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Die Ursprünge der Christlichen Mission1

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

Martin Hengel
Affiliation:
Erlangen, Germany

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Die Anfänge der christlichen Mission standen nach dem Standardwerk Harnacks jahrzehntelang nicht mehr im Mittelpunkt der Forschung. Erst in jüngster Zeit ist ein Umschwung zu bemerken. Seit der Arbeit von Ferdinand Hahn, 1963, folgte jedes Jahr eine neue Monographie. Dieser neuerwachte Eifer deutet zugleich auf ein wachsendes Interesse gegenüber der Geschichte des Urchristentums überhaupt hin. Die unaufhaltsame Ausbreitung des christlichen Glaubens im Mittelmeerraum während der ersten 120 Jahre ist der rote Faden für jede Geschichte des Urchristentums. Wenn heute immer Wieder danach gefragt wird, worin die ‘Kontinuität’ der Botschaft des NT bestehe, so könnte man antworten, daß sich deren ‘faktische Kontinuität’ —ganz gleich, wie sie dargestellt wird—auf jeden Fall in dem für die Antike einzigartigen Erfolg der urchristlichen Mission erweist.

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Copyright © Cambridge University Press 1971

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References

2 Die Mission u. Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, 2 Bde., 41924. Zu erwähnen wäre noch die wenig befriedigende Untersuchung von Liechtenhan, R., Die urchristliche Mission. Voraussetzungen. Motive u. Methoden, A.Th.A.N.T. Ix, 1946Google Scholar und Lerle, E., Proselytenwerbung u. Urchristentum 1960, dort 137–46Google Scholar die ältere Lit.; weiter Cullmann, O., ‘Der eschatologische Charakter des Missionsauftrags u. des apostolischen Selbstbewußtseins bei Paulus’, in: Vorträge u. Aufsätze 19251926, 1966, 305–36 (franz. Fassung: R.H.Ph.R. XVI, 1936, 210–45)Google Scholar; ‘Eschatologie u. Mission im NT’, op. cit. 348–60 (E.M.M. LXXXV, 1941, 98–108); ‘Samarien u. die Anfänge der Christlichen Mission’, op. cit. 232–40 (franz. Fassung: Annuaire de lˇÉcole Pratique des Hautes-Éludes, 19531954, Sect. des sc. rel., 1953, 312)Google Scholar; Schlier, H., ‘Die Entscheidung für die Heidenmission in der Urchristenheit’, in: Die Zeit der Kirche, 1956, 90107Google Scholar; Schille, G., ‘Anfänge der christlichen Mission,’ K.u.D. xv (1969), 320–39.Google Scholar

3 Das Verständnis der Mission im Neuen Testament, W.M.A.N.T. XIII, 1963; Georgi, D., Die Gegner des Paulus im w. Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike, W.M.A.N.T. XI, 1964Google Scholar; Bieder, W., ‘Gottes Sendung u. der missionarische Auftrag der Kirche nach Mt., Lk., Pl. u; Joh.,’ Th.St. (B) LXXXII, 1965,;Google ScholarSchille, G., Anfänge der Kirche. Erwägungen zur apostolischen Frühgeschichte, B.Ev.Th. XLIII, 1966Google Scholar; ders., Die urchristliche Kollegialmission, A.Th.A.N.T. XLVIII, 1967Google Scholar; Kasting, H., Die Anfänge der urchristlichen MKission, B.Ev.Th. LV, 1969Google Scholar; Green, M., Evangelism in the Early Church, 1970.Google Scholar

4 Vgl. Conaltzelman, H., Geschichte des Urchristentums, NTD-Ergänzungsreih v, 1969Google Scholar, Hengel, dazu M., Ev.Komm. III (1970), 113 f.Google Scholar

5 Vgl. etwa Braun, H., Gesammelte Studien zum NT u. seiner Umwelt, 1962, 268 ff., 275 ff., 340 f.Google Scholar, dazu, die von, KritikKäsemann, E., Exegetizhe Versuche u. Besinnungen, II, 1964, 44 ff., 64Google Scholar f. und die Replik von H. Braun, op. cit. 349 f. Man sollte nicht übersehen, daß es neben der ‘theologischen Konstanz’ oder ‘Kontinuität’ auch eine ‘Kontinuität des historischen Geschehens’ gibt; sie manifestiert sich in erster Linie in dem überraschenden Phänomen der früchristlichen Mission.

6 Ep.x.96,8–10. Dem Missionseifer entspricht—trotz vieler lapsi—die Beharrlichkeit im Clauben: ‘pertinaciam certe et inflexibilem obstinationem debere puniri’ (10, 96, 3). Freudenberger, Zum Ganzen S. R., ‘Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jh.,’ Münchener beiträge... LII, 1967,Google Scholar dazu Bickermann, E. J., Rivista die Filologia XCVI (1968), 290315,Google Scholar der auf Ep. 10, 117 und Ulpian, Dig. I, 18, 13, pr. hinweist und betont: ‘the Christian question (d. h. vor allem die aktive christliche Mission) disturbed the quiet of the province of Asia’ (301). Pöhlmann, W., Th.L.Z. XCV (1970), 43Google Scholar zeigt die sprachlichen Zusammenhänge mit dem Liviusbericht über den—aus der dionysischen ‘Mission’ hervorgehenden—Bacchanalienskandal in Rom: 39, 16, 6: prava religio; 39, 9, 1: Huiuus mali labes…Roman veluti contagione morbi penetravit.

7 Ann. 15, 44 f.; dazu Freudenberger (A. 6), 108–4; H. Fuchs, in:Tactitus, hg. v. Pöschl, V., Wege der Forschung XCVII, 1969, 558604.Google Scholar

8 Nero 16, 2.

9 Claudius 25, 4; vgl. Apg. 18, 2; Orosius, hist. contra pag. 7, 6, 15 f.; Dio Cassius 60, 6, 6 f. dazu Leon, H. J., The Jes of Ancient Rome, 1960, 23–6;Google Scholar H. Fuchs (A. 7), 566 f. 594 A. 7; Benko, S., ‘The Edict of Claudius,’ Th.Z. XXV (1969), 406–18Google Scholar, dort die neueste Lit., seine Lösung, Chrestus sei ‘an extremist (‘zealot’) leader’ in der jüdischen Gemeinde in Rom gewesen, ist jedoch sehr unbefriedigend. Der Name Chreston erscheint weder bei den juden in Ägypten (s. CPJ III, 195) noch in Rom (CIJ I, 617) noch bei Josephus.

10 Freudenberger (A. 6), 192 f.; vgl. Hengel, M., Judentum, u.Hellenismus, , W.U.N.T. x, 1969, 475Google Scholar A. 25. Die ‘aägyptische Religion’ trat vor allem in dem erfolgreichen Isikult in Erscheinung. Zum römischen Verständnis von Judentum und Isiskult als abergläubisch-betrügerischen Missionsreligionen s. Jos., Ant. 18, 65–84, dazu Moehring, H. R., Nov. Test. III (1959), 293304Google Scholar. Zur sogenannten Isismission s. Morenz, S., Z.D.M.G. CXI (1961), 432–6.Google Scholar

11 Diese Datierung ergibt sich aus Apg. xviii. 1–17 und der Gallioninschrift, jetzt leicht erreichbar bei E. M. Smallwood, Documents Illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero, 1967, Nr. 376, vgl. Plassart, A., RÉG, LXXX (1967), 372–8.Google Scholar

12 Rö. x. 18 nach Ps. xviii. 5 (LXX); vgl. Apg. i. 8; xiii. 47 (Jes. xiii. 6); Mk. xiii. 10; Mt. xxviii. 19; I. Tim. iii. 16; hier handelt es sich durchweg um nachpaulinische Traditionen. Das Subjekt des Zitats meint für Paulus nicht die Himmel wie im Psalter, sondern die Botschaft der εύαγγελιзόμενοι άγαθά von V. 15 (s. O. Michel, Der Brief an die Röer, 41966, z. St.), deren vornehmster er selbst ist, u. A. 26.

13 Rö. xv. 19, 23 ff., 28 f.; vgl. Gal. i. 21; Rö. xvi. 5; I. Kor. xvi. 5, 19; 2. Kor. i, 16; Phil. iv. 15; 1. Thess. i. 7 f. u. ö.

14 Apg. xviii. 11; xix. 10; xx. 31 vgl. I. Kor. xvi. 8.

15 Syrien und Clilicia campestris (mit Tarsus) bildeten von Augustus bis zu den Flaviern eine römische Provinz, The Cambridge Ancient History, x, 279. 621; D. Magie, Roman Rule in Asia Minor, II, 1950, 1419 f. A. 68. 1439 f. A. 27. Daraus erklärt sich der Sprachgebrauch des Paulus Gal. i. 21. Er muß nicht im Gegensatz zu Apg. 9, 30 und 11, 25 f. stehn.

16 Gal. i. 21; ii. 1 vgl. Apg. xi. 25 f. In Apg. xiii und xiv hat Lk vermutlich ein aus der Antio chiaquelle stammendes Itinerar verarbeitet (s.u. A. 37).

17 Einen typischen Fall einer ‘unkritischen Actakritik’ finden wir in E. Haenchens Auslegung von Apg. xv (Die Apg., 61968), wo er zunächst S. 405 dekretiert: ‘Historischen Wert…besitzt die lukanische Darstellung des Apostelkonzils nicht’, dann aber im Folgenden immer wieder Gal. ii, 1–10 von Voraussetzungen her auslegt, die wir nur durch Apg. xv kennen: ‘Der Name “Antiochia’ fällt im ganzen Abschnitt Gal. ii, 1–10 nicht, er begegnet uns erst ii,11 in einem andern Zusammenhang. Trotzdem besteht Zweifel darü, daß Paulus wirklich von Antiochia nach Jerusalem “hinaufzog”. Das beweist indirekt sein Reisegemeinschaft mit Barnabas…’ (406, Hervorhebung von mir) —beides wissen wir nur aus Apg. xv. 2! Erfreulich sachlich ist dagegen die Darstellung von H. Schlier (Der Brief an die Galater, 121962) in dem Exkurs 105–17: ‘eine deutliche Übereinstimmung in entscheidenden Momenten’ (115). Lk. berichtet hier auf Grund seiner antiochenischen Quelle ohne Kenntnis der paulinischen Stellungnahme in Gal. ii. 1 ff. Die Reden sind redaktionell, enthalten aber als historischen Kern die positive Übereinkunft über die Gesetzesfrage und die Beschneidung. Unvereinbar sind beide Berichte im Blick auf das Aposteldekret. Hier dürfte Lk eine spätere, lokale Abmachung, die möglicherweise mit Gal. 2, 11 ff. zusammenhaängt, eingetragen haben. Vgl. Kümmel, W. G., Heilsgeschehen u. Geschichte, 1965, 278–88.Google Scholar

18 ‘Paulus u. die Weisheit’, N.T.S. XII (1965/1966), 231–44Google Scholar. Der erste Brief an die Korinther, 1969, 21 f.; Paulus ‘eliminier (e)’ wie die jüdische Weisheit ‘den Zeitfaktor’ (21) (vgl. jedoch Gal. iv. 3 f.; iii. 19 ff.; Rö. v. 20; xiii. 11 ff. u. a.). Dagegem wird S. 80 zugegeben, ‘daß “Weisheit” und Apokalyptik ineinander übergehen’. Es ist mir darum unverständlich, warum der ‘Weisheitslehrer’ Pauulus als solcher nicht zugleich auch ‘Apokalyptiker’ gewesen sein soll, freilich auf Grund der άποκάλυψις'Ιεσο$$$Χρστο$$$ (Gal. i. 12) in einer neuen, die alten jüdischen Schemata durchbrechenden Weise. Dazu Stuhlmacher, P., ‘Gegenwart u. Zukunft in der paulinischen Theologie,’ Z.Th.K. LXIV (1967), 423–50Google Scholar und Kümmel, W. G., Die Theologie des Neuen Testamentes nach seinen Haupt zeugen, NTD-Ergänzungsreihe 3, 1969, 126–34Google Scholar. Vgl. schon E. Käsemann (A. 5), 244: ‘daß die gesamte Mission des Paulus durch die Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Welten des bestimmt war’. Freilich muß dieses ‘unmittelbar bevorstehen’ noch näher interpretiertwerden, dazu s.u.S. 20f. Zum Verhältnis von Apokalyptik und Weisheit s. M. Hengel (A. 10), 375 f.

19 ‘Das Geschichtsverständnis des Paulus’, B.Ev.Th. XLIX (1968), 291 ff. 390Google Scholar ff: ‘Die Heidenmission wird von Paulus nicht auf die Parusie bezogen. Paulus versteht sich nicht als Vorläufer der Parusie und meint nicht, durch rasenden Lauf mit dem Evangelium um (?) die Welt die Parusie beschleunigen oder aufhalten zu können’ (390 f). Dadurch, daß das Schwergewicht der Diskussion bisher auf der schwierigen und möglicherweise deuteropaulinischen Stelle 2. Thess. ii. 6 f.—dazu O. Cullmann (A. 2)üler H. Kasting (A. 3), 107 f., der freilich ebenfalls einen Zusammenhang zwischen paulinischer Mission und Parusie ablehnt. Er übersieht, daß“die Fülle der Heiden” Rö. xi. 25 und die geplante Reise nach Spanien Rö. xv. 24, 29—d. h. ans Ende der damals bekannten Welt–in einem inneren Zusammenhang stehen. I. Clem. v. 7 verbindet völlig zu Recht die Spanienereise έπί τό τέρμα τῆς δύσες έθών mit dem vorausgehenden δικαιοσύνην διδάξας $$$;λον τόν κόσμον.

20 Zur Deutung dieser Stelle in der Auseinandersetzung mit Luz s. den Beitrag meines Kollegen Stuhlmacher ‘Zur Interpretation von Röm. xi. 25–32’, der in der Festschrift für G. v. Rad zu dessen 70. Geburtstag erscheinen wird und ebenfalls die Bezogenheit von paulinischer Mission und Parusie betont. Völlig abwegig ist die Vermutung von Chr. Plag, , ‘Israels Wege zum Heil,’ A.Th. I, 40, 1969, 41, 44 f., 60 f., 65 f.Google Scholar, daß es sich bei Rö. xi. 25–7 um einen sekundären Einschub handle, der aus einer älteren paulinischen Schrift stamme, s. die Kritik von Stuhlmacher, op. cit. undSchenk, W., Th.L.Z. XCV (1970), 425Google Scholar f. Zur Sache auch Munck, J., Paulus u. die Heilsgeschichte, 1954, 39 ff.Google Scholar; seine Befürchtung, πλέρωμα=Vollzahl bedeute ‘eine Prädestinationslehre mechanischen Charakters’ (40) ist jedoch unbegründet. S. außer den be Michel, O., Der Brief an die Römer, 12 1963, 280Google Scholar angegebenen Parallelen auch die rabbinischen bei Zobel, M., Gottes Gesalbter, 1938, 115 f.Google Scholar

21 daß Rö. xv. 16 mit der Kollekte und ihren Überbringern (15, 26 ff. vgl. Gal. ii. 10) zu verbin den sei, wie Georgi, D., ‘Die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem,’ Th.F. XXXVIII (1965), 85Google Scholar annimmt, ist unwahrscheinlich; dagegen U. Luz (A. 19), 391 f., der freilich die eschatologische Ausrichtung dieser Stelle verkennt: der Opferdienst des Paulus als Missopmar geht so lange, bis die ‘Vollzahl der Heiden’ erfüllt ist. Vgl. auch J. Munck (A. 20), 41 ff., der xv. 16 mit xi. 25 und xv. 18 verbindet (43). Zur ‘Vollzahl’ der Erwählten s. I Clem. LIX, 2.

22 Darum ist die polemische Verzeichnung der endzeitlich bedingten Mission des Paulus, nach der dieser ‘als rasender Reporter des nahen Endes durch die Lande eilte’—so Conzelmann, ‘Paulus u. die Weisheit’ (A. 18), 233—ungerechtfertig. Ähnlich Kasting (A. 3), 107 A. 121 mit Hinweis auf die ältere Lit. Dieses Zerrbild ist nicht zuletzt durch die Eigenart der—nichteschatologischen—Darstellung der paulinischen Mission durch Lk entstanden. Paulus wollte Gemeinden gründen, die Bestand hatten: nur so war sein προσϕορά τῶν έθνῶν Gott wohlgefällig (vgl. I Kor. ix. 2; 2. Kor. iii. 2; xi. 2; I. Thess. ii. 19 f.). Das konnte nicht in ‘merkwürdiger Hast’ stellt die Frist dar, während derer sich die Sendung des Evangeliums an die Heiden vollzieht’ (106). Zustimmend Stuhlmacher, P., Das paulinische Evangelium, I, F.R.L.A.N.T. xcv (1968), 252 f.Google Scholar (bes. A. 2). Mk. 13, 10 knüpft so an eine paulinische Vorstellung an, vgl. O. Cullmann (A. 2), 356: Rö. 9–11 ‘sind geradezu ein Kommentar zu dem Wort Mk.13, 10’.

23 Vgl. dazu Hempel, J., ‘Die Wurzeln des Missionswillens im Galauben des At,’ Z.A.W. LXVI (1954), 244–72Google Scholar, besonders 255 ff. zu Jes. ii. 2 ff. = Micha iv. 1 ff. Zum daraus resultierenden Gedanken der ‘Völkerwallfahrt’ vgl. 4QDibHam Col. IV, 7 ff., Baillet, M., R.B. LXVIII (1961), 204 ff.Google Scholar, 220; weiter Bill. v, 882. 908 (x): Ps. Sal. xvii. 31; 4. Esra xiii. 12 f. u.a. Für das hellenistische Judentum Philo, de praem. et poen. Vgl. etwa auch Cicero, de nat. deot. I. 119 über Eleusis: ubi initiantur gentes orarum ultimae. Zur Sache s. E. Jäsemann (A. 5), 244; F. Hahn (A. 3), 91. 93. Ob man freilich die ‘Völkerwallfahrt’ mit der Kollekte in Verbindung bringen darf, halte ich für fraglich. Zusammenfassend jetzt P. Stuhlmacher (A. 22), A. 29.

23a Dieser eschatologische Vorrang der Heidenmission muß den vielfachen Nachrichten der Apg., daß PI zunächst die Synagogen aufgesucht habe, nicht grundsätzlich widersprechen. Dort fand Paulus die ‘Heiden’, bei denen er am meisten Erfolge hatte und die er darum in erster Linie ansprechen konnte, die ‘Gottesfürchtigen’ (s. u. A. 49), weiter fand er auch gemäß der Struktur der Diasporagemeinden vorläufige Unterkunft und Arbeitsvermittlung (Apg. xiv. 16f.; xvii. 4 f.; xviii. 2 ff. u. ö.). Zu den jüdischen Synagogen als Herbergen und Stätten der Arbeitsvermittlung s. M. Hengel, Die Synagogeninschrift von Stobi, Z.N.W. LVII (1966), 171Google Scholar f. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert hatten die jüdischen Diasporasynagogen noch vielfältige profane Funktionen.

24 Möglicherweise ist später Petrus-Kephas selbst—unter dem Eindruck des von Paulus in Rö. x. 3, 16; xi. 6 f. u. ö. geschyilderten und auch in der nichtpaulinischen römischen Gemeinde kaum bestreitbaren Mißerfolgs der Judenmission—trotz Gal. ii. 7–9—mehr und mehr zum Heidenmissionar geworden. Auf diesen Sachverhalt könnte I. Kor. i. 12; iii. 10 ff., 22 hinweisen. Sollten vielleicht gar die Gegner des Paulus in w. Kor. Sendboten der Petrusmission sein? Dann könnte sich das mit. Gal. ii. 6 verwandte 2. Kor. xi. 5 auf die Autoritäten im Hintergrund, xi, 13 aber auf die Sendboten selbst beziehen. Auch der Streit u das Missionsgebiet x. 13 ff. vgl. Rö. xv. 20 würde sich dadurch besonder gut erklären, ebenso die Tatsache, daß Paulus seine Gegner in der Anonymität beläßt. Freilich kommen wir hier über Vermutungen kaum hinaus. Eine Beziehung des Petrus zur Heidenmission zeigt auch die Missionslegende Apg. x. I-xi. 18, wo er zu ihrem eigentlichen Begründer gemacht wird, s. u. A. Vgl. Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt u. geistliche Vollmacht…, B.H.Th. XIV, 1953, 20 f.Google Scholar

25 Darum verfängt auch das Argument Knox, von J., J.B.L. LXXXIII (1964), 6 ff.Google Scholar, Conzelmann (A. 18), 233 A. 8 und Luz (A. 19), 391 a. o. nicht, daß Paulus über ein Jahrzehnt in einem relative kleinen Missionsgebiet gearbeitet habe. Die parusiebezogene absolute Vorrangstellung der Heidenmission gegenüber der Judenmission hat sich bei Paulus erst allmählich durchgesetzt. Sie war im ersten Jahrzehnt seines Wirkens noch nicht voll entwickelt. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß Paulus (und die Hellenisten) sich so lange auf diesen engen Raum beschränkten, weil die Parusie damals noch in unmittelbarster Nähe erwartet wurde, so daß keine Frist för eine weltweite Mission blieb.

26 I. Kor. xv. 10; vgl. 2. Kor. xi. 5, 22 ff.; Rö. i. 1, 5, 13; Gal. i. 15 f.; Apg. ix. 15.

27 Rö. xv. 20, 23 f.; vgl. 2. Kor. x. 13 ff.

28 ‘Zum Selbstverständnis des Apostels Paulus’, Th.L.Z. XCI (1966), 321–30.Google Scholar

29 Op. cit. 330; 2. Zitat aus Begrich, J., Studien zu Deuterojesaja (1938), 152Google Scholar. Vgl. E. Käsemann 9a. 50, 244: ‘Paulus selber ist jedoch auf diesem Weg und Umweg nichts anderes, als der Täufer Johannes von sich behauptet hatte, nämlich der Vorläufer des Weltendes’. Man trägt hier moderne Psychologie ein, wenn man mit Kasting (A. 3), 108 meint, damit werde ‘ein überdimensionales Selbstbewußtsein des Paulus postuliert’. Das ‘Selbstbewußtsein’ des Paulus hat mit dem moderner Theologen herzlich wenig gemein. Wir sollten seine Fremdheit ruhig zugeben. Vgl schon Bousset, W., Kyrios Christos 2 1921 (Nachdr.1965), 118p fGoogle Scholar. und Reitzenstein, R., Die hellenistischen Mysterienreligionen, 3 1927, 333–93Google Scholar über ‘Paulus als Pneumatiker’, die diese Fremdheit sehr klar erkannten.

29a Dazu Windisch, H., Paulus u. Christus, U.N.T. XXIV (1934)Google Scholar, der freilich durch die einführung der fragwürdigen Kategorie des θείος άνθρωθος beide Gestalten zu sehr ‘hellenisiert’.

30 Apg. xi. 15 f.; xxiv. 15, 21 und besonders xxvi. 16 ff. Zur Deutung der ‘Sendung des Paulus’ in der Apg. O. Betz, ‘Die Vision des Paulus’, in Verborum Veritas, Festschrift G. Stählin, 1970, 113–23. Vor allem xxvi. 16 ff. Herührt sich, ähnlich wie Gal. i. 15 f., mit alttestamentlichen Profetenberufungen, vgl. schon J. Munck (A. 20), 20 ff.

31 Jeremias, J., ‘Paulus als Hillelit’, in Neotestamentica et Semitica, Studies in Honour of Matthew Black, 1969, 8894.Google Scholar

32 Dazu Stuhlmacher, P., ‘Das Ende des Gesetzes’. Über Ursprung u. Ansatz der paulinischen Theologie, Z.Th.K. LXVII (1970), 1439Google Scholar; ‘Die Paulus zuteil gewordene Epiphanie des Gekreuzigten als des Gottessohnes in der Herrlichkeit des Auferstandenen ist also das ihm zur Weitergabe mitgeteilte Evangelium selbst’ (27, Hervorhebung von mir). Vgl. schon Wilckens, U., Z.Th.K. LVI (1959), 274Google Scholar, ‘daß er das Ereignis…nicht so sehr als seine eigene, individuelle Bekehrung zum christlichen Glauben, sondern vielmehr als Berufung zum Apostel versteht’ (Hervorhebung vom Vf.; zit. bei Stuhlmacher 20 A. 15). Ähnlich W. G. Kümmel (A. 18), 133 f.

32a Zu Paulus als dem ‘ersten Theologen’ s. G. Ebeling, RGG3 VI, 760 f.; vgl. schon Wrede, W., Paulus, , R.V.I. V/VI, 1904, 48Google Scholar: ‘Die Religion des Apostels selbst ist durchaus theologisch, seine Theologie ist seine Religion’.

33 Eine Darstellung der jüdischen Mission wäre ein dringendes Desiderat. Die Zusammenfassung bei Kasting (A. 3), 11–32 ist in keiner Weise ausreichend. Zu Hillel s. o. A. 31 und Glatzer, N. N., Hillel—Repräsentant des Klassischen Judentums, 1966Google Scholar, besonders 75 ff. Zu seiner Schule M. Hengel (A. 10), 142, 149.

34 Zu den griechischsprachigen Diasporasynagogen in Jerusalem s. Apg. vi. 9; Bill. ii, 661 ff. und die Theodotosinschrift CIJ II, 1404.

35 Ein Gesetzesstudium, wie es Paulus Gal. i. 13 f. und Phil. iii. 5 f. beschreibt, war vor 70—gerade für den ‘Diasporapharisäer’—nur in Jerusalem möglich. Das Studium außerhalb des Landes Israel war verpönt, solange es in Palästina selbst Studienmöglichkeiten gab. (s. u. A. 46). Die Nachrichten von der Beteiligung des Paulus an der Stephanusverfolgung in Apg. vii. 58; viii. 3; ix. 1 haben—mögen sie auch z. T. übertrieben sein—einen historischen Kern. Gal. i. 22 darf keinesfalls dagegen ausgespielt werden. Paulus war dem von der Verfolgung nicht betroffenen und daher nicht vertrie benen aramäischsprechenden Gemeindeteil wirklich unbekannt.

36 Gal. ii. 8. Während wir über eine angebliche Mission des Paulus in ‘Arabien’ bzw. bei den Nabatäern nichts aussagen können, zumal die Dauer dieses Aufenthalts unbekannt ist, muß er spätestens nach seiner Rückkehr nach Damaskus (Gal. i. 17) dort missioniert haben, den nach Gal. i. 23 hören die Gemeinden in Judäa—vermutlich im Zusammenhang mit seinem Besuch in Jerusalem ca. 2/3 Jahre nach seiner Berufung—, ότι ό διώκων ήμᾶς θοτε νῦν εύαγγελίзεται τήν θίοτιν ήνθοτε ήπόρθει. Eine solche missionarische Tätigkeit würde auch seine 2. Kor. xi. 32 f. und Apg. ix. 24 f. berichtete Flucht aus Damaskus erklären.

37 Für die Petrusquelle s. Apg. x. I-xi. 18, für die ‘Hellenisten’—bzw. Antiochiaquelle Apg. viii. 5 ff., 26 ff.; xi. 19 ff. Die Lösung der Quellenfrage bei Haenchen, die Apg., 61968, 72–80 bleibt unbefriedigend, die Vermutung, Lk sei als Nachrichtensammler herumgereist (77f.), ist zu phantasievoll. Zum Problem Dupont, J., The Sources of Acts, 1964.Google Scholar

38 Vgl.Mt. xxviii. 19 ff.; Mk. xvi. 15 (s. auch den 2. Mk-Schluß der codd. L ψ u. a.); 1. Clem. 42 und die vielen späteren Nachrichten bei Hennecke-Schneemelcher, , Neutestamentliche Apokryphen, II, 3 1964, 17 ffGoogle Scholar. Die Missionsgeschichte des Lk widerspricht der üblichen früblichen frühkatholischen Schematisierung. Vgl. etwa mit der lukanischen Darstellung den Bericht über Petrus und Paulus I, Clen. 5, 4–7, dazu Beyschlag, K., ‘Clemens Romanus u. der Frühkatholizismus,’ B.H.Th. XXXV, 1966, 225–99Google Scholar, wobei selbst hier noch historische Reminiszenzen durchschimmern (s. o. A. 19). Bezeichnend ist, daß Lk die Missionsreisen des Petrus außerhalb Palästinas, von denen er sicher wußte, extrapoliert und die Petrusquelle mit dem rätselhaften xii. 17 abbrechen läßt. Er war an Paulus ungleich mehr interessiert als an Petrus und den Zwölfen, die für ihn vor allem die Vermittlung zwischen Jesus and Paulus herstellen und nach Apg. viii, x, xi und xv die Heidenmission des Paulus vorbereiten und legitimieren müssen. Klein, G., Die zwölf Apostel, F.R.L.A.N.T. LXXVII, 1961Google Scholar stellt diesen Sachverhalt auf den Kopf. daß Lk Paulus (und Barnabas) mit Ausnahme von Apg. xiv. 4 und 14 (Quelle!) nie Apostel nennt, ist vom lukanischen Standpunkt aus ein Akt ‘historischer Kritik’ an einer verbreiteten kirchlichen (Past, 1. Clem) Überlieferung. Die Paulusbriefe waren ihm sicher unbekant. Diese ‘historisch-kritische’ Eingrenzung des Aposteltitels ändert nichts an der Tatsache, daß genuine ‘Apostel’ in den vorbereitenden Dienst der für Lk entscheidenden paulinischen IUdealmission gestellt werden. Der Auftrag des Auferstandenen Apg. i. 8 wird nicht durch sie, sondern durch den paradigmatischen ‘Zeugen’ (xxii. 15; xxvi, 16) Paulus vollendet! Etwas anderes ist, daß Lk die Spezifika paulinischer Theologie ‘einnivelliert’. Aber bei welchem großen Theologen hätten Schüler nicht Ähnliches getan? Vgl. jetzt anch C. Burchard, Der dreizehnte Zeuge, F.R.L.A.N.T. CIII, 1970.

38a Vielleicht könnte man sagen, daß Lk die Konsequenzen aus der eschatologischen ‘Fristverlängerung’ zog, die sich aus dem paulinischen Missionskonzept ergeben mußte und die bereits Mk. xiii. 10 andeutet. Die Missionsaufgabe ist nicht mehr abzusehen und verdrängt die Naherwartung.

39 Die ausführliche Darstellung von J. Bihler, ‘Die Stephanusgeschichte’, M.Th.S. 1, XVI, 1963 befriedigt deshalb nicht, weil hier grundsätzlich nicht mehr historisch hinter die lukanische Redaktion zurückgefragt wird, da die Tradition—falls überhaupt welche vorlag—ganz in der Komposition aufgegangen sei (249). Lk wird im Grunde zum theologischen Romanschriftsteller. Falls an dieser Tendenz festgehalten wird, verschwindet die ganze Frühgeschichte des Urchristentums in nebulosem Dunkel, einschließlich des historischen Hintergrunds der Paulusbriefe (s. o. A. 11a). Ein Vergleich der ang mit den apokryphen Apostelromanen zeigt jedoch den grundsätzlichen Unterschied dieserSchrift gegenüber späteren Machwerken. Gewisse Passagen Lassen sich zudem historisch an Hand von anderen Quellen Kontrollieren. Die neueste Untersuchung von Scharlemann, M. H., Stephen: A Singular Saint, 1968Google Scholar fällt dagegen hinter eine kritische Betrachtung des Textes zurück ins andere Extrem. Beachtenswert ist jedoch sein Aufweis samaritanischer Parallelen in der Stephanusrede, der zeigt, daß Lk hier ältere Tradition verwendet haben muß. Der Bericht des Lk vom Streit in der Gemeinde und die Motivierung der Stephanusverfolgung widersprechen insgesamt der lukanischen, harmonisierenden Tendenz, sie besitzen einen guten historischen Kern: Die Kritik an Tempel und Gesetz in der Verkündigung der christlichen ‘Hellenisten’ führte zu einer gewaltsamen Gegenreaktion ihrer pharisäisch orientierten Hörer aus den griechischsprachigen Diasporasynagogen, s. o. A. 34. Völlig unbegründet ist die Meinung von Vielhauer, Ph., ‘Aufsätze zum N.T.,’ Th.B. XXXI, 1964. 144Google Scholar ‘das hellenistische Judenchristentum (sei)...ebenso alt wie die aramäisch sprechende Urgemeinde und von ihr unabhängig’, s. u. A. 42/43.

39a s. M. Hengel (A. 10), 563 f., 569 f.

40 Apg. viii. 4–24 vgl. Joh. iv. 35–42, dazu O. Cullmann (A. 2). Zur Beurteilung der Samaritaner s. Bill. I, 538 ff.; II, 525; III, 313; IV, 333, 1183 f. und M. Hengel (A. 48a), 19, 38 f.; vgl. Jeremias, J., Jerusalem zur Zeit Jesu, 3 1962, 387 ff.Google Scholar; Th.W. VII, 91 ff. S. auch u. A. 50a.

41 Apg. viii. 26, 40 (vgl. xxi. 8 f.) werden im Zusammenhang mit der Philippusmission die überwiegend heidnischen Städte Gaza, Asdod und Caesarea genannt, während Petrus ix. 32, 43 die überwiegend jüdischen Orte Lydda und Joppe besucht. Das ist kein Zufall. Vgl. weiter viii. 4; ix. 2; xi. 19 ff.; xxi. 4, 7.

42 Einen galiläischen Anfang der Heidenmission vertrat schon Boobyer, G. H., ‘Galilee and Galileans in St Mark's Gospel,’ B.J.R.L. xxxv (1952/1953), 334–48Google Scholar; Schmithals, W., Paulus u. Jakobus, F.R.L.A.N.T. 85, 1963, 929Google Scholar vermutet gar eine Herkunft der gesetzeskritischen ‘Hellenisten’ aus Galiläa. Dies widerspricht völlig der von Josephus geschilderten fanatisch zelotischen Haltung der Galiläer. In Galiläa herrschte die typische chauvinistische ‘Grenzlandsituation’ mit ihrem Fremdenhaß. Alt, Dazu A., Kleine SchriftenII, 3 1964, 422 f., 428 f., 436 ffGoogle Scholar. Vgl. auch Schille, G., Anfänge (A. 3), 137 ff., 149 ff., 159Google Scholar ff.; ders., Ku. D. xv (1969), 332 ff.Google Scholar; H. Kasting (A. 3), 89 ff. und Kertelge, K., Die Wunder Jesu im Markusevangelium, S.A.N.T. XXIII, 1970, 185Google Scholar. Mit Recht dagegen Hahn, F., ‘Der urchristliche Gottesdienst,’ St.B. XLI, 1970, 47 f.Google Scholar, A. 5 und W. G. Kümmel (A. 18), 111, f. Die zentrale Bedeutung Galiläas bei Mk und im Anschluß an ihn bei Mt und Lk hängt nicht mit der Rolle der späteren ‘galiläischen Gemeinden’ zusammen, sondern damit, daß Jesu Wirksamkeit ganz überwiegend auf Galiläa konzentriert war. Die für Galiläa wesentliche Rolle der Herrnverwandten Iäßt eine eigene galiläische ‘Heidenmission’ als sehr unwahrscheinlich erscheinen. Auch Mk selbst enthält keine wirklichen Anzeichen dafür.

43 Zur Rolle des Petrus s. o. A. 24. Wellhausen, J., ‘Kritische Analyse der Apg.,’ AGG ph.-h. KI., N.F. xv, 2 (1914), 14Google Scholar verbindet unter Hinweis auf Joh. 12, 20 ff. den Apostel mit dem Evangelisten Philippus, vgl. auch Bishop, E., ‘Which Philip?,’ A.Th.R. XXVIII (1946), 154–9Google Scholar. Derartige ‘Übertritte’ wurden möglich, weil es in Palästina eine große Zahl von zweisprachigen ‘Graecopalästinern’ gab, s. M. Hengel (A. 10), 193 f. Sie bildeten das verbindende Glied zwischen beiden Gemeindegruppen.

44 Vgl. P. Stuhlmacher (A. 22), 251 f. A. 2 gegen Schrage, W., ‘Ekklesia’ u. ‘Synagoge,’ Z.Th.K. LX (1963), 196 ffGoogle Scholar. und F. Hahn (A. 42), 50 f. Hahn übersieht den Vorrang der ethischen Gebote und die weitgehende ethische oder spiritualistisch-allegorische Interpretation der rituellen Gebote in den Lehrschriften des Diasporajudentums wie Ps. Aristeas, 4. Makk, Ps. Phokylides, aber auch bei Philo und bei Josephus (s. z. B. den Proselytenkatechismus c. Ap. 184–219). Daß diese Betrachtungsweise selbst der Schule Hillels in Palästina nicht unbekannt war, zeigen die berühmte Antwort Hillels gegenüber einem angehenden Proselyten Schab 31 (Bill. I, 460) und die Verteidigung des Gebotes von der Asche der roten Kuh durch Jochanan b. Zakkai NuR 19, 8, dazu A. Schlatter, Jochanan ben Zakkai…, in: Synagoge u. Kirche bis zum Barkochba-Aufstand, 1966, 206Google Scholar vgl. 197 ff. Das Aufhören des Opferkultes in der messianischen Zeit wurde selbst von einem palästinischen Tannaiten vertreten, s. Bill. IV, 885, 936 f.

45 Zur Zwei-Wege-Lehre Klein, s. C., Der älteste christliche Katechismus u. die jüdische Propaganda-Literatur, 1909Google Scholar; Seeberg, A., Der Katechismus der Urchristenheit, 1903Google Scholar, Nachdr, . Th.B. XXVI, 1966, 144Google Scholar. Audet, J.-P., La Didachè, Instructions des Apôtres, 1958, 252357Google Scholar. Auffällig ist auch, daß die tägliche Rezitation des Dekalogs im Zusammenhang mit dem Schema'-Gebet ‘in der Zeit des Urchristentums aus polemischen Gründen wieder beseitigt worden (ist) ’, d. h. weil er im Urchristentum eine zentrale Rolle spielte, s. Elbogen, I., Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, Nachdr. d. 3. A. 1931, 1962, 242Google Scholar. Zur Bedeutung des Dekalogs im Urchristentum s. Stuhlmacher, P., Ev.Th. XXVIII (1968), 178 f.Google Scholar

45a Vgl.Barn. 2, 6. Vielleicht ist auch der rätselhafte νόμος (τῆς) έλευθερίας Jak. i. 25; ii, 12 als das von Ritualgesetz ‘freie’ reine Sittengesetz zu verstehen, das im ‘königlichen’ Liebesgebot (ii. 8) gipfelt, und das ganz gehalten werden muß.

46 Zu den jüdischen Rückwanderern s. das reiche Material der Grabinschriften von Beth-Schearim (2.-4. Jh. n. Chr.) und Jerusalem (ca. 50 v.–70 bzw. 135 n. Chr.), dazu M. Schwabe/B. Lifshitz, Beth She' arim, Vol. II: The Greek Inscriptions, 1967 und Sevenster, J. N., ‘Do You Know Greek?,’ Suppl. Nov. Test. XIX, 1968, 140 ff., 143Google Scholar ff. Bei einer größeren Zahl von Namen darf man annehmen, daß ihre Träger schon längere Zeit in Palästina ansässig waren, so bei der Theodotosinschrift (s. o. A. 34) in der 3. Generation, vgl. op. cit. 131 ff.; weiter Bill. II, 662 f.; zur vielfältigen Verdienstlichkeit ja Notwendigkeit des Wohnens im Land Israel s. Bonsirven, J., Textes Rabbiniques…, 1955, 740Google Scholar Index s. v. La terre d'Israël: §§ 302, 367, 536, 785, 1288, 1916, 2019, 2027 f.

47 Selbst die Schule Hillels, die hier noch am ehesten aufgeschlossen war (s. o. A. 33), blieb ganz der dem Diasporajuden in der Regel fremden extremen Gesetzeskasuistik verhaftet, hatte doch ihr Begründer durch die alexandrinische Interpretationsmethode der 7 Middot diese auf einen neuen ‘wissenschaftlichen Stand’ gebracht, s. dazu J. Jeremias (A. 31), 92 ff.

48 Mk. vii. 15, dazu Merkel, H., Z.R.G.G. xx (1968), 340–63.Google Scholar

48a Vgl. die Tempelreinigung Mk. xi. 15–18, dazu Hengel, M., War Jesus Revolutionär?, Calwer Hefte 110, 1970, 15 f., 33 f.Google Scholar, weiter das Apg. vi. 14 aufgenommene Wort Jesu vom Niederreißen des Tempels Mk. xiv. 58 par. und Joh. ii. 19. In der Interpretation der Tempelreinigung Jesu Mk. xi. 17 durch das Doppeizitat aus Jes. lvi. 7 und Jer. vii. 11 könnte ein Theologumenon jener frühen judenchristlich-hellenistischen Gruppe erhalten sein.

49 Zu den ‘Gottesfürchtigen’ s. jetzt Bellen, H., J.A.C. VIII/IX (1965/1966), 171–6Google Scholar; Lifshitz, B., R.B. LXXVI (1969), 96Google Scholar und Journal for the Study of Judaism, I (1970), 7784Google Scholar auf Grund neuer inschriftlicher Belege. Für das NT s. Romaniuk, K., Aegyptus, XLIV (1964), 6691Google Scholar. Zur missionarischen Anknüpfung s. Apg. viii. 26 ff. (der Eunuch konnte nach Dtn. xxiii. 2 f. nicht Vollproselyt werden); x. 1 ff.; xiii. 16, 26, 43, 50; xvi. 14; xvii. 4, 17; xviii. 7. Lk schenkt diesem Kreis seine besondere Aufmerksamkeit, fast möchte man annehmen, daß er ihm selbst entstammte (vgl. o. A. 23 a).

50 Bill. II, 494–519 zu Joh. vii. 49; vgl. Büchler, A., Der galiläische ‘Am-ha’ areş des zweiten Jahrhunderts, 1906, Nachdr. 1968.Google Scholar

50a Ant. XII, 346 behauptet Josephus, alle jüdischen Übertreter der Speisegebote und Sabbatschänder seien zu den ‘Sichemiten’ geflohen. Vgl. o. A. 40.

51 W. Schrage (A. 44), 178–202; zur palästinischen Herkunft der Bezeichnung συναγωγή s. meinen in der Festschrift für K. G. Kuhn 1971 erscheinenden Aufsatz ‘Proseuche und Synagoge’.

52 Zur Mission der ‘Schule Hillels’ (s. o. A. 33) als ‘Verkündigung des Gesetzes’ vgl. Ab. i. 12b: ‘Sei ein Schüler Aharons, den Frieden liebend und dem Frieden nachjagend, die Geschöpfe (habberijjôt = die Menschen) liebend und sie zur Tora führend.’ Zu εύαγγέλιον als Missionsbegriff in der hellenistisch-judenchristlichen Gemeinde s. P. Stuhlmacher (A. 22), 245 ff.

53 Die Apg., 61968, 151 f. 212; vgl. 221. Dibelius, H. zitiert M., Aufsätze zur Apg., F.R.L.A.N.T. LX, 2 1953, 109Google Scholar. Ihm schließt sich D. Georgi (A. 3), 24 A. 62 an. Vgl. dagegen H. Conzelmann (A. 4), 32 ff., der mit Recht auf den Gegensatz zur Qumrangemeinde hinweist. Ähnlich auch Braun, H., Qumran u. das NT, I, 1966, 153Google Scholar; weiter H. Kasting (A. 3), 46 ff., 61 ff., 75 ff., 82 ff., der freilich als erstes Missionszentrum Galiläa annimmt, dazu o. A. 42 u. u. S. 31. Daß diese Mission rasch auf den Widerstand der Sadduzäer als den politischen Führern des Judentums stieß, ist selbstverständlich. Sie beherrschten das Synhedrium und hatten Jesus mit der Beschuldigung, ein politischer Aufruhrer zu sein, den Römern ausgeliefert. Später wird die alte Feindschaft durch die Verfolgung Herodes’ Agrippa I., der weniger mit den Pharisäern als mit dem sadduzäischen Adel im Bunde stand, und durch die Hinrichtung des Herrnbruders Jakobus und anderer Christen durch den sadduzäischen Hohepriester Hannas, S. d. Hannas der Leidensgeschichte, wieder akut. Der Bericht des Lk über die Verfolgung der Urgemeinde durch das sadduzäisch beherrschte Synhedrium ist so keine Erfindung; zur Sache s. Hengel, M., ‘Nachfolge u. Charisma,’ B.Z.N.W. XXXIV, 1968, 42 ffGoogle Scholar. Die Pharisäer wandten sich dagegen mit einer gewaitsamen Verfolgung nur gegen die Tora- und Ternpelkritik der Hellenisten, d. h. gegen torakritische Tendenzen. Erst nach 70 änderte sich diese Sachlage, dem entspricht die Verschärfung der antipharisäischen Polemik bei Mt.

54 Vgl. E. Lohse, Th. W. VII, 323 ff. Zum Erscheinen des Messias auf dem Zion s. Jos., Bell. VI, 285 f.; Or. Sib. v. 414, 420 ff.; 4 Esra xiii. 35 ff. und Bill. I, 151; IV, 873, vgl. dazu Mt. iv. 6 f. und Rö. xi. 26 (s. o. S. 17). Zum neuen, messianischen Jerusalem an der Stelle des alten s. Bill. III, 853; IV, 883 ff., 919 ff. Zur Völkerwallfahrt s. o. A. 23.

55 Hier liegt m. E. der Ursprung der Pfingsttradition Apg. 2. An diesem Fest traten die Jünger Jesu in Jerusalem zum ersten Mal missionarisch an die öffentlichkeit. Diese Überlieferung erhieltdann später durch das ‘Sprachenwunder’ eine universalistische Ausdeutung. Zum Ganzen s. G. Kretschmar, ‘Himmelfahrt u. Pfingsten’, Z.K.G. LXVI (1954/1955), 209–53.Google Scholar

56 Grundlegend nach wie vor Rengstorf, K. H., Th. W. I, 406444Google Scholar; dazu Roloff, J., Apostolat — Verkündigung — Kirche, 1965Google Scholar; W. G. Kūmmel (A. 18), 118 ff.; vgl. auch die kritische Bemerkung zu Beginn der guten Darstellung von H. Kasting (A. 3), 61: ‘ein Feld, das in der Forschung erheblich umstritten ist und auf dem viele Hypothesen ihre phantasievollen Blüten treiben’. Daß der Konsensus, der sich in den dreißiger Jahren anbahnte, nach dem Kriege in Deutschland wieder völlig zerbrach, beruht wenigstens zum Teil auf der Verwilderung exegetischer Methoden. VgI. jetzt Kertelge, K., B.Z., N.F. XIV (1970), 161–81 (Lit.).Google Scholar

57 S. die Analyse der Aussendungstraditionen bei H. Kasting (A. 3), 34–52, vgl. auch H. Conzelmann (A. 4), 26 ff.

58 Mt. xxviii. f.; Mk. xvi. 15 (vgl. auch den Befehl an die Frauen, 16, 7 f., welcher ebenfalls eine konkrete ‘Sendung’ beinhaltet, der sie jedoch aus Furcht nicht entsprechen, dazu Hengel, M., in Abraham unser Vater, Festschrjft O. Michel, A.G.S.U. 5, 1963, 252 ff.Google Scholar); Lk. xxiv. 46 f. (vgl. 33 f.); Joh. xx. 21 ff.; Apg. i. 8; für Paulus s. o. A. 32.

59 Kasting (A. 3), 86 ff.; Conzelmann (A. 4), 27: Petrus darf seine Erscheinung ‘nicht für sich behalten…; das ist durch die Erscheinung selbst gesetz’. Man könnte vielleicht noch deutlicher sagen: Das ‘nicht für sich Behalten’ erschließt sich aus der weiteren Entwicklung nach der Protophanie des Petrus (vgl. dagegen den Widerspruch im Verhalten der Frauen zwischen Mk. xvi. 8 und Lk. xxiv. 10 f.; Joh. xx. 18). Die Tradition von der Protophanie vor Maria Magdalena (Joh. xx. 11 ff. und Mt. xxviii. 8 ff.) scheint übrigens mir so alt zu sein wie die von der Protophanie des Petrus, sie bereitete der späteren Überlieferung einige Verlegenheit. Paulus kann in 1. Kor. xv nichts damit anfangen; daß die Erscheinungen — wie er es darstellt — sich allein auf Männer beschränkt hätten, ist extrem unwahrscheinlich. Es kommt darin die — der Haltung Jesu widersprechende — frauenfeindliche Tendenz der späteren Gemeinde zum Ausdruck: Frauen hatten nach jüdischer Auffassung keinen Zeugenwert.

60 S. die Überschrift bei Kasting, loc. cit. ‘Der Urmissionar Petrus’ und den ausdrücklich als Hypothese dargebotenen Rekonstruktionsversuch von Conzelmann, loc. cit.

61 M. Hengel (A. 53), 67, 76, 80, 90 f.; J. Roloff (A. 56), 138 ff.; W. G. Kürnmel (A. 18), 12, 134. Dagegen Kasting (A. 3), 124 (Lit.). Die in der Tradition fest verankerte Nachricht von dem Verrat des Judas, einer von den Zwölfen’ (Mk. xiv. 10, 43 parr., vgl. iii. 19), ist sicherlich keine spätere Erfindung. Der Erfindergeist mancher moderner Exegeten überbietet hier z. T. weit das im Urchristentum Mögliche. Daß Paulus in der festgeprägten, alten Bekenntnistradition I. Kor. XV. 5 von of δώδεκα und — im Gegensatz zum historisierenden Bericht Mt. xxviii. 16; Lk. xxiv. 9, 33; Apg. i. 26 — nicht exakter von οί ένδεκα spricht, hängt damit zusammen, daß Zwölfeine heilige Zahl und οί δώδεκα als festgeprägter, traditioneller Begriff jedem Gemeindeglied verständlich war, während οί ένδεκα als ungewohnte Zahi eine historische Erklärung voraussetzte, die im Bekenntnis nicht gegeben werden konnte. Die rasche Ergänzung der ‘Zwölf’ durch die Zuwahl des Matthias Apg. i. 15 ff. entspricht der Verwendung von οί δώδεκα in der Bekenntnisformel, auch wenn diese Zahl ‘historisch’ nicht exakt war. Jeder ‘Purismus’ führt hier den Exegeten in die Irre. Auch darf man nicht von vornherein der Urgemeinde eine hemmungslose historisierende Produktion zuschreiben. Um 70, als das Mk-Evg. entstand, war die Erinnerung an das Geschehen um 30 n. Chr. noch in den Grunddaten teilweise kontrollierbar, wie heute sich noch — Gottsei Dank — genügend Menschen an die Jahre zwischen 1930 und 1945 in Deutschland erinnern. Dies schließt die Legendenbildung nicht aus, aber man darf diese nicht zum grundlegenden Prinzip erklären und überall nur noch unhistorische ‘Gemeindebildungen’ sehen.

62 Op. cit. (A. 3), 126.

63 Die jüngste polemische Diskussion in Deutschland zwischen Schmithals, W., Ev.Komm. III (1970), 7682Google Scholar und Th. Lorenzmeier, 296–8, Replik von W. Schmithals 416–18, erweist nur die scholastische Fixierung der Standpunkte. Erfreulicherweise zeigt das Votum des jungen Tübinger Theologen H.-G. Link, daß die alten Fronten aufgebrochen werden. Mit Recht kritisiert er (486) die Behauptung von Sch.: ‘Der historische Jesus ist wie jede historische Größe austauschbar’. Das Gegenteil ist richtig. Bei der Unwiederholbarkeit der Zeit und der Einzigartigkeit jedes geschichtlichen Augenblicks ist kein wirklicher Mensch — auch nicht dergeringste — austauschbar. Austauschbar sind freilich alle ‘Leerformeln’, auch ‘kerygmatische Formeln‘, wenn sie ihren Inhalt verloren haben. Erst wenn durch eine dogmatistisch-fixierte, unkritisch-radikale Skepsis der Mensch Jesus zur bloßen Chiffre, zum leeren Blatt geworden ist, wird er ‘austauschbar’. Diese Konsequenz zieht dann auch Kahl, J., Das Elend des Christentums, 1968, 68 ffGoogle Scholar. Vgl. Stuhlmacher, P., in Fides et communicatio, Festschrift M. Doerne, 1970, 341–61, bes. 348 ffGoogle Scholar. Man kann auch nicht vom ‘Christus crucifixus’ reden und dabei vergessen, daß eben der Mensch Jesus gekreuzigt wurde und durch seinen Tod unser Heil begründet. Die Behauptung, Paulus und das griechischsprechende Urchristentum seien am Menschen Jesus völlig uninteressiert gewesen und hätten von ihm kaum etwas gewußt, erledigt sich durch die einfache Überlegung, daß es in der Antike schlechterdings unmöglich war, einen vor wenigen Jahren gekreuzigten Menschen — d. h. einen angeblichen Verbrecher — als Kyrios, Gottessohn und Erlöser zu verkündigen, ohne darüber etwas zu sagen, wer dieser Mensch war, was er lehrte und tat und wie und warum er starb. Hier liegt der Ursprung der aus der Missionsverkündigung und der Gemeindebelehrung herauswachsenden Evangelienüberlieferung. Vgl. Vgl. W. G. Kümmel (A. 18), 22 f.: ‘Die Person und die Verkündigung Jesu sind…die Voraussetzung für das Bekenntnis zum Auferstandenen und für die Predigt der Gemeinde von Gottes Offenbarung in seinem Sohn Jesus Christus…’ (23).

64 M. Hengel (A. 53), passim. Zu Mk. i. 17 s. auch Pesch, R., Der reiche Fischfang, 1969, 72 ffGoogle Scholar.; Wuellner, W. H., The Meaning of ‘Fishers of Men’, 1967, 137 ff.Google Scholar

65 Zur Aussendungsüberlieferung s. F. Hahn (A. 3), 33–6; J. Roloff (A. 56), 150 ff.; M. Hengel (A. 53), 82 ff. Die jüngste Stellungnahme von Beare, F. W., J.B.L. LXXXIX (1970), 13Google Scholar fördert keine neuen Gesichtspunkte zu Tage. Sein Einwand S. 12 f., daß bei den Synoptikern nichts Definitives über Zweck und Erfolg oder Mißerfolg berichtet werde, übersieht, daß diese in keiner Weise am selbständigen Handeln der Jünger, sondern nur am Wirken Jesu und d. h. in diesem Fall am Akt der Aussendung und der Beauftragung interessiert waren. Der Jünger tritt — im Gegensatz zur späteren Missionssituation — ganz in den Schatten seines Herrn.

66 Jesus identifizierte sich mit dem kommenden ‘Menschensohn’ und wurde als Messiasprätendent hingerichtet, s. M. Hengel (A. 53), 41 ff., 79; W. G. Kümmel (A. 18), 62 ff., 68 ff. Er verstand so sein eigenes Wirken durchaus als ‘Sendung’. Es ist erstaunlich, wie rasch die nachösterliche Christologie der griechischsprechenden Gemeinde diese ‘Sendung’ Jesu dann im Sinne einer endzeitlichen Sendung des ‘Gottessohnes’ (Gal. iv. 4 f.; Rö. viii. 3 f.) interpretierte. Hierbei handelt es sich urn eine vorpaulinische Formel, s. Schweizer, E., Th.W. VIII, 376Google Scholar, die sich wohl bereits in den ersten 10 Jahren der urchristlichen Geschichte ausgebildet hat (vgl. Paulus über sich selbst in Gal. i. 16). Paulus gebraucht sie mit einer souveränen Selbstverständlichkeit und setzt sie in der vorpaulinischen römischen Gemeinde als bekannt voraus. ‘Damit ist der Gemeinde eine Sprachform gegeben, in der sie die Sendung Jesu eindeutig von derjenigen der Propheten und Lehrer, aber auch der Engel abgrenzen kann’ (E. Schweizer, op. cit. 377). Ohne einen messianischen Anspruch Jesu würden für mich nicht nur sein Wirken und sein Schicksal, sondern auch die rasche Entwicklung der nachösterlichen Christologie völlig unverständlich. Den ‘vorchristlichen gnostischen Mythos’ von der Sendung des himmlischen Erlösers sollte man dagegen endgültig ad acta legen.

67 Völlig zu Recht betont Grässer, E., N.T.S. XVI (1969/1970), 22Google Scholar: ‘the Church saw in Jesus the archetype of the missionary. His success is the success of the disciples (Mk. vi. 13), his failures (vi. 5) are their failures (vi. 11). The mission of the disciples is an introduction to the fate of the Master, and therefore training for following him.’ Es wäre nur hinzuzufügen, daß diese ‘Schau der Kirche’ ihren letzten Grund im Verhalten des irdischen Jesus selbst besaß.

68 Dieses Problem ist erstaunlich viel behandelt worden, s. die Literaturübersicht bei E. Lerle (A. 2), 142 ff.; vgl. Jeremias, J., Jesu Verheriβung für die Völker, Franz Delitzsch-Vorlesungen 1953Google Scholar, 21959 und die Zusammenfassung bei F. Hahn (A. 3), 19–32.

69 VgI. Lk. iv. 25–8; 7, 9 par.; x. 13 par. 30 ff.; xi. 29 ff. par.; xvii. 11 ff. Diese Argumentation Jesu dient dann in Q als indirekter Hinweis auf die Heidenmission und zugleich als Bußruf an Israel, vgl. Meyer, P. D., J.B.L. LXXXIX (1970), 405–17.Google Scholar

70 Damit ist weder Form noch Inhalt der ‘Mission’ in unserer Situation präjudiziert. Ein weltmissionarisches Pathos ist heute so deplaziert wie die Beanspruchung der ganzen Menschheit als ‘implizite Christen’ und die daraus resultierende Ablehnung jeder rnissionarischen Verkündigung. Das Geheimnis von Glauben und Unglauben liegt weder in unserer Hand noch können wir es einfach ableugnen und durch eine fortschrittsgläubige ‘Aufklärung’ ersetzen, so sehr wirkliche, kritische ‘Aufklärung’ — die Aporien nicht wegmanipuliert, sondern aufdeckt — uns allen nottut. ‘Mission’ kann darum nur in einer angefochtenen Kirche und Theologie verwirklicht werden. Vielleicht geschieht sie sogar in einem vorübergehenden, bewußten Verstummen, wie es D. Bonhoeffer im Mai 1944 als Gefangener zum Tauftag seines Patenkindes in profetischer Weise niederschrieb (Widerstand u. Ergebung, hg. v. E. Bethge, 1954, 206 f.): ‘Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur urn ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein. Darum müssen die früheren Worte kraftlos werden und verstumrnen, und unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muß neugeboren werden aus diesem Beten und aus diesem Tun… Die Umschmelzung ist noch nicht zu Ende, und jeder Versuch, ihr vorzeitig zu neuer organisatorischer Machtentfaltung zu verhelfen, wird nur eine Verzögerung ihrer Umkehr und Läuterung sein. Es ist nicht unsere Sache, den Tag vorauszusagen — aber der Tag wird kommen —, an dem wieder Menschen berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, daß sich die Welt darunter verändert und erneuert…’