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Brecht, Galilei, Das Fernrohr Und Die Bibel

Published online by Cambridge University Press:  28 October 2020

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Summary

Bertolt Brechts Leben des Galilei (BFA 5, 187–289) hat eine doppelte Wirkungsgeschichte, eine glänzende als Theaterstück und eine womöglich noch wirksamere als Stoff im Deutschunterricht. Die Gebildeten Deutschlands beziehen ihre Kenntnisse über Galilei wohl zumeist aus diesem Stück. Brecht wollte den wirklichen Galilei des siebzehnten Jahrhunderts darstellen, denn er sah in Galilei den Stammvater der modernen Physik, dessen Versagen bis zur Atombombe nachwirke. Und er betrachtete den Konflikt Galileis mit seiner Obrigkeit als typisch für Klassengesellschaften und deshalb als lehrreich für die gegenwärtigen ideologischen Kämpfe. Für beide Zwecke war ein fingierter Galilei untauglich.

Aber hat sich denn Brecht tatsächlich an das gehalten, was er damals vom historischen Galilei wusste? Diese Frage lässt sich leicht beantworten, denn Brechts Hauptquelle zu Galilei ist das unüberboten materialreiche, aber von schwärmerischer Bewunderung für Galilei getragene Buch von Emil Wohlwill, Galilei und sein Kampf für die copernicanische Lehre. Auf den folgenden Seiten wird erstmals untersucht, wo Brecht seiner Vorlage gefolgt ist, wo er Veränderungen vorgenommen hat und was er zwar dort gelesen, aber nicht aufgenommen hat.

Wohlwills Buch ist über hundert Jahre alt und insofern nicht auf dem neuesten Stand. Über den Aristotelismus in Spätmittelalter und Renaissance liefert Wohlwill ahnungslose Pauschalurteile. Leider ist der Zeilenkommentar von Günter Klotz zu Brechts Leben des Galilei in der BFA auch nicht auf dem neuesten Stand der Galileiforschung. Auch die vielen im Internet zugänglichen Unterrichtshilfen zu Brechts Leben des Galilei nehmen Brechts Darstellung weithin unkritisch als historisch und wissenschaftsgeschichtlich zutreffend hin. Sie übergehen die Galileiforschung, als würden Literaturwissenschaftler und Wissenschaftsgeschichtler auf verschiedenen Planeten wohnen.

Wie es wirklich war muss uns aber unabhängig von Brecht deshalb interessieren, weil der Prozess gegen Galilei ein epochales Ereignis der europäischen Geschichte gewesen ist. Mit dem Prozess gegen Galilei kam es zu einem bis dahin unbekannten Bruch zwischen Theologie und Naturwissenschaft, der lange nachgewirkt hat. Erst 1835 streicht die katholische Kirche Galileis Dialog über die beiden Weltsysteme vom Index der verbotenen Bücher. Und erst 1992 hat Papst Johannes Paul II. erklärt, Galilei sei zu Unrecht verurteilt worden.

Im Folgenden soll Brechts Leben des Galilei mit dem historisch bezeugten Galilei verglichen werden.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2018

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