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Apostelgeschichte 6.1 und die Anfänge der Urgemeinde in Jerusalem*

Published online by Cambridge University Press:  05 February 2009

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Die Verse Apg. 6.1–7 ‘gehören zu den wichtigsten Texten für die Geschichte des Urchristenturns, sind … aber auch von erheblichen Schwierigkeiten belastet’. So urteilte jüngst W. Schneemelcher in seinem Buch über ‘Das Urchristentum’ – mit gutem Grund, wie wir sehen werden.

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References

ANMERKUNGEN

[1] Schneemelcher, W., Das Urchristentum (Stuttgart, 1981) (Urban Taschenbuch 336), S. 102.Google ScholarVgl. auch Hengel, M., Zur urchristlichen Geschichtsschreibung (Stuttgart, 1979), S. 63.Google Scholar

[2] Haenchen, E., Die Apostelgeschichte (Göttingen, 1956) 5. (= 14.) Aufl. 1965 (MeyerK III), S. 218–22.Google Scholar

[3] Grässer, E., ‘Acta-Forschung seit 1960 (Fortsetzung)’, ThR 42 (1977), S. 1–68: S. 17–25.Google ScholarVgl. Hengel, weiter M., ‘Zwischen Jesus und Paulus. Die “Hellenisten”, die “Sieben” und Stephanus (Apg. 6,1–15; 7,54–8,3)’, ZThK 72 (1975), S. 151–206: S. 155–61.Google Scholar

[4] Folgende Kommentare wurden herangezogen (sie werden im folgenden nur mil dem Autornamen zitiert): Stählin, G., Die Apostelgeschichte (Göttingen, 1962) 5. Aufl. 1975 (NTD 5)Google Scholar; Munck, J., The Acts of the Apostles, rev. by W. F. Albright and C. S. Mann (Garden City/N.Y., 1967) (AnchorB 31)Google Scholar; Conzelmann, H., Die Apostelgeschichte (Tübingen, 1963) (HNT 7)Google Scholar; G. Schneider, Die Apostelgeschichte, I. Teil (Freiburg usw. 1980) (HThK V 1); Roloff, J., Die Apostelgeschichte (Göttingen, 1981) (NTD 5, Neubearbeitung)Google Scholar; Weiser, A., Die Apostelgeschichte, Kap. 1–12 (Gütersloh und Würzburg, 1981) (ÖTK 5,1). – Ferner werden abgekürzt zitiert: W. Schneemelcher, Das Urchristentum (s. Anm. 1)Google Scholar; Conzelmann, H., Geschichte des Urchristentums (Göttingen (1969) 3. Aufl. 1976)Google Scholar, sowie aus der umfangreichen Spezialliteratur zu Apg. 6. 1 ff. (s. die Bibliographie bei Hengel, ZThK (1975), S. 204–6, und in den Kommentaren von Schneider und Weiser) insbesondere die bereits genannten Arbeiten von M. Hengel (s. Anm. 1 und 3), ferner: Schneider, G., ‘Stephanus, die Hellenisten und Samaria’, in: Kremer, J. (Hrsg.), Les Actes des Apôtres (Gembloux, 1979) (BETL 48), S. 215–40Google Scholar; Pesch, R.Gerhart, E.Schilling, F., ‘“Hellenisten” und “Hebräer”. Zu Apg 9,29 und 6,1’, BZ 23 (1979), S. 87–92. Weitere Literatur wird von Fall zu Fall genannt.Google Scholar

[5] Vgl. besonders Apg. 8. 1; weiter 9. 31 im Vergleich mit 11. 19 ff. S. Haenchen, S. 219 f.

[6] D.h. die Sieben übten das Werk von αποστολοι im ursprünglichen, funktionalen Sinne des Wortes und sind deshalb im urchristlichen Sinne als vollwertige Apostel anzusehen.

[7] In Entsprechung zum Prozeß gegen Jesus nach Mk. 14. 57 f., während Lukas in seiner Parallele dazu (Lk. 22. 66–71) diese Anschuldigung gegen Jesus ganz übergeht. – Wie immer die in Apg. 6.14 referierte Anschauung des Stephanus, insbesondere das in der These zweimal enthaltene Futur, genauer zu interpretieren sein mag: Lukas macht durch V. 11 und 13 (und durch die schließliche Reaktion der Massen auf die Rede des Stephanus, 7. 57 ff.) anschaulich, daß selbst in der These von einer erst zuk¨nftigen Relativierung von Tempel und Tora ein für das toratreue Judentum unerträglicher Affront gegen diese Größen und damit eine Blasphemie vorliegt. Und Lukas selbst denkt nicht viel anders! Noch in Apg. 21. 20 f. stellt er indirekt fest, daß selbst im Bereich der Heidenmission eine ‘Änderung der ″τη des Mose’ unzulässig ist; darum muß sich Paulus selbst von dem Vorwurf, er vertrete ein derartiges Konzept, durch eine kulttreue Handlung reinigen und sich damit rehabilitieren (21. 23–26) - freilich ohne Erfolg in den Augen der Judenschaft (21. 27–30).

[8] Vgl. bes. Hengel, M., ZThK (1975), S. 172 f.Google Scholar; ferner z.B. T. Holtz, ‘Überlegungen zur Geschichte des Urchristentums’, ThLZ 100 (1975), Sp. 321–32: Sp. 324 f.Google Scholar

[9] Vgl. dazu unten Anm. 80.

[10] So etwa G. Stählin, S. 97: Die in Apg. 6. 1 einsetzende ‘neue Quelle stammt wahrscheinlich aus der mutmaßlichen Heimat des Lukas, Antiochien’. Nach der D-Lesart in Apg. 11. 28 gilt Lukas in altkirchlicher Tradition vielfach als Antiochener.

[11] Harnack, A., Die Apostelgeschichte (Leipzig, 1908) (Beiträge zur Einleitung in das NT, 3), S. 131–58, 186–8.Google Scholar

[12] Kritisch urteilen hier z.Kümmel, B. W. G., Einleitung in das Neue Testament, 17. Aufl. (Heidelberg, 1973), S. 142 f.Google Scholar; Grüßer, E., ‘Acta-Forschungseit 1960’(Anfang), ThR 41 (1976), S. 141–94: S. 187Google Scholar; Schenke, H.-M.Fischer, K. M., Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments II (Berlin, 1979), S. 150 f.Google Scholar; A. Weiser, I, S. 36 f.; nicht ganz so entschieden etwa G. Schneider, I, S. 86 f.

[13] Vgl. z.B. Weiser, I, S. 37.

[14] Die speziell hiergegen gerichtcten Arguments von G. Schneider (I, S. 420 f.) sind durchaus nicht schlüssig, zumal wenn man den Anteil der lukanischen Redaktion so bestimmt, wie er es – weithin überzeugend - tut. Speziell zu V. 7 wäre zu fragen (entgegen Schneider, S. 420): Warum sollte Lukas nicht, wie so oft, das Überlieferte durch einen eigenen Kommentar unterbrochen haben, der zeigen sollte, wie in alien - guten Oder schlechten - Entwicklungen Gott das Wachstum der Gemeinde fördert? (Vgl. ähnlich 8. 4; 8. 25 u. 40; 9. 31; 11. 19–21.)

[15] Vgl. Hengel, ZThK (1975), S. 156 f.Google Scholar, unter Hinweis auf Plümacher, E., Lukas als hellenistischer Schriftsteller (Göttingen, 1972) (StUNT 9), S. 38–72.Google Scholar

[16] Schneider, I, S. 420–30.

[17] Lienhaid, J. T., ‘Acts 6,1–6: A Redactional View’, CBQ 37 (1975), S. 228–36. Mit Lienhard teilt Schneider freilich auch die Ansicht, daß das Überlieferungsstück von Apg. 6. 1–6 gegenüber der Stephanus-Überlieferung (6. 8 ff.) selbständig gewesen sei.Google Scholar

[18] Als biblisches Muster für eine Konfliktlösung im Üerlastungsfall konnten dem Lukas Erzählungen wie Exod. 18. 17–26 oder Num. 27. 15–23 dienen (vgl. weiter Schneider, I, S. 422). - Man hat freilich dafür, daß mindestens noch in V. 2a antiochenische Überlieferung enthalten sei, geltend gemacht, daß in der Apg. das absolute οι δώδєκα nur hier auftritt und daß die Bezeichnung οι ματηγαι für die Gemeinde (in ihrer Gesamtheit!) erst von 6. 1 an aufkommt (vgl. Hengel, ZThK (1975), 155f.; dagegen ist Conzelmann, S. 43, in dieser Hinsicht m.R. sehr vorsichtig). Zu οι δώδєκα bemerkt Schneider (I, S. 424 A. 30), daß es Lukas hier auf die Gegen¨berstellung der Zwölf und der Sieben ankommt. Und αι ματηγαι ist jedenfalls nach dem lukanischen Wortgebrauch in Apg. gar kein Indiz für antiochenische Überlieferung. Es läßt sich weder behaupten, daß ματηγαι ursprunglich ‘Selbstbezeichnung der palästinischen Christen’ war (so K. H. Rengstorf, ThWNT IV, S. 462 f.; Haenchen, S. 213 Anm. 2; Conzelmann, S. 43), noch das Gegenteil, daß es sich um eine Selbstbezeichnung der ‘Hellenisten’ Antiochiens handelte (so z.B. Stählin, S. 97). In Apg. 6. 1 und 6. 7 ist ματηγαι jedenfalls redaktionell; das gleiche wird dann auch für 6. 2 gelten.

[19] Jüngst haben vor allem R. Pesch – E. Gerhart – F. Schilling (s. Anm. 4) den Hauptteil der Verse 2–3 (nicht aber V. 4) sehr entschieden der vorlukanischen Überlieferung zugewiesen; sie sehen also die Zwölf als Initiatoren der Einsetzung der Sieben an, denken aber bei den von den Zwölfen nach V. 2 zusammengerufenen ματηγαι nur an die Gruppe der ‘Hellenisten’ (s. vorige Anm. gegen Ende), was Lukas durch V. la verunklart habe.

[20] Hengel (ZThK (1975), S. 155) verweist nicht ohne Ironie darauf, daß auch Exegeten, die sonst an Fragen der Historic wenig interessiert seien, bei Apg. 6. 1 ff. ‘besonders rege, ja sogar phantasievoll’ werden.

[21] Auf die Arbeit von R. Pesch – E. Gerhart – F. Schilling (s. oben Anm. 4) wurde ich erst aufmerksam, nachdem sich mir die im folgenden vorgetragene Hypothese in den Grundzügen schon gebildet hatte; diese ist also kein ‘Gegenentwurf’ zu der jener drei Autoren. Doch ist die Art ihrer Fragestellung der meinigen ein Stück weit verwandt, wenn auch die Antwort auf Grund anderer Beurteilung des redaktionellen Anteils in 6. 1–7 (s. oben Anm. 19) und des historischen Gehalts der in den Sammelberichten (2. 41–47 und 4. 32–35) enthaltenen Nachrichten deutlich anders ausfällt.

[22] Es ist bemerkenswert, daß die Revision der Luther-Übersetzung von 1956 (beibehalten 1975) entgegen den älteren Fassungen zu ‘unter den griechischen Juden’ die Worte ‘in der Gemeinde’ hinzuzuf¨gen für nötig befunden hat, bekanntlich ohne Anhalt in der griechischen Text¨berlieferung. Das ist m.W. ein recht seltener Fall. Für den deutschen Bibelleser wird auf diese Weise der Schein von Eindeutigkeit erweckt.

[23] Haenchen, S. 213 (wohl als die Meinung des Lukas); vgl. Stählin, S. 97 (ebenso).

[24] Stählin, S. 97.

[25] Haenchen, S. 221 f.

[26] Nach Pesch-Gerhart-Schillling (BZ 1979, S. 92) dagegen wäre die theologische ‘Profilierung’ der Stephanus-Gruppe eher eine Folge jenes Vorfalles, nicht schon seine Voraussetzung.Google Scholar

[27] Vgl. in diesem Sinne auch Hengel, Zur urchr. Geschichtsschreibung, S. 80 f., 95.

[28] Hengel, ZThK 1975, S. 181 f. Im ganzen ahnlich sieht Roloff (S. 109) die Sachlage.

[29] Kritisch äußem sich dazu in unserem Zusammenhang auch Pesch-Gerhart-Schilling (BZ 1979, S. 92 Anm. 11). Daß sich die wirtschaftliche Bedrängtheit der Jerusalemer Gemeinde durchaus auch ohne die Hypothese vom Naherwartungs-Enthusiasmus erklären laßt, zeigt etwa der Versuch Haenchens (S. 191 f.).

[30] Bei der Aussprache in Leuven wies mich E. Larsson (Oslo) freundlicherweise darauf hin, daß Niels Hyldahl in seiner Arbeit ‘Udenfor og indenfor. Sociale og økonomiske aspekter i den ældste kristendom’, Kopenhagen 1974 (Tekst og Tolkning 5), eine ähnliche Auffassung zu Apg. 6. 1 vertritt wie die hier vorgetragene. Leider war es mir noch nicht möglich, die Arbeit von N. Hyldahl selbst einzusehen. (Vgl. jetzt Anm. 83.)

[31] Wenn es zutrifft, daß der hinter Apg. 6. 1–7 stehende Vorgang in ein sehr frühes Stadium der Geschichte der Urgemeinde gehört, dann wird man sich von der Vorstelhmg freimachen müssen, daß es bei den Jesusanhängem in Jerusalem schon wenige Wochen oder Monate nach dem Beginn öffentlicher Jesuspredigt feste Organisationsstrukturen gab, die sich bis in eine selbständig geregelte Armenversorgung hinein erstreckten.

[32] Von dem dritten Summarium (Apg. 5. 12–16), das in der Forschung am ehesten als vorlukanisch und als von Lukas benutztes Muster für die vorangehenden Summarien angesehen wird (vgl. Haenchen, S. 153, 157 f., sowie Zimmermann [s. Anm. 35]), kann in unserem Zusammenhang abgesehen werden, daes über Gütergemeinschaft und Versorgung Bedürftiger nichts sagt. Trifft die eben wiedergegebene Beurteilung.von 5. 12–16 zu, dann ergibt sich daraus umso mehr, daß die beiden Themen erst von Lukas in die Summarien eingebracht worden sind.

[33] In der Literatur ist es weithin ¨blich geworden, die jüdisch-hellenistische Linie in der Urgemeinde (Stephanus-Gruppe) schlechthin als ‘Hellenisten’ zu bezeichnen (vgl. nur beispielshalber Conzelmann, Geschichte S. 42 ff.; Schneemelcher, Urchristentum, S. 15, 100 ff.; Hengel, Zur urchr. Geschichtschreibung, S. 63 ff., und ZThK 1975, passim; Schneider, ‘Stephanus, die Hellenisten und Samaria’ - vielfach sogar in Aufsatz- bzw. Kapitelüberschriften). Man meint, damit einen von Lukas gebrauchten ‘Begriff’ aufzunehmen; aber schon ein Blick auf Apg. 9. 29 sollte die Täuschung erkennen lassen. Vgl. noch unten S. 383 f. bei Anm. 67 f.

[34] Hengel, ZThK 1975, S. 157–72.

[35] Zu den Summarien vgl. allgemein Kümmel, Einleitung (s. Anm. 12), S. 134 f.; Conzelmann, S. 7 f.; Haenchen, S. 155–8; Schneider, I, S. 105 f.; Weiser, I, S. 101–3; Zimmermann, H., ‘Die Sammelberichte der Apostelgeschichte’, BZ 5 (1961), S. 71–82, und ders.Google Scholar, Neutestamentliche Methodenlehre (Stuttgart und Leipzig, 1967)Google Scholar, S. 243–57 (6. Aufl. Stuttgart, 1978, S. 254–67); E. Plümacher (s. Anm. 15), S. 16–18.

[36] Zu 5. 12–16 s. oben Anm. 32. – Nach H. Zimmerman wäre freilich auch 4. 34 f. ein tradiertes Textstück (Methodenlehre, S. 252 ff.). Das ist jedoch sehr unwahrscheinlich; s. oben S. 378 f.

[37] Vgl. dazu Conzelmann, S. 31; Plümacher (s. Anm. 15), S. 16 ff.

[38] Haenchen (S. 189) denkt auch an die Möglichkeit, daß Barnabas einen auf Zypern, in seiner Heimat, gelegenen Besitz jetzt verkauft; doch das ist weniger wahrscheinlich.

[39] Barnabas gehörte bekanntlich nicht dem Kreis um Stephanus an, war also auch nicht mit dieser Gruppe aus Jerusalem vertrieben worden. Doch scheint er sich zusammen mit Johannes Markus in Antiochien dann ganz der aus der Stephanus-Gruppe hervorgegangenen Gemeinde der ‘Christianer’ angeschlossen zu haben, so daß er dann von ihr als Missionar ausgesandt wurde (13. 2 f.).

[40] Zum jüdischen Institut der Armenversorgung vgl. schon Schürer, E., Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, II, 4. Aufl. (Leipzig, 1907), S. 513 f.Google Scholar (= The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ, New English Version by G. Vermes, F. Millar and M. Black, II (Edinburgh, 1979), S. 437); (H. L. Strack –) Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, I (München, 1922), S. 387–91Google Scholar; II (ebd. 1924), S. 643–7; vgl. noch IV.l, (ebd. 1928), S. 536–58, bes. 548 f.; Jeremias, J., Jerusalem zur Zeit Jesu (Göttingen (19231937) 3. Aufl. 1963), S. 145–50Google Scholar; Strobel, A., ‘Armenpfleger “um des Friedens willen”. Zum Verständnis von Act 6, 1–6’, ZNW 63 (1972), S. 271–6.Google Scholar

[41] Diese These vertritt offenbar Seccombe, D., ‘Was there organized Charity in Jerusalem before the Christians?’, JThSt NS 29 (1978), S. 140–3; sein Aufsatz ist mir nur durch das Referat in IZBG 26 (1979/80), Nr. 2720 und Bezugnahmen in jüngerer Literatur bekannt.Google Scholar

[42] J. Jeremias (s. Anm. 40) schließt ausdrücklich auf Grund von Apg. 6. 1 auf das Vorhandensein eines jüdischen Versorgungssystems in der Zeit der Urgemeinde (S. 149); er bezieht auch einige Jesusworte auf diese Institution (S. 146 f.). A. Strobel (ZNW 1972, S. 273) schreibt: ‘… wobei wir annehmen dürfen, daß dieses institutionalisierte Fürsorgewesen in neutestamentlicher Zeit bereits voll ausgebildet war’.

[43] So Jeremias, S. 147 (‘… daß irgendwie diese Einrichtungen der Urgemeinde als Vorbild gedient haben’); Strobel, ZNW 1972, S. 274; Stählin, S. 97.

[44] So bes. Hengel (ZThK 1975, S. 182), der in ausdrücklicher Unterscheidung von der ‘wohlorganisierten wöchentlichen Armenversorgung der jüdischen Gemeinden’ die urchristliche ‘tägliche Dienstleistung’ alseinc spontane Hilfeleistung ‘von der Hand in den Mund’ ohne jede ‘weiterplanende Vorsorge’ darstcllt; vgl. schon oben bei Anm. 28 zu dem vom ihm vorausgesetzten Hintergrund.

[45] So mit Recht A. Strobel, ZNW 1972, S. 272 Anm. 8; ähnlich schon A. Harnack (s. oben Anm. 11), S. 169 (vgl. 136 f.).

[46] Jeremias, Jerusalem (oben Anm. 40), S. 147. Freilich sieht Jeremias schließlich cine Abweichung der urchristlichen Praxis von dem jüdischen System, die sich ‘von selbst’ ergeben habe, als wahrscheinlicher an.

[47] So H. W. Beyer, ThWNT II, S. 84; auch Strobel, ZNW 1972, S. 272 f. Anm. 9. - Zur Illustration mag man an Test. Hiob 10 ff. denken (dazu s. unten Anm. 51).

[48] So setzt Haenchen (S. 215) eine ‘längere Entwicklung und Entfremdung’ zwischen Judenschaft und Urgemeinde in Jerusalem voraus; Munck denkt sogar an eine Verfolgungssituation (s. unten Anm. 50).

[49] So schildert z.B. Jeremias (Jerusalem, S. 145 ff.) die Sozialfürsorge der Urgemeinde als die einer besonderen ‘religiösen Gemeinschaft’, in Analogic zu der der Essener. Er erörtert aber nicht, wie sich das zu der fraglos weiterbestehenden Zugehörigkeit der Jesusanhänger zur Tempelkultgemeinde verhalten haben kann bzw. wodurch die Verselbständigung ihrer Armenfursorge veranlaßt sein könnte.

[50] Gegen J. Munck, S. 55: ‘the church was at that time being persecuted by the Jews’. Zumal wenn man sich an die Abfolge der Darstellung bei Lukas hält, besteht zu dieser Annahme kein Anlaß.

[51] Dafür läßt sich das Testament Hiobs geltend machen (Hinweis von Dr. B. Schaller). Dieser jüdisch-hellenistische Text aus dem 1./2. Jahrh. n. Chr. (vgl. B. Schaller, JSHRZ 111,3 (Gütersloh, 1979), S. 311 f.) schildert in Kap. 9–14 Hiob als einen frommen Mann, der aus eigener Initative eine großzügige Armenversorgung, u.a. auch eine tägliche Witwenspeisung (10. 2; 13. 4; 14. 2), eingerichtet habe. An Apg. 6. 2 erinnert u.a. auch der terminologische Gebrauch der Worte διακονια und τραπєζα (vgl. Schaller, S. 333 f. Anm. zu X 2a). Die so geschilderte Form von Sozialfürsorge ist sonst nicht nachweisbar; Schaller (a.a.O.) denkt daran, daß sie ‘aus der Situation einer von Proselyten durchsetzten Gemeinde hervorgegangen sein dürfte’. Bei der Interpretation des Textes ist freilich zu bedenken, daß es hier um die Rühmung der besonders herausragenden Frömmigkeit Hiobs geht; dadurch mögen z.B. die Züge privater Initiative und unglaublicher Großzügigkeit bedingt sein. Man kann also nicht unmittelbar auf eine gängige Praxis schliefien. Dennoch sind bestimmte Einzelheiten, wie etwa die freiwillige διακονια von Helfern, die keinen materiellen Beitrag zur Armenversorgung leisten können (12. 1 ff.), zu beachten.

[52] Zu den pharisäischen Haburot (der griechische Ausdruck ist nach 1. Makk. 2. 42 συναγωγή Άσιδαων) vgl. Jeremias, Jerusalem (s. oben Anm. 40), S. 280–94, bes. 283 f.

[53] Vgl. Jeremias, Jerusalem, S. 303.

[54] Hengel (ZThK 1975, S. 177 f.) denkt an eine von Anfang an zweigeteilte bzw. rasch gespaltene gottesdienstliche Versammlung der sprachlich geschiedenen Gruppen in der Urgemeinde – um so überraschender wäre es dann freilich, daß man dennoch zunächst eine gemcinsamc Armenversorgung organisiert haben sollte.

[55] S. schon oben bei Anm. 27.

[56] Vgl. die Vermutung Stählins, oben bei Anm. 24.

[57] Darauf möchte Hengel (ZThK 1975, S. 176 ff.) die Schwierigkeiten letztlich zurückfuhren. Aber selbst wenn er mit seiner Vermutung im Recht sein sollte, daß die Sprachverschiedenheit in der Urgemeinde der Anlaß für getrennte Versammlungen war, so genügt das nicht, um das bewußte ‘Ubersehen’ der ‘hellenistischen’ Witwen zu erklären. Denn Hengel rechnet ja mit einer durchaus friedlichen Trennung, und er setzt z.B. hinsichtlich der Weitergabe und Übernahme der Jesustradition einen durchaus ungestörten Kontakt zwischen beiden Sprachgruppen voraus (vgl. S. 199–203). Trifft das alles zu, dann liegt es umso näher, den in Apg. 6. Ib angedeuteten Konflikt nicht innerhalb der Urgemeinde zu suchen.

[58] So außer den von Hengel (ZThK 1975, S. 157–61) besprochenen Autoren noch besonders Ellis, E. E., ‘“Those of the Circumcision” and the Early Christian Mission’, Studio Evangelica IV (Berlin, 1968) (TU 102), S. 390–9; mit wenig geändertem Titel wiederabgedruckt in: E. E. Ellis, Prophecy and Hemeneutic (Tübingen, 1978) (WUNT 18), S. 116–28.Google Scholar

[59] Hengel, ZThK 1975, S. 161–71.

[60] Dazu vgl. die ungewöhnlich ausführliche Diskussion bei B. M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, (o. O. 1971), S. 386–9.

[61] Vgl. oben Anm. 33.

[62] Hengel (ZThK 1975, S. 164 f.), der für 11. 20 mit Nachdruck die Lesart τούς λληνας als die ursprüngliche ansieht, denkt an eine Änderung auf Grund einer falschen Erinnerung des Abschreibers an 6. 1 und 9. 29. Folgt man der textkritischen Entscheidung Hengels und anderer (unter den neueren Kommentatoren vgl. Schneider, Roloff, Weiser) nicht, dann entfällt natürlich die Möglichkeit, die λληνισραι als ein ‘Phänomen’ anzusehen, ‘das auf Jerusalem beschränkt ist’ (Hengel, S. 165).

[63] Die Versuche, in den Hellenistai von Apg. 6. 1 betontermaßen nicht Juden, sondern (christgewordene) Heiden zu sehen (so in unserem Jahrhundert z.B. H. J. Cadbury oder W. Grundmann, vgl. dazu Hengel, ZThK 1975, S. 157 f. mit Anm. 29), sind wohl heute mit Recht ganz aufgegeben. Es mag aber interessant sein, daran zu erinnern, daß vor 150 Jahren die Auffassung, in Apg. 6. 1 seien orientalisierte Griechen gemeint, den Grund dafür abgab, daß G. Droysen für die Geschichtsepoche nach Alexander dem Großen die Bezeichnung ‘Hellenismus’ pragte (so nach H. Volkmann, Art. Hellenismus, Der Kleine Pauly 2, 1967, Sp. 1009).

[64] Eine Unterscheidung zwischen dcm Hebräischen und dem Aramäischen wird im Sprachgebrauch des Neuen Testaments ebensowenig gemacht wie etwa bei Philon, der beide Sprachen gar als ‘Chaldaisch’ bezeichnen kann.

[65] Wie es Autoren wie O. Cullmann, W. Schmithals oder E. E. Ellis annahmen; s. oben Anm. 58.

[66] Gal. 1. 14; Phil. 3. 5 f.

[67] So Pesch-Gerhart-Schilling, BZ 1979, S. 87.

[68] Pesch-Gerhart-Schilling, BZ 1979, S. 87 f.

[69] Diese Neigung sollte man doch stärker veranschlagen, als es M. Hengel tut, der nurganz am Ende seines Aufsatzes (ZThK 1975, S. 203 f.) eine solche Möglichkeit noch andeutet. Dagegen unterliegt E. E. Ellis in seinem in Anm. 58 genannten Aufsatz zweifellos der Gefahr, Diaspora-judentum und torakritische Haltung zu sehr als auf einer Linie liegend und daher auch den Ausdruck Έλληνισγαι schon als Indiz fur eine ‘freer attitude towards the Jewish Law and cultus’ anzusehen (Studio Evangelica IV, S. 392). Philon, der Pharisäer Paulus oder auch die in Apg. 9. 29 genannten Έλληνισγαι sind klare Beispiele dafür, daß auch Diasporajuden griechischer Sprache loyal, ja streng zur Tora stehen. Aber Philons Auseinandersetzung mit den Allegoristen (de migr. Abr. 87–90) zeigt ebenso deutlich, daß es in der Diaspora auch Tendenzen gab, die Tora in ihrem Wortsinne – zumal hinsichtlich kultischritueller Vorschriften – nicht mehr als unbedingt verbindlich anzusehen, auch wenn man im übrigen keineswegs beabsichtigte, sich vom Judentum zu distanzieren. Wo man die Tora des Mose als das Buch einer für alle Menschen geltenden ‘wahren Philosophic’ sah – und das taten toratreue Diasporajuden seit Aristobulos’ Zeiten, auch Philon –, dann mußte die Frage entstehen, wie man den geistigen Inhalt der Tora alien Menschen zugänglich machen konnte, ohne sie zur Übernahme des Judentums im kultisch-rituellen Sinne nötigen zu müssen. Vgl. zum Ganzen etwa Hegermann, H., ‘Das griechischsprechende Judentum’, in: J.Maier – J. Schrciner (Hrsg.), Literatur und Religion des Frühjudentums (Würzburg – Gütersloh, 1973), S. 328–52 (bes. 349 ff.).Google Scholar

[70] Zu Jesu Haltung gegenüber der Tora vgl. jetzt, eine stark kontroverse Diskussion kurz zusammenfassend, H. Hübner, EWNT II (1981), Sp. 1165.

[71] ‘Für eine offene, den Gesetzgeber Mose selbst betreffende Kritik an Tora und Heiligtum war innerhalb des palästinischen Judentums kein Freiheitsraum’ (M. Hengel, ZThK 1975, S. 198). In Palästina hatte bisher nur Jesus dergleichen gewagt, ohne solche Kritik schon ins Prinzipielle zu wenden - und war dafür gekreuzigt worden. Aber dennoch sollte man die ‘Kritik an Gesetz und Tempel’ bei Stephanus nicht erst von seinem (christlichen) ‘geistgewirkten eschatologischcn “Enthusiasmus”’ herleiten, wie es Hengel (ZThK 1975, S. 195) in erster Linie tun möchte, sondern annehmen, daß er gewisse Anschauungen in dieser Richtung schon aus der Diaspora mitbrachte, auch wenn er nun erst – als Christ – begonnen haben dürfte, sie öffentlich in Jerusalem zu äußern (anderenfalls hätte sein Martyrium wohl nicht so lange auf sich warten lassen).

[72] Mit Hengel (ZThK 1975, S. 172 f.) würde ich auf die Frage, seit wann es unter den Jesus-jüngern in Jerusalem auch solche griechischer Sprache und diasporajüdischer Herkunft gibt, ohne weiteres bis in die allererste Zeit, also bis auf das ‘Pfingstgeschehen’ (wie immer es historisch ausgesehen haben mag) bzw. auf das Erscheinen des Auferstandenen vor den über 500 Briidern’ (1. Kor. 15. 6) zurückgehen; trotz aller legendarischen Ausgestaltung gibt Apg. 2. 5–11 dafür m.E. genügenden Anhalt.

[73] Apg. 2. 46b; 5. 42; 8. 3; als Primärzeugnis vgl. vor allem 12. 12.

[74] Hengel vermutet (vgl. oben Anm. 57), daß die Schwierigkeiten sprachlicher Verständigung in der Urgemeinde ‘notwendig und rasch zu einer Spaltung des Gottesdienstes’ (bzw. der gemeindlichen Versammlungen) führten (ZThK 1975, S. 177). Auch wenn das zutreffen sollte, geht es m.E. zu weit, einen solchen Vorgang sogleich als ‘Konstituierung einer neuen, zweiten “Gemeinde” in Jerusalem’ aufzufassen (ebd.). Schon daß die einzigen faßbaren Andeutungen in der Überlieferung (eben die hinter Apg. 6. 1–7 stehende Tradition) die Konstituierung dieser ‘zweiten “Gemeinde”’ mit dem sozialen Problem einer gerechten Versorgung der Witwen in Zusammenhang sehen, spricht nicht für Hengels Auffassung.

[75] Für die Jerusalemer Gemeinde in einer späteren Phase gilt das sicher noch in verstärktem Maße: als nämlich der Herrenbruder Jakobus und christgewordene Pharisäer (Apg. 15. 1 ff.) die innere Linie dieser Gemeinde stärker bestimmten (ganz ähnlich sieht die Entwicklung M. Hengel, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, S. 65, 81, 95). Wenn Jakobus zuletzt die Feindschaft des sadduzäischen Hohenpriesters Ananos auf sich zog, die ihm den Tod brachte (Josephus, ant. 20, S. 200 f.), so hängt das sicher nicht mit einem von seiner Seite intendierten Bruch mit Tora oder Tempelkult zusammen.

[76] Mit vielen Autoren bin ich dieser Auffassung (vgl. etwa W. Trilling, ‘Zur Entstehung des Zwölferkreises. Eine geschichtskritische Überlegung’, in: R. Schnackenburg – J. Ernst – J. Wanke [Hrsg.], Die Kirche des Anfangs [Festschrift für H. Schürmann] (Leipzig, 1977) [EThSt 38], S. 201–22). Doch gerade dann ist es fragwürdig, ob man die Zwölf als ein organisatorisches Leitungsgremium der Urgemeinde ansehen darf - was aber die ‘Sieben’ für ihre Gruppe jedenfalls waren. Vgl. dazu etwa Conzelmann, Geschichte, S. 41 f. und 44.

[77] Vgl. z.B. Haenchen, S. 213, 215 f.; Schneider, I, S. 425.

[78] ‘Es geht nicht darum, daß die Zwölf schon Tischdienst übernommen hätten, sondern darum, daß sie ihn nicht selbst übernehmen wollen’, interpretiert mit Recht Schneider, I, S. 425.

[79] ×ρєια kann zwar – nach den Belegen in W. Bauer's Wörterbuch s.v. – mit ‘Amt’ übersetzt werden, aber auch mit ‘Pflicht, Dienst’; in Apg. 6. 3 ist offenbar eine ‘notwendige Maßnahme’ gemeint, die einem ‘Bedarf’ entspricht. Daß Lukas beabsichtigt habe, in 6. 1–6 die Einrichtung des ‘Amtes’ der σιάκονοι zu schildern, ist schon deshalb nicht wahrscheinlich, weil er die substantivische ‘Amtsbezeichnung’ σιάκονος weder hier noch sonst in der Apg. (!) benutzt, sondern die Aufgabe nur verbal umschreibt. Auch Lukas selbst dürfte – wie jeder seiner Leser heute – bemerkt haben, dafi die tatsächliche Betätigung der Sieben in den weiteren Kapiteln keineswegs die von Sozialhelfem ist. Offenbar sah Lukas in dem, was ihm die in 6. 1 ff. benutzte Überlieferung bot, eine Möglichkeit, den Sieben wenigstens für den ersten Anfang eine Tätigkeit zuzuschreiben, die sie ‘den Aposteln’ unterordnete. Eine ätiologische Erzählung für ein gemeindliches Sozialamt beabsichtigte er nicht – es spielt auch später nirgends wieder eine Rolle.

[80] Demnach handelt es sich also nicht um einen beliebigen Ausschnitt aus der Überlieferung der antiochenischen Gemeinde, sondern geradezu um den Torso des Benefits vom ‘Gründungsgeschehen’ jener Linie, die von Jerusalem nach Antiochien fiihrt. Dies zu der eingangs (S. 372) unter c) gestell-ten Frage.

[81] Zur Frage der Lesart in Apg. 11. 20 vgl. oben S. 383 f. (mit Anm. 60–62).

[82] Auch das (wohl gleichfalls in Syrien beheimatete) Matthäusevangelium vertritt diese Linie; es sollte schon deshalb – unbeschadet manchen Sondergutes jüdischer Herkunft, das in der matthäischen Gemeinde lebt – nicht als ‘judenchristlich’ eingeordnet werden.

[83] Inzwischen konnte ich die hier dargestellte These auch anläßlich von Gastvorlesungen in Göttingen und Heidelberg vortragen. Den dort beteiligten Kollegen bin ich für manche Anregung und Kritik in den Diskussionen dankbar. Insbesondere danke ich Herrn Professor G. Theißen dafür, daß er mir die oben in Anm. 30 erwähnte Arbeit von N. Hyldahl zugänglich machte, die tatsächlich manche der auch von mir angestellten Überlegungen vorwegnimmt.