Anders als bei Kafka und Musil, den beiden anderen großen deutschsprachigen Romanciers aus dem böhmisch-österreichischen Sprachraum, hat Hermann Broch zeit seines Lebens Gedichte geschrieben und die Möglichkeiten der lyrischen Gestaltung hoch eingeschätzt. Seine Gesammelten Werke werden nicht von ungefähr mit dem Band Gedichte eröffnet. Das Echo, das diese Gedichte bisher gefunden haben, war äußerst gering. Claude Davids Urteil über Brochs Lyrik hat durchaus typische Bedeutung: “Man hat auch Gedichte Brochs veröffentlicht, die jedoch in den meisten Fällen nicht über das Niveau formaler Übungen hinausreichen.” Auch die Gedichtpartien, die Broch seinen Romanen einfügte, sind ähnlich abwertend beurteilt worden. Über die “Stimmen”, die Gedichte der Schuldlosen, wurde zum Beispiel in Times Literary Supplement bemerkt: “The stories … are linked by some of those homemade verses that German writers for the past century have been so ready to run up on their sewing-machines” (S. 210). Was diese Urteile miteinander verbindet, ist die Tatsache, daß die Maßstäbe der Bewertung von außen herangetragen werden. Welche Bedeutung das Lyrische innerhalb Brochs ästhetischer Anschauung hat, ist bisher nicht untersucht worden. Dieses Problem hat zwei Aspekte. Einmal geht es um die Frage nach Brochs spezifischer Auffassung des Gedichts, und zum andern ist die Frage damit verbunden, welche Funktion das Gedicht und allgemein das Lyrische in Brochs Romanen haben.