Published online by Cambridge University Press: 02 December 2020
Die einheit von Wilhelm Meisters Lehrjahren und ihrer Fortsetzung, betitelt Wilhelm Meisiers Wanderjahre oder die Entsagenden, wird von der neueren Goethe-Forschung fast einstimmig bejaht. Die Verbindung zwischen den beiden Romanen wird einmal durch die vielen Personen hergestellt, die zuerst in den Lehrjahren und dann wieder in den Wanderjahren auftreten. Unter diesen Personen stent natiirlich an erster Stelle der Titelheld selbst, der in beiden Romanen den Mittel-punkt einnimmt. In den Wander jahren werden ferner pädagogische und bevölkerungspolitische Plane, auf die in den Lehrjahren schon hinge-wiesen wird, fortgesetzt und vertieft. Die Forschung hat diese Verbin-dungspunkte geniïgend hervorgehoben. Bisher ist es jedoch nicht gelun-gen, ein Motiv im Wilhelm Meister selbst zu finden, mit dem Goethe diese Einheit zwischen den Lehrjahren und den Wanderjahren auch dichterisch zum Ausdruck bringt. Das Bild vom kranken Königssohn, das an mehreren wichtigen Stellen der Lehrjahre erwähnt wird, bildet ein solches Motiv, das von einem zum anderen Roman weist. Ein beträcht-licher Teil dessen, was in den Wander jahren vor sich geht, wird in dem Geschehen, das auf dem Bild vom kranken Königssohn seine Darstellung gefunden hat, schon vorgedeutet. Andererseits lassen sich einige Szenen der Wanderjahre erst dann völlig deuten, wenn man sie im Zusammen-hang mit diesem Bilde betrachtet. Dieser Gesichtspunkt erweist sich als besonders wertvoll bei einer Analyse des Schlufibildes der Wanderjahre, dessen tiefe Bedeutung für den gesamten Wilhelm Meister sich so zum ersten Mal offenbart.
Note 1 in page 419 Im Rahmen dieser Arbeit ist es unmoglich, die gesamte Literatur zum Wilhelm Meister kritisch zu sichten. Max Wundts Buch, Goethes Wilhelm Meister und die Entœicklung des modernen Lebensideals, 2. Aufl. (Berlin und Leipzig, 1932), ist noch immer grundlegend. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat ihr Interesse besonders den Wander jahren zugewandt. Hiervon zeugen die Beiträge von Karl Vië'tor und Alexander Hohlfeld in dieser Zeitschrift (LIX [1944] und LX [1945]). Der Verfasser wird sich mit den neusten Kommentaren zu den Wanderjahren von Erich Trunz, André Gilg und Arthur Henkel im Verlauf dieser Arbeit auseinandersetzen. Trunz und Gilg bringen beide sehr brauchbare Literatur-verzeichnisse.
Note 2 in page 419 Goethes Werke, Weimarer Ausgabe, i, 21, 105 ff.; 22,58; 23, 121, 155, 161, 165, 247, 303 f.
Note 3 in page 421 Heinrich Diintzer, Wilhelm Meisters Lehrjahre von Goethe, 2. Aufl. (Leipzig, 1875), S. 129. Noch eindeutiger in Goethes Werke, hrsg. von H. Diintzer (Stuttgart, O. J.), xv1, 64.
Note 4 in page 421 Sämtliche Werke (Donaueschingen, 1825–29), i, 92 ff.
Note 5 in page 421 So z.B. in der Jubiläums-Ausgabe (xvn, 337) und in der Festausgabe (xi, 592 f.).
Note 6 in page 423 Ärmlich schon Wundt, op. cit., 134 f.
Note 7 in page 424 WA, i, 23, 161.
Note 8 in page 424 WA, i, 21, 106.
Note 9 in page 428 WA, i, 25l, 260.
Note 10 in page 429 Wilhelm Meislers Wanderjahre oder die Entsagenden (Stuttgart und Tübingen, 1821), S. 202 ff. In dieser Fassung der Wanderjahre hat die Aufnahme des Gedichtes betitelt “Ottilien von Goethe” immer ein Rätsel dargestellt. Dieses Gedicht scheint in keiner Beziehung zum Inhalt des Romans zu stehen. Darauf haben Gräf, Goethe über seine Dichtungen (Frankfurt/Main, 1901–14), ii, 971 f., und ganz vor kurzem auch George C. Buck, “Goethe and his Stowaways” (Diss. Yale, 1954, Maschinenschrift), S. 192 ff. hingewiesen. Darf man aber nicht in dem Verhältnis Wilhelm, Felix und Hersilie eine Parallele sehen zu dem, was zwischen Goethe, seinem Sohn August und dessen Frau Ottilie bestanden hat? Das besagen doch deutlich die letzten Zeilen des Gedichtes: “Dafi dem Vater in dem Sohne/Tüchtig-schöne Knaben bringst.”
Note 11 in page 430 Goethes Werke, hrsg. von Erich Trunz (Hamburg, 1948-), VIII, 715 ff.
Note 12 in page 430 Wilhelm Meisters Wanderjahre und ihre Symbole (Zurich, 1954), S. 183 ff.
Note 13 in page 430 Entsagung: Eine Studie zu Goethes Altersroman (Tubingen, 1954), S. 39 f.
Note 14 in page 430 WA, i, 251, 32, 82.
Note 15 in page 431 WA, i, 24, 104 f.
Note 16 in page 431 WA, i, 251, 295.