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Die Zerstörung Jerusalems Bei Matthäus Und Den Rabbinen*

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

Hans-Jurgen Becker
Affiliation:
Wartenburgstr. 7, 10963 Berlin, Germany

Extract

Der siebte matthäische Weheruf gegen ‘Schriftgelehrte und Pharisäer’ (Mt 23.32–6), der zu Jesu Wehklage über Jerusalem (23.37–9), seinem Auszug aus dem Tempel (24.1) und der Ankündigung der Tempelzerstörung (24.2) überleitet, vermittelt eine polemisch geprägte christliche Auβenansicht der Ereignisse des Jahres 70 n.Chr. Vom Blickwinkel der Rabbinen her, die dieselben Ereignisse auf derselben biblischen Grundlage reflektieren, wird die Besonderheit der matthäischen Deutung ebenso sichtbar wie ihre Verwurzelung in jüdisch-schriftgelehrtem Denken. Insbesondere die rabbinische Aggada vom Blut des Sacharja läβt erkennen, daβ sich die Mt-Redaktion einer beiden Parteien gemeinsamen ‘Familiensprache’ bedient, die in der Forschung noch keineswegs hinreichend entschlüsselt ist.

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Articles
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Copyright © Cambridge University Press 1998

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References

1 Geyer, P. (Hrsg.), Itinera Hierosolymitana (1898) 22Google Scholar; vgl. Sh. Blank, H., ‘The Death of Zechariah in Rabbinic Literature’, HUCA 12–13 (1937/1938) 327–46,Google Scholar hier: S. 337–8, Anm. 16.

2 Migne, , Patrol. Lat. 26Google Scholar, S. 181A; vgl. Blank, ibid.

3 Vulgata: ‘inter templum et altare’; vgl. dagegen Lk 11.51: ‘inter altare et aedem’.

4 Sie erscheint bei Lukas in einem völlig anderen Kontext: zwischen der ‘Feindschaft des Herodes’ und der Heilung des Wassersüchtigen am Sabbat (Lk 13.34–5).

5 Sie leitet, dem markinischen Aufriβ folgend, zur eschatologischen Rede über.

6 U. Luz, ‘Antijudaismus im Matthäusevangelium als historisches und theologisches Problem. Skizze’, Eine, EuTh 53 (1993) 310–27,Google Scholar hier S. 313.

8 Becker, S. dazu H.–J., Auf der Kathedra des Mose. Rabbinisch-theologisches Denken und antirabbinische Polemik in Matthäus 23,1–12 (ANTZ 4; Berlin, 1990).Google Scholar

9 Vgl. zu den rabbinischen Katastrophendeutungen Cohen, S. J. D., ‘The Destruction: From Scripture to Midrash’, Prooftexts 2 (1982) 1839Google Scholar; Kraemer, D., Responses to Suffering in Classical Rabbinic Literature (New York–Oxford, 1995)Google Scholar (in methodischer Hinsicht problematisch); ferner Goldenberg, R., ‘Early Rabbinic Explanations to the Destruction of Jerusalem’, SBL Seminar Papers 21 (1982) 517–25Google Scholar und A. J. Saldarini, ‘Varieties of Rabbinic Response to the Destruction of the Temple’, ibid., 437–58.

10 Nachweis bei Ginzberg, L., The Legends of the Jews 6, 396 Anm. 30Google Scholar. Für eine sinnvolle Aufteilung der verschiedenen Versionen auf zwei Grundtypen s. Heinemann, J., Aggadot vetoldotehen. 'Iyyunim be-hishtalshlutan shel mesorot (Jerusalem, 1974) 31–9Google Scholar (dort für vier Versionen durchgeführt).

11 Vgl. bes. 2 Reg 25.8–12 und Jer 52.12–16. In Jer 40.2–3 spricht Nebuzaradan zu Jeremia: ‘Der Herr, dein Gott, hat dies Unglück über diese Stätte vorhergesagt und hat's auch kommen lassen und getan, wie er geredet hat; denn ihr habt gesündigt wider den Herrn und seiner Stimme nicht gehorcht; darum ist euch solches widerfahren. ’

12 Aggadot ve-toldotehen, 32.

13 Vgl. LXX Sach 1.1; Jes 8.2. Diese über Lk 11.51 hinausgehende Identifizierung in Mt 23.35 ist unzutreffend, wie bereits Sh. H. Blank, ‘Death of Zechariah’, 328–33 herausgestellt hat. Schon in der Septuaginta herrscht Verwirrung angesichts der verschiedenen in der hebräischen Bibel erwähnten Sacharjas. Sie steigert sich noch in der rabbinischen und in der frühen christlichen Literatur, die weitere, auβerbiblische Sacharjas einbezieht. S. dazu Gundry, R. H., The Use of the Old Testament in St Matthew's Gospel (Leiden, 1967) 86–7Google Scholar Anm. 1. Das Nazarenerevangelium hat nach einer von Blank zitierten Mitteilung des Hieronymus ‘Barachja ben Jojada’ gelesen: ‘In evangelio quo utuntur Nazareni pro fillo Barachiae filium Joiadae reperimus scriptum.’ (Migne, Patrol.Lat.26.S.180C;Blank,‘Death of Zechariah’.331 Anm.9).Die These von Steck, O.H., Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten (WMANT 23;Neukichen, 1967) 3940Google Scholar, Mt habe an den bei Josephus (Bellum 4.5.4)erwähnten Bariscäus-sohn gedacht, ist hinfällig, da‘von Abel bis Sacharja’dia Verfolgung der christlichen Boten bei Matthäus nicht unbedingt einschlieβen muβs.im folgenden.

14 Dia Verse 2 Chr 24.15–22 benennen die Schuld Judas nach Jojadas Abfall zu den Götzen und die Strafankündigung durch Jojadas Sohn Sacharja, die Schuld des Königs Joas durch seine Tötung Sacharjas und die Strafankündigung durch den sterbenden Sacharja. Die anschlieβenden Verse 23–5 berichten von der Strafe an Juda durch das Heer der Aramäer und von der Strafe an Joas, nämlich seiner Krankheit und schlieβlich seines Todes durch die Hand seiner Knechte ‘um der Ermordung Sacharjas willen’ (V. 25). Die beiden Teile des Berichts der Chronik sind nicht nur inhaltlich, sondern auch durch wiederkehrende Begriffe wie ℶīν (V. 18, 20, 24–5) und (V. 21, 25–6) eng miteinander verknüpft; vgl. J. Heinemann, Aggadot ve–toldotehen.

15 Das ‘Wehe’ in Mt 23.29 und die vorangehenden Weherufe in Mt 23 entsprechen dem zweifachen ‘Wehe’ in Ez 24.6 und 9.

16 Ez 24.13–14; Mt 23.35–6, 38; 24.9.

17 Unberücksichtigt bleibt dabei, wie im Falle Sacharjas, die Tatsache, daβ nach dem Bericht der Genesis das Blut Abels keineswegs ungesühnt geblieben war (vgl. Gen 4.11).

18 The Synoptic Gospels. Edited with an Introduction and a Commentary, Vol. I (2. Aufl. 1927; Ndr. New York, 1968) 346.

19 K. H. Schelkle, ‘Die “Selbstverfluchung” Israels nach Matthäus 27,23–25’, in: Eckert, W., Levinson, N. P. und Stöhr, M. (Hrsg.), Antijudaismus im Neuen Testament? Exegetische und systematische Beiträge (München, 1967) 148–56Google Scholar, hier S. 151.

20 ‘Die Kreuzigung Jesu und die Verfolgung der Gemeinde sind freilich nicht voneinander zu trennen. Die Jünger stehen ja in der Leiden snachfolge. Ihnen widerfährt, was ihrem Herrn auch geschah (16,24–26; 10,16ff.).’ (Hummel, R., Die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Judentum im Matthäusevangelium [München, 2. Aufl. 1963] 82Google Scholar). Zum ‘Vollmaβ ’ s. Steck, O. H., Israel, 38Google Scholar Anm. 4. Vgl. auch das άνοχή Motiv in Röm 3.25–6: die Zeit der Geduld Gottes und die Zeit seiner Gerechtigkeit durch den Sühnetod Christi.

21 Um so sicherer stellt sie sich in die Heilslinie Israels. K. H. Schelkle, ‘Selbstverfluchung’, zitiert das apokryphe Petrusevangelium als Zeugen für die Weiterentwicklung dieser Tendenz. Ruether, R., Nächstenliebe und Brudermord (München, 1978) 119ff.Google Scholar, beschreibt ihre Aufnahme und Verschärfung in der patristischen Literatur.

22 Zu den weiteren Traditionen zum gewaltsamen Geschick von Jesaja, Jeremia, Micha, Amos und anderen in der rabbinischen Literatur s. Steck, O. H., Israel, 250–1Google Scholar; zu MartJes und VitProph vgl. ibid., 245ff.

23 Vgl. im AT vor allem Dtn 32.11.

24 S. dazu G. I. Davies, ‘The Presence of God in the Second Temple and Rabbinic Doctrine’, in: Horbury, W. (Hrsg.), Templum Amicitiae. Essays on the Second Temple Presented to Ernst Bammel (JSNT Suppl. 48; Sheffield, 1991) 32–6.Google Scholar

25 Mk 13.1: ĸαì ὲкπορευομένου αύτοῦ ὲĸ τοῦ ίεροῦ …; Mt 24.1:ĸαì ὲξελθών ό Ίησοῦς ὰπὸ τοῦίεροῦ ὲπορεύετο.

26 Goldberg, S. dazu A., Untersuchungen üiber die Vorstellung von der Schekhinah in der frühen rabbinischen Literatur (Studia Judaica 5; Berlin, 1969)CrossRefGoogle Scholar; Cohen, N. J., ‘Shekhinta ba–galutha: A Midrashic Response to Destruction and Persecution’, JSJ 13 (1982) 147–59.Google Scholar

27 Ähnliches findet sich in Sach 14 (Jerusalem und die Völkerwelt am Tag des Herrn); V. 2: ‘Denn ich werde alle Heiden sammeln zum Kampf gegen Jerusalem, und die Stadt wird erobert’ V. 4: ‘Und seine Füβe werden stehen zu der Zeit auf dem Ölberg, der vor Jerusalem liegt nach Osten hin. ’