Hermeneia; Philadelphia: Fortress Press, 1979) 177; Belege bei E. Schuppe, „Paidagogus“ in RE 18 (1942) 2375–85 und zuletzt K. Vössing, „Paidagogós/paedagogus“ in Handwörterbuch der Antiken Sklaverei 2 (2017) 2129–33.

109 Zur Forschungsdiskussion über die Interpretation der Wendung τὸ πολίτɛυμα ἐν οὐρανοῖς in Nähe zur Vorstellung von der civitas vgl. zuletzt A. Standhartinger, Der Philipperbrief, 259–62.

110 Vgl. G. Alföldy, Römische Sozialgeschichte, 191.

111 C. Masi Doria, „§ 37 Freigelassene (liberti)“ in Handbuch des Römischen Privatrechts. (ed. U. Babusiaux/C. Baldus/W. Ernst/F.-S. Meissel/J. Platschek/T. Rüfner; Tübingen: Mohr Siebeck, 2023) 995–1028, Rn. 3.

112 So zuletzt wieder z.B. P.A. Holloway, Philippians. A Commentary (Hermeneia; Minneapolis: Fortress, 2017) 94; A. Standhartinger, Der Philipperbrief, 115f.

113 Typischerweise sorgt der Patron für seine Sklaven, die er zu Lebzeiten oder testamentarisch freilässt, auch vor. Sichtbarstes Zeichen hierfür sind die zahlreichen Grabinschriften, in denen die familia libertorum die Grabpflege übernimmt und gleichzeitig zur Teilhabe am Grab ermächtigt wird, dazu zuletzt N. Laubry, „La désignation de la postérité. Autour de la formule libertis libertabusque posterisque eorum dans les inscriptions funéraires romaines“, Esclaves et maîtres dans le monde romain. Expressions épigraphiques de leurs relations (ed. M. Dondin-Payre/N. Tran; Paris: École française de Rome 2016) 65–79.

114 E. Herrmann-Otto, „Armut, Arbeit, Sklaverei und Prostitution in der römischen Kaiserzeit“, 225.

115 Zur Selbstständigkeit des Sklaven bei der Verwaltung des peculium, vgl. A. Bürge, „Lo schiavo (in)dipendente e il suo patrimonio“ in Homo, caput, persona. La costruzione giuridica dell'identità nell'esperienza romana (ed. A. Corbino/M. Humbert/G. Negri; Pavia: IUSS Press, 2010) 367–92.

116 Der Herr kann für Delikte des Sklaven verklagt werden; er kann aber im Rahmen der Klage die noxae deditio wählen, d.h. die Übergabe des Sklaven an den Geschädigten. Nur insoweit kann man von persönlicher Verantwortlichkeit sprechen. Anders sieht es im Kriminalrecht aus (echtes Strafrecht), vgl. M. Gerhold, „Strafe/Bestrafung II. Römische“, Handwörterbuch der Antiken Sklaverei 3 (2017) 2959–63.

117 Vgl. dazu R. Gamauf, „Sklaven (servi)“, z.B. Rn. 51, 54, 69–73.

118 Sklaven wurden wie Sachen behandelt; gerade im Erbrecht ist es aber häufig der Fall, dass Sklaven auch als Personen wahrgenommen werden. So kann der Eigentümer den Sklaven testamentarisch freilassen und zum Erben einsetzen. Der Sklave ist dann Zwangserbe genau wie die Hauskinder, d.h. nach ius civile kann er sich nicht der Erbenstellung entziehen. Dazu U. Babusiaux, Wege zur Rechtsgeschichte. Römisches Erbrecht, 103f.

119 Vgl. F. Lyall, „Legal Metaphors in the Epistles“ oder Ο. Eger, „Rechtswörter und Rechtsbilder in den paulinischen Briefen“.

120 Vor diesem Hintergrund wäre im Weiteren zu prüfen, ob die von Gregor dem Großen eingeführte Formel servus servorum Dei, die sich u.a. auf Röm 1,1 rückbezog, zu Recht eine Devotionsformel ist oder in ihrer Rückbindung an Paulus nicht vielmehr den Anspruch auf maximale Christusbindung zum Ausdruck bringt.

121 Vgl. etwa T. Vegge, Paulus und das antike Schulwesen. Schule und Bildung des Paulus (BZNW 134; Berlin/Boston: De Gruyter, 2012) 457ff.

122 Zu den anderen Möglichkeiten der Erlangung des Bürgerrechts in Kilikien vgl. E. Weber, „Das römische Bürgerrecht des Apostels Paulus“.

123 E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 62.

124 Auch Sklaven können unter sich eine Hierarchie haben: Es gibt z.B. den villicus, der andere Sklaven unter sich hat (servi vicarii). Die Freilassung setzt diese Hierarchie weiter fort, dazu H. Mouritsen, The Freedman in the Roman World (Cambridge: University Press, 2011) 206–47; eine Verbindung von sozialhistorischer und rechtshistorischer Forschung zu dieser Frage bei U. Babusiaux, „Zum Testament der Iunia Libertas aus Ostia (AE 1940, 94)“ in Klauselgestaltungen in Römischen Testamenten (ed. L. Isola; Berlin etc.: Peter Lang, 2022) 45–77.

125 E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 62.

126 P. Lampe, Die stadtrömischen Christen, 66 – mit Hinweis u.a. auf Philo Legat. 155; Tacitus Ann. 2,85,4. Für das Jahr 19 n.Chr. ist die Zahl von 4.000 dem Alter nach waffenfähigen Männern mit Bürgerrecht belegt (Tacitus Ann. 2,85,4) – die gesamte stadtrömische Judenschaft dürfte zwischen 15.000 und 60.000 Juden umfasst haben: a.a.O., 67.

127 Zur These eines vermuteten kilikischen Sprach- bzw. Wortgebrauchs des Paulus vgl. N. Förster, „Sprach Paulus einen kilikischen Koine-Dialekt? Ein bisher übersehener Aspekt in der Biographie des Paulus“ in ZNW 88 (1997) 316–21.

128 Insbesondere beruft sich Paulus bekanntlich auf das Provokationsrecht des römischen Bürgers, vgl. Apg 16,37; 22,25–29 mit 23,27; zur Frage, vgl. K.L. Noethlichs, „Der Jude Paulus – ein Tarser und Römer?“ in Rom und das himmlische Jerusalem. Die frühen Christen zwischen Anpassung und Ablehnung (ed. R. v. Haehling; Darmstadt: WBG, 2000) 54–84; E. Weber, „Das römische Bürgerrecht des Apostels Paulus“.

129 Vgl. C. Hezser, „The Mishna and Roman Law: A Rabbinic Compilation of ius civile for Jewish civitas of the Land of Israel under Roman Rule“ in: What is the Mishnah? The State of the Question (ed. S.J.D. Cohen; Cambridge: Harvard University Press, 2023) (im Druck).

130 Vgl. H. Mouritsen, The Freedman in the Roman World, 120-205. – Zur Begrenzung von Freilassungen und der Zuteilung von Bürgerrechten schon in augusteischer Zeit vgl. E. Flaig, Weltgeschichte der Sklaverei, 63 mit Hinweis auf Lex Fufia Canina und die Lex Aelia Sentia (2 v. bzw. 4 n.Chr.).

131 Vgl. auch T. Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 285f. und 289ff. – mit den entsprechenden Hinweisen auf Josephus.

132 Vgl. auch T. Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 294f. – mit den entsprechenden Hinweisen auf Josephus.

133 Vgl. U. Babusiaux, „§ 6 Rechtsschichten“, 167. – Zum Verhältnis von Recht und Rhetorik vgl. auch U. Babusiaux, „Rhetoric in Legal Writing. The Ethos and Pathos of Roman Jurists“ in Medicine and the Law under the Roman Empire (ed. M. Peachin/C. Bubb; Oxford: Oxford University Press 2023) 249–83.

134 Vgl. auch T. Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 172f.

135 Vgl. dazu zuletzt: Wischmeyer, O., „A Plea for an Intellectual Biography of Paul: Paul after the New Perspective and the Radical New Perspective“ in dies., Paulus. Beiträge zu einer intellektuellen Biographie. Gesammelte Aufsätze Band II (ed. Becker, E.-M./Jónsson, S.L.; WUNT 491; Tübingen: Mohr Siebeck, 2022) 1141Google Scholar.

136 Vgl. Becker, E.-M., „How and why Paul deals with traditions“ in: dies., Der Philipperbrief des Paulus. Vorarbeiten zu einem Kommentar (NET 29; Tübingen/Basel: Francke Verlag, 2020) 167–76Google Scholar. – Für hilfreiche Hinweise und Mitarbeit bei der Manuskipterstellung danken wir Jóannes Purkhús (Münster) und Thamar Xandry (Zürich).