This article aims to temper the fetishization of the events of 1989–1990. It explores how the historical framing of the Federal Republic transforms when 1989–1990 becomes peripheral, and argues that the force of 1989–1990 as a mythic ending relies on two interpretive paradigms: on a temporal sensibility based on a belief in the progressive development of politics and society, and on a conception of identity and difference understood in terms of a Cold War global order. The article highlights how these twentieth-century paradigms guided the historiography that made 1989–1990 the climax of the history of the Federal Republic. The precondition of any new master narrative for the Federal Republic is the recognition that these paradigms have lost their purchase. Viewed instead through the new temporal sensibility of presentism and the lateral power politics of globalization, 1989–1990 assumes a new position amid longer arcs of historical change that do not hinge on the fate of the Berlin Wall.
Dieser Aufsatz zielt darauf ab die Fetischisierung der Ereignisse von 1989–1990 abzuschwächen. In diesem Sinne wird untersucht, wie sich der historische Rahmen der Bundesrepublik verändert, wenn 1989–1990 an die Peripherie gerückt wird; dabei wird argumentiert, dass die Kraft von 1989–1990 als ein mythisches Ende auf zwei interpretativen Paradigmen beruht, nämlich zum ersten auf einer temporalen Sensibilität, die auf einem Glauben an eine fortschrittliche Entwicklung von Politik und Gesellschaft beruht, und zum zweiten auf einem Konzept von Identität und Unterschiedlichkeit, das auf der globalen Ordnung des Kalten Krieges fußt. Der Aufsatz hebt hervor, wie diese Paradigmen des 20. Jahrhunderts die Historiographie bestimmten, die 1989–1990 zum Höhepunkt der Geschichte der Bundesrepublik gestaltete. Die Vorbedingung eines jeden neuen Masternarrativs für die Bundesrepublik ist somit die Erkenntnis, dass diese Paradigmen ihre Kraft verloren haben. Wenn man 1989–1990 dagegen vom Blickwinkel der neuen temporalen Sensibilität des Presentismus und der lateralen Machtpolitik der Globalisierung betrachtet, nimmt es eine neue Position ein: eine Position inmitten längerer historischer Veränderungsprozessen, die nicht vom Schicksal der Berliner Mauer abhängen.