Susan Hinely. Charlotte Wilson, die ‘‘Frauenfrage’’, und die Bedeutungen des anarchistischen Sozialismus im spätviktorianischen Radikalismus.
Die jüngere Literatur zu den radikalen Bewegungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts hat diese Zeit als eine Schlüsselphase der gegenwärtigen Globalisierung interpretiert, in der ideologische Formulierungen und radikale Bündnisse im Fluss waren, so dass sie sich nicht leicht in die von der politischen Geschichte bereitgestellten Kategorien einfügen lassen. Die hier vorgelegte Analyse des anarchistischen Gedankenguts und des Aktivismus der Charlotte Wilson im spätviktorianischen Großbritannien interveniert in diese neuere Geschichtsschreibung. Die These bezüglich einer globalen ideologischen Heterogenität wird gestützt und zugleich erweitert, indem die Infragestellung sexueller Hierarchien durch zahlreiche radikale Strömungen aufgezeigt wird. Die überraschenden Bündnisse, die Wilson schloss, um ihre Vorstellungen von einem anarchistischen Sozialismus umzusetzen, unterstreichen den vielgestaltigen Charakter radikaler Politik, zeigen aber zugleich auch den übergreifenden Konsens auf, der die verschiedenen Gruppen einte: ihre gemeinsame Vision einer sozialistischen Zukunft, in der die grundlegenden, doch entgegengesetzten Werte des Selbst und der Gesellschaft verschmelzen. Dieser Konsens ermöglichte Wilsons geschlechtsbewusster Definition des Anarchismus die Anpassung an neue Bedingungen, während Wilson und andere Frauen ihre radikale Vision als Aktivistinnen der Vorkriegs-Frauenbewegung verfolgten.
Genís Barnosell. Gott und Freiheit. Radikaler Liberalismus, Republikanismus und Religion in Spanien, 1808–1847.
Dieser Artikel untersucht die religiösen Aspekte des spanischen Republikanismus der 1830er und 1840er Jahre. Aus dem Fall Kataloniens, der am stärksten industrialisierten Region Spaniens, wird geschlossen, dass der radikale Liberalismus eine Synthese aus Freiheit und Religion entwickelte, die als Alternative zur traditionellen Religiosität dargestellt wurde. Indem sie auf alte, in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges von 1808–1814 beliebte Mythen zurückgriffen, stellten zudem einige Liberale und Republikaner ihr politisches Projekt als chiliastisches dar. Dieser Chiliasmus ging auf den Radikalismus zurück, anhand dessen sie ihre Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern deuteten. Einer dieser Gegner war die etablierte Kirche. Daher beinhalteten die Religiosität und der Chiliasmus, den diese Republikaner an den Tag legten, auch einen ausgeprägten Antiklerikalismus. Gleichzeitig wurden diese Ansätze im politischen und kulturellen Kontext Spaniens von den Anhängern der Republikaner nicht etwa als Verleugnung des Heiligen, sondern als dessen wahrhaftigster Ausdruck begriffen.
Mischa Suter. Ein Stachel in der Seite der Sozialgeschichte: Jacques Rancière und die Zeitschrift Les Révoltes logiques.
Der Beitrag untersucht die Schnittstellen zwischen Geschichte und Politik in den Arbeiten des französischen Philosophen Jacques Rancière und fokussiert dabei auf die kollektiv herausgegebene Zeitschrift Les Révoltes logiques (1975–1985). Es wird die These vertreten, das historiographische Projekt von Les Révoltes logiques habe spezifische Formen des Gegenwissens aufgegriffen, die in die linksradikale Politik der Zeit eingebettet waren. Darüber hinaus verfolgt der Beitrag auch die Auseinandersetzung mit der Geschichtsschreibung und die Rolle der Geschichte in Rancières späteren, nach der Einstellung der Zeitschrift erschienenen Arbeiten. Abschließend wird einigen gemeinsamen Anliegen Rancières und der jüngeren Sozialgeschichte nachgespürt.
Michael Zeuske. Historiographische und Forschungsprobleme der Sklaverei und des Sklavenhandels aus globalgeschichtlicher Perspektive.
Der Beitrag blickt aus globalgeschichtlicher Perspektive auf sämtliche Formen der Sklaverei und des Sklavenhandels (einschließlich der verschiedenen Formen des Schmuggelns menschlicher Körper), diese in ihrem Verhältnis zum gegenwärtigen Stand kapitalistischer Akkumulation untersuchend. Er verfolgt die Entwicklung der Ansätze zur Erforschung der Sklaverei in mehreren Ländern, wie sie sich aus unterschiedlichen imperialen Traditionen ergeben haben, und geht auf die verschiedenen Bereiche historischer Reflexion ein, die Anregungen von der Erforschung der Sklaverei erhalten haben. Zwar gibt es kein rechtliches Eigentum an Menschen mehr, doch leben heute mehr Frauen und Männern unter Bedingungen der Sklaverei als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt seit dem Jahr 1200. Vor diesem Hintergrund kritisiert der Beitrag die historiographische Fokussierung auf ‘‘hegemoniale’’ Formen der Sklaverei (in der Antike, im Islam, auf den amerikanischen Plantagen) und plädiert für eine Hinwendung zu kleineren (in erster Linie Frauen und Kinder betreffenden) Fällen der Sklaverei weltweit. Es wird auch dafür plädiert, stärker auf das Handlungsvermögen der Sklaven und Sklavinnen zu achten, anstatt auf die ‘‘große’’ Sklaverei, wie sie in der Tradition des ‘‘römischen Rechts’’ erscheint.