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Jesusbewegung als charismatische Wertrevolution1
Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
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Hatte die Jesusbewegung revolutionäre Züge? Eine Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was wir unter ‘Revolution’ verstehen. Der im folgenden verwandte übertragene Begriff von ‘Revolution’ setzt zwei allgemeine (etwas triviale) Annahmen über die Geschichte voraus:
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References
page 343 note 2 Der Begriff ‘Verteilungskampf’ ist sehr viel allgemeiner als der Begriff ‘Klassenkampf’. Er umfaßt auch Konflikte zwischen Nationen und Konkurrenz in derselben Schicht. Aber er kann natürlich auch das umfassen, was marxistische Gesellschaftsanalyse als ‘Klassenkampf’ bezeichnet. Über ein konsensfähiges Bild der römisch-hellenistischen Gesellschaft als Ganzes verfügen wir nicht. Zur Debatte darüber vgl. Alföldy, G., ‘Die römische Gesellschaft–Struktur und Eigenart’ (1976), in: ders.: Die römische Gesellschaft (Wiesbaden: Franz Steiner, 1986) 42–68Google Scholar mit der Stellungnahme zur von G. Alföldys Entwurf ausgelösten Diskussion S. 69–81. Entscheidend ist, daß von einer sozialen Dichotomie von Ober- und Unterschichten in Übereinstimmung mit vielen antiken Zeugnissen ausgegangen werden kann (vgl. S. 78–81).
page 342 note 3 Der Begriff ‘Wert’ gehört zu den soziologischen Grundbegriffen, der kaum definiert werden kann, ohne daß in der Definition Elemente des zu definierenden Begriffs auftauchen. Friedrichs, J., Wert und soziales Handeln (Tübingen: Mohr, 1968) 113Google Scholar, definiert etwa: ‘Werte sind bewußte oder unbewußte Vorstellungen des Gewünschten, die sich in Präferenzen bei der Wahl zwischen Handlungsalternativen niederschlagen.’ Für unsere Untersuchung ist wichtig, daß Werte diachronisch wie synchronisch variieren:
1. Es gibt einen ‘Wertwandel’, der sich manchmal in sprunghaften Änderungen vollzieht.
2. ‘Werte’, d.h. ‘Vorstellungen des Gewünschten’ sind in den verschiedenen Gruppen und Schichten der Gesellschaft verschieden. Eine ‘Wertrevolution’ ist eine sprunghafte Änderung im Wertwandel, bei dem Werte privilegierter Gruppen von denen angeeignet werden, die von ihnen bisher ausgeschlossen waren.
page 344 note 1 Vgl. zu den einzelnen Punkten Hoehner, H. W., Herod Antipas. A contemporary of Jesus Christ (Cambridge: University Press, 1972).Google Scholar
page 345 note 1 Vgl. Theissen, G., Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien (NTOA 8; Fribourg/Göttingen: Universitätsverlag/Vandenhoeck, 1989) 85–102.Google Scholar
page 346 note 1 Wenn im folgenden – besonders bei mit Macht verbundenen Verhaltensweisen–Beziehungen zum Königsideal gesucht werden, so geht es doch allgemein um Wertvorstellungen der herrschenden Schicht. Aussagen über Herrscher lassen sich eindeutig auf eine soziale Oberschicht beziehen. Der Nachweis, daß ein Wert ‘sozial oben’ anzusiedeln ist, ist hier besonders leicht zu führen.
page 348 note 1 Die folgende These wurde schon von Windisch, H., ‘Friedensbringer–Gottessöhne. Eine religionsgeschichtliche Interpretation der 7. Seligpreisung’, ZNW 24 (1925) 240–60Google Scholar, vertreten, fand aber keine Zustimmung.
page 348 note 2 Ebenso wird Commodus εἱρηνοποιòς τς οἱκουμένης genannt (Dio Cass 72.15,5). Gewiß schreibt Dio Cassius erst in nachneutestamentlicher Zeit. Die pax-Propaganda ist jedoch älter, wie die oben zitierte Inschrift von Priene zeigt.
page 349 note 1 Die folgenden Gedanken sind angeregt durch Schottroff, L., ‘Gewaltverzicht und Feindesliebe in der urchristlichen Jesustradition, Mt 5. 38–48/Lk 6. 27–36’, in: Jesus in Historie und Theologie, Fs Conzelmann, H. (Tübingen: Mohr, 1975, 197–221).Google Scholar Zum antiken Herrscherideal der Clementia vgl. Adam, T., Clementia Principis (KiHiSt 11; Stuttgart: Klett, 1970).Google Scholar
page 349 note 2 Die Fortsetzung lautet: ‘Dieser nach allgemeiner Meinung von Sokrates stammende Grundsatz wird auch Ariston zugeschrieben.’ Es handelt sich also nicht nur um eine Formulierung des Königsideals, sondern um eine allgemeine Maxime, die sich so jedoch nicht in der sokratischen Überlieferung findet (vgl. jedoch Plato, , Pol 335B ff.Google Scholar; Kriton 49A ff.; Gorgias 469A–B und 475 B–D). Eben diese Maxime gehört nach Seneca (Ira II, 34, 4) zur politischen Weisheit der Römer: aus Feinden Bundesgenossen zu machen. Die oben zitierte Plutarchüberlieferung findet sich bei Berger, K./Colpe, C.: Religionsgeschichtliches Textbuch zum Neuen Testament (NTD Textreihe 1; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1987) Nr. 142, S. 97.Google Scholar
page 350 note 1 Vgl. zu ihr Winkler, K., Art. ‘Clementia’, RAC 3 (1957) 206–31.Google Scholar
page 351 note 1 Kloft, Grundlegend H., Liberalitas Principis (Köln/Wien: Böhlau, 1970).Google Scholar
page 351 note 2 Die mannigfachen Analogien in der Antike können hier nicht behandelt werden: Sie mahnen meist dazu, eine Gabe in Entsprechung zum Vermögen des Spenders zu werten und dabei die moralische Qualität des Spenders zu berücksichtigen. In Mk 12. 41–44 wird dagegen die Unverhältnismäßigkeit der Gabe betont. Die Witwe gibt alles! Die moralische Qualität der Spender spielt keine Rolle, nur ihr Sozialstatus wird betont. (Von den antiken Parallelen seien genannt: 1) Aussagen über Gaben an die Götter: Xen Mem I.33; Euripides, Danae frg. 327; Porphyrios, de abstinentia 11.17; Jos Ant 6.149; Epigramm des Iulianos Anth Graec VI.25.6; (Midr Levrabba III.5. 2) Zwischenmenschliche Gaben: Aristoteles, Nic Eth IV,2,1120b; Tob 4.6–8; Seneca Ben. I.7.1; I.8 f.
page 353 note 1 Er hätte hier–ohne weiteren Zusatz–nicht metaphorisch verstanden werden können (wie in Mt 6. 19–21, wo nicht von ‘Reichtum’, sondern von einem ‘Schatz’ die Rede ist).
page 353 note 2 So mit Recht Lührmann, D., Das Markusevangelium (HNT 3; Tübingen: Mohr, 1987) 107Google Scholar, dem ich diese Beobachtung verdanke.
page 353 note 3 Der Spruch wird meist im religiösen Sinn gedeutet. Das ‘Joch’ sei das Joch des Gesetzes und seiner pharisäischen Auslegung. Dagegen mit Recht Wengst, K., Demut–Solidarität der Gedemütigten (München: Chr. Kaiser, 1987) 69–78.Google Scholar
page 354 note 1 Man kann bei Jesus Sirach zwei ‘Bildungsebenen’ unterscheiden: die Weisheit der Schriftgelehrten, die mit Handarbeit unvereinbar ist, und eine Weisheit für Laien. Stadelmann, H., Ben Sira als Schriftgelehrter (WUNT II, 6; Tübingen: Mohr, 1980) 293–309Google Scholar, spricht von einem ‘Volksbildungsideal Ben Siras’. Schon bei Jesus Sirach wird also Statusbindung der Weisheit relativiert, aber es besteht kein Zweifel daran, wo er die eigentliche Weisheit sucht.
page 355 note 1 Die aristokratische Souveränität der Güte tritt auch im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg hervor (Mt 20. 1–16). Der Weinbergbesitzer beruft sich für seine Güte auf seine Freiheit: ‘Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?’ (20. 15). Ich verdanke diesen Hinweis H. Köster.
page 356 note 1 Der Begriff des Charisma stammt aus der Herrschaftssoziologie M. Webers. Eine klare Analyse findet sich bei Schluchter, W., Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus (Tübingen: Mohr 1975) Kap. 5, bes. 180 ff.Google Scholar
page 356 note 2 Den Zusammenhang von Charisma mit sozial geächteten Außenseiterrollen hat Lipp, W., Stigma und Charisma. Über soziales Grenzverhalten (= Schriften zur Kultursoziologie 1; Berlin: Dietrich Reimer, 1985)Google Scholar herausgearbeitet. Vgl. zusammenfassend ders.: ‘Charisma–Social Deviation, Leadership and Cultural Change. A Sociology of Deviance Approach’, The Annual Review of the Social Sciences of Religion 1 (1977) 59–72.Google Scholar Auf die Jesusbewegung wurde diese Theorie (aufgrund von Hinweisen bei W. Lipp) angewandt von Ebertz, M. N., Das Charisma des Gekreuzigten (WUNT 45, Tübingen: Mohr, 1987).Google Scholar
page 356 note 3 Die Differenzierung zwischen Herren- und Sklavenmoral begegnet zuerst in F. Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Aphor. 260, die Idee vom ‘Sklaven-Aufstand der Moral’ als einer ‘Umkehrung der Werte’ ebendort Aphor. 195. Entfaltet wird er in ‘Zur Genealogie der Moral’, Erste Abhandlung bes. Aphor. 7 ff. Vgl. Nietzsche, F.: Werke. Kritische Gesamtausgabe VI, 2, ed. Colli, G./Montinari, M. (Berlin, 1968) 218–22Google Scholar; 118 f.; 280 ff.
page 357 note 1 W. Lipp, Stigma und Charisma (vgl. Index), nimmt zwar mehrfach auf F. Nietzsche Bezug, nie aber auf dessen These vom ‘Sklaven-Aufstand der Moral’. Dasselbe gilt von M. N. Ebertz (vgl. Anm. 2, S. 356).
page 359 note 1 Vgl. die Forschungsgeschichte bei Cameron, P. S., Violence and the Kingdom. The Interpretation of Matthew 11, 12 (ANTJ 5; Frankfurt/Bern/New York/Nancy: Lang, 1984).Google Scholar
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- Cited by