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Papias, der Vorzug der Viva Vox und die Evangelienschriften

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

Armin Daniel Baum
Affiliation:
Talstraβe 8, 35625 Hüttenberg, Germany

Extract

Der hierapolitanische Bischof Papias formulierte im Proömium seiner Auslegung von Herrenspriichen ein bemerkenswertes Arbeitsprinzip: ‘Ich nahm nicht an, daβ die (Nachrichten) aus den Büchern mir soviel nützen wie die von einer lebendigen und bleibenden Stimme (mitgeteilten Nachrichten)(ού γὰρ τὰἐĸ τῶν βιβλίων τοσοῦτόν με ώφελεῖν ύπελάμβανον ὄσον τὰ παρὰ ζώσης φωνῆς ĸαì μενούσης). ’1 Aus dieser Aussage des Papias über den Vorzug der viva vox hat man recht weitgehende kanongeschichtliche Schlüsse gezogen. Da Papias der mündlichen gegenüber der schriftlichen Überlieferung grundsätzlich den Vorzug einraume, könne nach seinem Urteil die Normativität der Herrenworte noch nicht auf die sie verzeichnenden Evangelienschriften übergegangen sein. Darum könne Papias die (ihm bekannten) schriftlichen Evangelien noch nicht als ‘endgültige oder kanonische Form der Jesus-Überlieferung’ angesehen haben.2 Die in seiner Aussage reflektierte Vorliebe der kleinasiatischen Gemeinden für die mundliche Tradition habe die Entstehung eines schriftlichen Kanons verzögert.3 Andere Forscher haben dieser Folgerung entgegengehalten, das Prinzip von der Überlegenheit der viva vox sei in den Augen des Papias nicht von allgemeiner Gültigkeit gewesen und von ihm gar nicht auf die Evangelien bezogen worden. Es sei deswegen auch nicht von kanongeschichtlicher Relevanz.4

Type
Short Studies
Copyright
Copyright © Cambridge University Press 1998

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References

1 Zitiert nach Eusebius, hist. eccl. 3.39.4.

2 Vgl. Campenhausen, H. Freiherr von, Die Entstehung der christlichen Bibel (BHTh 39; Tübingen: Mohr, 1968) 153–9, hier 154,Google Scholar und neuerdings wieder Körtner, U. H. J., ‘Papias’, TRE 25 (1995) 641–4, hier 643,Google Scholar und Mansfeld, J., ‘Papias over traditie’, NedThT 49 (1995) 140–53, hier 145.Google Scholar

3 Metzger, B. M., The Canon of the New Testament. Its Origin, Development and Significance (Oxford: Clarendon, 1987) 55–6.Google Scholar

4 So Lightfoot, schon J. B., Essays on the Work Entitled Supernatural Religion (London: Macmillan, 1889) 160Google Scholar; Harnack, A., Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius (2. Aufl.; Leipzig: Hinrichs, 1958) II/1.663.Google Scholar

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9 Vgl. Heitsch, E., ‘PHAIDROS 277A6–B4. Gedankenführung und Thematik im “Phaidros”’, Hermes 120 (1992) 169–80, hier 172.Google Scholar

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11 Ed. L. Robin, 7. Aufl. 1970, 90; Übers. nach E. Heitsch, 1993, 63.

12 Vgl. hierzu besonders Heitsch, E., PlatonÜber die rechte Art zu reden und zu schreiben (Mainz: Akademie der Wissenschaften und der Literatur, 1987) 33–9.Google Scholar

13 PG 25, 400a.

14 Methodisch nicht unproblematisch ist die von Alexander, ‘Living Voice’, 222, getroffene Aussage: ‘Papias's words demand a context: not so much the irrecoverable literary context from which Eusebius has excerpted the fragments, as the social and cultural context in which these…assumptions made sense.’

15 GCS 9/1,1903, 286.

16 Vgl. zur Begründung dieser Deutung des Proöomiums und zurEinordnung der erhaltenen Fragmente in diese Struktur Baum, A. D., ‘Papias als Kommentator evangelischer Aussprüche Jesu. Erwägungen zur Art seines Werkes’, NT 38 (1996) 257–76.Google Scholar

17 Eine christliche Bezugnahme auf die entsprechende Passage in Platons Phaidros findet sich allerdings bei Clemens Alexandrinus, strom. 1.14.3–4: ‘… wenn aber eine Schrift aufgerollt wird, so kann sie doch stets nur mit einem Wort, nämlich dem nisdsrgeschriebenen, auf die an sie gerichteten Fragen antworten…’ (GCS 15, 1906, 10–11). S. dazu osborn, E.F., ‘The Teaching and Writing in the Frist Chapter of the Stromateis of Clement of Alexandria’, JTS 10 (1959) 335–43.CrossRefGoogle Scholar

18 Vgl. Th. Zahn, Geschichte des Neutestamentlichen Kanons (Erlangen: Deichert, 1888) 1/2.866; Walls, A.F., ‘Papias and Oral Tradition’, Vigchr 21 (1967) 137–40, hier 138–9.Google Scholar

19 Vgl. zur Verbreitung dieses historiographischen Prinzips in der Antike Baum, A. D., Lukas als Historiker der letzten Jesusreise (TVGMS 379; Wuppertal: Brockhaus, 1993) 8796Google Scholar: ‘Die Quellen und ihre Auswertung’, und zur Anvvendung dieses methodischen Grundsatzes durch den Evangelisten Lukas ebd. 118–27: ‘Die Arbeitsweise des Lukas’.

20 Körtner, U. H. J., Papias von Hierapolis. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christen–turns (FRLANT 133; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1983) 182CrossRefGoogle Scholar; Zahn, Geschichte,1/2.863, verweist zum Nachweis der zeitgenötzung des Alten Testaments auf Clem 45.2; 53.1; Polyk 12.1; Clem. Alex., strom. 6.128.1–3.

21 Walls, , ‘Papias’, 137.Google Scholar Körtner, Papias, 184, vermutet als Ursache für die schriftliche Abfassung des papianischen Werkes, daβ sein Glaube an die viva vox nicht stark genug war.

22 Etwas zu absolut erscheint mir der von Walls, ‘Papias’, 139, aufgestellte Gegensatz: ‘For Papias, what matters is the quality of the source, not whether it is oral or written. ’

23 ‘Papias’, 139. Insofern erscheint der von W. R. Schoedel, , ‘Papias’, ANRW 2.27.1 (1993) 235–70, hier 247Google Scholar, der Walls Argumentation wohlwollend darstellt, gegen diesen vorgebrachte Einwand, seine Interpretation lasse die Frage nach den Gegnern des Papias offen, nicht ganz berechtigt.

24 Haer. V.7.

25 New Sayings of Jesus and Fragments of a Lost Gospel from Oxyrhynchus (Hg. B. P. Gren-fell & A. S. Hunt; London: Frowde, 1904) 25Google Scholar; Cameron, R., ‘Thomas, Gospel of’, ABD 6 (1992) 535–40.Google Scholar

26 Schneemelcher, W., Hg., Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung (5. Aufl.; Tubingen: Mohr, 1987) 1.97.Google Scholar

27 S. die unter Anm. 4 genannten Titel.

28 Ph. Vielhauer, , Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter (Berlin: de Gruyter, 1975) 760.Google Scholar

29 Für den Nachweis, daβ Papias mit diesen Worten keine Logiensam und datmit eine Art Vorstufe des Mattäusevangeliums gemeint haben dürfte, sondern dieses selbst, vgl.Baum, ‘Kommentator’236–6