Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
Die Talio ist keineswegs nur in der Heiligen Schrift der Juden und Christen belegt,2 sondern findet sich in vielen Kulturräumen der Antike. Auf das Abendland bezogen sind hier vor allem Griechen-land3 und das Römische Reich zu nennen, in denen die Talio breit bezeugt ist, aber auch die Ägypter, Altbabylonier, Perser und Germanen haben sie gekannt.4 Im Iran kann sich noch heute ein Mörder durch die Zahlung des sog. Blutgeldes an die Angehörigen des Opfers (arab. diyah, pers. dieh) Strafmilderung oder in be-stimmten Fällen sogar Straffreiheit ‘erkaufen’, obwohl im Islam normalerweise Mord grundsätzlich durch den Tod des Mörders gesühnt wird.5 An dieser Regelung ist der Charakter der Talio als Milderung (gegenüber der Ausübung der unbeschränkten Rache) noch erkennbar.6
2 Zur neueren Literatur zur Talio im AT vgl. Martin-Achard, R., ‘Récents travaux sur la Loi du Talion selon l'Ancien Testament’, RHPhR 69 (1989) 173–88.Google Scholar
3 Reiches Material dazu findet sich in neuerer Zeit bei Blundell, M. Whitlock, Helping Friends and Harming Enemies. A Study in Sophocles and Greek Ethics (Cambridge: Cambridge University, 1989) 26–31CrossRefGoogle Scholar. – Hier mag es genügen, auf Platon Gesetze 872d-e hinzuweisen, wo die Talio bereits von den Priestern der Vorzeit deutlich verkündet worden ist und auf Dike selbst zurückgeführt wird: ‘daß die wachsame Dike … angeordnet hat, daß derjenige, der eine solche Tat begangen hat, unvermeidlich dasselbe erleiden muß, was er selbst getan hat …’ Vgl. auch Platon Menon 71 e: ‘daß dieses des Mannes Tugend ist, daß er vermöge, die Angelegenheiten des Staates zu verwalten und in seiner Ver-waltung seinen Freunden wohlzutun und seinen Feinden weh, sich selbst aber zu hüten, daß ihm nichts dergleichen begegne’.
4 Vgl. die Belege bei R. Hirzel, ‘Die Talion’, Philologus Suppl. 11 (1907–10) 405–82, 424 und das römische Zwölftafelgesetz tab 8.2.
5 Süddeutsche Zeitung vom 10.4.1992 S. 2 ‘Aktuelles Lexikon’. Dort wird freilich auch die Höhe dieses Blutgeldes zur Zeit erwähnt. Es beträgt ca. 16 Millionen DM. Außer der Zahlung des Blutgeldes ist weitere Voraussetzung, daß die Angehörigen dem Mörder vergeben.
6 Vgl. Amran, D. W., ‘Retaliation and Compensation’, JQR 2 (1911/1912) 191–211, 192–3CrossRefGoogle Scholar; Hirzel, ‘Talion’, 407, 410; Der Kleine Pauly s.v. Talion, aber auch die bei Otto, G., ‘Die Geschichte der Talion im Alten Orient und in Israel’, in: Daniels, D. R./U., Gleßmer/M., Rösel (Hg.), Ernten, was man sät. Fs. für K. Koch zu seinem 65. Geburtstag (Neukirchen: Neukirchener, 1991) 108–9Google Scholar genannten Auftassungen dazu. Vgl. auch noch ebda 115–17, wonach die Einführung der Talio in das hammurapische Körperverletzungsrecht sich ganz anderen Motiven verdankt und ‘gerade dem besonderen Schutz einer führenden Schicht in Abgrenzung von anderen’ dienen soll (117).
7 Röm 12.17; 1 Thess 5.15; 1 Petr 3.9; Mt 5.38–42.
8 Vgl. Nissen, dazu nur A., Gott und der Nächste im antiken Judentum. Untersuchungen zum Doppelgebot der Liebe (WUNT 15; Tübingen: Mohr, 1974).Google Scholar
9 Vgl. dazu u.a. Ortkemper, F.-J., Leben aus dem Glauben. Christliche Grundhaltungen nach Römer 12–13 (NTA NF 14; Münster: Aschendorff, 1980) 217–18.Google Scholar
10 Vgl. Schottroff, dazu L., ‘Gewaltverzicht und Feindesliebe in der urchristlichen Jesus-tradition’, in: Jesus Christus in Historie und Theologie. Ntl. Fs. für H. Conzelmann (hg. von G. Strecker; Tübingen: Mohr, 1975) 197–221, 206Google Scholar. Haas, H., Die Idee der Feindesliebe in der auβerchristlichen Welt (Leipzig, 1927) 68.Google Scholar
11 Wobei aber gerade die Interdependenzen zwischen Kultur und Religion von Bedeutung sind.
12 Vgl. Berger, dazu P. L./Luckmann, Th., Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirk-lichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie (Fischer TB; Frankfurt: Fischer, 1986).Google Scholar
13 Vgl. dazu Nissen, Gott, 315ff.; Haas, Idee, 21–3, aber auch 24–5.
14 Dobschütz, E. v., Die Thessalonicher-Briefe (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 7. Aufl. 1909, Neudruck 1974) 221–2.Google Scholar
15 EWNT 1.308. Vgl. dazu die sehr ähnlichen Formulierungen bei O. Michel, Der Brief an die Römer (KEK 4; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 4. Aufl. 1966) 308 und Anm. 1; H. Schlier, Der Römerbrief (HThK; Freiburg u.a.: Herder, 1977), der 381 zu der ent-sprechenden Diskussion bei den Rabbinen feststellt: ‘Man kam offenbar zu keiner Klar-heit und hielt sich jedenfalls auf der Linie des Negativen.’
16 Holtz, T., Der erste Brief an die Thessalonicher (EKK 13; Zürich u.a.: Benziger/ Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1986) 255 Anm. 618Google Scholar. Vgl. auch Wilckens, U., Der Brief an die Römer 3 (EKK 6.3; Zürich u.a.: Benziger/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1982) 23–4Google Scholar, dessen AT-Belege aber die Behauptung nicht tragen – anders ist die Lage bei den rabbinischen Belegen GnR 38 (23a) und ExR 26 (87b) zitiert bei (Strack)-Billerbeck, , Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch 1 (München: C. H. Beck, 5. Aufl. 1969) 370 und 372.Google Scholar
17 1 Thess, 255 Anm. 618 unter Bezug auf Chr. Burchard. Vgl. aber, daß z.B. in Qumran in 1 QS 10.17–18 auch dem – freilich in Qumran nicht universal ausgeweiteten – Rache-verzicht eine positive Weisung folgt.
18 Wenigstens der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß sich auch bei den Griechen und Römern Kritik an der Talio finden läßt (Hirzel, ‘Talion’, 432 und Anm. 156 und 157 nennt z.B. Polybius, Plutarch und Appian), die Anwendung der Talio endete in Rom auch mit der Republik (vgl. PRE s.v. Talio S. 2073), sie lebte aber in nachkonstantinischer Zeit bei der Bestrafung falscher Ankläger (vgl. Hirzel, ‘Talion’, 408 Anm. 9; A. Dihle, Die goldene Regel. Eine Einführung in die Geschichte der antiken und früh-christlichen Vulgärethik [Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1962] 29) und wohl auch sonst wieder auf (vgl. Augustinus ep. 133, 134 [CSEL 44, 80/8]). Wie (man zur Zeit des) Poly-bios über Wiedervergeltung und Rache von staatlicher Seite dachte, zeigt schön Polybios Geschichte 5.11–12, wo Polybios sozusagen prototypisch das unterschiedliche Verhalten gegenüber Besiegten beschreibt, endend mit den Worten: Wahrhaftig, die Feinde durch Edelmut und Gerechtigkeit zu besiegen, bringt nicht geringeren, sondern größeren Nutzen als Waffenerfolge. Denn diesen weichen die Unterlegenen gezwungenermaßen, jenen Tugenden aus freiem Entschluß. Diese füh-ren unter schwerer Einbuße zur Besserung, jene bringen die Fehlenden ohne Schaden auf den rechten Weg. Zur Talio im Judentum zur Zeit Jesu vgl. Jos. Ant. 4.8.33–5. Zu der Frage, ob schon früher die Möglichkeit der Ablösung bestanden hat, vgl. die bei A. Schenker, Versöhnung und Widerstand. Bibeltheologische Untersuchung zum Strafen Gottes und der Menschen, besonders im Lichte von Exodus 21–22 (SBS 139; Stuttgart: Kath. Bibelwerk, 1990) 49 Anm. 43 angegebene Lit. und seine eigene Stellungnahme: ‘Ersatzleistung in Form einer Zahlung ist vielleicht von Anfang an möglich gewesen und stand zur Wahl, sofern es nicht um absichtlichen Totschlag ging.’
19 = LXX 20.9c: μήεϊπῃςTTείσομαιιτòνἐχθρόν. Vgl. Rad, dazu G. v., Weisheit in Israel (Neukirchen: Neukirchener, 1970) 129, 261.Google Scholar
20 Vgl. Zeller, D., Die weisheitlichen Mahnsprüche bei den Synoptikern (fzb 17; Würz-burg: Echter, 1977) 57–9.Google Scholar
21 (21.14); 24.29; 25.21 – zu der Frage, ob es hier um prozessuale oder brachiale Gewalt geht, vgl. Plöger, O., Sprüche Salomos (Proverbia) (BK 15.2; Neukirchen: Neukirchener, 1984) 238.Google Scholar
22 So Burchard in: JShrZ 2.4 Anm. b zu 23.9.
23 JosAs 23.9; vgl. auch JosAs 28.5, 10, 14; 29.3 – fast alle diese Stellen nennt z.B. Holtz, 1 Thess, 255. Vgl. auch JosAs 28.12 und ApkSedr 7.7 (gr. Text bei Denis, A. M., Concordance grecque des Pseudépigraphes d'Ancien Testament, Louvain-la-Neuve: Université catholique de Louvain, 1987)Google Scholar. Piper, J., ‘Love Your Enemies’. Jesus' Love Command in the Synoptic Gospels and in the Early Christian Paraenesis (SNTSMS 38; Cambridge: Cambridge University, 1979) 39Google Scholar betont die Unabhängigkeit der ntl. Stellen mit Talioverbot von JosAs, hebt aber gleichzeitig hervor: ‘But we may say with confidence that the saying behind 1 Thess 5.15a, Rom 12.17a and 1 Pt 3.9 was taken over from previously existing Jewish paraenetic tradition.’ Dazu ist aber noch einmal zu reflektieren, ob hier nicht, wie z.B. Becker, J., Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Testamente der Zwölf Patriarchen (Leiden: Brill, 1970) 392Google Scholar sagt, stoischer Einfluß vorliegt. Anders freilich Fuller, R. H., ‘Das Doppelgebot der Liebe. Ein Testfall für die Echtheitskriterien der Worte Jesu’, in: Jesus Christus in Historie und Theologie. Ntl. Fs. für H. Conzelmann (hg. Strecker, von G.; Tübingen: Mohr, 1975) 317–29.Google Scholar
24 Vgl. dazu Becker, Untersuchungen, 391, nach dem das Rachegesetz hier im Gegensatz zu den TestXII ‘nicht radikal durchbrochen’ ist. Vgl. freilich auch die Fortsetzung in JosAs: ‘(Im) übrigen, Verzeihung ihnen laßt zuteil werden!’
25 Anders die meisten Ausleger, z.B. auch schon Augustinus, vgl. Morenz, S., ‘“Feurige Kohlen auf dem Haupt”’, ThLZ 78 (1953) 187–92, 187Google Scholar; Klassen, W., ‘Coals of Fire: Sign of Repentance or Revenge?’, NTS 9 (1962–1963) 337–50, 341CrossRefGoogle Scholar. Dafür, daß es schon frühzeitig auch die Deutung auf das Gericht gibt, ist Joh. Chrysostomus Beleg, vgl. Klassen, ‘Coals’, 339.
26 Vgl. dazu Ortkemper, Leben, 224.
27 Vgl. dazu Zeller, Mahnsprüche, 57–8.
28 Zitiert bei Zeller, Mahnsprüche, 57.
29 Vgl. auch Aboth 1.7: ‘Halte dich fern von einem bösen Nachbarn, geselle dich nicht einem Gottlosen, und gib das Strafgericht nicht auf.’ 1 QS 10.17–18: ‘Nicht will ich jemandem seine böse Tat vergelten, mit Gutem will ich jeden verfolgen. Denn bei Gott ist das Gericht über alles Lebendige, und er vergilt dem Mann seine Tat.’ (Übers. E. Lohse) Vgl. noch 1 QS 9.22 und dazu den Kommentar Maier, von J., Die Texte vom Toten Meer 2 (München/Basel: Reinhardt, 1960) 34Google Scholar: ‘erst am Tag der Gottesrache wird der Haß in die Tat umgesetzt’, sowie 1 QS 9.23. Rabbinische Beispiele bei Zeller, Mahnsprüche, 105 Anm. 381.
30 So Käsemann, E., An die Römer (HNT 8a; Tübingen: Mohr, 1973) 333Google Scholar, der diese Aus-legung auch als die zumeist vertretene bezeichnet; Stendahl, K., ‘Hate and Retaliation’, HThR 55 (1962) 343–55, 348Google Scholar; Dodd, C. H., The Epistle of Paul to the Romans (London: Hodder & Stoughton, 1947) 200–1Google Scholar übersetzt zunächst Spr 25.21–2 fin ‘for this way you will make him feel a burning sense of shame’ und kommentiert dann: ‘Whether this translation represents what the original writer of Proverbs meant, is not certain; but it no doubt gives the meaning which Paul attached to the curious phrase “will heap coals of fire on his head”.’ Unentschieden wohl Michel, Röm, 311. Vgl. aber Zeller, D., Der Brief an die Römer (RNT; Regensburg: Pustet, 1985) 211–12Google Scholar; Ortkemper, Leben, 109–10; Wrege, H.-T., Die Überliefe-rungsgeschichte der Bergpredigt (WUNT 9; Tübingen: Mohr, 1968) 80Google Scholar; zum Problem auch noch Balz, Art. ἂνθραξ, EWNT 1, 239. Ganz eindeutig auch Segert, S., ‘Live Coals Heaped on the Dead’, in: Marks, J. H./Good, R. M., ed., Love and Death in the Ancient Near East. Essays in Honour of M. H. Pope (Guilford/Conn.: Four Quarters, 1987) 159–64, 163Google Scholar: ‘It does not seem necessary to suppose that Paul's understanding of this proverb and its imagery was basically different from that of its original meaning of the Hebrew Bible’ – und im atl. Kontext sei das Bild als Hinweis auf eine Bestrafung zu verstehen. Für die Deutung auf die Reue berufen sich einige Autoren auf das einen Gegensatz zum vorangehenden Satz signalisierende ἀλλά, z.B. Wilckens, Röm 3, z.St. und Klassen, ‘Coals’, vgl. dazu aber Zeller, Röm, z.St.
31 Vgl. etwa noch Arist 145–9, 225, 227, 290 – freilich ist auch hier mit stoischem Gedankengut zu rechnen, vgl. Becker, Untersuchungen, 391–2; Piper, Love, 35; slavHen 50.3–4; zu der häufig in diesem Zusammenhang genannten Stelle 4 Makk 2.9–14, 16 vgl. Becker, Untersuchungen, 389.
32 Vgl. JosAs 23.9; 28.5, 10, 14; 29.3. Dazu, wie der Verf. von JosAs die Anwendung der Talioregel bzw. deren Ablehnung im Judentum und dessen Umgebung sieht, vgl. Burchard, JShrZ 2.4, 612: ‘… JosAs scheint nicht zu meinen, daß Pharao oder Pentrephes hinter ihm (sc. dem gottverehrenden Mann) zurückbleiben, Juden dagegen zumindest zeitweilig’. – Vgl. zu dem abschließenden Urteil auch Dihle, Regel, 115: ‘Nun war, wie wir zeigen konnten, die Vergeltung im Bösen als Element einer auf Reflexion beruhenden und verantwortungsbewußten Paränese in Jesu engerer und weiterer Umwelt bereits seit lan-gem bis auf gewisse Spuren verschwunden.’ Vgl. auch ebda 44 zu den Belegen aus TestXII, freilich auch Becker, Untersuchungen, 396–7.
33 Vgl. Kaiser, daß z.B. nach O., Einleitung in das AT (Gütersloh: Gütersloher, 5. Aufl. 1984) 380Google Scholar Spr 20.21 zu einer Schicht gehört, die vielleicht noch in der späten Königszeit entstanden ist, und 25.21 zu einer zumindest möglicherweise erst nachexilisch noch einmal bearbeiteten Schicht zu zählen ist, während für die Datierung der Sammlung IV mit 24.29 kaum ausreichende Ansatzpunkte vorhanden zu sein scheinen (vgl. zu letzterer aber 4. Aufl. 1978, 341–2). – Aus den rabbinischen Belegen vgl. nur die besonders schöne Stelle: ‘Die gedrückt (gedemütigt) werden und nicht wiederbedrücken, die ihre Schmä-hung anhören und sie nicht erwidern, die aus Liebe (zu Gott) handeln und über Leiden (Züchtigungen) sich freuen – über die sagt die Schrift: “Die ihn lieben, sind wie der Aufgang der Sonne in ihrer Macht” Ri 5.31.’ (Schab 88b) und die Diskussion in Baba Qamma 83b, 84a.
34 Vgl. oben Anm. 30 die Liste der anerkannten Autoren.
35 Vgl. ĸαίπ.ρονοοĸαλάένκπıονĸυρίονĸίκαίάνθρώπων. Daß Paulus hier Spr 3.4 zitiert, wird weitgehend angenommen, vgl. Ch. Talbert, , ‘Tradition and Redaction in Romans XII. 9–21’, NTS 16 (1970) 83–93, 88–9CrossRefGoogle Scholar; Ortkemper, Leben, 107–8, der zum Beweis vor allem auf 2 Kor 8.21 hinweist, wo der Anklang an Spr 3.4 noch deutlicher ist.
36 Vgl. zur Übersetzung des ἐνώπιονπάνίωνἀνθρώπων Schlier, Rōm, 382, der dafür eintritt, daß ἐνώπιον einen Dativ vertritt. Ebenso Wilckens, Röm 3, 26. Die Wiederauf-nahme dieser Wendung im folgenden V. dürfte diese Deutung sicherstellen.
37 Vgl. zu dem hier vorliegenden Problem der sich widersprechenden Schriftstellen und der Autorität der Schrift für Paulus Vos, J. S., ‘Die hermeneutische Antinomie bei Paulus (Galater 3.11–12; Römer 10.5–10)’, NTS 38 (1992) 254–70.CrossRefGoogle Scholar
38 Vgl. auch Sauer, J., ‘Traditionsgeschichtliche Erwägungen zu den synoptischen und paulinischen Aussagen über Feindesliebe und Wiedervergeltungsverzicht’, ZNW 76 (1985) 1–28, 20CrossRefGoogle Scholar: ‘Paulus zitiert also hier eine im hellenistischen Judentum bekannte Maxime!’ Die o.g. Einschränkungen dieser Maxime berücksichtigt Sauer freilich nicht und auch die Frage, ob Paulus angesichts der Verbreitung der Talio-Formel für V. 17a überhaupt auf eine Tradition angewiesen war, die sogar noch rekonstruierbar ist und die Paulus noch um das AT-Zitat erweitert haben soll, wird nicht gestellt. Überschätzt die traditionsgeschichtliche Fragestellung nicht häufig unsere Möglichkeiten?
39 Vgl. im übrigen zum Verständnis des Talioverbots durch den Verf. von 1 Petr, daß er hier Ps 34 zitiert, worin er u.a. lesen konnte: ‘Er wende sich ab von dem Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach … das Angesicht des Herrn aber steht wider die, die Böses tun.’
40 Vgl. Brox, N., Der erste Petrusbrief (EKK 21; Zürich u.a.: Benziger/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1979) 45.Google Scholar
41 Vgl. Goppelt, L., Der erste Petrusbrief (hg. Hahn, von F.; KEK 12/1; Göttingen: Van-denhoeck & Ruprecht, 1978) 208–9:Google Scholar Er überläßt Gott das Gericht in einem anderen Sinn als die jüdischen Märtyrer: Jene erwarten die kompensierende Vergeltung für das ihnen Widerfahrene, Jesus setzt dem Bösen nicht die Vergeltung, sondern uneingeschränkte Vergebung entgegen; er kann dies, weil er das Wahren des Rechts Gott überläßt. Ziel seines eigenen Verhaltens ist es, das Böse durch Gutes zu überwinden und die Widersacher dadurch dem Gericht zu entnehmen (vgl. 2.12). Goppelt fährt dann fort: ‘Auch diese Aussage ist wohl durch die hinter 3.9 stehende paränetische Tradition vorgegeben, die in Röm 12.19 eine sachlich entsprechende Weisung entwickelt: “Rächet euch selbst nicht, … sondern gebt Raum dem Zorn”!’, aber wieder nicht ohne den Kommentar anzufügen: ‘Dieser Satz ist gleich dem unseren nicht von dem dort deutlich anklingenden at.-jüdischen Hintergrund, sondern von dem paränetischen Kontext aus in dem entwickelten Sinn zu verstehen (vgl. Röm 12.14, 21 bzw. 1 Petr 3.9).’ – Aber muß man hier nicht statt auf Jesus und seine Intention zunächst einmal auf die des Verfassers des 1 Petr abheben, und wo ist diese zugänglich, außer in dem Text selbst? Brox, 1 Petr, 138 spricht in diesem Zusammenhang vom ‘Verzicht auf Vergeltung’ und vom ‘Vertrauen auf Gott’, ohne die spezielle Art dieses Vertrauens an dieser Stelle näher zu erläutern.
42 Damit bleibt sowohl hier als auch in Röm 12 selbstverständlich die Möglichkeit offen, daß dieses Gericht als Gnadengericht gedacht sein kann, wie es in der jüdischen Tradition z.B. für Israel belegt ist (vgl. Jub 15.26–8; 1.27–8; 23; Sanhedrin 10.1 und dazu Sanders, E. P., Paul and Palestinian Judaism [London: SCM, 1977] 367–8)Google Scholar. Dieser Gedanke hat möglicherweise Röm 11.25–6 veranlaßt. Vgl. zur theologischen Bewertung des Gerichts-gedankens in A und NT Ortkemper, Leben, 217–25.
43 Darauf hat schon Wrege, Überlieferungsgeschichte, 81 hingewiesen, der trotz aller Sachparallelen in der frühchristlichen Literatur nirgends sonst einen so polemischen Vergleich mit dem atl ius talionis gefunden hat wie in Mt 5.38, 39a.
44 Literatur zu Mt 5.39 bis 1976 bei Meier, J. P., Law and History in Matthew's Gospel. A Redacdonal Study of Mt 5,17–48 (AnBib 71; Rom: Biblical Institute, 1976) 157 Anm. 76Google Scholar; vgl. auch Luz, U., Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1–7) (EKK 1/1; Zürich u.a.: Benziger/Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1985) 290Google Scholar und Gnilka, J., Das Matthäusevangelium 1 (HThK; Freiburg u.a.: Herder, 1986) 187.Google Scholar
45 Vgl. schon die Übersetzungen, z.B. in der Einheitsübersetzung. Das Problem wird erörtert bei Baumbach, G., Das Verständnis des Bösen in den synoptischen Evangelien (Berlin: Evangelische, 1963) 70ffGoogle Scholar. Man kann z.B. darauf hinweisen, daß sowohl in 5.11 als auch in dem unmittelbar voraufgehenden V. 37 πονηρός neutrisch gebraucht ist, man kann aber auch auf 5.45 hinweisen, wo eindeutig maskulinischer Sprachgebrauch vorliegt.
46 Vgl. dazu, daß τοςἀκούουσιν häufig als redaktioneller Einschub des Lk (so z.B. P. Hoffmann, ‘Tradition und Situation. Zur “Verbindlichkeit” des Gebots der Feindesliebe in der synoptischen Überlieferung’, in: Kertelge, K., Hg., Ethik im NT [Freiburg u.a.; Herder, 1984] 50–118, 52)Google Scholar, ύμν als von Lk vorgenommene redaktionelle Voranstellung (so Schürmann, z.B. H., Das Lukasevangelium 1 [HThK; Freiburg u.a.: Herder, 1970] 345)Google Scholar angesehen wird. Strecker, G., Die Bergpredigt. Ein exegetischer Kommentar (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1984) 65Google Scholar Anm. 2; Schulz, S., Q. Die Spruchquelle der Evange-listen (Zürich: TVZ, 1972) 127Google Scholar treten nur für ύμνλέγωbzw.fürλέγωὑμν als Vorlage ein. Vgl. dazu aber auch die Kritik von Gnilka, Mt 1, 180 Anm. 1 und die Übersicht bei Sauer, ‘Feindesliebe’, 11 Anm. 45.
47 S. dazu die vorige Anm.
48 Vgl. zu Lk 6.27a im übrigen meine Ausführungen in Broer, I., Die Seligpreisungen der Bergpredigt. Studien zu ihrer Überlieferung und Interpretation (BBB 61; Königstein: Hanstein, 1986) 25–30.Google Scholar
49 Dies hat Rathey, M., ‘Talion im NT? Zu Mt 5.38–42’, ZNW 82 (1991) 264–6Google Scholar neuerdings bestritten. Nach seiner Ansicht ist ‘die landläufige Auffassung’, in Mt 5.39 liege so etwas wie eine Abschaffung der Talio vor, zwar verständlich, aber falsch. Rathey will deswegen auch die 5. Antithese so deuten, daß sie zu dem formalen Aufbau der übrigen Antithesen paßt. Das geht freilich nicht ohne Gewaltsamkeiten ab. Eigentlich hätte den Verfasser schon skeptisch machen müssen, daß die Exegeten in der Regel ja keineswegs nur für die 5. Antithese eine Ablehnung des Gesetzes annehmen, sondern für die 3., 5. und 6. Und in der Tat wird die Formalisierung der 6. Antithese durch Rathey der Formulierung des Mt in keiner Weise gerecht: 43 Gebot der Nächstenliebe (Lev 19.18) 44 “Ich aber sage euch” + Erweiterung auf Feindesliebe 45–8 Begründung Daß die These in der 6. Antithese nicht nur aus dem Gebot der Nächstenliebe, sondern auch aus dem allenfalls in Qumran eine Par aufweisenden ‘und deinen Feind hassen’ (vgl. auch den Zusatz zum atl. Gesetzes-Zitat z.B. in Antithese 1) besteht, wird einfach unter-schlagen, denn dann würde ja deutlich, daß die 6. Antithese genau dem Schema folgt, das Rathey für die 5. Antithese ablehnt, insofern sie nicht nur das Hassen des Feindes verbietet, sondern sogar die Liebe zum Feind fordert. – Daß es Rathey nicht so genau mit der formalen Bestimmung nimmt, zeigt auch u.a., daß er die These in der 4. Antithese mit ‘Schwurverbot’ wiedergibt. Dann läßt sich natürlich die Antithese mit ‘Erweiterung auf jegliche Art von Schwur’ wiedergeben – aber wo steht in dieser These etwas vom Schwurverbot? Da Rathey das Schema der Antithesen nicht beachtet, das mit der durch seine Ab-wandlung noch besonders betonten Formel ‘Ihr habt gehört, daß (den Alten) gesagt worden ist, … ich aber sage euch’ in starkem Kontrast zu Mt 5.17–20 steht und die Distanz zwischen Jesu Weisung und dem Gesetz hervorhebt, meint er, Mt 5.17–20 passe nur zu Antithesen, die das Gesetz erweitern, und verbaut sich so den Blick dafür, daß Mt 5.17–20 mit der Betonung der Gesetzestreue gerade das Gegengewicht gegen die den Abstand zum Gesetz betonenden Antithesen sind. – Daß die Talio zu Lebzeiten Jesu nicht mehr wörtlich verstanden wurde, ist so ‘unbestreitbar’ auch nicht, wie Rathey behauptet, jedenfalls ist der Befund bei Josephus differenzierter, da sich die Talio ja nicht nur auf ‘Auge um Auge und Zahn um Zahn’ bezieht, vgl. dazu Jos. Ant. 4.8.33, 35.
50 Vgl. dazu Broer, I., Freiheit vom Gesetz und Radikalisierung des Gesetzes. Ein Bei-trag zur Theologie des Euangelisten Matthäus (SBS 98; Stuttgart: Kath. Bibelwerk, 1980) 111.Google Scholar
51 Der Aussage als solcher, unabhängig von der in Mt 5.17–20 vorgeschalteten Inter-pretationsmaxime.
52 Die Formel begegnet dort dreimal, 28.10, 14 wird sie nicht mit ἀποδίδωμι, sondern mit ποιεῖν verwendet. Vgl. auch ApkSedr 7.7.
53 Einer Formel, die sich so nicht im AT findet, wohl aber die Formel κακὰἀντὶἀγαθν, vgl. Is 18.20; 1 Makk 16.17.
54 Dieser Sprachgebrauch hat in LXX durchaus Par, vgl. z.B. Mal 3.15; Jer 27.24, 44; 29.19 LXX.
55 Vgl. Frankemölle, H., Biblische Handlungsanweisungen. Beispiele pragmatischer Exegese (Mainz: Grünewald, 1983) 205Google Scholar: ‘Da die Arbeit mit ambivalenten Aussagen ein Stilelement des Evangelisten Mt ist….’
56 Meier, Law, 157.
57 Der Anteil des atl. Materials an der jeweiligen These der sechs Antithesen ist unter-schiedlich, die Antithetik wird z.T. durchaus erst durch Zusätze zum AT möglich gemacht (vgl. z.B. Mt 5.21). Der atl. Anteil ist insgesamt in Mt 5.31 und 33 am geringsten, wenn freilich auch durchaus noch vorhanden.
58 Der Theologe wird sich vom Soziologen sagen lassen müssen, daß dieser Vorgang offensichtlich ganz normal ist und deswegen theologisch nicht überbewertet werden darf, wenn natürlich auch die Ergebnisse ähnlicher Prozesse nicht einfach als notwendig und determiniert bezeichnet werden können. Vgl. zur Erläuterung dieses auffälligen (dialek-tischen) Nebeneinanders von Einschärfung des Gesetzes bis in die kleinsten Einzelheiten hinein und Betonung des Gegensatzes gegen das Gesetz die Frage, ob die Jugendbewegung in Deutschland als eine Gegenbewegung gegen die herrschende Ordnung angesehen werden kann, die auch nur mit Ja und Nein zugleich beantwortet werden kann. Einerseits war die Jugendbewegung – vor allem, nachdem sie einmal vorhanden war – auch ein Vehikel der Emanzipation von Elternhaus und Schule; andererseits war ihre rasche Ausbreitung nur bei Duldung und Förderung durch diese ‘primären Sozialisationsinstanzen’ möglich; – einerseits war sie völkisch und deutschnational, andererseits verspottete sie das bramarbasierende, wilhelminisch-preußische Pathos; so B. Schäfers, ‘Gruppenbildung als Reflex auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen am Beispiel der deutschen Jugendbewegung’, in: Gruppensoziologie. Perspektiven und Materialien (hg. von Neidhardt, F.; Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft 25, 1983) 106–25, 119Google Scholar. Dort finden sich weitere Beispiele für diese Sowohl-Als-Auch-Struktur der Jugendbewegung.
59 Vgl. Broer, Freiheit, 81ff. – Im übrigen ist m.E. bislang nicht genügend diskutiert, was denn die Konstatierung ‘Hier hebt Jesus das Gesetz auf’ eigentlich austrägt. Wenn z.B. Piper, Love, 89 feststellt: ‘Jesus was in some sense abolishing the lex talionis’, so ist doch zu fragen, was dies angesichts der Tatsache bedeutet, daß derselbe Autor schon in Ex 23.4–5 ‘an embryo of the rule of enemy love’ (so 28 in Übernahme eines Zitats von Schmauch) und in JosAs die gleiche Aufhebung der Talio gefunden hat (so 37–9; zur Frage des jüdischen Ursprungs der Liebe zu alien Menschen in TestXII vgl. ebda 44–5).
60 Vgl. Broer, Freiheit, 33–4.
61 Freilich ist auch dazu wieder der Soziologe vom Theologen zumindest anzuhören, der über die beiden sich durch Schisma voneinander trennenden Gruppen sagt: ‘Die zwei Gruppen liegen im Wettbewerb um dasselbe Publikum, und häufig wenden sie sich an dieselben Quellen und Autoritäten, um ihren Standpunkt zu rechtfertigen, so daß ein Konkurrenzkampf um den Beweis der Reinheit der Lehre und der sozialen Praxis entbrennt.’ Wilson, - B. R., ‘Eine Analyse der Sektenentwicklung’, in: F., Fürstenberg, Hg., Religionssoziologie (Soziolog. Texte 19; Neuwied: Luchterhand, 2. Aufl. 1970) 311–36, 326Google Scholar. Vgl. auch ebda 320: ‘Die schismatische Gruppe bleibt im allgemeinen kräflig, solange ihr Protest gegen die Mutter-Organisation von Bedeutung ist und solange die kon-kurrierende Gruppe als Stimulus besteht.’
62 Vgl. die Diskussion zwischen Hillel und Schammai über den nach Dt 24.1 hin-reichenden Grund für die Ehescheidung und die Tatsache, daß die Regelung des mt. Jesus mit der Lösung des Schammai übereinstimmt.
63 Vgl. nur die Redeweise von ‘ihren Synagogen’. Frankemölle, - Wie H., ‘Evangelium und Wirkungsgeschichte. Das Problem der Vermittlung von Methodik und Hermeneutik in neueren Auslegungen zum Matthäusevangelium’, in: Oberlinner, L./Fiedler, P. (Hg.), Salz der Erde – Licht der Welt. Fs. A. Vögtle zum 80. Geburtstag (Stuttgart: Kath. Bibel-werk, 1991) 31–89, 38Google Scholar sagen kann, daß ‘die Unterscheidung von Text und Geschichte mit Blick auf die biblische Literatur künstlich ist, da es eine vom Text getrennte Geschichte (etwa der matthäischen Gemeinde) nicht gibt’ (Hervorhebung I.B.) ist mir unverständlich; das Problem besteht doch allein darin, daß wir bei den meisten biblischen Dokumenten außer dem Dokument selbst keinen von diesem unabhängigen Zugang zur Geschichte der jeweiligen Gemeinde/des Autors des Textes haben, aber daß es diese tatsächlich gegeben hat, kann doch keinem Zweifel unterliegen. Vgl. übrigens ebda 59.
64 Vgl. Mk 12.28–34parMt: die Einfügung von πειράζων und die Auslassung der posi-tiven Reaktion Jesu.
65 Eine neue, sich von der Großgruppe abspaltende religiöse Gemeinschaft bildet nicht nur neue Werte und Wertorientierungen aus (vgl. Morel, dazu J., ‘Soziologische Aspekte des Normativen’, in: J., Wössner, Hg., Religion im Umbruch. Soziologische Beiträge zur Situation von Religion und Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft [Stuttgart: Enke, 1972] 123–49, 127)Google Scholar, sondern sie muß wohl auch die Neuheit dieser Neuorientierung sowohl gegenüber der Mutterreligion als auch gegenüber den Mitgliedern der eigenen Gemeinschaft betonen. Sie wird das vermutlich nicht nur da tun, wo sie wirklich grundsätzlich Neues hervorgebracht hat, sondern auch da, wo die Unterschiede marginal sind, weil nur durch die Hervorhebung der Differenzen die Abgrenzung von der Großgruppe gerecht-fertigt werden kann. – Auf unseren Zusammenhang läßt sich wohl auch der Hinweis Troeltschs auf den Unterschied zwischen Sekte und Kirche anwenden. Nach Troeltsch unterscheiden sich das Christentum und seine Sekten gerade dadurch voneinander, daß die Sekte Dinge prinzipiell betont, bei denen die Kirche Kompromisse schließt, wobei freilich für unser Problem zu beachten ist, daß hier das Judentum die Kirche und das sich ausbildende Christentum die Sekte darstellt. Troeltsch sagt von der Kirche: ‘… es ist ebenso offenkundig, daß damit der radikale, auf persönlichste Leistung dringende Individualismus des Evangeliums, seine radikale, alle im persönlichsten Lebenszentrum verknüpfende Liebesgemeinschaft, seine heroische Unbekümmertheit um Welt, Staat und Kultur, sein Mißtrauen gegen die zerstreuende und ablenkende Seelengefährlichkeit eines starken Besitzes und Besitzstrebens zurückgestellt oder auch gar verlassen sind, daß diese Züge nur als Momente im System, aber nicht als beherrschende Grundsätze mehr erscheinen’ (Troeltsch, E., ‘Kirche und Sekte’, in: F., Fürstenberg, Hg., Religionssoziologie [Soziolog. Texte 19; Neuwied: Luchterhand, 1964] 267–77, 272).Google Scholar
66 Vgl. dazu auch – via negationis – die Tatsache, daß in der Didache entsprechende, die eigene Identität stabilisierende Abgrenzungen fehlen, die Schmeller, T., Brechungen. Urchristliche Wandercharismatiker im Prisma soziologisch orientierter Exegese (SBS 136; Stuttgart: Kath. Bibelwerk, 1989) 80Google Scholar so deutet: ‘Diesem Befund wird nur die Deutung gerecht, daß die Trennung von Judentum und Synagoge bereits selbstverständlich war und der Hauptteil der Gemeinde aus ehemaligen Gottesfürchtigen bestand.’
67 Vgl. Theißen, G., Studien zur Soziologie des Urchristentums (WUNT 19; Tübingen: Mohr, 2. Aufl. 1983) 58–9.Google Scholar
68 Vgl. nur den geradezu klassisch zu nennenden Aufsatz Käsemanns, E., ‘Das Problem des historischen Jesus’, in: ders., Exegetische Versuche und Besinnungen 1 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Aufl. 1964) 187–214, 206–7Google Scholar. – Die Wirkungsgeschichte von Mt 27.24–5 würde dieses Kompliment freilich erheblich relativieren, wenn man Autoren für die Wirkungsgeschichte ihrer Äußerungen haftbar machen könnte! Vgl. zum Verständ-nis von Mt 27.24–5 auf der Ebene des Evangeliums meine Ausführungen ‘Antijudaismus im NT?’, in: Salz der Erde – Licht der Welt. Exegetische Studien zum Matthäusevan-gelium. Fs. f. A. Vögtle zum 80. Geburtstag (hg. von L. Oberlinner/P. Fiedler; Stuttgart: Kath. Bibelwerk, 1991) 321–55, 332Google Scholarff. Zur Wirkungsgeschichte von Mt 27.24–5 vgl. Kampling, R., Das Blut Christi und die Juden. Mt 27.25 bei den lateinischsprachigen christ-lichen Autoren bis zu Leo dem Großen (NTA NF 16; Münster: Aschendorff, 1984).Google Scholar
69 Die weitere Geschichte des Talio-Verbots im frühen Christentum habe ich nachzu-zeichnen versucht in Beitrag, dem ‘Zur Wirkungsgeschichte des Talio-Verbots in der Alten Kirche’, BN 66 (1993) 23–31.Google Scholar