In einem Rückblick auf die männlichen Romanhelden des 18. Jahrhunderts stellt sich Therese Huber, die zu diesem Zeitpunkt im Jahr 1828 ihr eigenes umfangreiches Werk vor Augen hat, die Frage: "ist ein Mann zum Romanhelden zu brauchen?” Ihre noch zu erläuternde Folgerung lautet, "daß kein Romanenheld ein Mann ist” (Hu, 215). Aber als was muss man ihn dann verstehen? In der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts befinden sich Konstruktionen von Geschlechterdifferenzen bzw. deren Narrativierung in einem tiefgreifenden Wandel. Huber hebt ein Darstellungsproblem hervor: Wirksame fiktive Männerfiguren seien nicht mit dem wirklichen Mann zu vergleichen. Der "ideale” außerliterarische Mann ist nach Huber von Milde und Kraft, Geist und Selbstbeherrschung so durchdrungen (Hu, 213–15), dass er für eine Romanhandlung, deren Movens vor allem in Liebes- und Eifersuchtsverwirrungen besteht, schlicht unbrauchbar wird.
Diesen (außerliterarischen) Männlichkeitstypus charakterisiert sie durch einen bestimmten Tugendkatalog nach dem literarischen Vorbild des Charles Grandison: Die Tugenden führen zur Kontrolle der männlichen Neigungen und Leidenschaften und ermöglichen den ureigenen Beruf "als Mann und Bürger” (Hu, 215). Eine solche Männerfigur, die weder Selbstsucht noch ausgrenzende Liebe noch ein singuläres Interesse kennt, sondern ihr Interesse auf das Ganze richtet — als Ehemann, Vater, Bürger — ist aber ein langweiliges Romansujet; mit der Spannung "wäre es ja gleich aus” (Hu, 216). Es bleibt zu untersuchen, "was […] in den kleinlichen, erschlafften, verzwickten, verkrüppelten Verhältnissen, wie unsere Romane sie schildern und unsere Wirklichkeit sie bildet, für Männer sich entwickeln” (Hu, 216). Dass sich der vollkommene Heros nicht zum Protagonisten eines Romans aufschwingt, zeigt bereits Christian Friedrich von Blanckenburgs Versuch über den Roman (1774), ganz ähnlich wie Lessings "Poetik des Mitleids,” die ebenfalls im Trauerspiel keinen "Helden” zulässt. Perfektibilität und Passivität bei Blanckenburg einerseits, hamartia und Personal von "gleichem Schrot und Korne” bei Lessing andererseits bilden "die möglichen Menschen” im Roman und die gemischten Charaktere auf der Bühne ab.
Erzählmuster zur Etablierung von Männlichkeiten sind historisch wandelbar. Sie erfordern stets neue Selbstbestätigungsmodelle: Die Erarbeitung außerliterarischer Selbstbestätigung findet sich z.B. in zeitgenössischen Autobiographien, die in Hinsicht auf Männlichkeitskonstrukte vielfach untersucht worden sind (so Ulrich Bräkers Der arme Mann im Tockenburg). In der Aufklärung formt sich diese Selbstvergewisserung um ein hegemoniales Männlichkeitsmodell, entlang dessen sich "die bürgerliche Gesellschaft […] neu strukturierte.” Im Rahmen eines solchen Hegemonialkonzepts sollen idealtypische Männerfiguren — man denke an die antikisierenden Heroenstatuen der Ära Winckelmann — und entsprechende Stereotype in stabile Muster überführt werden. Die Untermauerung einer "Dichotomie der Geschlechter” geschieht in Wissensdiskursen, die im 18.